Von der Südküste in das Fjordland: Norwegen, eine Reisebeschreibung

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Auf der Nordseestraße nach Stavanger

In der Nacht muss es weiter geregnet haben. Als ich heute früh vom Balkon aus auf die Straße schaue, ist es immer noch ziemlich nass. Aber der Regen hat jetzt spürbar nachgelassen. Ich habe sehr gut geschlafen und bin auch richtig ausgeruht. Kurz vor halb acht stehe ich endlich auf und mache mich für den heutigen Tagesablauf fertig.

Im Frühstücksraum ist ganz schön Betrieb. Obwohl bereits zwei Busse abgefahren sind, sind freie Plätze an den Tischen rar. Ich finde doch noch ein Plätzchen und hole mir erst einmal ein Glas Apfelsaft. Dann genieße ich das erste norwegische Frühstücksbüfett. Nach dem Auschecken verstaue ich mein Gepäck wieder im Auto und verlasse dann Mandal. Bei endlich trockenem Wetter mache ich mich auf den Weg nach Stavanger. Zunächst geht es erst einmal zurück auf die Europastraße 39 und dann weiter bis zur kleinen Ortschaft Vigeland. Hier fahre ich quer durch den Ort und komme so zur Landstraße 460. Ihr werde ich jetzt rund 30 Kilometer bis an den südlichsten Punkt Norwegens folgen.

Nach einer endlos erscheinenden Fahrt durch kleine Ortschaften und viele Wälder wird es an den Straßenseiten immer felsiger. Es gibt kaum noch Bäume. 30 Minuten später habe ich den Parkplatz am Kap Lindesnes erreicht. So früh am Morgen ist hier natürlich noch nichts los. Nur vier oder fünf Wohnmobile stehen ganz am Rande des Parkplatzes im Schutze der Felsen. Deren Insassen haben höchstwahrscheinlich hier übernachtet. Sogar der Schalter am Eingang der Anlage, an dem man sonst das Eintrittsgeld bezahlen muss, ist um diese Zeit noch unbesetzt. Frühes Aufstehen hat eben manchmal auch seine Vorteile!

Kap Lindesnes ist der südlichste Festlandspunkt (57° 57` 35`` Nord) Norwegens. Von hier aus sind es genau 1.682 Kilometer Luftlinie bis zum Nordkap - mit dem Auto muss man über 2.500 Kilometer zurücklegen.

Auf einem Felsen steht der in Jahr 1915 erbaute Leuchtturm, der nach Modernisierungen auch heute noch unentwegt sein Licht auf das Meer hinaus schickt. Er soll in rund 19,4 Seemeilen von den Schiffen zu sehen sein. Sein Vorgänger, dessen Reste daneben stehen, wurde am 27. Februar 1656 gebaut und zunächst durch 30 Talglichter betrieben. Erst einige Jahre später wurden fünf Holzkohlefeuer dazu genutzt.

Nachdem ich mein Auto auf dem fast leeren Parkplatz abgestellt habe, beginne ich mit meiner Besichtigungstour. Am Eingang komme ich ja ohne Bezahlung vorbei. Dann muss ich aber erst einmal die 109 Treppenstufen bewältigen, um an den Fuß des Leuchtturms zu kommen. Im Reiseführer der Gemeinde Vigeland habe ich gelesen, dass jährlich rund 70.000 Besucher am Kap gezählt werden. Bestimmt sind es sogar noch mehr, denn es gibt auch heute wieder einige Leute, die schon vor der Öffnung der Kasse erschienen sind. Im Jahr 2000 wurde der Leuchtturm vom Kap Lindesnes in Norwegen durch eine Expertengruppe zur Attraktion des Jahrtausends gewählt.

Leider kann man heute nicht sehr weit auf das Meer hinausschauen. Der Horizont verschwindet im Nebel. So laufe ich eben ein bisschen um den Leuchtturm und das gesamte Gelände herum. Ich erkunde auch den Hügel, auf dem der Turm steht, und sehe dabei, dass sich nebenan noch Reste einer Bunker- und Geschützanlage aus dem Zweiten Weltkrieg befinden. Aber ein Besuch von irgendwelchen militärischen Anlagen des vergangenen Krieges ist nicht so meine Sache. Lieber schaue ich mir mal die Leute an, die auch schon so früh den Weg hierher gefunden haben.

In kleinen Gruppen oder einzeln erklimmen sie mehr oder weniger angestrengt ebenfalls den Leuchtturmhügel. Unter den Besuchern erkenne ich auch das Paar aus Hirtshals mit dem Auto mit dem Nürnberger Kennzeichen wieder. Es scheint so, als wenn sie auch die gleiche Reise wie ich gebucht haben. Ob das so stimmt, wird sich ja bei der nächsten Übernachtung zeigen.


Leuchtturm am Kap Lindesnes

Nach der Besichtigung des südlichsten Punktes Norwegens, fahre ich wieder zurück zur Europastraße 39. Ich benutze aber nicht den gleichen Weg wie bei der Herfahrt. Bei dem Ort Höllen verlasse ich die Straße 460 und fahre über kleine und schmale Nebenstraßen bis zur Ortschaft Lyngdal, wo ich die Europastraße erreichen werde. Dabei komme ich durch saubere und gepflegte Orte, die sich abseits der bekannten Touristenstrecken befinden. In dieser Gegend wird vorwiegend Landwirtschaft betrieben. Auf den Feldern beginnen die Kartoffelpflanzen zu blühen.

In Lyngdal biege ich wieder auf die Europastraße 39 ein und setze dann meine Fahrt in Richtung Westen fort. Während sich das Wetter beim Besuch des Kap Lindesnes von seiner trocknen Seite gezeigt hat, wird es jetzt wieder ziemlich wechselhaft. Mal regnet es ganz stark, dann nur noch ganz wenig und dann überhaupt nicht. Und so geht es immer weiter. Hoffentlich bleibt das Wetter nicht so während der ganzen Reise.

Bei Liknes überquere ich auf einer neuen Brücke den Fedafjorden. Die Europastraße verläuft jetzt unmittelbar am Ufer dieses Fjordes entlang. Kurz vor der Ortschaft Feda wendet sie sich vom Fjord ab und führt in das Inland. Nach weiteren 10 Kilometern habe ich die rund 9.000 Einwohner zählende Stadt Flekkefjord erreicht. Durch den jahrelangen Export von Holz und Fisch bestehen seit dem 13. Jahrhundert enge Verbindungen zu den Niederlanden. So soll es hier in der Stadt auch eine sogenannte „Holländerstadt“ mit Holzhäusern ganz im holländischen Stil geben. Da ich aber erstens noch einen weiten Weg bis nach Stavanger vor mir habe und es zweitens wieder einmal ziemlich stark regnet, muss der Stadtbesuch zu meinem Bedauern leider ausfallen.

In Flekkefjord verlasse ich die Europastraße 39, um meine Fahrt von nun an auf der Reichsstraße RV 44, dem Nordsjövegen, fortzusetzen. In allen Reiseführern, die ich in Vorbereitung auf diese Reise studiert habe, wird den Touristen empfohlen, diese Route abseits der Europastraße zu nutzen. Natürlich muss man dafür auch bedeutend mehr Zeit einplanen. Auf der Europastraße 39 erreicht man schon nach nur wenigen Stunden Fahrzeit Stavanger. Man hat bei dieser Variante nur das eintönige Betonband der Straße vor sich und fährt auch nur durch Wiesen und Felder.

Die Reichsstraße 44 folgt dem Verlauf der Südküste. Zunächst führt sie durch enge Täler und teilweise sehr hohes Gebirge. Ab der Stadt Egersund verläuft der Nordsjövegen dann unmittelbar am Ufer der Nordsee entlang. Sie ist somit die interessantere Straße, die vom Süden in den Westen des Landes führt. Die Reichsstraße 44 ist ziemlich schmal. Es ist aber zum Glück auch recht wenig Verkehr. Wenn doch mal ein Auto entgegenkommt, dann finde ich schnell eine entsprechende Ausweichstelle. Wenn nicht so viele Bäume vorhanden wären, könnte man denken, dass man schon im hohen Norden ist. Es gibt unzählige Felsen in Straßennähe. Teilweise ist sogar die gesamte Straße durch Felsen gehauen. In dem kleinen Dörfchen Ana Sira überquere ich auf einer sehr schmalen Stahlbrücke den Fluss Sireana. Mit der Auffahrt auf die Brücke verlasse ich die Provinz Vest-Agder. Als ich von der Brücke herunter fahre, bin ich in der Provinz Rogaland angekommen.

Am Jössingfjorden erreiche ich den mit 388 Metern höchsten Punkt der Straße. Hier komme ich nur hin, indem ich dem interessanten Verlauf der Reichsstraße 44 folge. Die Straße führt vom Ufer des Fjords durch Tunnel und sogar teilweise außen an einer Felswand entlang bis auf diese Höhe.


Straßenführung am Jössingfjorden

Es ist schon ein komisches Gefühl, dort außen entlang zu fahren. Rechts sind die senkrechten Felswände nach oben und links geht es fast senkrecht nach unten. Zum Glück ist die Straße aber breit genug, dass sich zwei Fahrzeuge mühelos begegnen können. So richtig kann ich es immer noch nicht glauben, dass ich mich hier im Süden von Norwegen befinde. Alles erinnert mehr an die Alpenregion in Italien oder Österreich. Die Reichsstraße 44 führt in Serpentinen durch gebirgige und felsige Gegenden.

Kurz vor dem höchsten Punkt der Straße weist ein Schild auf einen Aussichtspunkt hin. Natürlich muss ich mir auch mal die Gegend von oben ansehen. Ich stelle mein Auto auf dem kleinen Parkplatz ab und klettere auf den durch Geländer abgesicherten Felsen. Von hier aus habe ich einen wunderbaren Blick hinunter auf den Jössingfjorden. Leider ist es zurzeit sehr nebelig und so kann ich auch nicht weit auf das Meer sehen. Beim Gang zum Auto zurück komme ich an einer großen Hinweistafel vorbei. In mehreren Sprachen wird über die im Jahr 1940 in diesem Fjord durchgeführte Aktion der Alliierten zur Aufbringung eines deutschen Transportschiffes mit Kriegsgefangenen informiert. Diese Aktion hat zwischen den Norwegern und den Briten für einige Verstimmung gesorgt. Das deutsche Versorgungsschiff „Altmark“ wurde im Jössingfjorden am 16. Februar 1940 von dem britischen Zerstörer „HMS Cossack“ geentert. Dabei wurden 303 alliierte Matrosen, die zuvor in Kriegsgefangenschaft geraten waren, befreit und nach England gebracht. Diese ganze Aktion war nicht mit der norwegischen Armeeführung abgestimmt worden.

Nach weiteren rund 30 Kilometern komme ich nach Egersund. Die Stadt ist größer als Flekkefjord und hat etwa 13.700 Einwohner. Sie war bis zum Jahr 1979 das Zentrum der Porzellanindustrie in Norwegen. Mit dem Erreichen von Egersund habe ich auch den gebirgigen Teil der Strecke hinter mir. Von hier aus führt die Reichsstraße 44 jetzt durch die Landschaft Jären. Diese Strecke ist auf einer Länge von 41 Kilometern zwischen den Orten Ogna und Bora als „Nationale Touristenstraße Jären“ (nasjonale turistvegen) ausgewiesen. Sie ist genau das Gegenteil vom ersten Abschnitt meiner heutigen Tagesetappe. Sie führt nicht mehr durch Gebirge, sondern durch flaches Land. Leider ist die Straße aber nicht breiter geworden. Auf der rechten Seite meines Weges befinden sich kleinere Orte oder einzelne Gehöfte. Dazwischen sind immer öfter große Felder, aber auch Weideflächen. Linksseitig habe ich wieder die Nordsee im Blick. Leider regnet es jetzt so stark, dass es überhaupt keinen Sinn macht, auch nur für kurze Zeit irgendwo anzuhalten. Durch den dichten Nebel ist außerdem auch noch die Sicht erheblich eingeschränkt. Trotzdem kann ich bei meiner Fahrt immer wieder lange Sandstrände erkennen, die mich an südlichere Gefilde erinnern. Trotz dieser unangenehmen Witterungsverhältnisse möchte ich bald doch noch eine kleine Pause machen. Ich finde eine Raststätte, die direkt an der Straße liegt und von deren Parkplatz man bei schönem Wetter wahrscheinlich einen herrlichen Blick auf das Meer und den Strand hat. Aber heute kann ich das alles nur erahnen. Ich kaufe mir für 15 NOK einen Becher Kaffee und setze mich damit in mein Auto. Zur Stärkung esse ich dazu einen von Zuhause mitgebrachten Knacker. Der Nebel ist jetzt so stark, dass es nicht einmal sinnvoll ist, den Versuch zu unternehmen, um Fotos zu machen.

 

Nach einer halben Stunde fahre ich weiter. Ich muss jetzt nur noch einen Supermarkt finden, in dem ich mich mit Lebensmitteln für mein heutiges und morgiges Abendessen eindecken kann. Es wäre schön, wenn ich das noch während der Fahrt erledigen könnte. So bräuchte ich nicht durch Stavanger zu irren, sondern könnte mich gleich auf die Stadterkundung konzentrieren.

Ungefähr 30 Kilometer vor Stavanger erreiche ich den kleinen Ort Bryne. Direkt an der Umgehungsstraße steht ein riesiges Einkaufscenter. Also verlasse ich an einem Kreisverkehr die Reichsstraße 44 und fahre zum Markt. Auf dem Parkplatz ist jetzt am Sonnabendnachmittag so viel Betrieb, dass es sehr schwer ist, noch einen freien Platz zu finden. Nach langem Suchen sehe ich doch eine Lücke und stelle dort sofort mein Auto ab. Schnell gehe ich in das Center, da es wieder einmal regnet. Im Gebäude sind sehr viele Geschäfte und einige Supermärkte. In einem davon decke ich mich mit dem Notwendigen ein. Neben Brötchen und Wurst muss auch unbedingt der berühmte Jarlsberg-Käse dabei sein. Ein Sechserpack Limonade geht auch noch mit. Somit ist die Verpflegung für die nächsten zwei Abende gesichert. Bei meinem Gang durch das Center fällt mir auf, dass es in jeder Etage mehrere Spielplätze für die Kinder gibt. Bei einem kann man sogar die Kleinen abgeben und in aller Ruhe die Einkäufe erledigen. Eine Erzieherin beschäftigt sich in der Zwischenzeit mit den Kindern.

Auf dem Parkplatz verstaue ich schnell meine Einkäufe und fahre anschließend wieder zurück auf die Reichsstraße. Meine Fahrt geht jetzt an dem kleinen Ort Kleppe vorbei. In Sandnes endet die Reichsstraße 44 und ich erreiche wieder die Europastraße 39. Auf ihr werde ich jetzt bis nach Stavanger fahren. Unmittelbar in Sandnes beginnt auch die Reichsstraße 13, die dann ab übermorgen meine Fahrtstrecke durch das Fjordland sein wird. Bis zu meinem heutigen Zielhotel sind es nur etwa 20 Kilometer. Dann habe ich auch schon im dichten Sonnabendverkehr die Vororte der Stadt Stavanger erreicht. Die Europastraße ist seit geraumer Zeit als vierspurige Autobahn ausgebaut, auf der man aber nur 70 Stundenkilometer fahren darf. Nach dem Passieren einer engen Brückenbaustelle muss ich mich darauf konzentrieren, dass ich nicht den richtigen Weg verpasse. Aber die Verkehrsbeschilderung ist eindeutig und so folge ich ab der Abfahrt Ullandhaugsveien der Umgehungsstrecke der Europastraße 39. Mein Hotel liegt nämlich nicht im Stadtzentrum, sondern etwas außerhalb am See Mosvatnet in der Henrik-Ibsen-Gate. Da das „First Hotel Alstor“ direkt an der Straße liegt, ist es auch schnell gefunden. Nach einer Fahrtstrecke von 275 Kilometern stelle ich mein Auto auf dem hoteleigenen Parkplatz ab und bin nun in Stavanger angekommen.

Stavanger ist die viertgrößte Stadt Norwegens und hat rund 129.500 Einwohner, die vorrangig in der Ölindustrie, im Tourismus und in der Fischindustrie beschäftigt sind. Die Stadt liegt in der Provinz Rogaland. Sie wurde zwischen 1122 und 1125 gegründet. Im Jahr 1125 ist auch mit dem Bau der größten Sehenswürdigkeit der Stadt, des Doms (stavanger domkirke), begonnen worden. Noch heute ist die historische Altstadt von Stavanger (gamle stavanger), die ausschließlich aus Holzhäusern des 18. und 19. Jahrhunderts besteht, ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. Stavanger hat sich von einer ehemals kleinen Industriestadt mit Fischkonservenproduktion zur größten Ölmetropole Norwegens entwickelt. Alle namhaften in- und ausländischen Ölfirmen haben in der Stadt ihre Niederlassungen.

In Stavanger wurde auch der bedeutende norwegische Schriftsteller und Autor Alexander Kielland (1849-1906) geboren. Schon zu seinen Lebzeiten gehörte er neben Ibsen, Björnson und Lie zu den „großen Vier“ der norwegischen Literatur des 19. Jahrhunderts.

Das Hotel macht einen viel besseren Eindruck als das gestrige in Mandal, das zur gleichen Gruppe gehört. Beladen mit Koffer und Fototasche mache ich mich auf den Weg vom Parkplatz ins Hotel. An der Rezeption gebe ich meinen Voucher für die heutige und morgige Übernachtung ab. Ein Blick in den Computer und ich erhalte die Schlüsselkarte und auch die Information, dass es von 7 bis 10 Uhr Frühstück im Restaurant gibt. Mein Zimmer befindet sich im zweiten Stock und hat einen kleinen Balkon, den ich aber wegen des andauernden Regens heute nicht nutzen kann. Nach dem Auspacken meiner Sachen probiere ich schon mal ganz kurz das Bett aus. Dabei muss ich doch wohl einfach eingeschlafen sein. Nach dieser kurzen Erholungspause mache ich erst einmal einen Rundgang durch das Hotel und erkunde so die Örtlichkeiten. Ich muss doch wissen, wo sich das Restaurant befindet. Dann brauche ich morgen nicht erst lange zu suchen.

Ich habe mir vorgenommen, noch heute die Stadt Stavanger zu erkunden. Nach dem Studium des Stadtplanes verwerfe ich aber meine eigentliche Idee, bis in das Zentrum zu laufen. Es scheint doch ein ganz schönes Stück bis dorthin zu sein. Also nehme ich noch einmal das Auto. Diese Entscheidung ist auch richtig. Bis in das Zentrum rund um den Stadthafen Vagen sind es etwa 4 bis 5 Kilometer. Das ist dann doch recht weit, zumal ich ja auch wieder zum Hotel zurücklaufen müsste.

Ich fahre also wieder auf die Europastraße 39 und dann immer weiter in Richtung Zentrum, das sehr gut ausgeschildert ist. An einem Kreisverkehr biege ich auf die Reichsstraße 509 in Richtung Osten ab. Vom Bahnhof aus muss ich durch den 705 Meter langen Bergelandstunnelen fahren, um auf die Seeseite der Stadt zu kommen. Vorbei an den Anlegestellen verschiedener Fähren und am 1999 eröffneten Ölmuseum fahre ich bis zum alten Hafen Vagen. Hier finde ich in der Skansegata sogar noch einen freien Parkplatz. Und weil heute Sonnabend ist, brauche ich auch nicht einmal etwas zu bezahlen.

Mein Spaziergang führt mich zuerst quer durch die Innenstadt. Vorbei an vielen Gaststätten und Kneipen, die alle sehr gut besucht sind, komme ich zum Marktplatz vor der Domkirche. Hier wird heute ein ganz besonderer Markt durchgeführt. An sehr vielen Ständen werden Lebensmittel und andere Delikatessen aus verschiedenen europäischen Ländern verkauft. Bei so vielen leckeren Sachen läuft mir sprichwörtlich das Wasser im Mund zusammen. An jedem Stand duftet es anders. Es gibt sowohl süße Sachen, als auch deftige Speisen. Eigentlich könnte ich ja wieder mal etwas essen. Als ich aber sehe, dass beispielsweise eine einfache Rostbratwurst aus Deutschland 65 NOK, also umgerechnet über 8 EUR kostet, habe ich auf einmal keinen Hunger mehr.

Dafür erklimme ich den Stadtberg, auf dem der 26 Meter hohe Valbergturm steht. Von der Aussichtsetage des Turmes aus soll man laut Prospekt einen sehr schönen Blick über die gesamte Stadt haben. Leider ist der Turm aber heute schon geschlossen, so dass ich diese Aussage im Reiseführer nicht überprüfen kann.

Nachdem ich den ehemaligen Feuerwachturm, der in den Jahren 1850 bis 1853 erbaut wurde, mehrmals umrundet habe und dabei doch etwas von der Aussicht auf die Stadt erhaschen konnte, mache ich mich wieder auf den Weg hinunter in das Zentrum der Stadt.


Valbergturm

Am Vagen vorbei gehe ich durch die engen Gassen der Innenstadt. Neben der teuersten Stadt Norwegens scheint Stavanger auch die Stadt mit den meisten Kneipen und Gaststätten zu sein. Immer wieder komme ich bei meinem Spaziergang an den verschiedensten Lokalitäten vorbei. Aus der „XO-Bar“ in der Skagen kommt laute Country-Musik. Vor dem Lokal stehen einige Leute, die der live gesungenen Musik zuhören. Auch ich bleibe eine ganze Weile stehen. Anschließend gehe ich hinunter zum Vagen. Von dort aus führt mich mein weiterer Weg in das auf der Westseite gelegene Gamle Stavanger, die historische Altstadt. Die kleinen und sehr gut erhaltenen Holzhäuser sind die bekanntesten Sehenswürdigkeiten von Stavanger. Viele Touristen werden tagtäglich durch dieses Stadtviertel geführt. Der Zustand und der Gesamteindruck rechtfertigen auch diesen Zustrom. Zwischen den Häusern schlängeln sich schmale Straßen mit uraltem Kopfsteinpflaster entlang.


Övre Strandgate in Gamle Stavanger

Wo es auch immer nur möglich ist, da haben die Bewohner für Grünpflanzen und Blumen vor ihren Häusern und in den kleinen Gärtchen gesorgt. Am Zustand der einzelnen Häuser kann man ganz eindeutig die Liebe der Anwohner zu ihrem Zuhause erkennen. Nicht nur, dass alle Holzhäuser wie frisch gestrichen aussehen, nirgendwo liegt irgendetwas herum. Sogar weggeworfene Papierreste kann ich nicht entdecken.

In regelmäßigen Abständen sind moderne Feuerlöscheinrichtungen installiert, die sich harmonisch in das Gesamtbild des Viertels einfügen. Bei einem etwaigen Brand sind die aus Holz bestehenden Häuser der Altstadt nur schwer zu retten. Wenn man die Häuser und auch die Enge der Gassen sieht, so kann man sich vorstellen, warum in früheren Zeiten ganze Städte ein Raub der Flammen wurden. Das muss man hier unbedingt vermeiden.

Langsam tun mir jetzt die Füße vom Gang über das Kopfsteinpflaster weh. Aber zum Stadtteil Böreviga mit den Fähranlegern und dem modernen Ölmuseum muss ich noch unbedingt. Diesmal gehe ich am Markt vorbei durch die Söregata auf die Ostseite der Stadt. Auf dem Parkplatz vor dem großen Museum hat wahrscheinlich ein Volksfest stattgefunden. Einige Stände für Getränke und Speisen stehen noch da, sind aber schon geschlossen. Ebenso sind noch Kinderbelustigungen, wie Karussell oder Skooter, vorhanden. Einige der Attraktionen werden aber gerade abgebaut und verladen.

Durch eine der vielen langen Einkaufsstraßen gehe ich ganz langsam wieder zurück zu meinem Auto. Mein Weg führt dabei wieder an zahlreichen Gaststätten vorbei. Als ich mir mal kurz die Speisekarten und die aufgeführten Preise ansehe, haut es mich fast lang hin. Die Preisspanne reicht dabei von umgerechnet 15 EURO für eine Suppe bis über 100 EURO für ein ganzes Vier-Gänge-Menü. Und das für eine Person! Trotz dieser enormen Preise sind die Lokale rappelvoll. Um einen Platz zu bekommen, muss man sogar anstehen. Ich schaue mir die langen Menschenschlangen genauer an. Dabei fällt mir auf, dass fast alle Norweger ganz akkurat gekleidet in die Restaurants gehen. Es gibt kaum jemanden, der mit T-Shirt und Jeans am Tisch sitzt.

Angesichts der hohen Preise in den Lokalen freue ich mich schon auf mein „karges“ Abendessen im Hotelzimmer. Ich habe gesehen, dass die Behauptung, dass Stavanger die teuerste Stadt Norwegens ist, stimmt.

Ich nehme an, die Gaststätteninhaber haben ganz schnell erkannt, dass alle, die mit Öl zu tun haben, schwer arbeiten müssen und dafür auch ziemlich gutes Geld verdienen. Somit sind diese Leute auch bereit, in den entsprechenden Lokalen die hohen Preisen zu bezahlen.

Mein Auto steht jetzt einsam und verlassen ganz allein in der Skansegata. Mit einer langsamen Rundfahrt beende ich meinen Besuch der Innenstadt. Ich glaube, wenn ich jetzt noch zu Fuß bis in das Hotel gehen müsste, würde ich lieber im Zentrum unter einem Baum übernachten. Meine Füße tun mir ganz schön weh. Aber ich sehe das als sehr gutes Training an. Morgen möchte ich nämlich bei hoffentlich schönerem Wetter eine weitere Wanderung unternehmen.

 

Gegen 22 Uhr bin ich wieder im Hotel. Ich setze mich zur Erholung erst einmal in das Foyer und trinke genussvoll einen Kaffee. Es ist in den meisten norwegischen Hotels so üblich, dass man sich in der Nähe der Rezeption mit kostenlosem Kaffee bedienen kann. Im Foyer ist ein ständiges Kommen und Gehen. Im Hotelrestaurant findet nämlich heute eine Veranstaltung für behinderte Kinder und deren Eltern statt. Schon vor dem Hotel begrüßt man sich mit großem Hallo. Alle sind freudig gestimmt. Es wird sehr viel geredet und gelacht. Leider verstehe ich aber fast nichts, da sie sehr schnell sprechen. Gutgelaunt gehen alle anschließend in das Restaurant. Dabei wird gegenseitig geholfen.

Jetzt erst bemerke ich, dass ich Hunger habe und so ziehe mich auf mein Zimmer zurück. Es gibt Brötchen mit Wurst und Käse. Dazu trinke ich eine kleine Flasche Cola. Ich lasse mir das selbstgemachte Abendbrot schmecken und schreibe anschließend sogar noch den Tagesbericht. Sehr interessant sind auch die heute gemachten Fotos, die ich gleich auf den Laptop überspiele. Ein bisschen zappe ich schließlich noch durch das Fernsehprogramm. Da aber nichts für mich interessant ist, schalte ich bald ab und versuche zu schlafen. Ich muss mich gut ausruhen, denn morgen wird wahrscheinlich ein anstrengender Tag werden.

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