Co. Aytch - Erinnerungen eines Konföderierten an den Bürgerkrieg

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Ich kann mich nicht mehr an die einzelnen Plädoyers erinnern, aber eines weiß ich noch: er wurde freigesprochen und ich war froh darüber.

Die Totenwache

Ich erinnere mich noch an eine weitere Begebenheit. Liebe Freunde, ihr, die ihr nichts vom Leben eines Soldaten wisst, ich bitte euch aufrichtig, die folgenden Zeilen nicht in Zweifel zu ziehen. Ihr habt zweifellos bereits von dem alten römischen Soldaten gelesen, den man in den Ruinen von Pompeji fand. Er stand dort seit sechzehnhundert Jahren und als man ihn ausgrub, sah man, dass er noch immer auf seinem Posten stand, mit seiner Waffe in seinen skelettierten Händen. Ihr glaubt diese Geschichte, weil sie in den Geschichtsbüchern steht. Ich habe gehört, wie sie von Politikern erzählt wurde und ich habe gehört, wie sie von der Kanzel gepredigt wurde. Sie ist wahr, niemand zweifelt daran. Nun, würde ich erzählen, dass sich eine exakt gleiche Begebenheit in unserem neunzehnten Jahrhundert abgespielt hat, so würdet ihr mir wohl kaum glauben. Aber ob ihr mir glauben wollt oder nicht, das müsst ihr selbst entscheiden.

Nahe einem kleinen Dorf namens Hampshire Crossing sollte sich unser Regiment zu einem kleinen Wasserlauf namens St. John’s Run begeben, um dort das 14. Georgia und das 3. Arkansas abzulösen. Ich kann die Tatsachen nicht so wiedergeben, wie ich gerne möchte. Tatsächlich zittert meine Hand dermaßen und ich bin so von meinen Gefühlen überwältigt, dass ich diese Zeilen kaum niederzuschreiben vermag. Wir gingen also zu diesem Ort und als wir ankamen, fanden wir die Wachtposten, sie waren auch kaum zu übersehen. Wenn ich mich recht entsinne, waren es elf Soldaten. Einige saßen und einige lagen auf der Erde, aber jeder von ihnen war so kalt und hart gefroren, wie die Eiszapfen, die von ihren Händen, Gesichtern und Uniformen hingen – tot! Sie waren auf ihrem Posten gestorben. Zwei von ihnen standen etwas abseits von den anderen, ihre Musketen in Händen und so kalt und hart wie Monumente aus Marmor – Wache stehend mit geladenen Musketen in ihren gefrorenen Händen! Die Geschichte ist erzählt. Waren es echte Menschen? Hat Er, der den Fall des Spatzen bemerkt und die Haare auf unseren Köpfen zu zählen vermag, überhaupt irgendein Interesse an den Geschicken der Sterblichen? Ja, Er tut alle Dinge wohl. Kein Spatz stürzt zur Erde ohne Seinen Willen.

Mach`s gut, Virginia!

Nachdem wir am ganzen Shenandoah-Feldzug teilgenommen hatten, durch all die Wunder des nordwestlichen Virginia marschiert waren und uns der dortigen Armee zugehörig fühlten, war es mit Sorge und mit Trauer, dass wir den „alten Gestaden Virginias“ unseren Abschiedsgruß entboten, um zu anderen blutigen Schlachtfeldern zu marschieren. Wir hatten gelernt, Virginia zu lieben; wir lieben es noch immer. Die Leute waren nett und freundlich zu uns. Sie teilten ihre letzte Scheibe Brot und ihr letztes Stückchen Speck mit uns. Wir liebten Lee, wir liebten Jackson; wir liebten den Klang von, den Gedanken an und die Menschen in Virginia. Hatton, Forbes, Anderson, Gilliam, Govan, Loring, Ashby und Schumaker waren Namen, denen wir uns verbunden fühlten. Wir mochten es nicht, all unsere alten Kameraden zurückzulassen. Wir fühlten, dass wir feige entgegen den Instinkten unserer Männlichkeit handelten und dass wir jene, die uns auf dem Marsch und auf dem Schlachtfeld beigestanden hatten, jetzt verließen, wo sie unserer Hilfe am dringendsten bedurften. Wir kannten das 7. und das 14. Tennessee; wir kannten das 3. Arkansas, das 14. Georgia und das 42. Virginia. Ihre Namen waren uns so geläufig wie alltägliche Redewendungen. Wir würden die Gebeine von Joe Bynum, Gus Allen und Patrick Hanley zurücklassen. Wir würden uns verabschieden von all den liebevollen Beziehungen zu den guten Menschen in Virginia und unseren alten Gefährten unter den Soldaten der großartigen Armee von Virginia. Mach`s gut, Virginia! Drüben, im guten, alten Tennessee, werden unsere Heimstätten und unsere Lieben beraubt und beleidigt. Unsere Felder werden verwüstet, unsere Städte geplündert und die Menschen hingeschlachtet. Die Pflicht, ebenso wie der Patriotismus, rufen uns zurück zu unserem Heimatstaat, um ihn, so gut wir können, gegen eine einfallende Armee unserer (damaligen) Feinde zu verteidigen. Und somit entbieten wir dir, Virginia, nochmals einen herzlichen Abschiedsgruß!

Kapitel 02: Shiloh

Shiloh

Dies war die erste große Schlacht, an der mein Regiment teilnahm. Ich möchte nicht so tun, als könne ich von den Fähigkeiten der Kommandeure, den Helden, von Blut und Wunden, vom Schreien und Stöhnen, von großartigen Sturmangriffen und eroberten Kanonen usw. berichten. Ich war nur ein einfacher Soldat und wenn ich mich einmal umsehen wollte, um herauszufinden, was um mich herum passierte, so ertönte das Kommando „Augen rechts, am Zentrum ausrichten!“ „Aufschließen, an der rechten Flanke ausrichten, halt, vorwärts, Schrägmarsch rechts, Schrägmarsch links, halt, vorwärts, am Zentrum ausrichten, Augen rechts, schnell formieren da hinten, Formation halten, Laufschritt, Bajonette aufpflanzen, Feuer frei!“, dies ist so ziemlich alles, was ein gemeiner Soldat jemals von einer Schlacht erfährt. Er kann den Rauch und das Mündungsfeuer der feindlichen Geschütze sehen und er kann das Pfeifen der Minié-Geschosse und der Kanonenkugeln hören, aber er muss so schnell laden und schießen, wie er die Patrone aufbeißen und in den Lauf rammen kann, sonst ergeht es ihm wie dem Iren, der so lange mit Platzpatronen feuerte, bis ihn eine Kugel traf und er verwundert ausrief: „Potztausendundeins! Die Kerle schießen ja mit Kugeln!“ Trotz alledem erinnere ich mich noch an einige Dinge, die ich während der Schlacht beobachten konnte.

Ich erinnere mich an einen Mann namens Smith, der ruhig und mit Bedacht aus der Reihe trat und sich einen Finger abschoss, um nicht kämpfen zu müssen. Ein anderer armer Kerl wurde von einem versehentlichen Schuss aus der Waffe eines Kameraden getötet und einige Männer krümmten sich plötzlich unter Magenkrämpfen.

Unser Regiment war am Samstagabend die Vorhut und war in ein leichtes Geplänkel verwickelt, aber General Gladdens Brigade überholte uns und bezog direkt vor uns Stellung. Am Sonntag bei Tagesanbruch wurde Gladden von Chalmers` Brigade abgelöst. Als Gladden gerade an uns vorbeiritt, kam ein Kurier angeritten und sagte etwas zu ihm. Ich weiß nicht, worüber sie sprachen, aber ich hörte Gladden sagen: „Richten Sie General Bragg aus, dass mein Spürsinn für Yankees ebenso scharf ist, wie der von General Chalmers!“

Am Sonntagmorgen, einem klaren und schönen Tag, erhielt die gesamte Armee den Befehl, vorzurücken und sofort anzugreifen. Wir unterstützten eine Brigade aus Alabama. Das Feuer wurde eröffnet: peng, peng, peng, rasseldipeng, peng, peng, bumm, pengpeng, peng, bumm, peng, bumm, peng, bumm, peng, bumm, peng, bumm, zisch, zisch, krach, knall, bumm, peng! Die Luft war voll von Kugeln und tödlichen Geschossen. Die Bahrenträger schafften die Sterbenden und die Verwundeten vom Feld. Wir konnten die Schreie der Stürmenden, den unablässigen Donner der Geschütze und das Rasseln der Musketen hören und wir wussten, dass die beiden Armeen in einen Kampf Mann gegen Mann verwickelt waren. Ständig drangen erfreuliche Neuigkeiten nach hinten. Jeder, der von vorne zurückkam, wurde begrüßt mit den Worten: „Und, was gibt es Neues von der Front?“ „Nun Jungs, wir treiben sie vor uns her. Wir haben alle ihre Lager erobert, alle ihre Habseligkeiten und ihre gesamte Verpflegung und ihre Ausrüstung und überhaupt alles!“ Als wir vorrückten, um die vor uns kämpfende Alabama-Brigade beim Angriff zu unterstützen, hatten einige Soldaten bereits die Flucht ergriffen und waren sichtlich von Panik ergriffen. Einige Jungs aus unserem Regiment lachten sie aus, fragten sie, wohin sie wollten und riefen „Flicker! Flicker! Flicker!“, so klingt der Ruf des Goldspechtes, „Flicker! Flicker! Flicker!“ [Anm. d. Übers.: Der Goldspecht ist der Wappenvogel des Staates Alabama.] Während wir weiter vorrückten, sahen wir den äußerst fettleibigen Oberst vom 23. Tennessee, der, wenn ich mich recht entsinne, Matt Martin hieß und schwer verwundet war. Er rief uns zu: „Gebt ihnen Dresche, Jungs! Jawohl, mein tapferes 1. Tennessee, blast ihnen ordentlich den Marsch!“ Wir blieben einen Moment lang stehen und ich fragte ihn: „Herr Oberst, wo sind Sie verwundet?“ Er antwortete in tiefem Bass: „Mein Sohn, ich bin am Arm verwundet, am Bein, am Kopf, am ganzen Leib und an einer Stelle, die zu nennen mir der Anstand verbietet.“ Dies waren die Worte des tapferen alten Obersts. Als wir weitermarschierten, sahen wir General Albert Sidney Johnston, der von seinem Stab und Gouverneur Harris aus Tennessee umringt war. Wir sahen, dass die Menge, die Johnston umringte, von Unruhe ergriffen war, aber wir wussten zu dieser Zeit nicht, dass er tot war. Das wurde den Truppen verschwiegen. Gegen Mittag galoppierte ein Kurier heran und befahl uns, vorzurücken und General Braggs Zentrum zu unterstützen. Dazu mussten wir den Boden überqueren, auf dem die beiden Armeen schon den ganzen Tag lang gekämpft hatten.

Ich hatte zuvor schon von Schlachtfeldern gehört, über sie gelesen und Bilder von ihnen gesehen: von Pferden und Männern, Geschützen und Wagen, alles ineinander verkeilt, während der Boden mit Toten, Sterbenden und Verwundeten bedeckt war; ich muss jedoch gestehen, dass ich keine Vorstellung von dem „Pomp und Schauspiel“ des so genannten „glorreichen Krieges“ hatte, bevor ich das Folgende sah. Männer lagen in jeder vorstellbaren Position auf der Erde, die Toten mit aufgerissenen Augen und die Verwundeten mitleiderregend um Hilfe flehend. Einige winkten mit ihren Hüten und riefen uns zu, wir sollten weiter vorrücken. Dies alles schien mir ein Traum zu sein; ich fühlte mich von einer Art Nebel umgeben, als uns plötzlich, zisch, zisch, zisch, die Kugeln der Yankees um die Ohren flogen. Ich musste wieder an den Iren denken: „Tatsächlich, die Kerle schießen wirklich mit Kugeln!“ Bald stürzte zuerst ein Bursche, dann ein weiterer, tot oder verwundet. Jetzt erhielten wir den Befehl, die Bajonette aufzupflanzen. Ich hatte mich den ganzen Morgen über bedrückt gefühlt, so als hätte ich ein Schaf gestohlen, aber als wir den Befehl zum Sturmangriff bekamen, wurde ich plötzlich ausgelassen. Ich fühlte mich besser als jemand, der in einer Methodistenkirche seinen Glauben empfängt. Ich brüllte. Es war ein einziger Spaß. Alle sahen glücklich aus. Wir rückten ihnen auf den Pelz. Ein weiterer Sturmangriff und ihre Linien begannen zu wanken und brachen schließlich auseinander. Sie wichen in Verwirrung zurück. Wir jubelten wie verrückt; wir waren siegreich. Die Offiziere schafften es nicht, die Männer in einer organisierten Formation zu halten. Kugel um Kugel jagten wir in die fliehenden Reihen. Die Toten und Verwundeten der Unionsarmee bedeckten die Erde. Gerade als der Sieg unser war, kam die Order, anzuhalten. Was?! Nach dem heutigen Erfolg? Sidney Johnston war gefallen, General Gladden war gefallen [Anm. d. Übers.: Gladden verlor bei Shiloh einen Arm, starb jedoch erst eine Woche später.], ein ganzer Haufen Generäle und tapferer Soldaten war tot und die gesamte Yankee-Armee wich auf ganzer Linie zurück. Diese vier Buchstaben, H-A-L-T, wie bitter klangen sie in unseren Ohren. Der Sieg war vollständig, aber das Wort „Halt“ verwandelte ihn in eine Niederlage.

 

Die Soldaten hatten die Lager der Yankees erobert und sahen all die guten Dinge, die sie zu essen hatten in den Marketenderläden und den Offizierszelten und binnen kurzer Zeit wühlte jeder herum, um zu sehen, was er finden konnte. Es war eine reiche Ernte und sie wurde von vielen fleißigen Händen eingebracht. Die Negerjungen, die ihren jungen Herren als Diener gefolgt waren, wurden reich. Es fand sich jede Menge Papiergeld, reichlich gute Kleidung und mehr Verpflegung, als wir brauchten. Die Jungs lebten wie die Made im Speck. Das war am Sonntag.

Am Montag wechselte das Schlachtenglück. Nun, diese Yankees hatten Dresche bezogen und zwar ordentlich und gemäß allen Regeln des Krieges hätten sie abziehen müssen. Aber sie taten es nicht. Überhäuft mit Siegen bei Fort Henry und Fort Donelson, der Eroberung von Nashville und der Besetzung von ganz Tennessee, sollte der Sieg erneut ihre Banner krönen, denn Buells Armee kam Grant nach einem Gewaltmarsch in letzter Sekunde zu Hilfe. Die ganze Nacht hindurch waren Transportschiffe und Kanonenboote damit beschäftigt, Buells Armee überzusetzen. Wir hörten den Klang der Schiffsglocken, das Paffen des Rauchs und das Zischen des Dampfes aus ihren Kesseln. Unser Regiment stand auf dem äußersten Vorposten und wir sahen, wie zuerst die Plänkler der Yankees vorrückten, dann ihre geschlossene Infanterie und schließlich die Artillerie. Wir lieferten ihnen am Montagmorgen einen guten Kampf und ich war überrascht, als wir den Befehl erhielten, uns zurückzuziehen anstatt anzugreifen. Aber wie ich zuvor bereits sagte, lieber Leser, der einfache Soldat ist nur eine Maschine und weiß nicht, was zwischen den Generälen vorgeht. Ich kann nur jene kleinen Dinge und Begebenheiten schildern, die ich mit eigenen Augen sah und an die ich mich noch erinnere. Sollte dir daran gelegen sein, mehr über die Schlacht zu erfahren, so verweise ich dich an die Geschichtsbücher. An ein bestimmtes Ereignis erinnere ich mich noch sehr gut: Ein Yankee-Oberst saß auf einer schönen grauen Stute und sah zu uns herüber, als sei er auf einer Parade. W. H. stürmte vorwärts, ergriff das Pferd am Zaum und befahl dem Oberst gleichzeitig, sich zu ergeben. Der Yankee ergriff die Zügel, lehnte sich im Sattel nach hinten, richtete den Lauf seines Revolvers auf den Kopf von W. H. und drückte ab. Praktisch genau zu dem Zeitpunkt, als er den Abzug drückte, traf ihn eine verirrte Kugel von irgendwoher in die Seite. Er stürzte tot vom Pferd, dieses geriet in Panik und galoppierte davon, wobei es den Toten durch die konföderierten Linien schleifte. Sein Revolver hatte sein Ziel verfehlt.

Ich habe hunderte alter Soldaten von den Unmengen an Papiergeld erzählen hören, die sie auf dem Schlachtfeld von Shiloh fanden und aufklaubten. Sie dachten jedoch, das Geld sei wertlos und machten sich nicht die Mühe, es mitzunehmen. Ein Bursche, ein Kurier, dessen Pferd getötet worden war, fing sich ein Maultier ein und während des letzten Angriffes, kurz bevor der fatale Halt befohlen wurde, stürmte er ganz alleine nach vorne. Die Soldaten riefen: „Schaut euch diesen tapferen Kerl an, er stürzt sich direkt in den Schlund des Todes!“ Er begann die Zügel hin und her zu zerren, biss die Zähne zusammen und schrie schließlich: „Das bin nicht ich, Jungs! Das ist das verdammte alte Maultier! Brr! Brr!“

Am Montagmorgen besorgte auch ich mir ein Maultier. Es war kein schnelles Exemplar und ich fand bald heraus, dass es dachte, es sei ebenso schlau wie ich. Es hielt sich für sehr weise. Es neigte dazu, jedem kleinen Trampelpfad zu folgen, an dem wir vorbeikamen. All meine Beschimpfungen konnten es nicht beschleunigen. Wenn das Blut den Körper mit Energie versorgt, so glaube ich nicht, dass die Kreatur auch nur einen Tropfen irgendeiner Art von Blut in sich hatte. Wenn ich auf einer Seite der Straße reiten wollte, so empfand das Maultier unweigerlich einen ebenso starken Drang, auf der anderen Straßenseite zu gehen. Schließlich hatte ich genug. Ich nahm einen dicken Hickorystock und zog ihn ihm über den Schädel, aber es schüttelte nur den Kopf, wedelte mit den Ohren und schien zu sagen: „Du hältst dich wohl für ziemlich schlau, was?“ Es war ein dickköpfiges Maultier, war schwer zu verärgern und hätte einen guten Kaufmann abgegeben, der niemals ein schlechtes Geschäft getätigt hätte, denn sein ganzes Wesen schien nur aus einem einzigen Wort zu bestehen: "Nein!" Ich dachte häufig daran, wie angenehm es wäre, ihm auf halbem Wege entgegen zu kommen und ich hätte es bereitwillig getan, hätte es dafür auch nur die Hälfte seines „Nein!“ aufgegeben. Wir beide quälten uns vorwärts, bis wir an ein Flüsschen kamen. Das Maultier wollte das Flüsschen nicht durchqueren, während ich mit einem dicken Stock, einem Steinwurf an sein Ohr und einem Kneifer in seine Nase versuchte, es dazu zu bringen. Der Munitionswagen einer Batterie wollte gerade übersetzen und der Wagenlenker sagte: „Ich werde mich um dein Maultier kümmern.“ Er nahm ein langes, fünf Zentimeter dickes Seil, band das eine Ende um den Hals des Maultiers, befestigte das andere Ende am Wagen und befahl dem anderen Wagenlenker, ordentlich die Peitsche einzusetzen. Das Maultier war sehr unwillig, ins Wasser zu gehen. Es war kein Baptist, glaubte nicht an die Taufe und hatte seine eigenen Ansichten, was das Durchqueren von Flüssen betraf, aber das Seil spannte sich und das Maultier quiekte in lautem Protest gegen die bösartige Behandlung. Das Seil war jedoch stärker als das „Nein!“ des Maultiers und schließlich überwog diese Stärke und es musste das Flüsschen durchqueren. Als ich ihm das Seil abnahm, schüttelte es sich und schien zu sagen: „Ihr Kerle haltet euch wirklich für verdammt schlau, aber ihr seid ein wenig zu schlau.“ Ich gab auf und akzeptierte, dass das „Nein!“ des Maultiers stärker war als meine Entschlossenheit. Es schien in tiefe Meditation verfallen zu sein. Ich stieg wieder auf und plötzlich hob es seinen Kopf, richtete seine Ohren auf, begann mit den Zähnen zu mahlen, stieß einen kleinen Quieker aus, wurde etwas schneller und verfiel schließlich in einen Galopp und kurz darauf in einen förmlichen Sturmlauf. Es schien sich plötzlich an etwas erinnert zu haben; vielleicht hatte es auch etwas vergessen, auf jeden Fall holte es jetzt seine verbummelte Zeit auf. Obgleich ich mit aller Kraft an den Zügeln herumriss, konnte ich es nicht eher stoppen, als bis es mich nach Corinth, Mississippi gebracht hatte.

Kapitel 03: Corinth

Corinth

Nun, hier waren wir und erneut wurde „umorganisiert“ und nachdem unsere Disziplin auf dem Weg nach und zurück aus Virginia so lax gewesen war und wir jetzt eine große Schlacht geschlagen hatten, die die Organisation einer Armee immer durcheinander wirft, wen wundert es da, dass einige Männer um der Disziplin willen erschossen werden mussten? Und wen wundert es, dass General Braggs Name zum Schrecken der Deserteure und Tunichtgute wurde? Männer wurden reihenweise füsiliert und da war es kein Wunder mehr, dass die Armee reorganisiert werden musste. Viele Soldaten hatten sich nur für zwölf Monate verpflichtet und sie hatten ihre Pflicht als Freiwillige treu erfüllt. Ihre Dienstzeit war ausgelaufen und sie dachten natürlich, dass sie das Recht hätten, nach Hause zu gehen. Sie hatten treu und gut gedient. Sie wollten ihre Familien sehen und allgemein einfach nach Hause. Krieg war zur Realität geworden, sie waren ihn leid. Der Kongress der Konföderierten Staaten hatte ein Gesetz erlassen, den so genannten „Conscription Act“. Ein Soldat hatte nicht mehr das Recht, sich freiwillig zu melden und seine Waffengattung selbst zu wählen. [Anm. d. Übers.: Auch unter dem Wehrpflichtgesetz konnten Rekruten ihre Waffengattung noch selbst wählen.] Er wurde eingezogen. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende des Krieges war ein Soldat nur noch eine Maschine, ein Wehrpflichtiger. Das ging uns Rebellen sehr nahe. Wir verfluchten den Krieg, wir verfluchten Bragg und wir verfluchten die Konföderation. All unser Stolz und Heldenmut waren dahin und wir hatten den Krieg und die Konföderation satt.

Dann wurde vom Kongress ein Gesetz beschlossen, das es jeder Person, die 20 Neger besaß, erlaubte, nach Hause zu gehen. Das machte uns fertig; wir wollten 20 Neger. Sklaven wurden auf einmal sehr wertvoll und die Parole „Krieg der Reichen auf dem Rücken der Armen!“ machte die Runde. Der Ruhm des Krieges, der Ruhm des Südens, der Ruhm und der Stolz des Freiwilligen, all dies reizte den Wehrpflichtigen nicht. Wir sollten unsere neuen Offiziere wählen und das Land war überrascht, als es sah, welche Wahl der Wehrpflichtige getroffen hatte. Der Wehrpflichtige hatte keine Wahl. Er war abgestumpft und es war ihm egal, ob er einen Hauptmann hatte oder nicht. Unsere anfänglichen Offiziere hatten ihre Posten niedergelegt und waren nach Hause gegangen, weil sie Offiziere waren. Der arme Soldat, ein verachtenswerter Wehrpflichtiger, blieb zurück und heulte und knirschte mit den Zähnen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Krieg genauso gut bereits zu Ende sein können. Die Jungs waren am Boden, nein, völlig am Ende. Man hatte ihnen die Locken ihres Ruhmes geschoren. Sie hatten jetzt nur noch ein Verlangen: auf irgendeinem Wege von der Infanterie wegzukommen. Sie wollten zur Kavallerie oder Artillerie, zum Heimatschutz oder dem Pionierkorps, sie wollten „yaller dogs“ werden oder irgendetwas anderes. (Der gewöhnliche Stabsoffizier und Kurier wurde „yaller dog“ genannt und man betrachtete ihn nicht als Angehörigen der kämpfenden Truppe und hielt ihn für ein Ärgernis. Der gewöhnliche Soldat ließ keinen „yaller dog“ passieren, ohne zu pfeifen und so zu tun, als rufe er seinen Hund. Tatsächlich musste der General einen Armeebefehl erlassen, der das Verhöhnen von Stabsoffizieren und Kurieren unter Strafe stellte. Man betrachtete sie schlicht als unnötige Anhängsel oder, in anderen Worten, als feige, Schafe tötende Hunde, die, wenn man „Buh!“ schrie, anfingen zu winseln und sich hinter den Stiefeln ihres Herrn verkrochen. Mike Snyder war General George Maneys „yaller dog“ und ich glaube, von ihm nahm Joe Jefferson den Namen von Rips Hund Snyder in „Rip Van Winkle“. Immer, wenn ein Stabsoffizier oder ein Kurier an uns vorbeikam, rief irgendjemand: „Hierher, komm, komm, hierher, hierher, auf, Snyder, na komm, hierher, Snyder, komm, komm!“ Der Grund dafür war, dass der Soldat der Meinung war, er müsse das ganze Laden, Schießen und Kämpfen erledigen und tatsächlich gibt es nur sehr wenige Fälle, dass ein Stabsoffizier oder Kurier jemals im Dienste seines Landes eine Muskete abgefeuert hätte. Selbst heute noch muss ich, wenn ich einen alten Soldaten von seinem Dienst im Stabe eines Generals erzählen höre, immer an den Buchstaben „E“ denken. Tatsächlich war ich selbst im Laufe des Krieges als spezieller Kurier und Stabsoffizier für General Hood eingeteilt, ein Amt, das ich drei Tage lang ausübte. Während dieser drei Tage sagte ich jedem Wachtposten, an dem ich vorbeikam, dass ich Hoods Stab angehörte und für den Rest des Krieges leistete die Erfahrung dieser drei Tage mir gute Dienste. Ich kam an jedem Wachtposten der Armee vorbei, indem ich das magische Wort „Stabsoffizier“ benutzte. Es schlug alle jemals erfundenen Erkennungszeichen um Längen. Es war das „Sesam öffne dich“ des Krieges und des soldatischen Gehorsams.)

 

Ihre letzte Hoffnung war geschwunden. Sie hassten den Krieg. In ihren Augen war der Süden ein Tyrann und die Konföderation ein Betrug. Sie desertierten zu Tausenden. Sie empfanden weder Liebe noch Respekt für General Bragg. Wenn jemand füsiliert oder ausgepeitscht werden sollte, musste die gesamte Armee bei der furchtbaren Szene anwesend sein und zusehen, wie ein armer, zitternder Kerl an einen Pfahl gebunden wurde und eine Abteilung von zwölf Mann antrat, um ihn zu erschießen. Das gedämpfte Kommando „Legt an, Feuer!“ ließ den Soldaten, oder sollte ich sagen: den Wehrpflichtigen, den bloßen Namen der Konföderation verabscheuen. Und wenn ein armer Kerl ausgepeitscht und gebrandmarkt werden sollte, weil er ohne Erlaubnis zehn Tage von der Truppe abwesend gewesen war, mussten wir zusehen, wie er niederkniete, ihm der Kopf so glatt wie eine geschälte Zwiebel geschoren wurde und er sich dann vollständig entkleiden musste. Dann ließ ein strammer Bursche mit einer großen Lederpeitsche das Blut bei jedem Schlag fließen und spritzen. Der arme Kerl bettelte und heulte wie ein Hund und dann wurde ihm mit einem rotglühenden Eisen der Buchstabe „D“ in beide Hüften eingebrannt. Anschließend wurde er zu den Klängen des „Rogue’s March“ an der Armee vorbeigeführt. Es reichte. Keiner von General Braggs Soldaten hat ihn jemals geliebt. Sie hatten kein Vertrauen in seine Fähigkeiten als General. Man betrachtete ihn als einen gnadenlosen Tyrannen. Die Soldaten erhielten nur sehr wenig Verpflegung. Bragg war niemals ein guter Proviantmeister oder Generalkommissar. Unsere Rationen waren immer knapp. Es gab keine Extrarationen für die Neger, die als Diener bei uns waren. Kein Kaffee, Whisky oder Tabak durfte an die Truppen ausgegeben werden. Wenn jemand in den Besitz dieser Luxusgüter gelangte, so kamen sie nicht von der Regierung. Diese Güter wurden zurückgehalten, um das Herz und den Geist von Braggs Truppen zu brechen. Wir waren am Boden zerstört. Bragg war der große Alleinherrscher. Für den Soldaten war sein Wort Gesetz. Er liebte es, den Geist seiner Männer zu brechen. Je niedergeschlagener sie aussahen, desto zufriedener war er. Kein einziger Soldat in der ganzen Armee hat ihn jemals geliebt oder respektiert. Aber jetzt ist er tot. Friede seiner Asche!

Wir wurden zu ausgehungerten Skeletten, nackten und zerlumpten Rebellen. Chronischer Durchfall wurde zur Plage der Armee. Corinth war ein einziges riesiges Lazarett. Fast die gesamte Armee meldete sich jeden Morgen krank. Alle Wasserläufe versiegten und wir benutzten Wasser aus dreckigen Tümpeln. Halleck rückte vor; wir mussten Corinth befestigen. Eine riesige Armee: Grant, Buell, Halleck, Sherman, alle rückten gegen Corinth vor. Unsere Truppen waren nicht in der Verfassung für einen Kampf. Sie hatten genug von dieser erbärmlichen und doch tragischen Farce gesehen. Sie waren bereit, den Vorhang fallen zu lassen, die Lichter auszublasen und nach Hause zu gehen. Sie liebten die Union irgendwie und waren immer gegen diesen Krieg gewesen. Aber dann wurde leise der Name Bragg geflüstert. Von ihm ging eine größere Bedrohung aus als von den nahenden Heerscharen von Hallecks Armee.

Die Kugeln und Granaten pflügten durch unsere Reihen. Hin und wieder wurde ein Soldat verwundet oder getötet und wir dachten darüber nach, welch eine „großartige“ Torheit es doch war. Der Tod war uns willkommen. Hallecks gesamte Armee von Blauröcken hatte ihren Schrecken verloren. Wenn wir uns zum Gefecht aufstellten, wurde ein Zehntel der Armee hinter uns postiert, um uns niederzuschießen, falls wir wegrennen wollten. Kein Rudel Hunde unter der Peitsche ihres Herrn, keine Gruppe Gefangener in einem Zuchthaus stand jemals unter strengerer Überwachung. Wir waren zehnmal weniger wert als Sklaven; unser Kampfgeist gehörte der Vergangenheit an; die Glorie des Krieges und der Stolz der Männlichkeit waren Braggs tyrannischer Vernichtungswut geopfert worden. Doch genug davon.

Rowland wird erschossen

Eines Morgens ging ich hinüber zum 23. Tennessee-Regiment, um Hauptmann Gray Armstrong und Oberst Jim Niel zu besuchen. Beide waren froh, mich zu sehen, denn wir waren schon vor dem Krieg gute Freunde gewesen. Während ich in Oberst Niels Zelt saß, sah ich eine Abteilung Soldaten, die einen Mann namens Rowland begleiteten. Er sollte wegen Fahnenflucht gemäß dem Urteil eines Kriegsgerichts füsiliert werden. Ich erfuhr, dass er die Dienstzeit, für die er sich ursprünglich freiwillig verpflichtet hatte, abgeleistet hatte, unsere Armee verlassen und sich den Yankees angeschlossen hatte und mit Prentiss’ Brigade bei Shiloh in Gefangenschaft geraten war. Er wurde auf einem Karren zum Exekutionsplatz geschafft und saß dabei auf einer alten Geschützkiste, die seinen Sarg darstellte. Als sie das Grab erreichten, das bereits am Vortag ausgehoben worden war, hatte sich Wasser darin gesammelt und ein Soldat war gerade dabei, es abzuschöpfen. Rowland sagte: „Bitte gebt mir einen Schluck von dem Wasser. Ich will Wasser aus meinem eigenen Grab trinken, damit die Jungs darüber reden und sich an Rowland erinnern, wenn ich tot bin.“ Sie gaben ihm das Wasser, er trank alles, was in dem Eimer war, gab ihn zurück und fragte sie, ob er noch etwas mehr haben könne, da er gehört habe, dass Wasser in der Hölle sehr knapp sei und es das letzte Wasser sei, das er je trinken werde. Dann wurde er zum Pfahl gebracht und dort begann er mächtig vom Leder zu ziehen. Er verfluchte Bragg, Jeff Davis, die Konföderation und alle Rebellen auf übelste Weise. Er war einfach nur hochmütig und sehr beleidigend. Ich dachte, er verdiene es, zu sterben. Er sagte, er wolle den Rebellen zeigen, wie ein Unionsanhänger sterben könne. Ich weiß nicht mehr, was er noch alles sagte. Als das Exekutionskommando Aufstellung nahm, kniete er sich selbst vor dem Pfahl hin. Der kommandierende Hauptmann gab das Kommando „Legt an, Feuer!“ und Rowland fiel auf die Seite. Das war das Ende von Rowland.

Töten eines Yankee-Scharfschützen

Direkt vor uns, bei Corinth, Mississippi, wurden unsere Männer von Scharfschützen niedergeschossen. Etliche wurden getötet, aber niemand konnte sagen, woher die Schüsse kamen. An einer bestimmten Stelle drohte einem der sichere Tod. Seit einer Woche war jede Abteilung, die auf diesen Posten geschickt worden war, getötet worden. Als dieser Posten erneut zugeteilt wurde, fiel die Entscheidung auf Tom Webb und mich. Gerade als wir uns der Stelle näherten, trugen sie wieder einen toten Jungen nach hinten. Oberst George C. Porter vom 6. Tennessee ermahnte uns, scharf aufzupassen. Wir nahmen unseren Posten ein. Eine Minié-Kugel zischte direkt an meinem Kopf vorbei, ich glaube nicht, dass sie mich um mehr als drei Milimeter verfehlte. Tom setzte sich auf ein altes Stück Holz und gerade als er sich niederließ, schleuderte eine einschlagende Kugel das Holzstück fort. Tom sammelte es auf und musste über unsere unangenehme Lage lachen. Ich sah gerade zu den Baumwipfeln hinauf und bemerkte Rauch, der über einem Baum aufstieg. Kurz darauf sah ich, wie ein Yankee hinter dem Baumstamm zwischen dem Laub hervorlinste. Ich machte Tom rasch darauf aufmerksam und zeigte ihm die Stelle. Wir konnten seinen Ladestock erkennen, während er lud und wir sahen, wie er das Gewehr hob, um, wie wir glaubten, ein Zündhütchen aufzusetzen. Tom lag inzwischen flach auf dem Bauch und legte seine Muskete über das Holzstück, auf dem er zuvor gesessen hatte. Ich stützte meine Muskete auf einem jungen Bäumchen ab und wir beide hatten die Stelle, wo der Yankee saß, genau im Visier. Schließlich sahen wir ihn erneut zwischen dem Laub hindurchspähen und wir bewegten uns ein wenig, damit er uns sehen konnte. Sogleich kam der Yankee gut sichtbar hervor und Peng! Peng!, Tom und ich schossen zur gleichen Zeit. Wir sahen den Yankee wie ein Eichhörnchen herunterstürzen. Es klang wie entfernter Donner, als er auf dem Boden aufschlug. Wir hörten, wie die Yankees in wegtrugen. Ich bin mir sicher, dass an diesem Tag kein Yankee mehr diesen Baum bestieg und Oberst George C. Porter lobte Tom und mich in den höchsten Tönen für unseren Erfolg.