Die Geheimwissenschaft im Umriss

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Nach der Läuterung tritt für das Ich ein völlig neuer Bewusstseinszustand ein. Während ihm vor dem Tode die äußeren Wahrnehmungen zufließen mußten, damit auf sie das Licht des Bewusstseins fallen könne, strömt jetzt gleichsam von innen eine Welt, die zum Bewusstsein gelangt. Auch zwischen Geburt und Tod lebt das Ich in dieser Welt. Nur kleidet sich letztere da in die Offenbarungen der Sinne; und nur da, wo das Ich mit Außerachtlassung aller Sinneswahrnehmung sich selbst in seinem »innersten Allerheiligsten« wahrnimmt, kündigt sich das in unmittelbarer Gestalt an, was sonst nur in dem Schleier des Sinnlichen erscheint. So wie die Wahrnehmung des Ich im Innern vor dem Tode vor sich geht, so von innen heraus offenbart sich die geistige Welt in ihrer Fülle nach dem Tode und nach der Läuterung. Eigentlich ist diese Offenbarung schon sogleich nach dem Ablegen des Ätherleibes da; doch legt sich vor sie hin wie eine verfinsternde Wolke die Welt der Begierden, welche noch der äußeren Welt zugekehrt sind. Es ist da, wie wenn sich in eine selige Welt geistigen Erlebens die schwarzen dämonischen Schatten mischten, welche aus den im »Feuer sich verzehrenden« Begierden entstehen. Ja nicht bloß Schatten, sondern wirkliche Wesenheiten sind jetzt diese Begierden; das zeigt sich sofort, wenn die physischen Organe vom Ich entfernt sind und dieses dadurch wahrnehmen kann, was geistiger Art ist. Als Zerrbilder und Karikaturen dessen erscheinen diese Wesen, was dem Menschen vorher durch die sinnliche Wahrnehmung bekannt geworden ist. Die übersinnliche Beobachtung hat von dieser Welt des Läuterungsfeuers zu sagen, daß sie bewohnt ist von Wesen, deren Aussehen dem geistigen Auge grauenhaft und schmerzerregend sein kann, deren Lust die Vernichtung zu sein scheint und deren Leidenschaft auf ein Böses sich richtet, gegen welches das Böse der Sinnenwelt unbedeutend wirkt. Was der Mensch an den gekennzeichneten Begierden in diese Welt mitbringt, das erscheint für diese Wesenheiten wie eine Nahrung, durch welche ihre Gewalten stets aufs neue Kräftigung und Stärkung erhalten. Das Bild, das so von einer für die Sinne unwahrnehmbaren Welt entworfen wird, kann dem Menschen weniger unglaublich erscheinen, wenn er einmal mit einem unbefangenen Blicke einen Teil der Tierwelt betrachtet. Was ist für den geistigen Blick ein grausam herumziehender Wolf? Was offenbart sich indem, was die Sinne an ihm wahrnehmen? Nichts anderes als eine Seele, die in Begierden lebt und sich durch diese betätigt. Man kann die äußere Gestalt des Wolf es eine Verkörperung dieser Begierden nennen. Und hätte der Mensch keine Organe, um diese Gestalt wahrzunehmen, er müßte das Dasein des entsprechenden Wesens doch anerkennen, wenn sich dessen Begierden unsichtbar in ihren Wirkungen zeigten, wenn also eine für das Auge unsichtbare Gewalt herumschliche, durch welche alles das geschehen könnte, was durch den sichtbaren Wolf geschieht. Nun, die Wesen des Läuterungsfeuers sind zwar nicht für das sinnliche, sondern nur für das übersinnliche Bewusstsein vorhanden; ihre Wirkungen liegen aber offenkundig da: sie bestehen in der Zerstörung des Ich, wenn ihnen dieses Nahrung gibt. Diese Wirkungen werden deutlich sichtbar, wenn sich der begründete Genuss zu Unmäßigkeit und Ausschweifung steigert. Denn was den Sinnen wahrnehmbar ist, würde auch das Ich nur insoweit reizen, als der Genuss in seiner Wesenheit begründet ist. Das Tier wird nur durch dasjenige in der Außenwelt zum Verlangen getrieben, wonach seine drei Leiber begehren. Der Mensch hat höhere Genüsse, weil zu den drei Leibesgliedern noch das vierte, das Ich, hinzukommt. Wenn aber nun das Ich nach einer solchen Befriedigung verlangt, die seinem Wesen nicht zur Erhaltung und Förderung, sondern zur Zerstörung dient, so kann ein solches Verlangen weder die Wirkung seiner drei Leiber noch diejenige seiner eigenen Natur sein, sondern nur diejenige von Wesenheiten, welche den Sinnen verborgen bleiben ihrer wahren Gestalt nach, die aber gerade an die höhere Natur des Ich sich heranmachen können und es zu Begierden zu reizen vermögen, die nicht mit der Sinnlichkeit zusammenhängen, doch aber nur durch diese befriedigt werden können. Es sind eben Wesen vorhanden, welche Leidenschaften und Begierden zu ihrer Nahrung haben, die von schlimmerer Art als alle tierischen sind, weil sie nicht im Sinnlichen sich ausleben, sondern das Geistige ergreifen und dieses in das sinnliche Feld herunterziehen. Die Gestalten solcher Wesen sind deshalb für den geistigen Blick häßlicher, grauenhafter als die Gestalten der wildesten Tiere, in denen sich doch nur Leidenschaften verkörpern, welche im Sinnlichen begründet sind; und die zerstörenden Kräfte dieser Wesen überragen maßlos alle Zerstörungswut, welche in der sinnlich wahrnehmbaren Tierwelt vorhanden ist. Die übersinnliche Erkenntnis muß auf diese Art den Blick des Menschen weiten als auf eine Welt von Wesen, die in gewisser Beziehung niedriger steht als die sichtbare zerstörungbringende Tierwelt.

Wenn der Mensch nach dem Tode durch diese Welt hindurchgegangen ist, dann findet er sich einer Welt gegenüber, welche Geistiges enthält und die auch nur ein Verlangen in ihm erzeugt, das im Geistigen seine Befriedigung findet. Aber auch jetzt unterscheidet der Mensch zwischen dem, was zu seinem Ich gehört, und dem, was die Umgebung dieses Ich — man kann auch sagen dessen geistige Außenwelt — bildet. Nur strömt ihm das, was er von dieser Umgebung erlebt, so zu, wie während seines Aufenthaltes im Leibe ihm die Wahrnehmung seines eigenen Ich zuströmt. Während also die Umgebung des Menschen im Leben zwischen Geburt und Tod durch die Organe seiner Leiber zu ihm spricht, dringt nach Ablegung aller Leiber die Sprache der neuen Umgebung unmittelbar in das »innerste Heiligtum« des Ich. Die ganze Umgebung des Menschen ist jetzt erfüllt von Wesenheiten, welche gleicher Art sind mit seinem Ich, denn nur ein Ich hat zu einem Ich den Zutritt. So wie Mineralien, Pflanzen und Tiere den Menschen in der Sinnenwelt umgeben und diese zusammensetzen, so ist er nach dem Tode von einer Welt umgeben, die aus Wesenheiten geistiger Art zusammengesetzt ist. Doch bringt der Mensch etwas, was in ihr nicht seine Umgebung ist, in diese Welt mit; es ist dasjenige, was das Ich innerhalb der Sinnenwelt erlebt hat. Zunächst trat die Summe dieser Erlebnisse unmittelbar nach dem Tode, solange der Ätherleib noch mit dem Ich verbunden war, als ein umfassendes Erinnerungsgemälde auf. Der Ätherleib selbst wird dann zwar abgelegt, aber von dem Erinnerungsgemälde bleibt etwas als unvergänglicher Besitz des Ich zurück. Wie wenn man aus allen Erlebnissen und Erfahrungen, die zwischen Geburt und Tod an den Menschen herangetreten sind, einen Extrakt, einen Auszug machen würde, so nimmt sich das aus, was da zurückbleibt. Es ist dies das geistige Erträgnis des Lebens, die Frucht desselben. Dieses Erträgnis ist geistiger Art. Es enthält alles, was sich Geistiges durch die Sinne offenbart. Aber ohne das Leben in der Sinnenwelt hätte es nicht zustande kommen können. Diese geistige Frucht der Sinnenwelt empfindet nach dem Tode das Ich als das, was jetzt seine eigene, seine Innenwelt ist und womit es die Welt betritt, die aus Wesen besteht, die sich offenbaren, wie nur sein Ich sich selbst in seinem tiefsten Innern offenbaren kann. Wie ein Pflanzenkeim, der ein Extrakt der ganzen Pflanze ist, sich aber nur entfaltet, wenn er in eine andere Welt, in die Erde, versenkt wird, so entfaltet sich jetzt dasjenige, was das Ich aus der Sinnenwelt mitbringt, wie ein Keim, auf den die geistige Umgebung wirkt, die ihn nunmehr aufgenommen hat. Die Wissenschaft des Übersinnlichen kann allerdings nur Bilder geben, wenn sie schildern soll, was in diesem »Geisterland« vorgeht; doch können diese Bilder solche sein, welche dem übersinnlichen Bewusstsein sich als wahre Wirklichkeit darstellen, wenn es die entsprechenden, dem sinnlichen Auge unsichtbaren Ereignisse verfolgt. Was da zu schildern ist, kann durch Vergleiche mit der Sinnenwelt anschaulich gemacht werden. Denn trotzdem es ganz geistiger Art ist, hat es Ähnlichkeit in gewisser Beziehung mit der sinnlichen Welt. Wie zum Beispiel in dieser eine Farbe erscheint, wenn dieser oder jener Gegenstand auf das Auge wirkt, so stellt sich vor das Ich im »Geisterlande« ein Erlebnis wie das durch eine Farbe hin, wenn auf dasselbe ein Wesen wirkt. Nur wird dieses Erlebnis so hervorgebracht, wie innerhalb des Lebens zwischen Geburt und Tod nur die Wahrnehmung des Ich im Innern bewirkt werden kann. Es ist nicht, wie wenn das Licht von außen herein in den Menschen fiele, sondern so, wie wenn ein anderes Wesen unmittelbar auf das Ich wirkte und dieses veranlaßte, sich diese Wirkung in einem Farbenbilde vorzustellen. So finden alle Wesen der geistigen Umgebung des Ich in einer farbenstrahlenden Welt ihren Ausdruck. Da sie eine andere Art der Entstehung haben, sind selbstverständlich diese Farbenerlebnisse der geistigen Welt auch von etwas anderem Charakter als die an den sinnlichen Farben. Auch für andere Eindrücke, welche der Mensch von der Sinnenwelt empfängt, muß Ähnliches gesagt werden. Am ähnlichsten den Eindrücken dieser Sinnenwelt sind nun aber die Töne der geistigen Welt. Und je mehr sich der Mensch einlebt in diese Welt, desto mehr wird sie für ihn ein in sich bewegtes Leben, das sich mit den Tönen und ihrer Harmonie in der sinnlichen Wirklichkeit vergleichen läßt. Nun fühlt er die Töne nicht als etwas, das von außen an ein Organ herankommt, sondern wie eine Macht, die durch sein Ich in die Welt hinausströmt. Er fühlt den Ton, wie in der Sinnenwelt sein eigenes Sprechen oder Singen; nur weiß er in der geistigen Welt, daß diese Töne, die aus ihm strömen, zugleich die Kundgebungen anderer Wesenheiten sind, die durch ihn sich in die Welt ergießen. Eine noch höhere Kundgebung im »Geisterland« findet statt, wenn der Ton zum »geistigen Wort« wird. Dann strömt durch das Ich nicht nur das bewegte Leben eines andern geistigen Wesens, sondern ein solches Wesen selbst teilt sein Inneres diesem Ich mit. Und ohne das Trennende, das ein jedes Beisammensein in der Sinnenwelt haben muß, leben dann, wenn das Ich von dem »geistigen Wort« durchströmt wird, zwei Wesen ineinander. Und in dieser Art ist wirklich das Beisammensein von dem Ich mit andern geistigen Wesen nach dem Tode.

 

Vor das übersinnliche Bewusstsein treten drei Gebiete des Geisterlandes, welche sich vergleichen lassen mit drei Teilen der physischen Sinnenwelt. Das erste Gebiet ist gewissermaßen das »feste Land« der geistigen Welt, das zweite das »Meeres- und Flußgebiet« und das dritte der »Luftkreis«.

Was auf der Erde physische Formen annimmt, so daß es durch physische Organe wahrgenommen werden kann, das wird seiner geistigen Wesenheit nach in dem ersten Gebiet des »Geisterlandes« wahrgenommen. Von einem Kristall zum Beispiel kann da die Kraft wahrgenommen werden, welche seine Form bildet. Nur verhält sich dasjenige, was sich da offenbart, wie ein Gegensatz dessen, was in der Sinnenwelt auftritt. Der Raum, welcher in der letzteren Welt von der Gesteinsmasse ausgefüllt ist, erscheint für den geistigen Blick wie eine Art Hohlraum; aber rings um diesen Hohlraum wird die Kraft gesehen, welche die Form des Steines bildet. Eine Farbe, welche der Stein in der Sinnenwelt hat, erscheint in der geistigen wie das Erlebnis der Gegenfarbe; also ein rot gefärbter Stein ist vom Geisterland aus gesehen wie grünlich, ein grüner wie rötlich erlebt usw. Auch die anderen Eigenschaften erscheinen in ihrem Gegensatz. Wie Steine, Erdmassen und dergleichen das feste Land — das Kontinentalgebiet — der sinnlichen Welt bilden, so setzen die dargestellten Gebilde das »feste Land« der geistigen zusammen.

Alles, was innerhalb der Sinnenwelt Leben ist, das ist Meeresgebiet im Geistigen. Dem sinnlichen Blick erscheint das Leben in seinen Wirkungen bei Pflanzen, Tieren und Menschen. Dem geistigen Auge ist das Leben ein strömendes Wesen, das wie Meere und Flüsse das Geisterland durchsetzt. Besser noch ist der Vergleich mit dem Kreislauf des Blutes im Leibe. Denn während sich die Meere und Flüsse in der Sinnenwelt als unregelmäßig verteilt darstellen, herrscht in der Verteilung des strömenden Lebens im Geisterland eine gewisse Regelmäßigkeit, wie im Blutkreislauf. Eben dieses »strömende Leben« wird gleichzeitig wie ein geistiges Tönen wahrgenommen.

Das dritte Gebiet des Geisterlandes ist dessen »Luftkreis«. Was in der Sinnenwelt als Empfindung auftritt, das ist im Geistgebiet so alles durchdringend vorhanden, wie die Luft auf der Erde vorhanden ist. Ein Meer von strömender Empfindung hat man sich da vorzustellen. Leid und Schmerz, Freude und Entzücken strömen in diesem Gebiete wie Wind und Sturm im Luftkreis der sinnlichen Welt. Man denke an eine Schlacht, die auf Erden geschlagen wird. Da stehen einander nicht bloß Gestalten der Menschen gegenüber, die das sinnliche Auge sehen kann, sondern Gefühle stehen gegen Gefühle, Leidenschaften gegen Leidenschaften; Schmerzen erfüllen das Schlachtfeld ebenso wie Menschengestalten. Alles, was da lebt an Leidenschaft, an Schmerz, an Siegesfreude, das ist nicht nur vorhanden, insofern es sich in sinnlich-wahrnehmbaren Wirkungen offenbart; es kommt dem geistigen Sinne zum Bewusstsein als Vorgang des Luftkreises im Geisterland. Ein solches Ereignis ist im Geistigen wie ein Gewitter in der physischen Welt. Und die Wahrnehmung dieser Ereignisse läßt sich vergleichen mit dem Hören der Worte in der physischen Welt. Deshalb sagt man: wie die Luft die Erdenwesen einhüllt und durchdringt, so die »wehenden geistigen Worte« die Wesen und Vorgänge des Geisterlandes.

Und weitere Wahrnehmungen sind noch möglich in dieser geistigen Welt. Auch das ist hier vorhanden, was sich mit der Wärme und mit dem Lichte der physischen Welt vergleichen läßt. Was wie die Wärme die irdischen Dinge und Wesen alles im Geisterlande durchdringt, das ist die Gedankenwelt selbst. Nur sind die Gedanken da als lebende, selbständige Wesen vorzustellen. Was der Mensch in der offenbaren Welt als Gedanken erfaßt, das ist wie ein Schatten dessen, was als Gedankenwesen im Geisterlande lebt. Man denke sich den Gedanken, wie er im Menschen vorhanden ist, herausgehoben aus diesem Menschen und als tätiges, handelndes Wesen mit einem eigenen Innenleben begabt, so hat man eine schwache Verbildlichung dessen, was das vierte Gebiet des Geisterlandes erfüllt. Was der Mensch als Gedanken in seiner physischen Welt zwischen Geburt und Tod wahrnimmt, das ist nur die Offenbarung der Gedankenwelt, so wie sie durch die Werkzeuge der Leiber sich bilden kann. Aber alles, was der Mensch an solchen Gedanken hegt, die eine Bereicherung in der physischen Welt bedeuten, das hat aus diesem Gebiete heraus seinen Ursprung. Man braucht bei solchen Gedanken nicht bloß an die Ideen der großen Erfinder, der genialen Personen. zu denken, sondern man kann bei jedem Menschen sehen, wie er »Einfälle« hat, die er nicht bloß der Außenwelt verdankt, sondern durch die er diese Außenwelt selbst umgestaltet. Soweit Gefühle, Leidenschaften in Betracht kommen, zu denen die Veranlassung in der äußeren Welt liegt, so weit sind diese Gefühle usw. in das dritte Gebiet des Geisterlandes zu versetzen; alles das aber, was in der Menschenseele so leben kann, daß der Mensch ein Schaffender wird, daß er umgestaltend und befruchtend auf seine Umwelt wirkt: das wird in seiner ureigenen, wesenhaften Gestalt offenbar im vierten Felde der geistigen Welt.

Was in der fünften Region vorhanden ist, darf mit dem physischen Licht verglichen werden. Es ist in seiner ureigenen Gestalt sich offenbarende Weisheit. Wesen, welche Weisheit in ihre Umgebung ergießen, wie die Sonne Licht auf physische Wesen, gehören diesem Gebiete an. Was beschienen wird von dieser Weisheit, das zeigt sich in seinem wahren Sinn und seiner Bedeutung für die geistige Welt, wie ein physisches Wesen seine Farbe zeigt, wenn es vom Lichte beschienen wird.

Es gibt noch höhere Gebiete des Geisterlandes; sie werden ihre Darstellung an einer späteren Stelle dieser Schrift finden.

In diese Welt wird nach dem Tode das Ich eingesenkt mit dem Erträgnis, das es aus dem sinnlichen Leben mitbringt. Und dieses Erträgnis ist noch vereinigt mit jenem Teile des Astralleibes, der am Ende der Läuterungszeit nicht abgeworfen wird. Es fällt ja nur jener Teil ab, welcher nach dem Tode mit seinen Begierden und Wünschen dem physischen Leben zugewandt war. Die Einsenkung des Ich mit dem, was es aus der sinnlichen Welt sich zugeeignet hat, in die geistige Welt, läßt sich mit dem Einbetten eines Samenkorns in die reifende Erde vergleichen. Wie dieses Samenkorn die Stoffe und Kräfte aus seiner Umgebung heranzieht, um sich zu einer neuen Pflanze zu entfalten, so ist Entfaltung und Wachstum das Wesen des in die geistige Welt eingesenkten Ich.

In demjenigen, was ein Organ wahrnimmt, liegt auch die Kraft verborgen, durch welche dieses Organ selbst gebildet wird. Das Auge nimmt das Licht wahr. Aber ohne das Licht gäbe es kein Auge. Wesen, welche ihr Leben im Finstern zubringen, bilden an sich keine Werkzeuge zum Sehen aus. So aber ist der ganze leibliche Mensch herausgeschaffen aus den verborgenen Kräften dessen, was durch die Glieder der Leiber wahrgenommen wird. Der physische Leib ist durch die Kräfte der physischen Welt, der Ätherleib durch diejenigen der Lebenswelt auferbaut, und der Astralleib ist aus der astralen Welt herausgestaltet. Wenn nun das Ich in das Geisterland versetzt ist, so treten ihm eben jene Kräfte entgegen, die für die physische Wahrnehmung verborgen bleiben. Was im ersten Gebiet des Geisterlandes sichtbar wird, das sind die geistigen Wesenheiten, welche den Menschen immer umgeben und die seinen physischen Leib auch aufgebaut haben. In der physischen Welt nimmt der Mensch also nichts anderes wahr als die Offenbarungen derjenigen geistigen Kräfte, welche seinen eigenen physischen Leib auch gestaltet haben. Nach dem Tode ist er eben mitten unter diesen gestaltenden Kräften selbst, die sich ihm jetzt in ihrer eigenen, vorher verborgenen Gestalt zeigen. Ebenso ist er durch die zweite Region inmitten der Kräfte, aus denen sein Ätherleib besteht; in der dritten Region strömen ihm die Mächte zu, aus denen sein Astralleib herausgegliedert ist. Auch die höheren Gebiete des Geisterlandes lassen ihm jetzt das zufließen, aus dem er im Leben zwischen Geburt und Tod aufgebaut ist.

Diese Wesenheiten der geistigen Welt wirken nunmehr zusammen mit dem, was der Mensch als Frucht aus dem vorigen Leben mitgebracht hat und was jetzt zum Keime wird. Und durch dieses Zusammenwirken wird der Mensch zunächst als geistiges Wesen aufs neue aufgebaut. Im Schlafe bleiben der physische Leib und der Ätherleib bestehen; der Astralleib und das Ich sind zwar außerhalb dieser beiden, aber noch mit ihnen verbunden. Was diese in solchem Zustand an Einflüssen aus der geistigen Welt empfangen, kann nur dienen, die während des Wachens erschöpften Kräfte wiederherzustellen. Nachdem aber der physische Leib und der Ätherleib abgelegt sind und nach der Läuterungszeit auch jene Teile des Astralleibes, die noch durch ihre Begierden mit der physischen Welt zusammenhängen, wird nun alles, was aus der geistigen Welt dem Ich zuströmt, nicht nur zum Verbesserer, sondern zum Neugestalter. Und nach einer, gewissen Zeit, über welche in späteren Teilen dieser Schrift zu sprechen ist, hat sich um das Ich herum ein Astralleib gegliedert, der wieder in einem solchen Ätherleib und physischen Leib wohnen kann, wie sie dem Menschen zwischen Geburt und Tod eigen sind. Der Mensch kann wieder durch eine Geburt gehen und in einem erneuten Erdendasein erscheinen, das nun in sich eingegliedert hat die Frucht des früheren Lebens. Bis zu der Neugestaltung eines Astralleibes ist der Mensch Zeuge seines Wiederaufbaues. Da sich ihm die Mächte des Geisterlandes nicht durch äußere Organe, sondern von innen aus offenbaren, wie das eigene Ich im Selbstbewusstsein, so kann er diese Offenbarung wahrnehmen, solange sein Sinn noch nicht auf eine äußere Wahrnehmungswelt gerichtet ist. Von dem Augenblicke an, wo der Astralleib neugestaltet ist, kehrt sich dieser Sinn aber nach außen. Der Astralleib verlangt nunmehr wieder einen äußeren Ätherleib und physischen Körper. Er wendet sich damit ab von den Offenbarungen des Innern. Deshalb gibt es jetzt einen Zwischenzustand, in dem der Mensch in Bewusstlosigkeit versinkt. Das Bewusstsein kann erst wieder in der physischen Welt auftauchen, wenn die zur physischen Wahrnehmung notwendigen Organe gebildet sind. In dieser Zeit, in welcher das durch innere Wahrnehmung erleuchtete Bewusstsein aufhört, beginnt sich nun der neue Ätherleib an den Astralleib anzugliedern, und der Mensch kann dann auch wieder in einen physischen Leib einziehen. An diesen beiden Angliederungen könnte sich mit Bewusstsein nur ein solches Ich beteiligen, welches von sich aus die im Ätherleib und physischen Leib verborgen schaffenden Kräfte, den Lebensgeist und den Geistesmenschen, erzeugt hat. Solange der Mensch nicht soweit ist, müssen Wesenheiten, die weiter in ihrer Entwicklung sind als er selbst, diese Angliederung leiten. Der Astralleib wird von solchen Wesenheiten zu einem Elternpaare geleitet, so daß er mit dem entsprechenden Ätherleib und physischen Leibe begabt werden kann.

Bevor die Angliederung des Ätherleibes sich vollzieht, ereignet sich nun etwas außerordentlich Bedeutsames für den wieder ins physische Dasein tretenden Menschen. Dieser hat ja in seinem vorigen Leben störende Mächte geschaffen, die sich bei der Rückwärtswanderung nach dem Tode gezeigt haben. Man nehme das früher erwähnte Beispiel wieder auf. Der Mensch habe aus einer Zornaufwallung heraus in dem vierzigsten Jahre seines vorigen Lebens jemand Schmerz zugefügt. Nach dem Tode trat ihm dieser Schmerz des andern als eine störende Kraft für die Entwicklung des eigenen Ich entgegen. Und so ist es mit allen solchen Vorfällen des vorigen Lebens. Beim Wiedereintritt in das physische Leben stehen nun diese Hindernisse der Entwicklung wieder vor dem Ich. Wie mit dem Eintritte des Todes eine Art Erinnerungsgemälde vor dem menschlichen Ich gestanden hat, so jetzt ein Vorblick auf das kommende Leben. Wieder sieht der Mensch ein solches Gemälde, das jetzt all die Hindernisse zeigt, welche der Mensch hinwegzuräumen hat, wenn seine Entwicklung weitergehen soll. Und das, was er so sieht, wird der Ausgangspunkt von Kräften, welche der Mensch ins neue Leben mitnehmen muß. Das Bild des Schmerzes, den er dem andern zugefügt hat, wird zur Kraft, die das Ich, wenn es nun wieder ins Leben eintritt, antreibt, diesen Schmerz wieder gutzumachen. So wirkt also das vorgängige Leben bestimmend auf das neue. Die Taten dieses neuen Lebens sind durch jene des vorigen in einer gewissen Weise verursacht. Diesen gesetzmäßigen Zusammenhang eines früheren Daseins mit einem späteren hat man als das Gesetz des Schicksals anzusehen; man ist gewohnt geworden, es mit dem aus der morgenländischen Weisheit entlehnten Ausdruck »Karma« zu bezeichnen.

 

Der Aufbau eines neuen Leibeszusammenhanges ist jedoch nicht die einzige Tätigkeit, welche dem Menschen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt obliegt. Während dieser Aufbau geschieht, lebt der Mensch außerhalb der physischen Welt. Diese schreitet aber während dieser Zeit in ihrer Entwicklung weiter. In verhältnismäßig kurzen Zeiträumen ändert die Erde ihr Antlitz. Wie hat es vor einigen Jahrtausenden in den Gebieten ausgesehen, welche gegenwärtig von Deutschland eingenommen werden? Wenn der Mensch in einem neuen Dasein auf der Erde erscheint, sieht diese in der Regel niemals wieder so aus, wie sie zur Zeit seines letzten Lebens ausgesehen hat. Während er von der Erde abwesend war, hat alles mögliche sich geändert. In dieser Änderung des Antlitzes der Erde wirken nun auch verborgene Kräfte. Sie wirken aus derselben Welt heraus, in welcher sich der Mensch nach dem Tode befindet. Und er selbst muß an dieser Umgestaltung der Erde mitwirken. Er kann es nur unter der Anführung von höheren Wesenheiten, solange er sich nicht durch die Erzeugung von Lebensgeist und Geistesmenschen ein klares Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen dem Geistigen und dessen Ausdruck im Physischen angeeignet hat. Aber er schafft mit an der Umwandlung der irdischen Verhältnisse. Man kann sagen, die Menschen gestalten während der Zeit vom Tode bis zu einer neuen Geburt die Erde so um, daß deren Verhältnisse zu dem passen, was sich in ihnen selbst entwickelt hat. Wenn wir einen Erdenfleck betrachten in einem bestimmten Zeitpunkt und dann nach langer Zeit wieder in einem völlig veränderten Zustand, so sind die Kräfte, welche diese Veränderung herbeigeführt haben, bei den toten Menschen. In solcher Art stehen diese auch zwischen dem Tode und einer neuen Geburt mit der Erde in Verbindung. Das übersinnliche Bewusstsein sieht in allem physischen Dasein die Offenbarung eines verborgenen Geistigen. Für die physische Beobachtung wirkt auf die Umgestaltung der Erde das Licht der Sonne, die Wandelungen des Klimas usw. Für die übersinnliche Beobachtung waltet in dem Lichtstrahl, der von der Sonne auf die Pflanze fällt, die Kraft der toten Menschen. Dieser Beobachtung kommt zum Bewusstsein, wie Menschenseelen die Pflanzen umschweben, wie sie den Erdboden wandeln und ähnliches. Nicht bloß sich selbst, nicht allein der Vorbereitung zu seinem eigenen neuen Erdendasein ist der Mensch nach dem Tode zugewandt. Nein, er ist da berufen, an der äußeren Welt geistig zu schaffen, wie er im Leben zwischen Geburt und Tod physisch zu schaffen berufen ist. Es wirkt aber nicht nur das Leben des Menschen vom Geisterlande aus auf die Verhältnisse der physischen Welt ein, sondern umgekehrt auch die Tätigkeit im .physischen Dasein hat ihre Wirkungen in der geistigen Welt. Ein Beispiel kann veranschaulichen, was in dieser Beziehung geschieht. Es besteht ein Band der Liebe zwischen Mutter und Kind. Von der Anziehung zwischen beiden, die in Kräften der Sinnenwelt wurzelt, geht diese Liebe aus. Aber sie wandelt sich im Laufe der Zeiten. Aus dem sinnlichen Bande wird immer mehr ein geistiges. Und dieses geistige Band wird nicht nur für die physische Welt gewoben, sondern auch für das Geisterland. Auch mit andern Verhältnissen ist es so. Was in der physischen Welt durch Geistwesen gesponnen wird, das bleibt in der geistigen Welt bestehen. Freunde, die sich im Leben innig verbunden haben, gehören auch im Geisterlande zusammen; und nach Ablegung der Leiber sind sie noch in einer viel innigeren Gemeinschaft als im physischen Leben. Denn als Geister sind sie so füreinander da, wie das oben bei den Offenbarungen geistiger Wesen an andere durch das Innere beschrieben worden ist. Und ein Band, das zwischen zwei Menschen gewoben worden ist, führt sie auch in einem neuen Leben wieder zusammen. Im wahrsten Sinne des Wortes muß daher von einem Wiederfinden der Menschen nach dem Tode gesprochen werden.

Was sich einmal mit dem Menschen vollzogen hat, von der Geburt bis zum Tode und von da bis zu einer neuen Geburt, das wiederholt sich. Der Mensch kehrt immer wieder auf die Erde zurück, wenn die Frucht, die er in einem physischen Leben erworben hat, im Geisterlande zur Reife gekommen ist. Doch besteht nicht eine Wiederholung ohne Anfang und Ende, sondern der Mensch ist einmal aus anderen Daseinsformen in solche übergetreten, welche in der gekennzeichneten Art verlaufen, und er wird in der Zukunft zu andern übergehen. Der Ausblick auf diese Übergangsstufen wird sich ergeben, wenn im Sinne des übersinnlichen Bewusstseins im folgenden die Entwicklung des Weltalls im Zusammenhang mit dem Menschen geschildert wird.

Die Vorgänge zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sind für die äußere sinnliche Beobachtung natürlich noch verborgener als dasjenige, was dem offenbaren Dasein zwischen Geburt und Tod als Geistiges zugrunde liegt. Diese sinnliche Beobachtung kann für diesen Teil der verborgenen Welt die Wirkungen nur da sehen, wo sie ins physische Dasein eintreten. Es muß für sie die Frage sein, ob der Mensch, der durch die Geburt ins Dasein tritt, etwas mitbringt von dem, was die übersinnliche Erkenntnis von Vorgängen zwischen einem vorigen Tode und der Geburt beschreibt. Wenn jemand ein Schneckenhaus findet, in dem nichts von einem Tiere zu merken ist, so wird er doch nur anerkennen, daß dieses Schneckenhaus durch die Tätigkeit eines Tieres entstanden ist, und kann nicht glauben, daß es sich durch bloße physische Kräfte in seiner Form zusammengefügt hat. Ebenso kann jemand, der den Menschen im Leben betrachtet und etwas findet, was aus diesem Leben nicht stammen kann, vernünftigerweise zugeben, daß es von dem stammt, was die Wissenschaft des Übersinnlichen beschreibt, wenn dadurch ein erklärendes Licht auf das sonst Unerklärliche fällt. So könnte auch da die sinnlich-verständige Beobachtung aus den sichtbaren Wirkungen die unsichtbaren Ursachen begreiflich finden. Und wer dies Leben völlig unbefangen betrachtet, dem wird sich auch das mit jeder neuen Beobachtung immer mehr als das Richtige ergeben. Nur handelt es sich darum, den richtigen Gesichtspunkt zu finden, um die Wirkungen im Leben zu beobachten. Wo liegen zum Beispiel die Wirkungen dessen, was die übersinnliche Erkenntnis als Vorgänge der Läuterungszeit schildert? Wie tritt die Wirkung dessen zutage, was der Mensch nach dieser Läuterungszeit im rein geistigen Gebiete, nach den Angaben der geistigen Forschung, erleben soll?

Rätsel drängen sich jeder ernsten, tiefen Lebensbetrachtung auf diesem Felde genug auf. Man sieht den einen Menschen in Not und Elend geboren, mit nur geringen Begabungen ausgestattet, so daß er durch diese mit seiner Geburt gegebenen Tatsachen zu einem erbärmlichen Dasein vorherbestimmt erscheint. Der andere wird von dem ersten Augenblicke seines Daseins an von sorgenden Händen und Herzen gehegt und gepflegt; es entfalten sich bei ihm glänzende Fähigkeiten; er ist zu einem fruchtbaren, befriedigenden Dasein veranlagt. Zwei entgegengesetzte Gesinnungen können sich gegenüber solchen Fragen geltend machen. Die eine wird an dem haften wollen, was die Sinne wahrnehmen und der an diese Sinne sich haltende Verstand begreifen kann. Darin, daß ein Mensch in das Glück, der andere ins Unglück hineingeboren wird, wird diese Gesinnung keine Frage sehen. Sie wird, wenn sie auch nicht das Wort »Zufall« gebrauchen will, doch nicht daran denken, irgendeinen gesetzmäßigen Zusammenhang anzunehmen, der solches bewirkt. Und in Bezug auf die Anlagen, die Begabungen wird eine solche Vorstellungsart sich an das halten, was von Eltern, Voreltern und sonstigen Ahnen »vererbt« ist. Sie wird es ablehnen, die Ursachen in geistigen Vorgängen zu suchen, welche der Mensch selbst vor seiner Geburt — abseits von der Vererbungslinie seiner Ahnen — durchgemacht hat und durch die er sich seine Anlagen und Begabungen gestaltet hat.

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