Das Sex-Phantom

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Laura wirkte weitaus natürlicher, selbst wenn ihre Haare ebenfalls nicht mehr die ursprüngliche Farbe hatten. Mit ihrem feinen, glatten Gesicht hätte sie gut auf einen Laufsteg gepasst. Wie Tine schätzte ich sie auf etwa Ende zwanzig.

Unter ihrem einfarbigen Kleid schien sie weder Top noch BH zu tragen, denn ihre Brustwarzen bohrten sich deutlich durch den Stoff. Im Schritt jedoch, wo sich das Kleid eng an ihre runden Hüften schmiegte und das Venusdelta andeutete, hoben sich die Nähte eines knappen Slips hervor.

Ich ging leise um die beiden angetrunkenen, kichernden, schwatzenden Frauen herum, immer darauf bedacht, dass meine nackten Füße nicht laut auf die Steine klatschten. Zum Glück hinterließ ich auch keine Schweißflecken auf den Steinen.

Was jetzt? Warten, bis ihre Freundin ging, bis sich beide zum Sonnen noch einmal auszogen, oder doch weiter, zum nächsten Haus? Was fing ich an mit meiner Unsichtbarkeit? Was sollte ich tun?

»Ben arbeitet viel zu viel. Im Bett läuft gar nichts mehr. Ich bin so ausgehungert, ich habe mir vorhin im Halbschlaf beim Sonnen schon vorgestellt, er würde mich lecken. Es war so realistisch.«

Laura nippte Prosecco.

»Warum suchst du dir nicht einen Freund?«

»Ich liebe ihn ja, ich will ihn nicht mit einem anderen Mann betrügen.«

»Du sollst ihn ja auch nicht mit einem Mann betrügen.«

»Soll ich eine platonische Freundschaft mit meinem Friseur schließen?«

Die Brünette schüttelte den Kopf. »Die Betonung lag nicht auf betrügen, sondern auf Mann.«

Oha. Schweigen. Laura nahm einen hastigen Schluck aus ihrem Glas, als wollte sie herunterspülen, was sie gerade gesagt hatte.

»Entschuldigung«, murmelte sie.

Die beiden Frauen starrten sekundenlang vor sich hin. Tine stellte ihr Sektglas ab.

»Wie kommst du darauf, ich könnte auf Frauen stehen?«

Laura räusperte sich. »Ich glaube, das war wohl eher Wunschdenken.«

Irgendwo im Garten zeterte eine Elster. Über den nahen See dröhnte ein Bootsmotor. Mir lief der Schweiß den Körper hinab.

Tine nahm einen großen Schluck Prosecco. Laura knipste nervös mit den Fingernägeln. Wer stand als erste auf? Würde Tine ihre Freundin empört zur Rede stellen, rauswerfen, nie wieder anrufen? Die eigene Freundin anbaggern, das taten Mädchen doch nur als Teenager, wenn sie noch nicht wussten, auf welche Seite sie gehörten.

Aber kannte ich die beiden? Wusste ich, wie lange sie schon Freundinnen waren, was sie voneinander wussten? Nicht jeder war so oberflächlich wie du.

Tine blieb verdammt ruhig. Ich sah genauer hin. Auf ihrem Sektglas bildeten sich kleine konzentrische Kreise. Ihre Hand zitterte. Ich ging noch näher an Tine heran. Tatsächlich. Ihre Nippel bohrten sich deutlich durch den Bikini.

Tines Stimme war hart, härter als erwartet.

»Also, ich glaube, du musst dich mal abkühlen. Du hast wohl einen Sonnenstich. Oder ist das der Prosecco?«

Laura stand auf. Der Stuhl schabte laut über die Steine. »Entschuldigung. Ich glaube, ich geh besser.«

Sie beugte sich vor, hob schwankend ihre Sandalen vom Boden auf und nahm das Handy vom Tisch.

Tine erhob sich ebenfalls unsicher aus ihrem Stuhl, während Laura bereits auf halbem Weg nach drinnen war.

»Na los«, sagte Tine. »Ich hol dir ein Handtuch. Du kennst dich ja hier aus.«

An der Terrassentür blieb Laura stehen, die Miene versteinert.

»Du willst nicht, dass ich gehe?«

Tine schluckte, und jetzt konnte zumindest ich erkennen, wie nervös sie war. »Doch, und zwar in die Dusche.«

Noch immer schien Laura nicht zu verstehen oder nicht verstehen zu wollen. »Hier? In eure Dusche?«

»Mein Gott, bist du heute schwer von Begriff. Geh schon mal vor, ich bring dir ein Handtuch.«

Laura blieb noch eine Sekunde regungslos an der Tür stehen. Tine scheuchte sie mit den Händen ins Haus, kicherte plötzlich. »Los, los.«

Was tat sie da? Welch seltsame Reaktion auf ein so eindeutiges Angebot. War sie von diesen Avancen so überrascht, dass sie nicht wusste, ob sie darauf wütend oder erfreut reagieren sollte? Wollte sie sich Zeit kaufen? Geh duschen.

»Du bist mir eine Nudel«, kicherte Laura. Ich ging vor und sie folgte mir.

Ich wusste ja, wo das Bad war.

4.

Auf dem Weg nach oben blieb Laura stehen, sah sich um, irritiert. Ich bewunderte den Hintern unter dem Sommerkleid.

Tine kam nicht nach. Ich hörte eine Tür knallen, vermutlich die Terrassentür, das Klingeln von Gläsern. Laura nahm die letzten Stufen und ging durch den Flur ins Bad. Ich ließ sie vorbei, musste langsam gehen, weil meine Füße zu laut auf das Parkett klatschten.

Bevor Laura die Tür zum Bad schließen konnte, schlüpfte ich hinter ihr hinein, doch Laura hatte gar nicht die Absicht. Die Tür schwang auf und blieb so. Laura streifte die Träger von den Schultern und bewies meine Vermutung, dass sie keinen BH trug.

Perfekt, dachte ich, einfach perfekt. Groß, schwer, rund und mit dunklen Höfen. Und auch die Hüften unter einer schmalen Taille passten ins Bild. Ihr Schamhaar war bis auf einen schmalen Streifen abrasiert.

Das Kleid fiel dort, wo sie stand, auf die schwarzen Fliesen. Ihr Po ein Gedicht, die Beine gerade. Die Hand an der Tür zur Duschkabine, nein: zum Duschpalast. Über ihr eine Regendusche. Hinter ihr die Glastür.

Beide Augen auf ihrem Hintern. Wasser rauschte. Tropfen behinderten die Sicht. Die Scheibe beschlug. Ich war dennoch im siebten Himmel.

Zitternd vor Erregung und Geilheit beobachtete ich Laura hinter der Scheibe, ergötzte mich an dem, was ich sah, und an dem Gedanken an das, was mir verborgen blieb.

Hinter mir ertönten Schritte.

Ich trat zur Seite. Tine war gekommen. Sie lehnte sich gegen die Tür, atmete tief durch.

»Du bist verrückt«, flüsterte sie sich zu. Das Wasser rauschte.

Sie wollte auf der Schwelle umdrehen, warf einen Blick zur Duschkabine, deren Scheibe mittlerweile gänzlich beschlagen war und nur noch schemenhaft die Konturen des weiblichen Körpers erkennen ließen.

Tine spielte mit ihren Fingern, rieb die Hände über ihren Körper. Nervös? Erregt? Aura schien sie nicht zu bemerken.

Ein Ruck ging durch sie. Tine streifte das Bikinoberteil ab und stieg aus dem Höschen. Was für ein Körper, dachte ich.

Wieder zögerte sie.

Mach schon, schrie ich ihr in Gedanken zu, die Hand am Schwanz. Geh rein.

Sie sah zu Boden, atmete tief durch und öffnete die Tür. Laura hob den Kopf, die Hände am Bauch, überall Schaum.

»Ich bin doch noch gar nicht fertig.«

Tine schluckte. »Ich brauch auch ne Dusche. Ist noch Platz?«

»Natürlich. In eurer Dusche könnte man ganze Orgien feiern.«

Die Tür fiel hinter den beiden zu, so dass ich nur noch von Wassertropfen und Dunst gebrochen sehen konnte, wie Tine sich unter das Wasser stellte.

»Und das Handtuch haste auch vergessen. Du bist mir eine.«

»Ich bin so durchschaubar«, sagte Tine. Sie sahen sich an, atmeten schwer, das Wasser prasselte auf ihre Köpfe, Schultern, Brüste, Bäuche, Schenkel.

»Du wirst Ben nichts sagen?«

»Und du sagst Silken nichts?«

Tine nickte und endlich küssten sich die beiden. Anfangs noch vorsichtig, später stürmisch und schließlich atemlos. Tine fasste den Kopf ihrer Freundin an den Wangen, Laura ließ ihre Hände über Tines Rücken wandern.

»Wir sind verrückt«, flüsterte Tine, und ich konnte es kaum verstehen, weil das Wasser so laut prasselte.

»Weil wir mal nicht an die Konsequenzen denken?«, flüsterte Laura zurück und schob ihre Hände zwischen die beiden Körper, um sie mit festem Griff um Tines Brüste zu schließen.

Durch die beschlagene Glasscheibe sah ich, wie Tine den Po ihrer Freundin mit beiden Händen packte, knetete und teilte, wie sich die Fingerspitzen zwischen die beiden Hälften schoben.

Laura stöhnte.

»Das habe ich mir so lange gewünscht.«

Und ich erst, dachte ich, und erhöhte das Tempo. Die beiden küssten sich drehend, küssten sich mit Zunge und fingerten sich gegenseitig. Fest presste eine ihre Hand in den Schoß der anderen.

Zuckend bäumten sie sich auf, beugten sich vor, spreizten die Beine, drehten sich um, so dass die eine der anderen von hinten die Hand zwischen die Beine schieben konnte.

Jammernd empfing eine die Massage der anderen, um ihr es gleich darauf in voller Münze heimzuzahlen.

Ich bin im Paradies, dachte ich, um mich sofort zu korrigieren. Das Paradies wäre es gewesen, hätte ich mitmachen dürfen. Immerhin, so redete ich mir ein, war dies echt, war dies nicht wie früher als Datei auf meinem Rechner oder durch die mangelhafte Internetverbindung in unansehnliche Häppchen geteilt.

Und diesmal war ich frei.

Die beiden kamen kreischend, seufzend und stöhnend, ich spritzte mein unsichtbares Sperma gegen die Glasscheibe und bedauerte wieder, dass ich den Anblick nicht genießen konnte.

Mit weichen Knien setzte ich mich auf die Toilette und wartete, bis die beiden Damen die Dusche verließen, um sich lachend und einander neckend abzutrocknen.

Laura rieb ihrer Freundin mit dem Handtuch über das Gesicht. Ihre Bewegungen waren behutsam, fast zärtlich, und ihre Stimme war leise, als habe sie Angst, dass der Zauber dieser Situation zu schnell verflog.

»Das war aber erst der Anfang, oder?«

Tine strich sich eine nasse Haarsträhne aus den Augen.

»Der Anfang wovon?«

»Von heute.«

Laura hielt in der Bewegung inne. Tine zog ihre Freundin am Kopf zu sich und küsste sie sanft.

 

»Gehen wir ins Schlafzimmer, okay?«

»Von mir aus können wir es überall machen.«

»Ich nehme dich beim Wort.«

»Ich hoffe es.«

Wieder kicherten sie und rieben sich mit dem Handtuch trocken.

Schlafzimmer.

Mir kam eine Idee.

Sex ohne Konsequenzen? Na wartet.

Rasch lief ich vor ins Schlafzimmer. Hinter mir Seufzen, Kichern, Knutschgeräusche. Die Videokamera stand noch immer neben dem Fernseher. Tine war darauf zu sehen gewesen, also konnte ich davon ausgehen, dass Ben sie benutzt hatte und es wieder tun würde.

Ich klappte den Monitor an der linken Seite auf. Das Lachen der beiden Frauen wurde lauter. Ich drückte und klickte.

Wie zum Teufel ging die Scheißkamera an?

Ein lautes Lachen übertönte das leise Piepsen, mit dem die Videokamera ansprang. Ein kleines rotes Licht erschien vorne, doch ich war mir sicher, dass die beiden es nicht bemerkten. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, sich zu küssen und ihre Körper zu entdecken.

»Wie lange schleppst du diesen Gedanken schon mit dir herum?«, flüsterte Tine, als sie eng umschlungen das Schlafzimmer betraten.

»Seit wir uns kennen«, keuchte Laura in Tines Mund. Diese erwiderte den Kuss.

»Ich glaube, wir haben wieder etwas gemeinsam.«

Erneut trafen sich ihre Münder, ihre Zungen spielten miteinander. Eng pressten die beiden ihre Körper aneinander, die Brüste quollen dazwischen hervor wie zwei mit Wasser gefüllte Ballons.

Tine zog wieder die Pobacken ihrer Freundin auseinander, so dass ich alles sehen, konnte, was sonst dazwischen verborgen blieb, und ich konnte gerade noch die Kamera auf das Bett ausrichten und den Zoom so einstellen, dass kein Zentimeter des Bildes verschwendet wurde.

Lachend fielen die beiden auf die knarzende Matratze. Die Kissen sprangen hoch. Tine löste sich aus der Umarmung, schob sich rückwärts bis zum Kopfende des Bettes, lehnte sich mit dem Kopf in ein riesiges Kissen und zog die Beine an. Ihre Knie kippten zur Seite und legten ihre Möse frei.

Laura krabbelte die letzten Zentimeter in einem Tempo, als sei sie auf der Flucht vor einem wilden Tier im Schlafzimmer, und vergrub ihren Kopf zwischen den gespreizten Schenkeln. Ich versuchte, von der Seite und ohne auf die Matratze zu steigen, etwas von den Details zu erkennen, doch Tines Schenkel verbargen, was ich so gerne gesehen hätte. Dafür hob Laura ihren nackten Po an und gestattete mir Einblick auf beide Öffnungen.

Sie hatte die Hände um Tines Oberschenkel geschlungen und leckte sie wie eine Katze. Tine knetete sich die Titten, rieb die Brustwarzen und stöhnte hemmungslos.

»Oh, mein Gott, machst du das gut«, seufzte sie. »Ben hat das noch nie so gemacht.«

Laura sah auf. »Naturtalent, ist das erste Mal für mich.«

Tine drückte Lauras Kopf wieder zwischen ihre Beine. »Dann dreh noch ein paar Übungsrunden. Das geht bestimmt noch besser.«

Ich hockte mich ans Fußende des Bettes und starrte auf Lauras Po, der auf dem Laken auf und nieder hüpfte. Der Schamhügel presste sich gegen den weißen Stoff, die Möse öffnete sich. Dann streckte Laura den Po nach oben, so dass sich die Pobacken wölbten und die enge Öffnung dazwischen freigaben.

Ich wichste manisch. Die Gier nach Fleisch, der Wunsch, sie zu berühren, wurden immer stärker. Laura hob wieder den Kopf.

»Und, wie ist es? Besser als in deiner Fantasie vorhin?«

Tine sah zu ihrer Freundin hinab. »Viel besser.«

He, wollte ich sagen, ich glaube, es hackt. Doch dann besann ich mich eines Besseren.

Und als Laura eine Hand vom Schenkel ihrer Freundin löste, um sich die Punze zu massieren, wurde ich vor Geilheit beinahe wahnsinnig.

Einmal nur ficken, endlich, nach so vielen Jahren wieder einmal eine andere Frau ficken, ihr meinen Schwanz ins Loch schieben. Doch ich konnte nicht, die Angst vor der Entdeckung war zu groß. Vor mir lagen zwei rattenscharfe Frauen, die sich einem lesbischen Abenteuer hingaben, und ich konnte nur zusehen. Wie in den letzten Jahren. Ansehen, nicht anfassen.

Laura schob sich den Mittelfinger zwischen ihre Schamlippen, tauchte ihn tief in das nasse Loch und zog ihn feucht glänzend wieder hervor, um sich damit den Kitzler zu massieren.

Ihr Po tanzte in der Luft, Tine stöhnte, wand sich unter der Zunge der anderen Frau, die ihre Pobacken anspannte und lockerte, die in immer schnellerer Folge ihre Möse penetrierte und den Kitzler mit dem Finger rieb, mit allen Fingern.

Das Bett knarrte und das Laken raschelte. Die beiden Frauen seufzten und stöhnten und ich versuchte, diesen Anblick so intensiv wie möglich in mich aufzunehmen.

Als die beiden kamen, spritzte ich meinen Saft auf den Teppich.

Noch ehe sie eng umschlungen nebeneinander in die Kissen sanken, stellte ich die Kamera aus. Das Piepen war kaum hörbar.

Ohne Konsequenzen konnte nur einer Unfug anstellen. Ich.

Befriedigt verließ ich die beiden Frauen.

5.

Draußen empfing mich die brüllende Hitze des späten Nachmittags. Den letzten Orgasmus in den Knochen schlich ich über den Rasen. Am liebsten wäre ich in den See gesprungen. Von irgendwo erscholl Musik. Ich kletterte über den Zaun und landete im Garten eines Familienanwesens mit Spielsachen auf dem Rasen. Daran hatte ich kein Interesse.

Meine Neugier, jenseits der erotischen Spielereien, war neu erwacht, und das Gefühl der Narrenfreiheit war stärker denn je. An einem halben Tag als Unsichtbarer hatte ich so viel erlebt, wie ich mir bisher nur erträumt hatte, und es schien nicht, als habe der Spaß so schnell ein Ende.

Der Lärm nahm zu, und nach einer weiteren überwundenen Grundstücksgrenze erreichte ich die Quelle. Im Garten einer großen Villa mit Pool fand eine Grillparty statt. Viele gut angezogene Menschen saßen mit Flaschen, Gläsern, Tellern auf teuer aussehenden Gartenmöbeln. Zwischendurch lief ein Hund.

Am Grill stand ein Mann, der wie der Herr des Hauses aussah. Lachen, Musik, Konversation. Viel zu viel für mich. Ein Englisch sprechender Depp trat mir beim Vorbeigehen auf den Fuß und merkte es nicht einmal, ein anderer Snob rannte mich beinahe um.

Eine Party ist kein guter Ort für einen Unsichtbaren.

Vor allem nicht ab dem Moment, an dem mich der Hund witterte und mich anbellte. Knurrend hockte er vor der Terrasse. Es sah zum Glück aus, als belle er den Grillmeister an.

Ich schlich um den Grill herum, das blöde Vieh folgte mir. Der Herr des Hauses fluchte, der Hund bockte. Unauffällig stupste ich eine Wurst von einem Teller, auf dem sich das Fleisch türmte. Der Hund kannte, kläffte, schnappte sich die Wurst, der Hausherr schimpfte noch lauter und trat nach dem Köter, der jaulend verschwand.

Blödes Vieh.

Unter dem großen Proteststurm einiger anwesender Tierfreunde, den beschwichtigenden Worten des Grillmeisters und einem anschließenden Prösterchen (auf alle aussterbenden Tierarten, die nicht gegessen werden können) schnappte ich mir ein Schnitzel und verkroch mich in den Schatten einer Buchenhecke.

Dort verschlang ich gierig das Schnitzel, vermied jeden Blick auf meinen Magen oder besser: auf den Ort, an dem er sich befinden musste, wischte mir die Finger an Blättern ab und streunte fürs Erste gesättigt weiter.

Ich pinkelte in den Pool des Nachbarhauses, streifte noch durch ein paar Gärten, rüttelte zunehmend frustriert an verschlossenen Türen und überlegte, zu Tine und Laura zurückzukehren, um vielleicht ganz unauffällig noch einen wegstecken zu können, verwarf den Gedanken und ging, müde geworden, auf dem Grundstück eines verschlossenen Hauses ans Ufer.

Dort ragte ein Gartenpavillon auf das Wasser. Ein Chaos empfing mich. Liegen, Sessel, Kissen, Handtücher. Da hatte wohl die Putzfrau frei. Ein laues Lüftchen wehte über den See. Motorboote, Segler, Kinderlachen. Ich spürte, wie das Adrenalin aus meinem Körper wich und die Müdigkeit in mich kroch.

Unsichtbar.

War ich das vorher nicht auch schon gewesen? Wer vermisste mich denn? Katrin? Die hatte mit mir abgeschlossen. Unsere Wohnung war gekündigt, und sie würde froh sein, wenn sie ihre Sachen abholen konnte, ohne dabei auf mich zu stoßen.

Meine Mutter? Die rief nur alle Jubeljahre an. Mein kleiner Bruder? Wir hatten nicht mehr viel Kontakt, seit er in die USA gezogen war und dort bei einem großen IT-Unternehmen als Programmierer Karriere machte.

Mein Vater? Bis der in seiner südfranzösischen Kommune von diesem Unglück erfuhr, konnten Wochen vergehen. Ihm fiel selten auf, dass ich mich wochenlang nicht meldete.

Suchte man im Institut nach mir? Sollte ich zur Polizei? Sollte ich mich stellen und das Risiko eingehen, dass mit mir Experimente angestellt wurden? Was, wenn ich krank war, wenn mich die Strahlung langsam tötete?

Na und, dachte ich, dann ist es halt so. Bis dahin, so beschloss ich, würde ich das Beste aus dieser Situation machen.

Nur ein kurzes Nickerchen, damit ich am Abend zu Tine und Laura gehen und ficken konnte. Ich legte mich in eine Liege, in der ein weiches Polster verhinderte, dass mir der Bambus das Blut abschnürte.

Hässliche Streifen, so wusste ich, würde er ja nicht hinterlassen.

Ich legte mich zurück und schloss die Augen. Die Helligkeit blieb.

So ein Scheiß.

Ich sah mich um, nahm ein gebrauchtes Handtuch von einem der anderen Sessel und legte es mir über die Augen, damit es dunkel wurde.

Wie spät mochte es sein? Die Sonne war hinter dem Haus versunken. Nach acht? Von Ferne brandete das Lachen der Party herüber. Noch immer war es heiß. Ich schwitzte und bekam Lust darauf, in den See zu springen und mich abzukühlen.

Was, dachte ich noch, wenn ich aufwache und wieder sichtbar bin? Was, wenn dann die Besitzer des Pavillons auftauchten und mich so, nackt, vorfanden?

Nur ein kurzes Nickerchen, ein Schläfchen, als Unsichtbarer.

Würde ich ein Loch im Wasser hinterlassen?

Über diesen Gedanken schlief ich ein.

Lieber allein, als böse…

1.

Ich träumte von Katrin, träumte von Kommandos, von unausgesprochenen Vorwürfen. Träumte von Forderungen, von Überforderungen und fühlte mich seltsam gefangen in meiner Beziehung.

Mein Herz raste, als mich die mir direkt ins Auge scheinende Sonne weckte. Ich starrte regelrecht in den hellgelben Ball, der über den Baumwipfeln stand.

Der Anblick schmerzte. Ich schloss die Augen, presste die Lider fest zusammen, das Bild blieb. Mein Arm, den ich vor die Augen hielt, brachte keine Linderung. Er war wie aus Glas. Dann erst wachte ich richtig auf.

Ich war unsichtbar. Mein Arm, meine Augenlider, mein Kopf – für niemanden mehr sichtbar, es sei denn, man würde einen Eimer Farbe über mich auskippen.

Das Experiment im Institut, die toten Wissenschaftler, die verbrannten Kleider und meine verlorene Identität. Das alles kam mir wieder zu Bewusstsein. Hier auf einer Hollywoodschaukel in einem Kleingarten, zwischen Gartenzwergen und Kinderplanschbecken. Ich zog die graue Pferdedecke, in die ich mich eingehüllt hatte, über den Kopf. Mich fröstelte ein wenig. Die Sonne schien gerade aufgegangen zu sein.

Wieso dachte ich an den letzten Sex mit Katrin? Ihren Ritt auf mir, ihre Pläne für mein Leben. Ich hockte mich auf den Rand des Planschbeckens und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Vögel zwitscherten, zwei Eichhörnchen hüpften durch die Morgensonne. Es war beinahe romantisch.

Die Sonne stand ganz links von mir im Osten. Katrin. Sie hatte mich nicht mehr in den Arsch gefickt. Dass sie nur noch Sex mit mir wollte, wenn sie mich reiten konnte, war eine Sache. Aber sie hatte sich ansonsten auch nicht mehr für meine Bedürfnisse interessiert. Immer häufiger war der Gedanke daran, sie zu treffen, zu sehen, zu spüren, angenehmer als sie tatsächlich zu treffen, zu sehen, zu spüren.

Die Distanz war aufregender als die Nähe. Die Vision schöner als die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit war anstrengend, war fordernd, war launisch und kniete sich nicht hin, hatte eine andere Meinung, war intelligenter, erfolgreicher, schöner, besser. Die Wirklichkeit war kritisch, mäkelnd und nie so willig, wie die Fantasie.

Ich dachte mit dem Schwanz, war mit dem Dildo im Arsch aufgewacht und mir meiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst geworden.

Mein Studium hatte ich nie abgeschlossen, mein Leben hatte ich nie auf die Reihe bekommen. Stattdessen hatte ich mich an der Fantasie aufgegeilt, wie Katrin von einem anderen Mann gefickt wurde, in den Arsch, wie sie sich vor ihren Kollegen kniete oder es mit einer anderen Frau trieb.

 

Ich wollte mich überflüssig machen, weil ich überzeugt davon war, es seit langem zu sein und von Niemandem vermisst zu werden.

Doch nun, endlich, vermisste mich niemand. Jetzt war ich verschwunden. Jetzt musste ich niemandem Rechenschaft ablegen.

Ich konnte sein, was ich wollte, und wenn es bedeutete, wie mein Vater zu sein.

Mit den Füßen in angenehm kühlem Wasser starrte ich in die aufgehende Sonne. Ein lauer Wind kräuselte die Oberfläche des Swimmingpools.

Ficken, ohne an die Konsequenzen zu denken. Das eigene Leben leben, selbst wenn es nach oberflächlichen Reizen gierte.

Meine Augen brannten. Ich spürte, wie sich die Lider schlossen, aber der See verschwand nicht.

Wie spät es wohl sein mochte? Meine innere Uhr und der Sonnenstand, die Ruhe und die frische Luft ließen mich auf nicht einmal 7 Uhr tippen.

Die Nacht war warm geblieben. Trotz meiner Nacktheit hatte ich kaum gefroren und nur einmal zum Handtuch gegriffen, um meine unsichtbare Blöße zu bedecken.

Ich setzte mich auf. Eine Ente schwamm vorbei. Im Osten lugte die Sonne gerade über den Horizont. In einem kurzen Moment des Schrecks fürchtete ich, wieder sichtbar zu sein, sichtbar in einem Gartenpavillon einer Villa am Kleinen Wannsee.

Ich hätte es besser wissen müssen, schließlich konnte ich die Augen nicht schließen. Meine Hände waren unsichtbar, mein Bauch, meine Füße.

Ich konnte die Abdrücke sehen, die mein Körper auf dem Polster hinterließ, konnte sehen, wie sich der Schaumstoff ausdehnte, kaum dass ich das Gewicht verlagerte.

Ich fühlte mich wohl. Der Reaktorunfall zeigte noch keine unwillkommenen Begleiterscheinungen. Meine Haare waren noch auf meinem Schädel, ich spürte keine Übelkeit, nur Appetit. Mühelos konnte ich mich von meinem Nachtlager erheben und zusehen, wie das Gras von meinen unsichtbaren Füßen niedergedrückt wurde.

Langsam stieg die Sonne höher an einen wolkenlosen Himmel. Heiß würde es wieder werden, und ich hatte noch keine Ahnung, dass ich als Unsichtbarer die längste und extremste Hitzewelle erleben würde, die je Mitteleuropa heimgesucht hatte.

Ich bekam Lust, mich zu erfrischen, wenn ich schon keine Dusche nehmen konnte, und stieg über eine kleine Leiter in den See. Fasziniert beobachtete ich, wie mein unsichtbarer Körper das Wasser verdrängte, als hätte Moses das Rote Meer geteilt.

Das Wasser nahm meine Konturen an wie ein in den See geworfenes Aquarium, so dass ich bis auf den Grund sehen konnte, dort wo ihn meine Füße berührten. Zu einer Glocke geformt legte ich meine Hände auf das Wasser und drückte sie hinunter. Eine Luftblase bewegte sich durch das Wasser hinab, wo sie sich in viele kleine Bläschen aufteilte.

Ich kaum aus dem Staunen nicht heraus.

Die Sonne glitzerte bald auf dem Wasser und wurde von der Innenseite der Wasserwand reflektiert. Sie gingen durch mich hindurch und doch spürte ich wieder die Wärme.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich plantschte, Wasser schweben und Luftblasen steigen ließ, wurde mir die Gefahr, entdeckt zu werden, zu gegenwärtig, und ich stieg wieder aus dem See.

Kaum an Land jedoch, bekam ich einen Schreck. Das Wasser lief nicht einfach von mir ab, es blieb an der Körperbehaarung hängen. Mein Schamhaar wurde sichtbar, die Härchen an meinen Beinen, meinen Armen, und ich war mir sicher, dass auch die Haare auf meinem Kopf sichtbar geworden waren.

Ich griff nach einem Handtuch.

Nach dem Abtrocknen wurde ich wieder vollständig unsichtbar.

Das beunruhigte mich. Ich beschloss, etwas dagegen zu tun.

Das Haus am See blieb mir verschlossen, aber kaum war ich über einen Zaun geklettert und auf die Straße getreten, wusste ich, wie spät es war: Es war Zeit, ins Büro zu fahren.

Schräg gegenüber öffnete sich ein breites Tor, und ein BMW fuhr heraus. Noch bevor ich reagieren konnte, schloss sich das Tor wieder. Ich drehte mich. Irgendwo klappte eine Tür. Ich rannte weiter über den kühlen Asphalt. Nackt. Ein geiles Gefühl.

Ich bin frei, schoss es mir wieder durch den Kopf, ich kann tun und lassen, was ich will.

In dieser Minute, in der ich in einem noblen Wohnviertel nackt über die Straße lief, um unerkannt in ein fremdes Haus einzubrechen, ging ich ganz in diesem Gefühl auf.

Frei.

Kurz darauf hörte ich Stimmen aus der Richtung, in die ich lief, ein Motor wurde angelassen, und ich sah, wie sich ein elektrisches Tor zur Auffahrt öffnete. Die Villa war alt, oder auf alt gemacht, mit Säulen vor dem Eingang, dahinter eine gelbe Fassade mit Sprossenfenstern unter einem Giebeldach. In einer Garage standen zwei Nobelkarossen. In der Tür, sehr schick, eine Frau, Handtasche und Schlüssel in der Hand.

Der erste Mercedes rollte aus der Garage, ein elektrischer Fensterheber summte. Eine Männerstimme aus dem Inneren des Fahrzeugs.

»Ich hab den Brief vergessen, kannst du? Liegt auf dem Küchentisch.«

Die Frau in der Tür hob die Hand und verschwand im Haus. Wieder der Fensterheber, das Aufheulen des Motors, das Rasseln des Tores.

Ja, dachte ich, wie geil ist das denn?

Ich rannte die letzten Meter, huschte durch das offene Tor auf das Grundstück, rannte zur Eingangstür. Der Mercedes rollte auf die Straße. Im Haus war es kühl. Schritte auf den Fliesen. Schlüsselrasseln. Die Frau, Ende 40, im Businessanzug, kam mir entgegen, einen Brief in der Hand. Sie stellte sich noch einmal vor den Spiegel im Flur, wischte sich über die Nase, presste die rotgeschminkten Lippen aufeinander.

Ich wich zurück, presste mich in an die Wand. Sie stand nur wenige Zentimeter entfernt, riss sich von ihrem eigenen Anblick los, verließ das Haus.

Die Türknallte. Ein Schlüssel wurde gedreht. Das Fenster, dachte ich erschrocken, ich kann durch ein Fenster raus. Ganz bestimmt.

Sekunden später klappten Türen, heulte ein Motor auf. Rattern, Garagentor, Einfahrt. Aus.

Im Haus war es still. Es roch sauber. Nach Putzfrauenwerk.

Ich schlenderte durch den Flur in die Küche.

Ein fremdes Haus, wieder einmal, aber diesmal reizte mich nicht die Suche nach Pornos, Schätzen, nackter Haut.

Ich hatte ganz andere Pläne.

Am Küchentisch jedoch blieb ich hängen. Die Schlagzeile der Morgenpost traf mich in den Magen wie ein Gammelfleisch-Döner.

»GAU in Berlin - 7 Tote bei Reaktorunglück«.

Mit einem Mal war sie wieder da. Die verdrängte Tatsache, dass ich, Leon Bloch, 34 Jahre alt, seit einem Unglück nicht nur unsichtbar, sondern jetzt, in der prallen Sonne eines frühen Berliner Morgen, feststellen musste, dass ich auch für tot erklärt worden war.

Ich blätterte die Zeitung auf und fand alle Infos vom Unfall im Institut am gestrigen Tag.

Über geringe Strahlung wurde berichtet, über tote Wissenschaftler, einen 34jährigen Journalisten, der bis auf seine Brieftasche restlos verbrannt war, bis zur andauernden Suche nach einer Ursache.

Tot. Ich war tot. Nicht nur für Katrin – für den Rest der Welt ebenfalls. Endlich.

Mir schossen Tränen in die Augen und für einen Moment genoss ich das Gefühl der Trauer. Doch nach wenigen Sekunden schon reichte es mir. Mein Selbstmitleid war wie die geheuchelte Zärtlichkeit eines Fremden.

Schluss.

Neuanfang. Wieder einmal.

Zur Sicherheit klapperte ich alle Zimmer ab, um auszuschließen, dass sich irgendwelche verpennten Teenager vor der Schule drückten, doch ich traf auf keinen anderen Menschen.

Das Bad war weniger protzig als erwartet und hatte seine letzte Renovierung bestimmt vor zehn Jahren gesehen. Der Rasierschaum stand vor dem Spiegel, der Ladyshave hing in der Dusche an einem kleinen Haken.

Ich riss die Schubladen auf und fand schließlich einen Rasierapparat mit Langhaarschneider. Ich stellte mich vor den großen Spiegel, bewunderte den schwebenden Rasierapparat, den Stecker, der sich von selbst in die Steckdose schob und den Schalter, der sich von ganz alleine auf an bewegte.

Vorsichtig schor ich mir den Kopf. Anfangs befürchtete ich noch, der angestrengt brummende Langhaarschneider würde seine Arbeit verweigern, doch langsam kam ich voran.