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Buch lesen: «Zwischen Himmel und Erde», Seite 5

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VI

 
Schilt nicht ein rätselhaftes mein Betragen!
Das Unaussprechliche, das mich erfüllt,
In schützendes Verbergen eingehüllt,
Kann sich's nicht an die Oberfläche wagen.
 
 
Bald möcht ich jauchzen, bald möcht ich verzagen
Ein Flammenelement dringt in mich ein,
Entfacht mit wechselvollem Flackerschein
Die Wunder, die in meinem Herzen tagen.
 
 
Wie Blumen sind sie, in entfernten Zonen
Dem heißren Sonnenlicht geboren, die
Der rauhe Hauch des Nordens muß verschonen.
 
 
Was ich nicht dir, nicht mir darf eingestehen,
Magst du im Sonnenlicht der Poesie
Enthüllt in blühender Entfaltung sehen.
 

VII

 
In deine Hände, diese milden Hände,
Verberg ich tiefbekümmert mein Gesicht.
Was mich erschüttern mag, o frage nicht,
Wenn ich so ratlos stumm zu dir mich wende,
 
 
Errat es nicht, durchschau es nicht, und sende
Für mich nur still zum Himmel ein Gebet;
Wenn deiner Liebe Inbrunst darum fleht,
Gewährt er dir, daß dieses Leiden ende.
 
 
Es legt ein Heiliger dem armen Kranken
Die gnadenvollen Hände liebreich auf,
Und mit der Kraft gesammelter Gedanken,
 
 
Stark durch die Liebe, mächtig durch den Willen,
Tut er sein Werk. Da hält in ihrem Lauf
Selbst die Natur, ein Wunder zu erfüllen.
 

VIII

 
»Mein Kind!« Holdseligster der Liebesnamen,
Der in dem Buche unsres Lebens steht!
Er spricht der Liebe, die wie ein Gebet
Für dich aus meiner Seele dringt, das Amen.
 
 
Wie sie von deinen Lippen bebend kamen
So schlicht und innig tief, zwei Worte nur,
So werden sie gebenedeit ein Schwur,
Den gute Götter hilfbereit vernahmen.
 
 
Sie können jetzt nicht treulos uns verlassen,
Die uns zuerst beseelt mit Himmelskraft;
In ihre Arme werden sie uns fassen,
 
 
Und uns auch als Erwählte ihrer Gnade
Aus dem bewegten Meer der Leidenschaft
Emporziehn an ein rettendes Gestade.
 

IX

 
Bei jenem Glück, das wir vereint genossen,
Ein Glück, das paradiesisch wunschlos war,
Als ich dich mir gewann und morgenklar
Der Neigung erste Strahlen dich umflossen –
 
 
Bei jenen Tränen, die du einst vergossen,
Beredte Zeugen einer heilgen Wahl,
Als sich vor deinem Blick zum ersten Mal
Die Tiefe meiner Liebe aufgeschlossen –
 
 
Laß uns, die dunklen Mächte abzuwehren,
Die aus dem Bann sich reißen, der sie hielt,
Das Werk des lichten Reiches zu verheeren –
 
 
Wie fromme Seelen weihen Opferkerzen,
Entzündet vor der Himmelsliebe Bild,
Laß uns als Opfer weihen unsre Herzen!
 

X

 
Daß ich nur Freundschaft immer dir verheißen,
Als fromme Lüge mußt du es verzeihn.
Pflegt nicht der Himmel gnädig ihr zu sein,
Wenn sie entsprang aus redlichem Befleißen –?
 
 
Die Heilige dem Unglimpf zu entreißen,
Die Liebeswerk geheim vollbringen geht,
Ließ er die Gaben der Elisabeth
Im Korb zu Rosen werden, rot- und weißen.
 
 
Und es ereignen Wunder sich und Zeichen
Auch heute denen, die im Geist verstehn.
Wer ihm ergeben ist, wird es erreichen,
 
 
Daß sich das alte Wunder neu beweise;
Ein Gott gewährt dem gläubigen Erflehn
Noch heilge Rosen statt der irdschen Speise.
 

XI

 
So tröst' ich mich mit alter Märchen Kunde,
Die weltentrückt ein schönes Herz ersann;
Indes erweitert sich der Liebesbann,
Der mich bestrickt, zur unheilbaren Wunde.
 
 
Und schaudernd seh ich kommen schon die Stunde,
Die mir den Freund auf immerdar verliert,
Wenn erst der Fluch der frommen Lüge wird
Vollzogen sein an unserm Freundschaftsbunde.
 
 
Gelingen mag es uns wohl eine Strecke,
Zu täuschen jene finstre Allgewalt,
Die uns tyrannisch opfert ihrem Zwecke;
 
 
Erbarmen aber ist nicht ihre Weise,
Und sie verwandelt unerbittlich bald
Die heilgen Rosen uns in irdsche Speise.
 

XII

 
Warum verfolgst du mich mit deinen Blicken
Und ängstigst mich mit ihrem stummen Flehn?
Ich furchte mich, dich wieder anzusehn,
In ihren Bann mich tiefer zu verstricken.
 
 
Schon ward es Zeit für mich, dich wegzuschicken;
Es ist spät in der Nacht, gehst du nicht fort?
Es ist so still – versiegt Gespräch und Wort –
Es ist so dumpf – die Luft will mich ersticken.
 
 
Und still und immer stiller! Ohne Regung
Verharrt er neben mir und lebt nur mehr
Durch seiner Brust hochatmende Bewegung.
 
 
Vor meinen Augen seh ich Funken steigen,
Es lagert Dunkelheit sich um mich her –
Mein Gott! Was soll dieß fürchterliche Schweigen?
 

XIII

 
Das ist die Stunde, da ich seiner harrte,
Die Stunde der Erfüllung ach nicht mehr!
Jetzt meine Feindin, Zeugin jetzt, wie sehr
Betrogne Hoffnung eine Seele narrte.
 
 
Ich horche, ob die Eingangstür nicht knarrte,
Ob draußen sich kein Laut, kein Schritt verrät;
Mit jeder Fiber horche ich, es steht
Mein Atem still: ich warte, warte, warte.
 
 
Und immer nichts! O Marter ohne Ende!
Ein Tag geht wie der andre, fort und fort,
Und jeder hat für mich nur leere Hände,
 
 
Läßt mich erschöpft, verloren, unbeachtet
Wie einen Zweig, der' abbricht und verdorrt,
Wie eine Pflanze, die im Staub verschmachtet
 

XIV

 
So breche denn hervor aus seinen Schranken,
Was zornvoll ist in meiner Brust und hart;
Euch geb ich frei, die ihr gebunden wart
Durch fromme Scheu, abtrünnige Gedanken!
 
 
Ich will an den Arzneien nicht mehr kranken,
Durch die das Mitleid Heilung uns verspricht,
An jenem Gift der Güte länger nicht,
Daraus wir unsre schlimmsten Übel tranken.
 
 
Willkommen sei der Spott mir, der beherzte,
Der Hohn, der keinen Anblick zagend flieht;
Sie sind allein die kalt entschlossnen Ärzte,
 
 
Die leisten, was man ihnen zugemutet:
Vom Rumpf zu trennen das erkrankte Glied,
Das unheilbare, wenn's auch zuckt und blutet.
 

XV

 
Gestückelt ist aus leichtzerrissnen Stoffen
-– Almosen, die der Zufall uns verleiht –
Erfahrung, dieses schlechte Bettlerkleid,
Womit wir unser Herz zu schützen hoffen.
 
 
Und blieb auch nicht die kleinste Lücke offen,
Kein Panzer ist's, der vor Enttäuschung feit;
Wir sehn sie nicht, wir glauben sie so weit,
Und sind beim nächsten Schritt von ihr getroffen.
 
 
Wie der Bandit, der tödtet, um zu rauben,
Wählt sie als ihre Opfer jene sich,
Die reich an goldner Hoffnung sind und Glauben;
 
 
Und fühl ich brennen alle tiefen Narben,
Die sie mir schlug, so frag ich seufzend mich,
Ob es nicht besser wäre, gleich zu darben –?
 

XVI

 
Was treibt uns mächtig an, uns loszuringen,
Was drängt in jene Höhen uns hinan,
Gewagten Flug, wie Ikarus getan,
Vom Mut des Glaubens trunken, zu vollbringen?
 
 
Wir tragen so auf unerprobten Schwingen
Ins fremde Element des Körpers Last,
Wir schweben, bis die Erde nach uns faßt,
Sich auftut, um uns wieder zu verschlingen.
 
 
Beglückt, wer auf der erdgebundnen Scholle
Genügsam lebt, der Grenzen sich bewußt,
Ob auch der Himmel sich vor ihm entrolle!
 
 
Und doch! Gesellt zu Heiligen und Toren,
Ihm will ich gerne gleichen, dem die Lust
Nach jener Sonnennähe eingeboren.
 

XVII

 
Nachtwandelnd durch die dunkle Welt der Dinge
Bin ich verdammt, am Abgrund hinzugehn;
Das Licht, das wecken kann, darf ich nicht sehn,
Nicht lauschen, ob ein Ruf von aussen klinge.
 
 
Ach unerlösbar in dem Mauerringe
Des eignen Ichs verzaubert festgebannt,
Streckt ich, vergessen des Geschicks, die Hand
Verlangend aus nach dem, der zu mir dringe.
 
 
In meinen Träumen – horch! Ein süßes Locken,
Ein Liebeston! Ich schlug die Augen auf.
Da brauset es um mich wie Morgenglocken,
 
 
Vom Himmel fallt's wie Sonnenfeuerregen,
Ein Bild, ein Gott steigt aus der Glut herauf –
Und todbereit stürz ich mich ihm entgegen.
 

XVIII

 
Nicht in der Erde Schoß will ich verderben,
Im kalten, ungeliebten Element!
Die Flamme, die in meinem Busen brennt,
Soll nur in Schwesterflammen einstens sterben.
 
 
Ihr sollt mit heißem Atem um mich werben,
Dir Töchter wilder Glut; im Liebestod
Will ich euch, wenn ihr festlich mich umloht,
Die Hülle meiner Lebenskraft vererben.
 
 
Ein Leben flüchtiger Verklärung weckend
Aus dunklem Erdenstoffe, der euch band,
Zum Himmel sehnend feur'ge Arme streckend,
 
 
So seid ihr mir verwandt! Und so verzehrte
Vergeblich lodernd mir in ew'gem Brand
Die Leidenschaft das Herz, das sie ernährte.
 

XIX

 
Mir ist, als wäre ich auf einer Reise
Von fernen Ufern her, zu fernen hin;
Denn Zeit und Land, da ich geboren bin,
Sie gaben mir nicht ihre Art und Weise.
 
 
Ich gehe einsam abgelegne Gleise;
Gefährten hab ich nicht, der Heimat Laut
In meinem Munde klingt mir nicht vertraut,
Und fremd bin ich im angestammten Kreise.
 
 
Erwartend seh ich, wie zu Kampf und Spielen
Des Lebens Fülle Mensch an Menschen drückt:
Ich wag's und trete näher. Von so Vielen
 
 
Bin ich allein nicht länger ausgeschlossen.
Verfehlter Mut! Ich bleibe doch entrückt,
Als war ich andrem Element entsprossen.
 

XX

 
Ich bin so müde, meine Sohlen brennen,
Ich geh und geh – weiß nicht, wohin ich geh.
Zu wissen glaubt ich es – wüßt ich es je?
Das Ziel ist dunkel, wie wir es auch nennen.
 
 
Ich weile nur, um ewig mich zu trennen,
Und Abschied bringt mir jeder neue Schritt:
Was ich geliebt, ich nehme es nicht mit,
Es bleibt zurück, ich darf es nicht mehr kennen.
 
 
Der Weg ist weit, von Einsamkeit beschattet,
Die Wolkenwände hängen tief herab –
Weh dem, der vor dem letzten Ziel ermattet!
 
 
Er kann nicht vor, nicht mehr zurück sich wenden,
Vor ihm und hinter ihm ein offnes Grab.
Der Weg ist weit. Wann werd ich ihn vollenden?