Apache Star

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Apache Star
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

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Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2021 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99107-574-5

ISBN e-book: 978-3-99107-575-2

Lektorat: Dr. Johannes Krämmer

Umschlagfotos und Innenabbildungen: Tim Neiser

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Prolog
Wichtigste Personen
Kapitel 1
Kapitel 2

Kapitel 3
Apache Star
Als ich die Apache Heritage zum ersten Mal sehe, nachdem ich sie endlich mein Eigen nennen kann, wird mir sofort klar, wie speziell unsere Verbindung ist. Sie hat für mich eine besondere Aura, fängt mich ein mit ihrem Mythos. Vermutlich liegt das daran, dass ich in ihr etwas sehe, was ich dereinst aus ihr machen werde. Dabei ist es anfangs eigentlich nur ein Rumpf, fast ohne Innenleben. Frauen verstehen so etwas nicht, Männer schon. Deshalb dieser Vergleich: Es ist Liebe auf den ersten Blick, ich spüre Schmetterlinge im Bauch. Oder soll ich sagen: Benzin im Blut? Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine Mischung aus beidem.
Ein solches Boot ist nicht bloß eine Maschine, es ist eine Verbindung von Hightech, Leidenschaft, Metall und Carbon. 2011 ist es genau das, was ich suche – sie ist perfekt für mich: Dieses Schiff ist mein Star. Daher auch der neue Name: Apache Star. Vor allem ist es pure Kraft. 2700 PS. Sie hat 15 Mal so viel Leistung wie die Riva meines Vaters, die mich damals als Junge unbändig auf dem Gardasee in ihren Bann zog. Und immerhin hat sie noch acht Mal so viel Power wie ein Porsche 911 Carrera 4, das Spitzenmodell aus Zuffenhausen, das mit meiner Apache das Baujahr teilt. Verglichen mit den späteren Schiffen meines Vaters ist die Apache Star ein Zwerg: 15 Meter lang, zweieinhalb Meter breit, zehneinhalb Tonnen schwer. Aber es geht ja auch nicht darum, auf einem Sonnendeck zu entspannen. Es geht um Geschwindigkeit bei hohem Wellengang. Und in dieser Hinsicht ist die Apache Star unschlagbar. Außerdem ist sie wunderschön, ihre Proportionen sind perfekt, der lange schlanke Körper strahlt Kraft, Eleganz und Angriffslust aus – die wahr gewordene Faszination.
Nach dem Kauf lasse ich neue Mercury Racing-Motoren einbauen. Diese müssen als Erstes eingebaut werden, da die Größe der Motoren gleichzeitig die Größe des Hecks bestimmt. Sie katapultieren die mehr als zehn Tonnen Gewicht auf eine atemberaubende Geschwindigkeit von 130 Meilen pro Stunde. Wäre es ein Auto, würde der Tachometer 210 km/h anzeigen. Das Boot jedoch fährt diese Geschwindigkeit auf dem offenen, rauen Meer und nicht auf einem glatt geteerten Stück Bundesautobahn. Gemeinsam haben Wasser und Beton allerdings eines: Ab einer gewissen Geschwindigkeit ist Wasser ebenso hart. Bei 210 km/h ist dies gewiss der Fall. Wenn man bei diesem Tempo auf das Wasser aufschlägt, ist es so, als würde man gegen eine Wand fahren.


Die Apache Star ist unbestritten das bekannteste und hochwertigste V-Rumpf-Rennboot, das jemals und bis heute in den Vereinigten Staaten gebaut wurde. Vier Mann sind notwendig, um den Boliden im Rennmodus zu steuern. Neben mir als Piloten brauche ich einen Co-Piloten, einen Navigator und einen Renningenieur, um die knapp 3000 PS optimal ausfahren zu können. Technik und Ausstattung meines Bootes kommen nicht von irgendeiner Werft, sondern aus dem Flugzeugbau. Das ist nötig, wenn man mit 200 km/h über das Meer jagt. Irgendwie passend, wie ich finde: Top-Technik für ein Boot der Top-Klasse.
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6

Kapitel 7
Ankommen oder Sterben
Jetzt, kurz vor dem Ziel, kreisen meine Gedanken nur noch um meinen Kampf gegen die Elemente auf dem Weg nach Kuba. Nun ist es soweit. Es ist eine seltsame Mischung aus Euphorie und Anspannung. Ich habe nun alles Denkbare erreicht, habe die Sondergenehmigung erkämpft! In erster Linie aber bin ich sicher, physisch und psychisch da zu sein, wo ich hin will und sein muss – zu 100 Prozent.
Die Wetterprognosen für die nächsten Tage sind eher schlecht. Wir haben starke Winde und hohe Wellen zu erwarten. Aber nachdem ich bis hierhin gekommen bin, stört mich das nicht weiter und beunruhigt mich auch nicht – es wird gut gehen, davon bin ich felsenfest überzeugt. Zumal ich weiß, dass ich mich auf die Apache Star verlassen kann. Das Boot zeigt besonders bei hohem Wellengang seine Stärke, was es mehrfach bewiesen hat.
Überdies gibt es keine Alternative. Es muss einfach gut gehen, denn über Jahre hinweg habe ich einfach jedem erzählt, dass ich diese Strecke trotz des bestehenden Embargos mit dem Ziel eines Rekordes fahren werde. Und das als erster Mensch nach mehr als einem halben Jahrhundert! Ich weiß, dass auf Kuba meine Familie, Freunde und Tausende Kubaner auf meine Ankunft warten werden. Das erhöht einerseits den Druck, ist aber andererseits auch ein großartiges Gefühl, das mich weiter antreibt.
Mir ist bewusst: Ich muss abliefern! Ich muss dieses Zeichen setzen, für mich, aber auch für viele andere Menschen, die es leid sind, mit dieser in Wahrheit doch gar nicht so großen Kluft zu leben. Ein Versagen, egal aus welchem Grund, ist nicht vorstellbar. Ich will alles geben, bin vollkommen fixiert auf diesen Moment. Nicht anzukommen wegen irgendwelcher Probleme während der Überfahrt wäre sowieso mein Todesurteil! In Gedanken werde ich pathetisch: Lieber werfe ich mich in einem solchen Fall den Haien zum Fraß vor, als diese Blamage zu erleben. Für mich steht fest: Entweder ich komme an oder ich sterbe!
Und, so verrückt es auch klingen mag, diese absolute Entschlossenheit beruhigt mich und gibt mir die notwendige Sicherheit und Souveränität. Ich fühle mich nicht nur gut vorbereitet, sondern fast unsterblich in diesem Moment, denn eine denkbare Alternative gibt es nicht.
Es ist Donnerstag, der 30. Juli 2015. Es sind noch zwei Tage bis zu meinem Weltrekordversuch. Mein Bootsbauer und gleichzeitig Throttleman Mike McMajor und Jack Mercurius, mein Mechaniker und Ingenieur, fahren von Fort Meyers aus nach Key West. Mit einem großen Truck ziehen sie die Apache Star an ihren Startpunkt für die Überfahrt nach Kuba. Ich reise zusammen mit meinem Navigator David Wild von Miami aus nach Key West.
Wir legen die 250 Kilometer mit dem Auto zurück. Die Strecke bin ich schon oft gefahren, aber ich verliebe mich jedes Mal erneut in sie. Nach knapp 40 Kilometern erreicht man die Route 1, welche man bis zur Ankunft am südlichsten Punkt der USA nicht mehr verlässt. Folgt man der Route 1 für 50 Kilometer, dann erreicht man eine der nördlichsten Inseln der Florida Keys: Key Largo. Von hier aus legt man die letzten 160 Kilometer zurück, indem man über rund 30 Inseln hüpft. Dabei muss man circa 40 Brücken überqueren, unter anderem die berühmte Seven Mile Bridge, welche mit knapp 11 Kilometern die längste aller Brücken des Overseas Highways ist. Die Fahrt ist eine einzigartige Reise, welche mit gigantischen Ausblicken über den Atlantik und den Golf von Mexiko gesegnet ist. Die Inseln sind teilweise so schmal, dass neben der einspurigen Fahrbahn nur drei Meter auf jeder Seite begrünt sind und direkt dahinter die Wellen am Ufer zerschellen.
Als wir alle in Key West angekommen sind, verabreden wir uns noch zu einem gemeinsamen Abendessen. Alle sind wir sichtlich aufgeregt und nervös, denn es ist für jeden von uns der Höhepunkt seiner Speedboot-Karriere, das Maximum, das erreicht werden kann. Wir schwärmen gemeinsam von unserer bevorstehenden Fahrt, fühlen uns unschlagbar und gehen noch einmal sämtliche Details der Überfahrt durch.
Am nächsten Morgen werde ich von einem Anruf aus Deutschland geweckt.
Als ich schlaftrunken in das Telefon meinen Namen murmle, ertönt die aufgeweckte Stimme meine Mutter: „Alles Gute zum Geburtstag, mein Junge!“
Obwohl ich nun schon 50 Jahre alt bin, bezeichnet sie mich immer noch als ihren kleinen Jungen. Umso schwerer ist es für sie zu verstehen, warum ich mich in solche Lebensgefahr begeben will. Dass einen Tag vor meinem Weltrekordversuch mein 50. Geburtstag ist, ist purer Zufall. Aber dennoch ein gutes Omen, wie ich finde, denn die 50 ist meine Glückszahl. Warum? Das ist für mich eindeutig, denn die Apache Star läuft unter der Startnummer 50.
Auch meine Crew hat daran gedacht und überrascht mich mit einem Geburtstagskuchen. Der Bürgermeister von Key West stattet mir einen Höflichkeitsbesuch ab. Ich erhalte zahlreiche Anrufe von meiner Familie und meinen Freunden aus Deutschland und aller Welt. Obwohl ich mich über die Glückwünsche sehr freue, bin ich dennoch bei jedem einzelnen Telefonat kurz angebunden. In meinen Gedanken bin ich ganz bei der Überfahrt nach Kuba.
Heute ist ein ebenso wichtiger Tag wie morgen, denn wir sind noch einmal mit der Apache Star vor der südlichsten Spitze Floridas, wo die jährlichen Weltmeisterschaften der Powerboat Nation stattfinden, unterwegs. Wir testen die Apache Star ein letztes Mal auf Herz und Nieren – beziehungsweise auf Motoren und Antriebe. Wir fahren mit unterschiedlichen Schraubensets, um die optimale Geschwindigkeitskonfiguration zu gewährleisten. Ferner erproben wir die Headsets, welche unsere Kommunikation während der Überfahrt nach Kuba ermöglichen sollen. Die US-Küstenwache beobachtet uns dabei von mehreren Schiffen aus. Darüber hinaus erhalten wir letzte Anweisungen zu den Gewässern vor der Südküste Floridas. Das alles geht an mir vorbei, als würde ich durch eine trübe Glasscheibe blicken. Ich bin bereits voll konzentriert auf den nächsten Tag und gehe die Überfahrt wieder und wieder in Gedanken durch.
Die Abschlusstestfahrt verlief gut und ich bin zufrieden, als ich abends mit meiner Crew zusammensitze. Während wir in einem kleinen Restaurant essen, das mich wegen seiner hellblauen Fassade und der weißen Fensterläden an die Bahamas erinnert, erzählt uns ein Fischer vom einem weiteren Speedboot, das heute in den Gewässern vor Key West unterwegs war.
Er ermahnt uns: „Passt morgen bloß gut auf Euch auf, Männer. Die gesamte Crew des anderen Powerboots ist heute tödlich verunglückt.“
Wir alle kennen das Risiko, blenden es jedoch aus. Ich würde behaupten, dass es jeder Extremsportler so handhabt, denn ohne das tödliche Risiko gibt es keinen Adrenalinrausch. Und das ist wahrhaft der Grund, weshalb Menschen wie ich sich in so eine Situation bringen. Ich bin süchtig nach dem Austesten des Geschwindigkeitslimits. Ich gebe immer gefühlte 110 %, weil ich der Schnellste sein will, ziehe jedoch 20 % wieder ab, um nicht tödlich zu verunglücken so wie die Crew des anderen Powerboots heute. Das ist meine Überlebensformel: Nicht nur, wenn ich im Speedboot sitze und dem Tod ins Gesicht lache, sondern auch in allen anderen Bereichen meines Lebens. Es scheint, als würde meine Rechnung aufgehen, denn noch lebe ich. Und auch morgen werde ich kämpfen. Und ich werde überleben.
An diesem Abend gehe ich sehr früh ins Bett. Ich will ausgeschlafen und fit für morgen sein. Müdigkeit darf auf gar keinen Fall ein Grund für ein mögliches Scheitern meines Vorhabens sein und muss ausgeschlossen werden. Ich bin gerade dabei, mich zu entspannen und auf das Land der Träume zu freuen, als mich ein Anruf erneut zurückholt. Es ist mein Vater. Offenbar ist er fest von meinem Erfolg überzeugt und vertraut auf meine Erfahrung.
Er spricht mir seine Glückwünsche aus: „Du schaffst das!“
Bedingungslose Liebe und Freude durchströmen mein Herz. Ich bin stolz, dass er ebenfalls stolz ist – und zwar auf mich. So lange hatte ich dafür gekämpft. Mein Leben lang wollte ich ihm immer zeigen, dass ich Großes erreichen kann. Ebenso wie er es geschafft hat. Sein Glaube an mich lässt mich Berge versetzen – in meinem Fall lässt er mich die raue See bezwingen.
Ich flachse rum: „Sei morgen pünktlich um 12 Uhr am Malecón. Nicht, dass ich vor Dir dort bin. Ich bin gut drauf.“
Er lacht und sagt: „Weiß ich. Bis morgen, mein Sohn!“
Mit einigen Freunden und der Familie logiert er im Hotel Nacional in Havanna. Noch lange sitzen sie an diesem Abend zusammen, wie mir später erzählt wird. Sie freuen sich auf den nächsten Tag und versuchen, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. Sie wissen um das Risiko, aber sie wissen auch, dass ich weiß, was ich tue. Und dass ich es kann.
Ich finde an diesem Abend kaum in den Schlaf. So viel geht mir im Kopf herum. Ich weiß, dass sämtliche Augen morgen auf mich gerichtet sein werden. Selbstsicher, wie ich stets bin, habe ich im Vorhinein große Reden über mein Vorhaben geschwungen. Alle erwarten nun, dass ich morgen abliefere. Ich muss in Kuba ankommen. Es dürfen keine technischen Probleme auftreten und ich darf keinen Fehler machen. Sonst werden wir mit dem Leben dafür bezahlen. Ich habe mir selbst ein hohes Ziel gesteckt, das ich jetzt nicht verfehlen darf. Ich hoffe, dass sich meine Crewmitglieder ebenso gut wie ich vorbereitet haben – physisch und psychisch. Dass sie die Besten in ihrem Fach sind, das ist mir klar. Andernfalls hätte ich sie nicht dafür auserwählt.
Ich bete an diesem Abend das erste Mal seit einer Ewigkeit wieder. Aber nicht zu Jesus Christus, denn obwohl ich evangelisch getauft wurde, glaube ich nicht an die Kirche. Stattdessen bete ich zu Poseidon, dem griechischen Gott der Meere. Mein Leben wird morgen in seinen Händen liegen. Hohe Wellen prognostiziert der Wetterbericht für morgen. Die See wird rau sei. Es wird stürmisch und ich habe – ehrlich gesagt – keine Ahnung, was mich dort draußen erwarten wird. Eine Mischung aus Angst, Nervosität, Vorfreude und Aufregung macht sich in mir breit. Dieses Gefühlschaos lässt mich eine ganze Weile lang nicht einschlafen. Allein mit seinen Gedanken beschäftigt zu sein, kann einen wahnsinnig machen. Ich bin froh, dass ich mich entschlossen habe, früh ins Bett zu gehen. Denn so bleibt mir immer noch genügend Schlaf, um morgen fit zu sein.
Es war eine unruhige, aber zugleich erholsame Nacht. In meinen Träumen habe ich jede Schraube von Apache Star erneut kontrolliert, bin die Gesetzesauflagen durchgegangen und habe Zeitabläufe studiert. Doch trotz des Gedächtnistrainings letzte Nacht fühle ich mich voller Energie. Es die Vorfreude auf den wohl schönsten Tag meines Lebens – natürlich abgesehen von den Geburten meiner beiden Söhne.
Ich bin mit meiner Crew im Hotel zum Frühstück verabredet. Als ich das Restaurant betrete, blicke ich sofort in strahlende Gesichter. Meinen Männern scheint es ähnlich wie mir zu ergehen. Für uns alle ist das heute ein großer Tag. Der Tag, auf den ich die letzten dreieinhalb Jahre hingearbeitet habe. Ich habe alles gegeben, was ich zu bieten hatte, um dieses spektakuläre Ereignis für mich, für die Apache Star und für meine Crew wahr werden zu lassen.
Es ist 9 Uhr, als wir pünktlich in der privaten Marina auf Stock Island eintreffen. Ein Sicherheitsdienst bewacht dort die Apache Star rund um die Uhr. Es beruhigt mich, dass der Schutz meines Speedbootes garantiert ist. Wir hatten zuvor unsere Ausrüstung am Kommandostand in der Marina deponiert. Diese beinhaltet feuerfeste Unterwäsche, Overalls, Satelliten-Ortungsgeräte und vieles mehr. Wir ziehen uns um und prüfen noch einmal unsere gesamte Sicherheitsausstattung.
Wir tragen alle Helme, wie sie auch das US-Militär benützt. Und in diese wurden Headsets integriert, welche die Kommunikation während der Fahrt gewährleisten. Unsere gelben Schwimmwesten sind wie die Westen in Flugzeugen konstruiert. Bei Kontakt mit Wasser blasen sie sich automatisch blitzschnell auf. Außerdem hat jeder von uns eine Halskrause, die den Nacken gegen die enormen Fliehkräfte stützt. Darüber hinaus tragen wir Ellenbogenschützer, um die Schläge bei hohen Geschwindigkeiten abzufedern. Ich bin der Einzige, der darauf verzichtet, da ich der Meinung bin, dass diese nicht zwingend notwendig sein werden. Unsere Handschuhe sind an den Fingerspitzen offen, um ein besseres Gefühl für die Betätigung der Schalter und am Lenkrad zu haben.
Zusätzlich dürfen wir nichts mitnehmen. Alles bleibt in unseren Autos zurück, denn das Embargo-Gesetz verbietet uns jegliche Einfuhr. Wir wollen kein Risiko eingehen und auf gar keinen Fall Ärger mit den amerikanischen Behörden, die schon draußen an der Startlinie auf uns warten. Stauraum gibt es ohnehin nicht. Dafür hat die Apache Star keinen Platz.
Selbst für zusätzliches Benzin haben wir keinen Raum – wir sind mit 1200 Litern Sprit vollgetankt bis unter die Decke. Das ist natürlich sprichwörtlich zu sehen, denn die Apache Star ist kein geschlossenes Rennboot. Das ist übrigens das Ausschlusskriterium, welches es untersagt, mit der Apache Star an offiziellen Rennen teilzunehmen. Ich habe das Cockpit öffnen lassen, weil ich es nicht ertragen kann, in einem geschlossenen Speedboot zu sitzen. Im Ernstfall möchte ich schließlich nicht unter Wasser in einem geschlossenen Sarg gefangen sein, denn Powerboote drehen sich bei einem Unfall oftmals auf den Rücken. So fahre ich lieber mit offenem Cockpit und kann mir vorstellen, den Himmel zu berühren, wenn ich über die Wellen fliege.
Dennoch reichen unsere 1200 Liter Sprit gerade einmal nur für die Hinfahrt. Und bevor ich jetzt Kritik von Greta Thunberg höchstpersönlich entgegennehmen darf: Die Apache Star braucht zwar etwas mehr als ein gewöhnliches Boot und deutlich mehr als ein Auto, aber ich fahre umso schneller und erreiche dadurch umso eher mein Ziel. Außerdem nutze ich dieses Speedboot für außergewöhnliche Ereignisse und nicht im Alltag. Demnach ist meine CO2-Bilanz unterm Strich nicht höher als die von anderen Menschen.
Da ich also nicht genügend Sprit an Bord habe, um auch wieder zurück in die USA fahren zu können, habe ich bereits vor längerer Zeit vorgesorgt. Auf einer meiner Reisen nach Kuba habe ich vor Ort 800 Liter Treibstoff gekauft. Er liegt seitdem in der Marina Hemingway und wartet auf seinen Einsatz. Es war kein Kinderspiel, auf Kuba Super Plus mit 100 Oktan zu bekommen, aber auch das habe ich mit Hilfe der kubanischen Regierung gemeistert. Das ist ein wirklich heißes Zeug, bestes Futter für die Apache Star.
Durch die vollen Benzintanks wiegt mein Powerboot über eine Tonne mehr. Dass ich dadurch an Geschwindigkeit verliere, ist mir egal. Das zusätzliche Gewicht habe ich gerne in Kauf genommen, da die Apache Star dadurch mehr Stabilität im Wasser erhält. Ich gehe davon aus, dass mir dies bei solch hohem Wellengang, wie er vorausgesagt wurde, zugutekommen wird.
Sämtlichen unnötigen Ballast habe ich vermieden. Aus diesem Grund haben wir noch nicht einmal Fender oder einen Anker an Bord. Mein ganzes Leben lang habe ich dies als überflüssig erachtet. Fender liegen meist nur herum und nehmen Platz weg. Deshalb habe ich nie welche besessen und wenn doch, dann habe ich sie an Land gelassen. Außerdem hat jedes andere Boot Fender. Wenn ich also an Land gehe, dann haben die anderen Boote neben mir immer solche „Abpuffer“ an ihren Außenseiten hängen, weshalb ich noch nie zusätzlich welche benötigte. Ebenso ist es mit einem Anker. Da ich immer nur schnell fahren will, brauchte ich diesen nicht. Anker liegen meist lose im Bootsrumpf herum. Bei meiner Fahrweise würde so ein herumfallender Metallhaken mein Boot nur beschädigen. Letztlich liefert mir die Tatsache, dass ich keinen Anker besitze, ein zusätzliches Gefühl von Freiheit.
Es ist 9 Uhr 40, als ich in das Speedboot klettere und es sind noch genau 20 Minuten bis zum Start. Mein Herz pocht mit jeder Sekunde schneller. Ich überprüfe noch einmal die Aggregate. Vor mir befinden sich die Geschwindigkeitsanzeige sowie die Anzahl der Umdrehungen sowohl des linken als auch des rechten Motors. Ich nehme links vorne im Cockpit Platz. In vielen Powerbooten sitzt der Kapitän rechts, aber das gefällt mir nicht. Ich bin durch das Fahren schneller Autos gewohnt, links zu sitzen. Deshalb habe ich die Apache Star von einem Rechtslenker auf einen Linkslenker umbauen lassen. Somit kann ich das Steuer in der linken Hand halten und den Gashebel mit der rechten Hand betätigen. An diesem befindet sich auch ein Knopf, durch welchen ich die Antriebe betätigen kann. Somit kann ich das Boot ganz allein steuern. Für den heutigen Weltrekordversuch kann ich jedoch auf meine Crew nicht verzichten, denn die Bedingungen werden alles andere als normal sein.


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