Kindersoldaten

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Kindersoldaten
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Sanela Egli

Kindersoldaten

geboren um zu töten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Danksagung

Einführung

DIE SITUATION AN DEN SCHULEN

Allgemein

Warum Schulen, Lehrer und Schüler angegriffen werden

Die Folgen von Angriffen

Nutzung von Schulen für militärische Zwecke

Internationale Standards zum Schutz der Bildung

Überwachung

Präventive Maßnahmen und schnelle Reaktion

Justiz

Schlussfolgerungen

DIE SITUATION IN EINZELNEN LÄNDERN

Südsudan

Uganda

Sri Lanka

Kolumbien

Burma

Liberia

Demokratische Republik Kongo

Sierra Leone

SCHLUSSWORT

Über die Autorin

Impressum neobooks

Danksagung

Ich bedanke mich bei den nachfolgenden Menschen und Hilfsorganisationen. Ohne sie wäre dieses Buch nie zustande gekommen.

Amnesty International Deutschland,

Human Rights Watch,

Hilfe für ehemalige Kindersoldaten,

EarthLink e.V. Deutschland,

Gesellschaft für bedrohte Völker,

Ärzte ohne Grenzen,

Andrea Isenegger von Ärzte ohne Grenzen Schweiz,

UNICEF,

UNESCO Deutschland,

terre des hommes Deutschland

Sanela Egli

Einführung

Kindersoldaten sind Kinder, die an einem Krieg teilnehmen. Als Kindersoldaten gelten laut der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 alle Kriegsteilnehmer unter 15 Jahre.

Ein optionales Zusatzprotokoll der Konvention aus dem Jahr 2002 hebt das Mindestalter für wehrpflichtige Soldaten der ratifizierenden Staaten auf 18 Jahre an. Freiwillige Rekruten ab 14 Jahre sind nach wie vor legal. Mitunter werden von anderer Stelle jedoch auch ‚nicht kämpfende‘ Helfer bewaffneter Gruppen, sowie alle Jugendlichen unter 18 Jahren zu den Kindersoldaten gezählt.

Amnesty International, UNICEF und terre des hommes bezeichnen alle Kämpfer und deren Helfer, die unter 18 Jahre alt sind, als Kindersoldaten.

Nach den Cape Town Principles von 1997 sollen nicht nur minderjährige kämpfende Angehörige von bewaffneten Einheiten als Kindersoldaten angesehen werden, sondern auch Träger, Informanten, zwangsprostituierte Mädchen und viele mehr. Diese breite Definition soll einen besseren Schutz von Kindern gewährleisten und ihnen im Falle einer Demobilisierung Zugang zu Hilfsmaßnahmen gewähren.

Die damit einhergehende Einordnung zum Kombattantenstatus legitimiert zwar einerseits den Kampfeinsatz auch gegen unbewaffnete Minderjährige, ermöglicht ihnen jedoch auch eine rechtliche Behandlung nach den Grundsätzen der Kriegsgefangenenkonvention.

In Kriegsgebieten rekrutieren bewaffnete Truppen schon Siebenjährige. Viele Kindersoldaten leiden ihr Leben lang unter ihren Erlebnissen – und unter dem, was sie anderen antun mussten. UNICEF hilft den Kindern zurück in ein normales Leben. Sozialarbeiter betreuen sie in Auffangzentren und ermöglichen ihnen, wieder zur Schule zu gehen. Im Krieg missbrauchte Mädchen erhalten Hilfe, um sich und ihre Kinder zu versorgen.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden Weltweit rund 250.000 Kinder als Soldaten in Kriegsgebieten eingesetzt. Von einer Kindheit in Frieden können viele Kinder nur träumen. In vielen Regionen der Welt werden Kinder als Soldaten in Kriegen missbraucht. Der »Red Hand Day« macht jedes Jahr am 12. Februar auf ihre Situation aufmerksam. Die rote Hand steht dabei als Symbol, um »Nein« zu sagen, zur Rekrutierung und zum Einsatz von Kindersoldaten.

DIE SITUATION AN DEN SCHULEN

Allgemein

Wenn von Kindersoldaten die Rede ist, so spricht man über Schulkinder. Oft werden Schulen als Kriegsschauplätze missbraucht, wie es Zama Coursen-Neff und Bede Sheppard von Human Rights Watch (hrw) erklärten. Von den 72 Millionen Kindern im Grundschulalter weltweit, die momentan keine Schule besuchen, leben mehr als die Hälfte - 39 Millionen - in Ländern, in denen bewaffnete Konflikte toben. In vielen dieser Länder bedrohen und töten bewaffnete Gruppen Schüler und Lehrer, verüben Brand- und Bombenanschläge auf Schulen. Das geschieht aus taktischen Erwägungen. Sicherheitskräfte von Regierungen nutzen Schulen in militärischen Operationen als Stützpunkte und Quartiere. So bringen sie Schüler in Gefahr und unterminieren das Bildungssystem.

In Süd-Thailand haben separatistische Rebellen seit 2004 mindestens 327-mal Schulen in Brand gesetzt, und Regierungstruppen besetzten 2010 mindestens 79 Schulen. In Kolumbien wurden im letzten Jahrzehnt Hunderte Lehrer ermordet, die sich in Gewerkschaften engagierten. Die Täter waren oft regierungsfreundliche Angehörige paramilitärischer Gruppen und anderer Parteien im anhaltenden Konflikt zwischen Regierung und Rebellengruppen.

Im Norden der Demokratischen Republik Kongo (DRK) haben die Rebellen der Lord's Restistance Army (LRA) unzählige Kinder aus Schulen entführt. Aus Rache an Dörfern, deren Einwohner sie verdächtigten, LRA-Überläufern zu helfen, plünderten sie Schulen und brannten diese nieder.

»Wir raten dir, schnellstmöglich deine Stelle als Lehrerin zu kündigen. Andernfalls werden wir deine Kinder köpfen und deine Tochter verbrennen«, lautete ein Drohbrief von Taliban-Rebellen in Afghanistan. Zwischen März und Oktober 2010 wurden dort 20 Schulen unter Einsatz von Sprengstoff oder durch Brandstiftung angegriffen, Rebellen töteten 126 Schüler.

Die brutalen Bilder von Angriffen auf Schulen in Afghanistan stehen der internationalen Öffentlichkeit lebhaft vor Augen: Männer auf Motorrädern nehmen Schüler unter Beschuss, Mädchen werden mit Säure übergossen. Zielgerichte Angriffe auf die Bildung sind jedoch so weitreichende wie wenig beachtete Phänomene. Sie beschränken sich nicht auf einzelne Länder, sondern stellen ein verbreitetes Problem in weltweiten bewaffneten Konflikten dar. Experten von Human Rights Watch haben Angriffe auf Schüler, Lehrer und Schulen - und deren Folgen für die Bildung - in Afghanistan, Kolumbien, der DRK, Indien, Nepal, Burma, Pakistan, den Philippinen und Thailand dokumentiert. Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) berichtet, dass Angriffe zwischen 2007 und 2009 in mindestens 31 Staaten stattfanden.

Nur wenige nichtstaatliche bewaffnete Truppen befürworten solche Angriffe öffentlich. Gleichzeitig wird wenig dafür getan, sie zu dokumentieren, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und zu unterbinden.

Genauso wenig ist das volle Ausmaß der negativen Folgen von Langzeitbesetzungen von Schulen durch das Militär bekannt. Der Zugang zu Bildung wird zunehmend als wichtiger Teil des humanitären Katastrophenschutzes verstanden, insbesondere bei Massenvertreibungen und Naturkatastrophen. Dass Schulen, Lehrer und Schüler in Konfliktregionen vor mutwilligen Angriffen geschützt werden müssen, rückt erst seit kurzem in das Blickfeld internationaler Akteure. Organisationen für humanitäre Hilfe äußern sich zunehmend besorgt über den Schaden und die Folgeschäden solcher Angriffe. Auch Menschenrechtsgruppen haben begonnen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, meist im Zusammenhang mit dem Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten und der Förderung wirtschaftlicher und sozialer Rechte, einschließlich des Rechts auf Bildung.

Effektive Maßnahmen gegen Angriffe auf die Bildung erfordern spezifische politische Strategien, ein beherztes Vorgehen der betreffenden Regierung und viel größere internationale Anstrengungen. Damit Schüler, Lehrer und Schulen verbotene Zonen für bewaffnete Nichtregierungsgruppen und reguläre Armeen werden, müssen Regierungen, oppositionelle Gruppen und andere Organisationen wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen. Zu ihnen zählen strenge Überwachungsmechanismen, präventive Interventionen, schnelle Reaktionen auf Vorfälle und die Verurteilung von Angreifern durch nationale und internationale Gerichte.

 

Warum Schulen, Lehrer und Schüler angegriffen werden

Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen wählen Schulen, Lehrer und Schüler aus vielfältigen Gründen als Angriffsziel aus. Rebellengruppen betrachten Schulen und Lehrer oft als Symbole des Staates. Tatsächlich sind Schulen in ländlichen Regionen häufig die einzig sichtbaren Regierungsstrukturen, die verschiedene Aufgaben übernehmen. So haben bewaffnete Oppositionsgruppen Schulen in Indien, Pakistan und Afghanistan angegriffen, die auch als Wahllokale genutzt wurden.

Lehrer und Schulen sind gut sichtbare, »weiche« Ziele. Sie können einfacher angegriffen werden als staatliche Sicherheitskräfte, und Angriffe verschaffen den Mördern und ihren politischen Anliegen schnell mediale Aufmerksamkeit. Gleichzeitig unterminieren sie das Vertrauen in die Schutzkraft der Regierung. Manche Oppositionsgruppen betrachten Schulen und Lehrer als Symbole eines repressiven Bildungssystems.

Ein Lehrer aus Thailand berichtete Human Rights Watch, wie er in die Schusslinie beider Parteien des dortigen separatistischen Konflikts geriet. Muslimische Aufständische setzten ihn unter Druck, weil er als Muslim an einer staatlichen Schule unterrichtete. Später wurde er von den lokalen, paramilitärischen Truppen der Regierung bedroht, weil er angeblich die Aufständischen unterstützte. Kurz nach dem Gespräch wurde er auf dem Heimweg von seiner Moschee von unbekannten Tätern angeschossen und schwer verletzt.

Manchmal werden Schulen angegriffen, weil die bewaffneten Gruppen die in ihnen vermittelten Bildungsinhalte ablehnen, oder wegen der Schüler, die in ihnen unterrichtet werden. In manchen Staaten gerieten Schulen ins Fadenkreuz, weil ihre Lehrpläne als säkular oder »westlich« betrachtet wurden, oder einfach, weil dort Mädchen unterrichtet werden. Dabei ist nicht alle Gewalt ideologisch motiviert. Kriminelle haben oft ein Interesse daran, konkurrierende Quellen von Autorität auszuschalten, und manche Angriffe fußen in lokalen Konflikten, die nicht immer etwas mit dem Bildungswesen zu tun haben.

Für Rebellen, paramilitärische und andere Gruppen stellen Schulen und Schulwege lohnenswerte Ziele dar, um Kinder als Soldaten zu rekrutieren, zu indoktrinieren oder sexuell zu missbrauchen. Etwa beobachtete Human Rights Watch, dass maoistische Rebellen während des anhaltenden Bürgerkriegs in Nepal Kinder mit unterschiedlichen Methoden zu rekrutieren versuchen. Insbesondere entführten sie große Gruppen von Kindern, häufig aus Schulen, um sie zu indoktrinieren.

Die Folgen von Angriffen

Die Auswirkungen von Angriffen können verheerend sein. Zahllose Lehrer und Schüler können verletzt und traumatisiert, in einigen Fällen getötet werden. Auch führen Angriffe häufig dazu, dass die Zahl der Kinder, die regelmäßig die Schule besuchen, dramatisch zurückgeht. Besuchen über einen längeren Zeitraum nur wenige Kinder eine Schule, so wirkt dies negativ auf die Wirtschaft und auf Schlüsselindikatoren für Entwicklung wie die Gesundheit von Müttern und Kindern.

Im schlimmsten Fall werden Hunderte Schulen geschlossen. So berichtete das afghanische Bildungsministerium im März 2009, dass schätzungsweise 570 Schulen nach Angriffen der Taliban oder anderen Aufständischen dauerhaft geschlossen wurden. So wird Tausenden Schülern ihr Recht auf Bildung verwehrt.

Darüber hinaus können Angriffe Gebäude und Lehrmaterialien beschädigen. Bevor die Schule wieder öffnen kann, sind unter Umständen umfangreiche Reparaturen und kostspielige Neuanschaffungen erforderlich. Sofern die Einrichtung nicht vollständig geschlossen wird, fällt der Unterricht tage- oder wochenlang, manchmal sogar länger aus. Findet er wieder statt, dann häufig in gefährlichen, teilweise zerstörten Gebäuden oder unter freiem Himmel. Auch andere für die ansässige Gemeinschaft bedeutende Dienstleistungen, die in Schulgebäuden angeboten werden, etwa Erwachsenenbildung oder Gesundheitsdienste, können verloren gehen.

Wenn Regierungen versäumen, zerstörte Schulgebäude nach einem Angriff wiederaufzubauen, sind die negativen Folgen noch größer. In Indien hat keine einzige von maoistischen Rebellen (sog. Naxaliten) angegriffene Schule, die Human Rights Watch 2009 besuchte, Regierungsunterstützung bei den Reparaturen oder dem Wiederaufbau erhalten. Die Angriffe hatten zwischen zwei und sechs Monate vor den Besuchen stattgefunden, und die Regierung hatte bekannt gegeben, dass die für den Wiederaufbau erforderlichen Mittel vorhanden seien.

Angriffe auf Schulen und Lehrer traumatisieren Schüler und beeinträchtigen die Arbeitsleistung von Lehrern. Selbst wenn die Schulgebäude keinen Schaden nehmen oder die nötige Infrastruktur wiederhergestellt wurde, kehren Lehrer und Schüler manchmal aus Angst nicht zurück. Auch lehnen manche hochqualifizierten Lehrer ab, in der betreffenden Region zu arbeiten, so dass die verbliebenen Lehrer stark überlastet sind.

So berichteten Einwohner des ländlich geprägten Bundesstaates Bihar in Indien gegenüber Human Rights Watch, wie eine große Gruppe Maoisten die Mittelschule in ihrer Stadt sprengte. Als Reaktion darauf richtete die örtliche paramilitärische Polizei ein Lager in den intakten Gebäudeteilen ein. Der Schulunterricht wird nun in einem Zelt abgehalten, in dem die Kinder teilweise der Witterung ausgesetzt sind, es keine Toiletten gibt und es unmöglich ist, das von der Regierung vorgeschriebene Mittagessen anzubieten. »Wenn die Leute von diesen Problemen hören, nehmen sie ihre Kinder [aus der Schule] raus«, sagte eine Mutter zu Human Rights Watch.

Weiterhin können Angriffe sich spürbar auf andere Schulen in der Umgebung auswirken und beeinflussen, wie Eltern und Schüler die Kosten und den Nutzen eines Schulbesuchs abwägen. Im Konfliktgebieten ist die Qualität des Bildungssystems und des Schulunterrichts häufig gering, während die Familien hochsensibel auf Gewalt reagieren. Nachdem im September 2010 zwei Lehrer in Süd-Thailand auf dem Weg zum örtlichen Markt ermordet wurden, setzte der Lehrer-Verband für drei Tage den Unterricht in allen staatlichen Schulen der Region aus.

Selbst Drohungen sind ein effektives Mittel, um Schulen in Regionen zu schließen, in denen Gewalt weit verbreitet ist und die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Eine Lehrerin aus der ländlichen Laghman-Provinz in Afghanistan erzählte Human Rights Watch, dass ein Drittel ihrer Schüler die Schule abbrachen, nachdem ein so genannter »Nachtbrief« in einer Moschee deponiert wurde. Er drohte der Gemeinde: »Wir raten euch, eure Mädchen nicht mehr in diesen Unterricht zu schicken. Andernfalls könnt ihr euch die Konsequenzen nicht ausmalen. Die Schule wird in die Luft fliegen, und wenn eine eurer Töchter vergewaltigt wird, solltet ihr euch nicht wundern.«

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