Gestrandet auf der Lustinsel

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Gestrandet auf der Lustinsel
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Sara Jacob

Gestrandet auf der Lustinsel

Erotische Erzählung

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Gestrandet

Vergöttert

Geprüft

Verführt

Verdorben

Entdeckt

Pervertiert

Befreit

Impressum neobooks

Vorwort

Ich fand dieses alte Manuskript in einer Kiste, die ich vor ein paar Wochen in Berlin auf dem Flohmarkt erstand. Es kostete mich einige Mühen, es zu lesen, da die Schrift schon sehr stark verblasst war, auch die altertümliche Sprache stellte mich vor einige Herausforderungen. Doch als ich erkannte, welch faszinierende Geschichte dort von Celine de Bienbaiser berichtet wurde, machte ich mich gleich daran, es mit meinen eigenen Worten zu übersetzen.

Gestrandet

Wir schreiben das Jahr des Herrn 1799. Mein Name ist Celine de Bienbaiser. Ich bin vor einigen Wochen an einem fremden Gestade gestrandet, irgendwo in der gottverlassenen Weite des Pazifiks, und habe das Paradies gefunden.

Ich schreibe diese Zeilen im Bewusstsein, dass sie niemals ein Mensch zu lesen bekommen wird, denn was ich hier berichte, würde meinen Ruf so nachhaltig beschädigen, dass ich zu Lebzeiten niemals mehr gesellschaftsfähig würde.

Und dennoch muss ich davon berichten, denn diese Tage auf der Insel haben mein Leben so nachhaltig verändert, dass ich ein anderer Mensch, ja, sogar ein neuer geworden bin.

Mein Schiff war auf dem Weg von unserer Forschungsstation auf Maliv'aa zur größeren, aber bislang kaum erforschten Insel Kavuba. Mein Mann ist der Forschungsreisende Charles de Bienbaiser, mit dem ich die letzten drei Jahre kreuz und quer durch Polynesien gesegelt bin, um die Inseln zu kartographieren und die Ureinwohner zu studieren.

Während Napoleon versuchte, aus Ägypten eine französische Provinz zu machen und den Zugang zu den fruchtbaren Äckern am Nil sowie die Vormachtstellung levantinischen Handel mit Gewalt zu sichern, versuchten wir auf die elegante Art, der Welt die französische Lebensart näher zu bringen und Bande zu knüpfen.

Mein Gatte Charles hatte Anfangs nicht verhehlen können, wie gerne er Teil der Commission des sciences et des arts gewesen wäre, die Napoleon Bonaparte ins Leben gerufen hatte. 167 Wissenschaftler, Künstler, Ingenieure, Schriftsteller und viele andere Experten auf ihren Fachgebieten waren mit der französischen Invasionsarmee nach Ägypten gereist, um das Land der Pharaonen zu beschreiben und zu kartographieren.

Charles war nicht einberufen worden, stattdessen nahm man Ingenieure wie Jacques-Marie Le Père und Verwaltungsbeamte wie Gaspard de Chabrol mit, die das Land vermessen sollten. Vermessen, statt es zu verstehen, hatte Charles immer wieder geschimpft. Sie könnten die Höhe der Pyramiden bestimmen, aber es seien Ethnologen nötig, um zu verstehen, wieso man sie gebaut hatte.

Der Groll hielt einige Monate an, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein reicher Gönner eine zweijährige Forschungsreise der Magnifique finanzierte. Die Magnifique war ein Stagsegelschoner mit drei Masten, der mit seiner Takelage hart am Wind segeln konnte und ideal für schnelles Kreuzen zwischen den polynesischen Inseln. Wir folgten der umgekehrten Route von Louis Antoine de Bougainville, dem ersten Franzosen, der einmal um die ganze Welt gesegelt war. Von Brest aus stachen wir in See, umschifften das Kap der guten Hoffnung, durchquerten den indischen Ozean, machten Station auf der Ile de France und erreichten einen Monat später Batavia.

Von dort aus erkundeten wir die millionenfache Inselwelt von Polynesien, kartografierten, und, was noch viel wichtiger war, lernten wir die unberührten Einwohner kennen, deren Existenz durch die vielen Missionare, Matrosen und Maladien bedroht wurde. Wir dokumentierten ihre Kultur, bevor diese von Sklavenhändlern und Krankheiten ausgelöscht würde.

Immer weiter westwärts führte uns unser Weg. Wochenlang kreuzten wir auf der Magnifique zwischen den Inseln, entdeckten neue, menschleere Gestade, trafen auf wilde, uns feindlich gesonnene Eingeboren und auf die freundlichsten Wesen unter der Sonne. Eine Woche nach unserer Abfahrt von Samoa gerieten wir in einen heftigen Sturm und kamen vom Kurs ab. Ich muss gestehen, dass ich nicht unschuldig daran bin, dass ich über Bord gegangen bin, denn unvorsichtigerweise verließ ich die Kajüte, in der mein Mann und ich untergebracht waren, weil ich mir Sorgen um Charles gemacht hatte.

Charles ist schon etwas älter, und er ist seit unserer Hochzeit nicht nur mein Ehemann, sondern auch mein Beschützer gewesen. Eine meiner Freundinnen in Paris, meine geliebte Sophie, hatte schon früh vermutet, ich habe in Charles eher eine Vaterfigur gesehen und sei mit meinen einundzwanzig Jahren eher so alt wie seine Tochter, wenn er denn eine gehabt hätte.

Und jetzt, drei Jahre nach unserer Hochzeit, muss ich eingestehen, dass sie Recht gehabt hat. Charles sah in mir auch nicht viel mehr als eine Begleiterin, eine Assistentin, die ihm mit Korrespondenz und Archiv zur Hand ging. Unser Eheleben, nun ja, ich erröte, wenn ich diese Zeilen schreibe, war etwas unterentwickelt.

Um genau zu sein, haben wir nur ein einziges Mal das Bett geteilt, und das auch nur… ach, das gehört nicht hierher.

Ich war auf der Suche nach Charles, der sich an Deck begeben hatte, um dem Kapitän einen neuen Kurs zu überbringen. Tapfer kämpfte sich unser kleiner Schoner durch die aufgewühlte See. Blitze zuckten über den Himmel, es donnerte krachend. Die Magnifique krängte und die Wogen gingen hoch, um uns nur schwarze Nacht voller Regen und tosenden Wellen, die sich bestimmt mehrere Fuß hoch türmten.

Einer dieser Brecher, so muss ich also gestehen, donnerte auf das Deck, riss Fässer aus der Verankerung, und das war meine Rettung, denn gerade als ich dachte, dieser riesigen Woge entkommen zu sein, stürzte ein weiterer Brecher auf mich ein und riss mich von den Beinen.

Plitschnass war ich mit einem Male, durchnässt biss auf die Haut unter meinem dünnen Kleid. Ich taumelte, die See ging hoch, ich schlitterte über das Deck, schluckte salziges Wasser und prallte gegen die Reling. Ich schrie, aber der Sturm riss mir die Worte von Lippen. Die nächste Woge, die über das Deck rauchte, wurde mir zum Verhängnis. Ich wurde wie ein Stück Treibholz von Bord gespült. Oben war unten, die letzten Lichter an Bord verschwammen hinter Wasserschleiern, und dann stürzte ich in die tobende See.

Tief tauchte ich ein, dachte, mein letztes Stündlein habe geschlagen. Das Wasser schlug über meinem Kopf zusammen, ich strampelte mit den Beinen, verlor meine Schuhe. Das nasse Kleid wurde zum Ballast, der mich in das tiefe, dunkle Meer zu ziehen drohte, doch auf mirakulöse Weise brach ich mit letzter Kraft durch die Wasseroberfläche.

Mein schlimmster Alptraum wurde wahr. Ich befand mich in einem tiefen Wellental und sah noch, wie unser Segelschiff im fahlblauen Licht eines zuckenden Blitzes auf der Spitze einer monströsen Welle taumelte, bevor es in der Dunkelheit verschwand.

Ich wurde von einer Welle nach oben getragen, etwas stieß gegen meinen Kopf, Wasser peitschte mir ins Gesicht, ich spuckte und hustete, schnappte nach Luft, ging unter, griff nach dem, was mich getroffen hatte, und bekam eine Leine zu fassen.

An dieser Leine, und das war meine Rettung, an die ich in diesem Augenblick der Verzweiflung und Todesangst, mit Tausenden Ellen Wasser unter meinen strampelnden Beinen kaum noch geglaubt hatte, hingen zwei Holzfässer, die gut kalfatert dem Untergang in die tiefe See trotzten.

Ich klammerte mich an das Seil, wickelte es mir um mein Handgelenk und rief um Hilfe, schrie, bekam Wasser in den Hals, musste husten und erkannte Angesichts des tobenden Sturms die Sinnlosigkeit dieses Vorhabens.

Niemand würde mir helfen, außer mir selbst. Alsbald zog ich mich mithilfe des Seils auf die beiden, eng zusammengebundenen Fässer, die mich wie ein kleines Floß auf den Wellen trugen.

Ich fror entsetzlich, mein nasses Kleid klebte mir am Körper, und Regen, Wellen und Gischt peitschten mir ins Gesicht. Um mich herum nur der tosende, pechschwarze Sturm, gelegentlich erhellt von ein paar zuckenden Blitzen.

Irgendwann ließ der Wind nach, die Wogen wurden niedriger, und ich fiel in einen erschöpften Schlaf.

Ich träumte, ich sei in einem riesigen Garten und müsste die Namen von Blumen bestimmen, die ich noch nie gesehen hatte. Charles war in diesem Garten, doch er hielt sich im Hintergrund. Ein fremder Mann zeigte mir immer wieder gänzlich unbekannte Blüten und Blumen, deren Namen ich beim besten Willen nicht sagen konnte, und der Mann wurde wütend.

 

Hilf mir, dachte ich im Traum, hilf mir Charles, warum hast du mich nicht besser darauf vorbereitet, doch Charles verschwand.

Als ich aufwachte, wusste ich, noch ehe ich die Lider hob, dass ich gerettet war, denn das unaufhörliche Schwanken, das Schaukeln auf der Dünung hatte aufgehört.

Ich schlug die Augen auf.

Noch immer lag ich zusammengekauert auf den beiden Holzfässern, die von der Strömung und durch göttliche Bestimmung an einen langen, weißen Sandstrand gespült worden waren.

Der Strand war viele Schritte breit, bevor er in einem sehr grünen Palmengürtel versandete. Dahinter erhob sich ein dichter Urwald. Ich war mir sicher, dass es sich bei diesen Gestaden um eine Insel handelte, da wir weit, weit entfernt vom nächsten Kontinent auf Reisen gegangen waren.

Ich sah zurück über meine Schulter. Ich war auf einem Atoll gestrandet, ein schmaler, aus der Distanz zerbrechlich wirkender Korallengürtel schützte die Lagune, die türkis schimmernd und friedlich vor mir lag, als habe nicht vor wenigen Stunden noch ein furchtbarer Sturm gewütet.

So weit das Auge reichte erstreckte sich das tiefblaue Meer hinter dem Korallengürtel, über den mich in der Nacht eine Welle getragen haben musste.

Ich erhob mich von meinen Fässern, die mir das Leben gerettet hatten. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen war es noch früher morgen, aber sie brannte bereits jetzt so erbarmungslos von einem azurblauen Himmel, dass ich mich bald nach einem Schluck Wasser sehnte.

Gestrandet, dachte ich. Und sofort erfasste mich eine große Angst. Es gab tausende Inseln in dieser Region des Pazifiks. Wie würde mich hier jemals irgendjemand finden? Und würde mich überhaupt jemand suchen, war es nicht aussichtslos gewesen, dass ich in diesem Sturm im Meer hätte überleben können?

Ich schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab. Vielleicht gab es hier Menschen, die mir helfen konnten. Vielleicht hatte ich schon, durch einen Zufall, der an göttliche Intervention grenzte, Kavuba erreicht.

Ich raffte mein Kleid, grub meine Zehen in den weißen, weichen Sand, und wollte gerade am Strand entlanglaufen, als ich die Frau zwischen den Palmen sah.

Sie war nackt. Ihre Haut hatte eine Farbe, die nicht so blass wie die der Europäer war, aber auch nicht dem dunkelbraun der sonstigen Ureinwohner dieser Region entsprach. Es war eher ein bronzefarbener Hautton, der mich fesselte.

Menschen. Ich war nicht auf einer einsamen Insel gestrandet. Mein Herz wollte vor Glück beinahe zerspringen. Ich hob die Hand zum Gruß. Die Frau, die zwei Kokosnüsse in den Armen hielt, erschrak, und noch ehe ich die Palme erreichte, war sie im dichten Urwald verschwunden.

Ich bin kein ängstlicher Mensch, auf meinen Reisen mit Charles habe ich schon immer mit fremden Kulturen Kontakt gehabt, aber irgendetwas machte mich in diesem Moment misstrauisch und vorsichtig.

Ich beschloss, am Strand entlang zu gehen anstatt der Frau in den tiefen Urwald zu folgen. Vielleicht stieß ich noch auf einen Hafen, in dem mich ein französisches Missionarsschiff oder ein Handelssegler aufsammeln und zurück nach Batavia bringen konnte. In dieser Region wurden viele der Eingeborenen eifrig zu sittsamen Christen konvertiert, um den heidnischen Gebräuchen Einhalt zu gebieten. Dazu gehörte auch, sich sittsam zu kleiden und nicht wie hier, in schamloser Nacktheit vor die Augen der zivilisierten Europäer zu treten.

Zum Glück, so dachte ich, hatte ich schon einiges gesehen in den vergangenen Monaten, so dass mich nichts mehr auf das Entsetzlichste schockieren konnte.

Wie sehr hatte ich mich doch getäuscht. Ich hatte in meinem Leben, so würde mir erst später klar werden, noch gar nichts gesehen.

Kaum jedoch hatte ich mich umgedreht, um zurück zum Spülsaum zu gehen, hörte ich Äste krachen, laute Stimmen, und schließlich brachen vier Männer aus dem Urwald.

Sie trugen Speere. Auch sie waren nackt und ihre bronzefarbene Haut glänzte in der Sonne.

Ich blieb stehen. Mein Herz schlug bis zum Hals.

»Bonjour«, sagte ich selbstbewusst und hob die echte Hand.

Die Männer musterten mich und wiesen wortlos mit ihren Händen in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Was sollte ich schon machen? Ich folgte ihnen.

Vergöttert

Ich bin in einem kleinen Schloss an der Loire aufgewachsen. Mein Vater, der Comte de Moncullier, hatte stets darauf geachtet, dass ich eine umfassende Erziehung im Sinne der schönen Künste erhielt. Ich war seine einzige Tochter, sein Augapfel, sein Kleinod. Meine drei älteren Brüder erhielten eine strenge Erziehung und mussten sich auf ihr Studium an der Sorbonne vorbereiten, ich jedoch lernte das Spiel am Spinett. Während ich tagsüber durch Avray-le-Puc tanzte und die Hühner über den Hof jagte, mussten meine Brüder in der Bibliothek stundenlang Lektionen in Geographie, Geometrie und Genealogie über sich ergehen lassen.

Ich war ungefähr zehn, als mein Leben eine unerwartete Wendung nahm. Es war ein heißer Sommertag, an dem ich Francois suchte und etwas fand, das ich erst viel später verstehen sollte. Francois, der Sohn unseres Stallmeisters, war einige Jahre älter als ich und ich fand ihn charmant, so wie man einen Bediensteten charmant finden konnte, der mir, wenn ich in den Hof kam, mit gesenktem Kopf mein frisch gesatteltes Lieblingspferd heranführte, ohne dass ich ein Wort verlieren musste, weil er mich kannte und weil er dafür bezahlt wurde, mir zu dienen. Oder sollte ich sagen: Weil Francois nicht bestraft wurde, wenn er tat, was mir gefiel?

An diesem Tag wartete ich, wie jeden Tag ganz früh gleich nach dem Aufstehen, jedoch vergeblich im Hof auf das Klappern der beschlagenen Hufe. Mein weißes Kleid strahlte in der Morgensonne und ich hatte zur Morgentoilette frisches Puder aufgetragen, zum ersten Mal, weil Maman sagte, ich sei langsam in dem Alter, in dem sich Mädchen morgens frisch machen sollten.

So stand ich da, doch Francois kam nicht. Nach einer Weile wurde ich ungeduldig und die Neugierde, die schon damals recht deutlich ausgeprägt war, lenkte meine Schritte zum Stall. Ich hatte schon häufiger den Stall von innen gesehen, vermutlich häufiger, als es meinem Vater lieb gewesen wäre. Auch meine Mutter sagte, es schicke sich nicht, sich mit dem Gesinde zusammen im Stall aufzuhalten, dabei war es mir nie um unser Personal gegangen, sondern um Geruch des Pferdemists, die Sonnenstrahlen, die durch die hohen Fenster fielen, das Schnauben der Pferde und die stickige Wärme.

Wie gesagt: Meine Faszination für das Fremde war schon in frühen Jahren ersichtlich. Kein Wunder, dass ich die Reisen mit Charles von Anfang an als eine Chance angesehen hatte und nicht als Strafe, wie es meine allerliebste Freundin Sophie empfand.

Meine Schritte hallten von den Wänden wider, als ich an den großen Pferden vorbei zum Stellplatz meines kleinen Pferdchens schlich. Es stand noch immer angebunden an seinem Platz, was mich erst verwundert, dann verärgert und schließlich hilflos zurückließ. Da stand ich, in meinem Kleid, fertig für den Ausritt, und meinem Glück stand die Unzuverlässigkeit dieses ungezogenen Burschen Francois im Wege.

Verärgert stieß ich mit dem Fuß auf, ich erinnere mich noch genau, wie ich mich im Kreis drehte und hoffte, irgendein anderer Bediensteter würde in diesem riesigen Pferdestall auftauchen und mir das Pferd heranführen, während ich mir zugleich ausmalte, wie sich Francois unter den Stockhieben des Haushofmeisters wand, seine Haut über und über mit roten Striemen bedeckt.

Im hinteren Teil des Stalles schließlich fand ich ihn. Ich hörte Stimmen, Flüstern, Kichern, Rascheln. Francois lag rücklings im Stroh. Er schlief tief und fest, so erschien es mir, vollständig bekleidet. Offensichtlich hatte er sich nach dem Füttern der Pferde noch einmal hingelegt, um ein Nickerchen zu machen. Zwischen seinen Beinen kniete Josephine, die Gänsemagd, und schüttelte ihn mit der rechten Hand in der Mitte seines Körpers. Ihr tiefes Dekolleté gab einen obszön offenen Blick auf den wogenden Busen frei. Hohes Stroh und ihre linke Schulter verdeckte den Blick auf ihre Hand, die vergeblich an dem schlafenden Burschen rüttelte.

Francois stöhnte im Schlaf, schmatzte, und Josephine beugte sich noch etwas tiefer über ihn, schien in seine Körpermitte beißen zu wollen wie Pferd, das an einer Karotte knabberte.

Francois murmelte wieder etwas, und ich hatte das Gefühl, er würde jetzt aufwachen, doch Josephines Rütteln wurde nur noch verzweifelter und schneller, und wieder senkte sie den Kopf, um ihn zu beißen, damit der Junge endlich aufwachte.

Schließlich gelang es ihr auch.

Francois drückte seine Hüften hoch, Josephine öffnete den Mund, als wollte sie ihn ein letztes Mal beißen, und das schien Francois, jetzt hellwach, nicht zu gefallen, denn ich sah, wie sich seine Hände um den Hinterkopf der Gänsemagd legten, ihn festhielten, während er sich noch letztes Mal unter ihrem Biss aufbäumte und laut keuchte.

Sie musste wirklich sehr fest zugebissen haben, dachte ich und wollte hinzueilen, um sie davon abzuhalten, ihm weiter weh zu tun, als durch das geöffnete Tor ein furchtbarer Lärm in den Stall dröhnte. Menschen grölten, lachten, schrien.

Josephine hob den Kopf. In ihren Mundwinkeln glänzte es feucht und sie wischte sich etwas vom Kinn, das hoffentlich nur Speichel gewesen war und kein Blut, doch ich war sicher, dass es Speichel gewesen war, denn der Tropfen war trüb gewesen und nicht rot.

Auch Francois hob den Kopf, erschrocken und wir alle starrten zum Stalltor.

Ich weiß nicht, wie die Menschen das große, schwere Gitte zum Hof überwunden hatten, aber die Tatsache, dass auf einmal Bauern mit Schlegeln, Sensen und Mistgabeln dort standen, erschreckte mich mehr als alles Andere, das ich zuvor gesehen hatte und verdrängte jede weitere Frage nach dem Wie. Nur das Warum beschäftigte mich.

Warum? Warum sprangen Francois und Josephine mit einem entsetzten Aufschrei aus dem Stroh? Warum hielt er sich die Hände vor den Schritt, als er zur Tür eilte? Ich folgte den beiden in den mit fremden, hasserfüllten, lauten und stinkenden Menschen gefüllten Hof und rief nach Maman, voller Furcht, ihr könnte etwas zugestoßen sein, und so nahm ich Francois' kurzen Blick kaum wahr, der mir etwas sagen sollte, etwas Bedeutungsschweres, das mein Schweigen erforderte.

Im Gewimmel der marodierenden Proleten schließlich fand ich Maman und Papa sowie meine Brüder und ich vergaß bald dieses seltsame Ereignis im Stall, denn dieser Tag war der letzte, den ich auf Avray-le-Puc verbrachte. Noch immer habe ich das Wehklagen von Maman in den Ohren, die jammerte, sie sei doch immer so gut zu ihren Pächtern, den Bauern und dem Gesinde gewesen. Wir mussten in unser Stadtpalais in Paris umziehen, während unser Schloss vom Pöbel geplündert wurde. Immerhin, so hatte uns mein Vater getröstet, waren wir mit dem Leben davongekommen und hatten nicht, wie so viele andere Adlige, den Kopf unter der Guillotine verloren.

Erst viel später verstand ich die wahre Bedeutung dieses Tages im Juli 1789. Die politische Bedeutung und die der Ereignisse im Stroh.

Die Männer führten mich durch den Urwald, und ich wusste, dass ihr Dorf nicht sehr weit sein konnte, da die Frau, von der ich annahm, sie habe die Männer über meine Anwesenheit informiert, in der kurzen Zeit nicht sehr weit hatte laufen können.

In der Tat erreichten wir nach nur wenigen Schritten eine große Lichtung. Vor uns stand ein Dutzend Häuser aus einfachem Holz, deren Dächer mit Palmblättern gedeckt waren. Sie standen teilweise so eng, dass sich die Dächer berührten.

Ich hörte Wasser rauschen, und tatsächlich erkannte ich eine weitere kleine, von einem niedrigen Wasserfall gespeiste Lagune, in der eine Handvoll nackter Menschen badete. Hinter dem Dorf ragte der Urwald auf und die Landschaft wurde hügeliger.

Kaum sahen mich die Dorfbewohner, unterbrachen sie jegliche Arbeit und rannten herbei, um mich zu begrüßen, mich zu berühren, sich vor mir auf den Boden zu werfen und mir die Füße zu küssen. Was mir sofort auffiel, war die völlige Abwesenheit von Kindern. Die jüngsten Menschen, die ich sah, hatten längst ausgeprägte Gemächte und schwellende Brüste, die sie, wie alle im Dorf, ungeniert und entblößt zur Schau trugen.

Meine Ankunft schien sich schnell herumzusprechen, denn immer mehr Menschen begrüßten mich, bejubelten meine Ankunft. Sie klatschten in die Hände, umarmten sich gegenseitig und lachten so glücklich, als sei ich der erste Europäer, den sie zu Gesicht bekamen, nein, als hätten sie darauf gewartet, mich zu sehen.

 

Durch das Dorf wehte ein kühlender Wind, der den Schweiß auf der Haut trocknete, aber mir war dennoch sehr heiß. Wie gerne hätte ich mein Kleid gelüftet, doch der Anstand hielt mich davon ab. Als Europäerin hatte ich eine Vorbildfunktion zu erfüllen, nicht zuletzt, um mich von den Wilden abzuheben.

Die vier Männer führten mich vor eines der Häuser. Wie so oft auf diesen Inseln war auch dieses Gebäude auf Stelzen gebaut. Statt Fenstern ließen lange Schlitze in den Seiten Licht und Luft in das Innere. Giebel und Dachfirst ragten weit empor. Eine kleine Treppe führte hinauf zu einem Eingang ohne Tür, neben dem ein seltsames Zeichen angebracht war, das aus einem Kreis und einem Strich bestand.

Der Kreis umschloss den Strich, so wie ein Ring einen Finger umfasste.

Einer der Männer rief etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie hatte Ähnlichkeit mit einem Dialekt, von Charles etwas kryptisch auch Palimpo genannt, und der auf vielen Inseln in Varianten immer wieder auftauchte. Ich verstand hier jedoch kein Wort.

Im Eingang des Hauses erschien ein großgewachsener, kräftiger Mann, der nichts am Leib trug und dessen Schädel glatt rasiert war. Er war eine seltsam alterslose und zugleich faszinierende Erscheinung, konnte vielleicht dreißig Lenze zählen oder weniger, vielleicht aber auch mehr.

Sein Körper ließ keinen Aufschluss auf sein Alter zu. Er war muskulös, glatt und von dieser faszinierend dunklen, bronzenen Tönung. Zwischen seinen Schenkeln, ich musste den Blick abwenden, so sehr ließ mich der Anblick erröten, beschämte mich diese direkte, primitive Sexualität, baumelte sein dicker, langer Penis.

Auch seine Begeisterung stand in nichts der seiner, und dessen war ich mir recht sicher, Untertanen nach, auch wenn sie etwas majestätischer ausfiel. Seine Augen wurden groß, er hob die Hände über den Kopf und neigte sich vor.

Sofort taten es ihm die anderen Dorfbewohner nach, und ich sah mich vergöttert, als sei ich eine fleischgewordene Gottheit.

Anschließend kam er die Treppe herunter. Ich wich beeindruckt einen Schritt nach hinten. Seine Begeisterung war in eine stumme Bewunderung umgeschlagen.

Der glatzköpfige Mann musterte mich mit seinen stahlblauen Augen, lächelte dabei und sagte etwas in seinem Dialekt. Seine Stimme war tief und meine Faszination für diesen Mann wuchs.

Noch nie zuvor hatte ich einen ähnlichen Mann getroffen.

»Sprecht Ihr meine Sprache?«, fragte ich. Sein Blick wanderte von meiner Sohle bis zum Scheitel. Er schlug die Hände zusammen, lachte freundlich und ging um mich herum. Ich konnte seine Augen auf mir beinahe spüren.

Wie unerhört, dachte ich, wenn Charles hier wäre, würde er sich das nicht trauen.

Kaum war seine Runde um mich herum beendet, hob er noch einmal die Hände in die Höhe, sprach ein paar leise Worte, richtete den Blick gen Himmel, als wolle er einer höheren Macht danken, und gab einem der Männer eine Anweisung. Dieser verschwand und nur kurz darauf hallte ein rhythmisches Trommeln durch das Dorf und übertönte sogar das Rauschen des Wassers.

Aus den Häusern, aus dem Urwald und der Lagune kamen die Menschen, allesamt unbekleidet. Sie lachten, schwatzten, begrüßten mich begeistert, jubelten, rieben sich aneinander vor Freude und gingen sogar vor mir im warmen Sand auf die Knie, um mir erneut zu huldigen. Noch immer sah ich niemanden im Kindesalter.

Ich wurde zwischen den Häusern hindurch zu einem rechteckigen Platz geführt. Er war mit Steinen umfriedet, die teilweise hüfthoch waren. Am Ende befand sich eine von Steinen eingefasste Plattform, auf der ein leerer Thron stand. Es musste eine der Marae sein, von denen James Cook berichtet hatte. Eine Zeremonialanlage, die zu rituellen Zwecken errichtet worden war. Tänze, Ratsversammlungen und Krönungen fanden hier statt. Ich vermutete, dass ich sogleich eine Willkommensfeier erleben würde.

Ich hatte nur keine Vorstellungen davon, wie sehr mich diese Willkommensfeier verstören würde.

Der Häuptling war nirgendwo mehr zu entdecken. Man bedeutete mir, mich am Rand der Versammlungsfläche in den Sand zu setzen. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, aber das schien den Menschen nichts auszumachen.

Neben mir nahmen vier sehr hübsche und sehr nackte junge Frauen Platz. Ihre großen, wohlgeformten Brüste wippten bei jeder Bewegung, und zwischen den Schenkeln bedeckte nur wenig Haar die Scham. Sie lächelten und bewunderten kichernd mein Kleid, unter dem ich inzwischen entsetzlich schwitzte. Hinzu kam meine Nervosität, da ich weiterhin nicht wusste, was mir bevorstand.

Die vier setzten sich neben mich, nackt und nonchalant.

Noch immer schlugen die Trommeln und immer mehr Menschen versammelten sich am Rand des Platzes.

Ich war erstaunt, wie wenig diese Wilden den Ureinwohnern ähnelten, die ich auf den Forschungsreisen meines Mannes zuvor gesehen hatte.

Ihre Haut war wie bereits erwähnt bronzefarben, und nicht fast dunkelbraun wie die der meisten Menschen in dieser Region. Auch ihre Körper waren groß wie die der Europäer, und ihre Gliedmaßen waren lang, kräftig, ebenmäßig.

Was mich jedoch am meisten überraschte waren die Brüste und Gesäße der Frauen sowie die Geschlechter der Männer.

Die Brüste waren groß wie aufgeschnittene Pampelmusen und schwer, doch perfekt geformt. Jede Brust war wie aus Marmor geschlagen und poliert, wie die Statuen im Schlossgarten meiner Eltern, fest und mit aufgerichteten Brustwarzen, die teilweise sogar nach oben zeigten.

Sie waren überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was ich auf anderen Inseln gesehen hatte, und ich hatte nicht nur die oftmals schlaff herunterhängenden Brüste der Polynesierinnen vor Augen, sondern auch die vieler Frauen aus Afrika, die zu sehen mir auf einer Reise an meinem achtzehnten Geburtstag vergönnt gewesen war.

Die anderen Männer trugen ihre Geschlechter ebenfalls unverhüllt. Nicht einmal Penishüllen oder kleine Lendenschurze verbargen den Stolz der Ureinwohner, und kein Penis war kleiner als zwei Handbreiten. Alles an ihnen war straff und fest und glänzte wie eingeölt.

Krieger, dachte ich. Es mussten die Krieger sein. In diesen Breiten wurden die Jungen bereits im Alter von 14 Jahren auf den Kampf vorbereitet. Seltsamerweise sah ich jedoch keine Waffen.

Der große, starke Mann, in dem ich das Stammesoberhaupt vermutete, betrat das Rund, die Trommeln verstummten. Er setzte sich auf einen großen, thronartigen Stuhl, lächelte mir immer wieder zu, und ich fand dieses Lächeln eine Spur zu anzüglich, errötete spürbar und senkte den Blick.

Seine Worte waren wieder fest und laut, und wurden von einer begeisterten Menge aufgenommen. War das eine Willkommenszeremonie, wie ich sie auf Anaa erlebt hatte? Oder beriet man, was mit mir geschehen sollte? Bei manchen Eingeborenen galten die Europäer als wenig interessante Kuriosität, aber niemals, so hatte ich es erlebt, waren wir feindlich empfangen oder mit dem Tode bedroht worden.

Die Antwort erhielt ich nur Sekunden später.

In der größten Mittagshitze begann das Willkommensfest, und ich verfluchte innerlich das Kleid, unter dem ich mich fühlte, als sei ich in den Tiefen der Hölle angekommen.

Ich hatte in der Vergangenheit zu einigen Gelegenheiten bereits die Tänze der Polynesier bestaunen können, und diese Darbietung stand den bisher erlebten in nichts nach.

Von primitiven Rhythmen begleitet hüpften, tanzten, krochen nackte Männer und Frauen in Zweierformation über den Kultplatz. Ich zählte dreizehn Paare, die eine Art Abzählreim vortanzten.

Immer wieder wurde ein Symbol, das ich bei anderen Völkern als das des Jahres gesehen hatte, im Kreis geführt. Ich zählte mit und kam auf dreizehn. Bald ahnte ich, dass ich seit dreizehn Jahren der erste Mensch auf dieser Insel war.

Schließlich änderte sich der Tanz der Paare, wurde enger, schneller, wilder. Sie vollführten die üblichen Fruchtbarkeitsriten, indem sie auf obszönste Weise den Beischlaf simulierten.

Immer wieder musste ich mich zwingen, den Blick auf den nackten Tänzern zu halten, weil ich wusste, wie empfindlich die Eingeborenen sein konnten, wenn sie das Gefühl bekamen, die europäischen Reisenden seien nicht interessiert genug, oder, schlimmer noch, würden sich über diese ernsten Riten lustig machen.

Ohne Pause wurden mir Becher mit einem Getränk gereicht, das würzig schmeckte und mich sofort in einen leichten euphorischen Zustand versetzte.

Die obszönen Verrenkungen vor mir nahmen an Heftigkeit zu, und ich fühlte eine Ohnmacht nahen, so oft sah ich zwischen gespreizte Frauenbeine und auf schlackernde männliche Glieder.

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