Der Topophilia-Effekt

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Das Strahlen-Wissen unserer Ahnen

Schon vor Tausenden von Jahren arbeiteten Menschen mit Erdstrahlen, ohne etwas über Periodensysteme und Ordnungszahlen zu wissen.

Einige unserer Vorfahren arbeiteten bereits mit Radon, einem Gas, dessen Isotope radioaktiv sind. Es entsteht beim natürlichen Zerfallsprozess von Radium, das wiederum ein Zerfallsprodukt von Uran ist, einem Metall, das im Erdreich auf natürliche Weise vorkommt.

Als Gas mit sehr hoher Dichte kann sich Radon in Gebäuden, besonders in Kellern und den unteren Stockwerken, in physiologisch bedeutsamen Mengen ansammeln. 2018 ließ das österreichische Bundesland Salzburg in 3.400 Wohnobjekten Radon-Messungen durchführen und stellte fest, dass in zehn Prozent der Wohnungen der Schwellenwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter Luft überschritten war.

Doch während eine dauerhafte radioaktive Strahlenbelastung die Gesundheit gefährdet, kann ihr vorübergehender Einsatz auch heilsame Wirkung haben. Die Radonbalneologie etwa ist die therapeutische Anwendung von Radon in Heilbädern oder Heilstollen. Früher war der Begriff Radiumbad verbreitet.

Wirken soll diese Form der Behandlung bei chronischentzündlichen Erkrankungen, wie Morbus Bechterew, Rheumatoider Arthritis, Asthma bronchiale oder Arthroseschmerzen. Auch bei Hauterkrankungen, wie verzögerter Wundheilung, Psoriasis oder Neurodermitis, kommt sie zum Einsatz. Kontrollierte Studien zum Wirkungsnachweis liegen bisher allerdings nur für Morbus Bechterew, Arthritis und Arthrose vor.

Ihren Namen erhielt die Radioaktivität zwar erst Anfang des 20. Jahrhunderts durch das Ehepaar Marie und Pierre Curie, nachdem zwei Jahre zuvor Antoine Henri Becquerel das Phänomen entdeckt hatte, doch bereits zwei Jahrtausende früher nutzten die alten Griechen in Delphi die unsichtbaren Kräfte von Orten, um ihre Gesundheit positiv zu beeinflussen. Dort gab es im Keller des Tempels Apollo einen sogenannten Bauchnabel der Welt, auch »Omphalos« genannt. Auf diesem stand ein mit Wollgirlanden überzogener Kultstein, der vermutlich als Meteorit vom Himmel gefallen war. Über diesem Stein saßen die Priesterinnen und orakelten.

Der Tempel in Delphi war viele Jahrhunderte lang die wichtigste Kultstätte der hellenistischen Welt. Wozu ihn relativ simple chemische Prozesse gemacht haben könnten. Der griechische Schriftsteller Plutarch und der griechische Geschichtsschreiber und Geograph Strabon berichten von Dämpfen, denen sie die visionären Trancezustände der Orakel-Priesterinnen zuschrieben. Plutarch bemerkte auch, dass diese Dämpfe einen süßen Geruch verströmten und sich die Priesterinnen nach dem Einatmen wie Läuferinnen nach einem Rennen oder Tänzerinnen nach einem ekstatischen Tanz verhielten.

Doch es ging im Apollo-Tempel nicht nur um den Blick in die Zukunft. Kranke Menschen konnten den Tempel ebenfalls besuchen und waren dazu eingeladen, im Rahmen einer sogenannten Inkubation eine Nacht dort zu verbringen, um wieder gesund zu werden.

Später fanden Vulkanologen und Geologen eine Fülle an Hinweisen darauf, dass Plutarch und Strabon mit ihren Beobachtungen der Wahrheit heutiger Tage sehr nahegekommen sein könnten. Der Tempel des Apollo scheint direkt über zwei Störungszonen der Erdkruste zu liegen, die von Rissen durchzogen sind, sodass dort Gase aus dem Erdinneren in den Raum treten konnten. Weltweit gibt es mehrere derartige Orte, die je nach Kultur anders benannt werden. Die hebräische Bezeichnung für »Omphalos« ist »Tabor« beziehungsweise »Tabbur«, was zu Deutsch so viel wie »Nabel der Welt« bedeutet.

Hohlwege als antike Energiezentren

Könnten die Etrusker also ihre rätselhaften Hohlwege aus ähnlichen Motiven angelegt haben wie die alten Griechen ihren Apollo-Tempel? Das ist gut möglich. Darauf könnten unter anderem die Gräber hinweisen, die sich entlang dieser Wege befinden. Die Menschen damals könnten bereits bemerkt haben, dass es sich um Orte mit viel Kraft handelte, um sakrale Plätze, deren Wirkung sie besser zur Entfaltung bringen konnten, wenn sie diese Wege schufen.

Auf welche Wirkung genau sie abzielten, bleibt dabei unklar. Doch ich habe selbst erlebt, welche bemerkenswerte Energie diese Hohlwege haben, als ich vor einigen Jahren mit einem Freund, einem Musiker, diese Hohlwege in der Toskana besuchte. Matteo, mein Freund, und ich arbeiteten gerade an einem Video für einen neuen Song und fanden, dass die Hohlwege eine fantastische Kulisse dafür bildeten.

Die schönsten etruskischen Hohlwege befinden sich in der Nähe der Stadt Pitigliano im Süden der Toskana. Die Via Cava di San Giuseppe ist ein Netz aus insgesamt etwa zwanzig Kilometer langen Wegen, die miteinander verbunden sind. Leider haben vor einigen Jahren schwere Überflutungen in der Gegend die Wege beschädigt und teilweise mit Schwemmgut in Form von Ästen und ganzen Bäumen versperrt. Niemand fühlt sich dafür verantwortlich, sie wieder begehbar zu machen. Doch als wir beide dort hinfuhren, waren sie noch intakt.

Gut ausgerüstet kamen wir an. Matteo hatte seine Kamera und allerhand weitere Ausrüstungsgegenstände dabei, Mikrofone und ein Stativ. Klarerweise zeigten die Displays aller Geräte volle Ladung an und darüber hinaus hatte er Reserve-Akkus dabei.

Wir begannen mit unseren Aufnahmen. Eine Minute später war alles schwarz. Der Akku war leer. »Das ist unheimlich«, meinte Matteo. »Lass uns hier lieber verschwinden.«

»Vielleicht stimmt etwas mit der Anzeige nicht oder beim Aufladen ist etwas schiefgegangen«, sagte ich.

Matteo war etwas beklommen, während wir die Ersatz-Akkus einbauten, ich eher neugierig. Sollten hier tatsächlich Kräfte am Werk sein, die Akkus entladen konnten und deshalb physikalischer Natur sein mussten? Kräfte, die sich die Etrusker, zu welchen Zwecken auch immer, zunutze gemacht hatten? War das wirklich möglich?

Ich nahm wieder meine Position ein. Matteo drückte auf »Aufnahme«. Eine Minute später waren wir wieder am Ausgangspunkt. Das Bild war schwarz. Die Akkus waren leer.

Als wir die Via Cava di San Giuseppe hastig verlassen hatten und ich eine Woche später wieder an meinem Schreibtisch saß, las ich nach. Mitte der 1990er-Jahre befasste sich ein Physiker namens Giuseppe Martelli mit der Erforschung der Phänomene im Zusammenhang mit den etruskischen Hohlwegen, fand ich heraus.

Er lieh sich zu diesem Zweck von einer englischen Universität ein Gaußmeter aus, also ein Instrument, mit dem sich das Magnetfeld der Erde bestimmen lässt.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Erfahrung gemacht, dass gerade bei der Wirkung von Orten viele Para- und Pseudowissenschaftler mit fragwürdigen Methoden Bilder und Theorien entwerfen, die einer ernsthaften Betrachtung nicht standhalten. Dies wohl, weil sie von der Wirkung von Orten auf Menschen dermaßen überzeugt sind, dass sie die Grenzen ernsthafter Wissenschaft überschreiten, um an Überzeugungskraft zu gewinnen und dabei in Wirklichkeit genau das Gegenteil erreichen. Sie haben dafür gesorgt, dass die Wirkung von Orten inzwischen, obwohl sich praktisch alle Kulturen aller Zeiten in allen Regionen der Welt damit befasst haben, einen seltsamen Beigeschmack hat. Das Wissen darüber fällt vielfach und zu Unrecht in die gleiche Kategorie wie Verschwörungstheorien.

Deshalb informierte ich mich sicherheitshalber über Martelli, den Mann, der dem Geheimnis der etruskischen Hohlwege mit einem Gaußmeter auf der Spur war. Der Physiker war zwanzig Jahre lang, von 1964 bis 1984, Vorstand der Space und Plasma Physics Group der University of Sussex gewesen, die eine der angesehensten britischen Universitäten ist. Sie benannte sogar, um ihn zu ehren, einen Asteroiden nach ihm.

Martelli war also offenbar esoterisch unverdächtig und seine Erkenntnisse kamen für mich wenig überraschend. Alle von ihm untersuchten etruskischen Hohlwege wiesen offensichtliche Anomalien auf. Außerhalb dieser Wege lieferte das Gerät normale Werte. Bloß blieb auch er die Antwort auf die eigentliche Frage schuldig: Was hatte dieses faszinierende Volk mit den Hohlwegen bezweckt? Wenn es ihm um den Magnetismus ging, warum? Welche medizinischen oder vielleicht auch spirituellen Beweggründe könnten sie gehabt haben, ihn in dieser Form zu verdichten?

Die Vermutung, dass die Etrusker mit ihren Hohlwegen tatsächlich medizinische Ziele verfolgten, liegt nahe. Auch die moderne Alternativmedizin setzt auf die so genannte Magnetfeld- oder auch Magnettherapie, bei der Patienten einem künstlich erzeugten Magnetfeld ausgesetzt werden. Laut den Befürwortern dieser Therapie lassen sich Wundheilungsstörungen, degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates und der Wirbelsäule sowie Knochenbrüche oder Migräne damit behandeln. Sie argumentieren außerdem damit, dass chinesische Mediziner bereits vor rund 2.000 Jahren magnetische Steine zur Heilung einsetzten. Auch in Schriften, die dem antiken Arzt Hippokrates zugeordnet werden, ist vom Einsatz magnetischer Steine die Rede.

Desgleichen sprechen Überlieferungen davon, die alten Römer hätten schon an die positive Wirkung von Magneten geglaubt. Womöglich übernahmen sie dieses uralte Wissen von den Etruskern. Auch die alten Ägypter sprachen magnetischem Schmuck die Wirkung zu, sich stärkend auf die Gesundheit auszuwirken.

Doch was sagt die Forschung im 21. Jahrhundert dazu? Wie steht es um die Wirkung von magnetischen und elektromagnetischen Feldern auf uns Menschen?

Gespaltene Welt der Wissenschaft

Schenken wir dem Deutschen Bundesamt für Strahlschutz (BfS) Glauben, so ist der Fall klar. Auf der Homepage der Einrichtung ist Folgendes zu lesen:

 

Statische Magnetfelder üben Kräfte auf magnetisierbare Metalle sowie auf sich bewegende elektrisch geladene Teilchen aus. Der Mensch nutzt starke Magnetfelder beispielsweise für bildgebende medizinische Verfahren. Untersuchungen zeigen bisher keine direkten negativen biologischen und gesundheitlichen Wirkungen statischer Magnetfelder bis zu einer Magnetflussdichte von vier Tesla.

Dazu muss man wissen: Tesla ist nicht nur eine Elektroautomarke, sondern auch die Maßeinheit für die magnetische Flussdichte, benannt 1960 nach dem Erfinder, Physiker und Elektroingenieur Nikola Tesla. Und: Vier Tesla sind für irdische Verhältnisse eine ganze Menge.

Ein handelsüblicher Hufeisenmagnet hat etwa 0,1 Tesla. Ein Kernspintomograph, wie wir ihn von medizinischen Behandlungen mittels Magnet-Resonanz-Therapie (MRT) kennen, kommt auf etwa 0,35 Tesla. Ein Neodym-Eisen-Bor-Magnet (der zurzeit stärkste herstellbare Dauermagnet) hat 1,61 Tesla. Die supraleitenden Dipolmagnete des Teilchenbeschleunigers im unterirdischen Kernforschungsbunker von CERN bringen es auf 8,6 Tesla.

Für uns hier auf der Erde sind aber im Allgemeinen nur die eher niedrigen Werte von Belang. Das Magnetfeld der Erde, so heißt es, könnten Menschen gar nicht wahrnehmen, weil es so gering sei. In Deutschland beispielsweise beträgt es gerade einmal 0,00005 Tesla. Also fünf Mikrotesla. Am Äquator sind es sogar nur drei Mikrotesla, an den beiden Polen wiederum doppelt so viel. Sechs Mikrotesla also.

Höhere Dosierungen (im Vergleich zum natürlichen Erdmagnetfeld) kämen, so das BfS weiter, üblicherweise nur vor, wenn der Mensch sie künstlich erzeugt, wie zum Beispiel bei Kernspintomographen. Ob die relativ hohe magnetische Flussdichte die Gesundheit beeinflussen könne, sei unbekannt, weil die Technologie noch verhältnismäßig jung sei und Langzeitstudien Mangelware wären.

Müssen wir uns also in Anbetracht der recht geringen Strahlungsdosierungen von Magnetfeldern, mit denen wir es im Alltag zu tun haben, überhaupt noch Gedanken zu dem Thema machen? Nein, würde die vorherrschende Gelehrtenmeinung klar sagen, wäre da nicht eine noch ganz neue Forschungsarbeit, die das gründlich in Frage stellt.

Unter dem Titel »Wie magnetische Felder in menschlichen Zellen wirken« berichtete 2018 das deutsche Science Media Center, eine unabhängige und gemeinwohlorientierte Wissenschaftsredaktion und Plattform, auf der Wissenschaft und Journalismus aufeinandertreffen und sich austauschen können, über die Ergebnisse einer Studie, die zuvor im Fachmagazin PLOS Biology publiziert worden war.

Darin geht es um die so genannte »gepulste Magnetstimulation«, ein seit rund fünfzig Jahren angewandtes Verfahren, bei dem bestimmte Hirnregionen des Menschen mit kurzen magnetischen Impulsen stimuliert werden. Die längste Zeit wurde dieses Verfahren in der Therapie von ausgewählten Krankheiten eingesetzt, von Depressionen bis hin zu bestimmten Krebsarten. Die Universität Innsbruck berichtete von Versuchen, um damit Leiden, wie Tinnitus und Bulimie, zu lindern. Welche zellulären Wirkmechanismen die Magnetstimulation hat, war über all die Jahre jedoch unklar.

Bis zu der erwähnten Studie, die die Fachwelt seither spaltet, weil sie einen Magnetsinn von Tieren und womöglich auch von Menschen, der selbst auf so geringe Feldstärken, wie die des Erdmagnetfeldes, reagiert, wissenschaftlich plausibel macht.

Das Science Media Center stellte Stellungnahmen von Experten online, von denen einige die brisanten Ergebnisse der Studie offen anzweifeln oder ganz vernichten, während andere von »wichtigen neuen Ansätzen« sprechen. Letztere kommen aus allen Ecken der Wissenschaft, aus der Biologie, der Wissenschaftsethik, der Technik, der Medizin und auch der Physik, wie etwa von dem Briten Daniel R. Kattnig vom Department of Physics and Living Systems Stimulation an der Universität von Exeter.

Kattnig fasst das spannende Ergebnis der Studie in seinem Beitrag zusammen und spricht aus, was immer mehr seiner Forscherkollegen denken: »Die Autoren (der Studie, Anm.) geben erstmalig Einblicke in die mechanistischen Grundlagen des Magnetfeldeffektes«, schreibt er. »Im speziellen identifizieren sie das Protein Cryptochrom als essentiell. Dieses wird (…) als zentraler Baustein eines magnetischen Kompass-Sinns von einigen Tieren angesehen, wie zum Beispiel von Zugvögeln. Unter der Annahme, dass hier ähnliche physikalische Prinzipien zur Anwendung kommen, lässt uns das vermuten, dass die präsentierten Resultate weitaus breitere Gültigkeit haben. Es ist also durchaus plausibel, dass auch bei weitaus geringeren Feldstärken und anderen Frequenzen markante Magnetfeldeffekte (…) möglich sind.«

Magnetfelder scheinen sich also tatsächlich und wissenschaftlich nachweisbar positiv und negativ auswirken zu können, je nachdem, unter welchen Rahmenbedingungen sie auftreten und wirken. Und, was besonders wichtig ist: Dass »schwache« Magnetfelder, wie von weiten Teilen der Wissenschaft bisher postuliert, keinerlei zelluläre Wirkung bei Menschen, Tieren und Pflanzen hinterlassen, ist dank dieser neuen Erkenntnisse keineswegs in Stein gemeißelt. Im Gegenteil. Es sieht danach aus, als stünden wir einmal mehr erst am Anfang eines langen Weges der Forschung.

Konsequent weitergedacht würde das auch Fragen im Hinblick auf elektromagnetische Felder, die von Strommasten, Handymasten, Handys, Steckdosen, Elektroautos und so weiter ausgehen in den Raum stellen. Die Industrie, die mit diesen Dingen arbeitet und von ihnen wirtschaftlich abhängig ist, hat solche Fragen bisher gekonnt und konsequent ins Reich der Verschwörungstheorien verwiesen.

Ich maße mir als Geisteswissenschaftlerin nicht an, unabhängigen naturwissenschaftlichen Forschungen vorzugreifen, aber ich bin doch gespannt, zu welchem Ergebnis sie führen werden. Werden sie einmal mehr bestätigen, was viele Menschen schon immer gespürt haben, es sich aber nicht laut auszusprechen trauten, um nicht auch als Verschwörungstheoretiker zu gelten? Dass uns nämlich diese Felder auf die eine oder andere Weise nicht guttun?

Bereits 2012 wurden im Rahmen einer am Bayor College of Medicine in Houston durchgeführten Studie bei Tauben Magnetfeldrezeptoren im Gehirn gefunden. Mittlerweile weiß man, dass andere Lebewesen, wie Bienen, Lachse, Ratten, Wale, Katzen, Schildkröten und Hunde ebenfalls einen Magnetsinn besitzen. Letztere drehen sich bevorzugt nach Norden oder Süden, wenn sie ihr Geschäft verrichten und sie haben die stark ausgeprägte Begabung, Stabmagnete zu lokalisieren. Ein Experiment dazu zeigte, dass sie sogar besser darin sind, Magnete zu finden als Futter.

Aber was bedeutet das alles nun für uns Menschen? Verfügen wir auch über einen Magnetsinn? Das würde zum Beispiel die Tatsache erklären, dass die australischen Aborigines in der Lage sind, enorme Distanzen in der Wüste zu überwinden, ohne sich zu verirren. Mehrere Forscher untersuchten das Phänomen ihres genialen Orientierungssinns über die Jahre hinweg und wiesen nach, dass er nicht allein auf visuellen Effekten basieren kann.

1992 fand Joseph Kirschvink, Professor am California Institute of Technology in Pasadena heraus, dass Menschen magnetische Kristalle besitzen – ungefähr fünf Millionen kommen auf ein Gramm Hirngewebe. 2019 veröffentlichte Kirschvink eine Studie, in welcher er in einem Laborversuch nachwies, dass der Mensch, wenn auch unbewusst, Norden und Süden unterscheiden kann. Die Kristalle in unserem Kopf scheinen also wie eine Kompassnadel zu funktionieren.

Aber warum spüren wir heute nichts mehr von unserem inneren Kompasssystem? Haben wir die intuitive Orientierungsfähigkeit verloren? Vermutlich haben die Zivilisation und das Leben in der Stadt hier ihren Tribut gefordert. Das war auch bei den australischen Aborigines der Fall. In ihrem ursprünglichen Lebensumfeld in der Steppe konnten sie sich problemlos orientieren und sogar Wasser finden, einzig, indem sie sich auf ihre Sinne und ihre Intuition verließen. Als sie aber in zivilisierte Gebiete zogen, ging ihnen diese Fähigkeit verloren.

Die Forschung zur Wirkung von Magnetfeldern auf unser Gehirn rückt auch die Wirkung elektromagnetischer Felder des Mobilfunks, wie 5G in den Vordergrund. Was machen sie mit uns? Welche biologischen Auswirkungen haben sie auf unseren Organismus und auf unsere Hirnwellen?

Die Etrusker jedenfalls schienen sich der Wirkung ihrer magnetischen Hohlwege vollauf bewusst zu sein. Doch was es mit den geheimnisvollen Hohlwegen der Etrusker tatsächlich auf sich hat und ob sie dort neben medizinischen auch spirituelle Ziele verfolgten, wird wohl noch eine Weile rätselhaft bleiben. Wie so oft in der Geschichte der Menschheit liegt die Hoffnung auf Antworten auf diese Fragen bei den Forschergenerationen von morgen. Ich bin zuversichtlich, dass sie welche finden werden.

Mystische Kathedralen

Wie kaum eine andere Zunft beschäftigten sich die Dombaumeister des Mittelalters mit der Wirkung von Orten. Sie nutzten sie für spezielle Effekte und können uns damit bis heute inspirieren.

Schon als Teenager stand für mich fest, dass ich später einmal Geschichte studieren werde. Zum Beispiel prägte mein Vater meinen Berufswunsch. Meine Mutter war Krankenschwester und wann immer sie Nachtdienst hatte, schlief ich bei meinem Vater im großen Ehebett. Dann erzählte er mir vor dem Einschlafen abenteuerliche Geschichten über prunkvolle Schlösser in Schottland und über Gespenster und andere außergewöhnliche Wesen, die sich darin aufhielten.

Er glaubte nicht an Geister, aber mich faszinierte seither der Gedanke, dass es Dinge gibt, die wir nicht sehen und auch nicht erklären können und die doch real sind. Dinge, die wir oft als Geister und Spuk und als himmlischen oder höllischen Ursprungs betrachten, aber immer nur so lange, bis wir, wie im Fall des Radons, die tatsächlichen Zusammenhänge zu verstehen beginnen.

Das Mittelalter begeisterte mich als angehende Historikerin besonders. Vor allem nachdem ich den historischen Kriminalroman Der Name der Rose von Umberto Eco gelesen hatte. Als ich 13 war, verschlang ich das Werk begierig. Besonders gefiel mir die unergründliche Bibliothek der Benediktinerabtei, die darin eine Rolle spielt. Sie existiert in der Realität leider nicht, doch ich stellte fest, wie viele faszinierende Gebäude in diesem Zeitalter entstanden waren.

Die gotischen Kathedralen etwa. Wenn ich sie betrete, überwältigt mich auch heute noch ein Gefühl, für das ich keine Worte finde. Wenn dazu noch die Orgel spielt, fühle ich mich durch ihre Klänge in die Zeit von damals versetzt. Jedes Mal, wenn ich in einem dieser Gebäude bin, spüre ich viel Leichtigkeit in mir.

Meine Abschlussarbeit in Geschichte schrieb ich über Kataloge von Büchern in Bibliotheken des 5. bis 12. Jahrhunderts, wobei ich zahlreiche Klöster dieser Zeit besuchte. Unter anderem besuchte ich auch jenen Ort, der wahrscheinlich Umberto Eco zu seiner Bibliothek inspiriert hatte, die Stiftsbibliothek der Schweizer Benediktinerabtei in St. Gallen. Von da an war meine Liebe zum Mittelalter vollends entflammt.

Es waren stets außergewöhnliche Erlebnisse für mich, die so genannten Scriptoria zu besichtigen, jene Schreibstuben, in denen die Mönche ihre Bücher verfassten. Oder die Kreuzgänge, die seit jeher so still sind und eine magische, beruhigende und meditative Wirkung ausüben. Dies dürfte nicht allein an ihrer Geometrie liegen. Die alten Baumeister errichteten solche Kreuzgänge stets dort, wo sich unterirdisches Wasser befand. Der sichtbare Beleg dafür ist meist ein Brunnen in der Mitte des Innenhofs.

Ein schönes Beispiel dafür ist der Brunnenhof im Kreuzgang des Stiftes Heiligenkreuz, das etwas mehr als 30 Kilometer vor den Toren Wiens liegt. Das Stift ist aufgrund seiner Lage, Bauweise und Geschichte weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt, besonders, seit die dort lebenden Zisterziensermönche Gregorianische Choräle unter dem Titel Chant – Music for Paradise aufnahmen und mit der 900 Jahre alten Choralmusik die Charts in aller Welt stürmten.

Das »Brunnenhaus« im Stift Heiligenkreuz ist ein sakral wirkender, im Stil der Gotik errichteter Raum. Er erinnert mit seinen fantastischen Darstellungen des Markgrafen- und Herzogsgeschlecht der Babenberger auf den Glasfenstern, dem Schlussstein des Gewölbes mit der Christusfigur und dem Renaissancebrunnen in Form einer Pyramide an eine prachtvolle Kapelle. Denn selbst bei so profanen Tätigkeiten wie Waschen und Reinigen sollten sich die Mönche daran erinnern, wem und was sie letzten Endes dienen: Jesus Christus und seiner Heiligung.

 

Doch es ging beim Wasser auch um Visionen und nicht zuletzt um Heilung. Welche Wirkung Wasser aus dem Boden in dieser Hinsicht haben kann, hat etwa der amerikanisch-kanadische Psychologie-Professor und Neurotheologe Michael Persinger erforscht. Er befasste sich zeitlebens mit terrestrischen Energien, tektonischen Belastungen innerhalb der Erdkruste oder etwa geomagnetischen Aktivitäten. Persinger ging davon aus, unterirdisches Wasser würde natürliche elektromagnetische Felder beeinflussen und somit das Auftreten von Halluzinationen, Visionen und Heilungen begünstigen.

Damit konform gehen Überlieferungen, denen zufolge Altäre in mittelalterlichen Kirchen fast immer auf Wasseradern stehen, weil das die Priester während ihren Predigten mit zusätzlicher Energie versorgt. Man war sich der Kräfte unterirdischer Wasserquellen und -läufe also auch in den Zeiten bewusst, als die großen sakralen Bauten dieser Welt entstanden.

Michael Persinger starb im August 2018. Heute noch sind seine Theorien umstritten und werden von ihren Gegnern gerne ins Reich der Parapsychologie verbannt. Wer sich allerdings eingehender mit dem vielfach mystifizierten und ebenfalls gerne verunglimpften Thema Wasseradern befasst, weiß inzwischen, dass es trotz ihrer kurzfristig positiven Wirkungen unklug wäre, ein Bett darüber aufzustellen. Denn wie bei vielem anderem auch macht die Dosis das Gift. Zeitlich begrenzt auf einer Wasserader zu stehen, hat definitiv eine andere Wirkung, als stundenlang darauf zu liegen und dabei den ganzen Körper als Angriffsfläche zu bieten.

Auch hier spielt Radioaktivität eine Rolle. Ist das Wasser im Boden an radioaktiven Depots vorbeigeflossen, hat es einen Teil dieser Radioaktivität aufgenommen und strahlt sie hinterher wieder ab. Auch die Kulte, etwa die der alten Griechen, scheinen darauf hinzuweisen, dass Wasser auf diese Weise eine zusätzliche halluzinogene Wirkung entfalten kann. An der falschen Stelle unter dem Bett oder unter einem ständigen Arbeitsplatz hingegen, kann es dementsprechend auch zusätzliche gesundheitliche Gefahren bergen.

Nach welchen Kriterien die alten Dom-, Kirchen- und Klösterbauherren die Standorte bedeutender sakraler Bauten, aber auch kleiner Kirchen und Kapellen auswählten, damit befasst sich Wolfgang Zehetner, der seit Jahren Dombaumeister zu St. Stephan in Wien ist. Zehetner ist als gelernter Architekt ein Experte für Bauweise und Baugeschichte von Domen und Kathedralen, und das über sein unmittelbares berufliches Wirkungsgebiet, dem Stephansdom, hinaus.

Wie war das nun damals, wenn die Dombauherren ans Werk gingen? Wie groß war der Anteil des Absichtsvollen und wie groß jener, den man göttliche Fügung nennen könnte? Welche Rolle spielte der Faktor Zufall beim Bau?

Der Zufall, sagt Zehetner, sei in der Welt der alten Dombauherren keine Kategorie gewesen. Kein bisschen. Sie hätten rein gar nichts dem Zufall überlassen. Vielmehr hätte minutiöse Planung vorgeherrscht, bis ins allerkleinste Detail, und das Dogma, in allem an die Grenzen des Machbaren zu gehen und womöglich auch darüber hinaus.

Größe, Präzision und Schönheit der Gebäude, die architektonischen Hard Facts sozusagen, sind immer nur der eine Aspekt der sakralen Baukunst. Der zweite ist das Mystische, das ihnen anhaftet. Dieses ewig Rätselhafte, dessen Ursachen bei der perfekten Ausrichtung eines Bauwerkes anfangen und über die geisterhaften Lichteffekte an bestimmten Tagen im Jahr, bis hin zur Wahl des Ortes nach energetischen Informationen reicht. Die Bauherren griffen dabei auf uraltes Wissen zurück, das heute viele Menschen befremden mag oder erstaunt, damals aber allgegenwärtig war und wie selbstverständlich angewandt wurde.

Dabei geht es unter anderem um Asymmetrie, die Spezialisten dieses Faches, wie Zehetner, bei vielen sakralen Gebäuden feststellen. Zum Beispiel, weil sich Südportal und Nordportal eines solchen Gebäudes nicht exakt gegenüberliegen.

Asymmetrie in einem Bauwerk, das mit derart viel Detailliebe und einem fast zwanghaften Streben nach Harmonie und Vollkommenheit errichtet worden war, wie konnte das sein? Der Grund dafür zeigt, wie wichtig den Bauherren die Wirkung der Orte war. Denn solche Asymmetrien entstanden vielfach, weil sie sich nicht am Gleichmaß, sondern an unterirdischen Wasseradern orientierten.

So zum Beispiel ließen die Bauherren der Kirche im niederösterreichischen Weitra das Nordportal exakt nach dem Verlauf einer Wasserader setzen und das Südportal ebenfalls. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Eingänge einander nicht genau gegenüberliegen.

Dass sich derartige Asymmetrien bei sakralen Gebäuden oft mit unterirdischen Wasserläufen abgleichen lassen, ist inzwischen längst wissenschaftlich abgeklärt und vom Nimbus des Geheimnisvollen oder Verschwörungstheoretischen befreit. Das gleiche gilt für Kanzeln und Altäre, die oft über Schnittpunkten von Wasseradern errichtet wurden, um so eine Quelle für Kraft und Inspiration anzuzapfen. Geschichten wie die einer Mesnerin, die in einer bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden Kirche mehrfach zusammengebrach, wenn sie zu lange am Altar stand, gehören für Zehetner beinahe zum Berufsalltag.

»Man hat auch bei der Auswahl der Bauplätze nichts dem Zufall überlassen«, sagt der Wiener Dombaumeister. »Vor allem im urbanen Raum mussten sich die Bauherren zwar schon damals räumlichen Beschränkungen fügen, je nachdem, wie viel Stadt bereits da war. Doch so ein Bauvorhaben war immer eine Mischung aus zeitgenössischem Pragmatismus und traditioneller Überlieferung alten Wissens.«

Bei vielen, bis heute erhaltenen Bauten sei die Frage, warum sie genau dort stehen, wo sie stehen, noch nicht restlos geklärt. So auch beim berühmten Dom von Speyer, dessen Bau sich keineswegs städtebaulichen Gegebenheiten anpassen musste, sondern gleichsam auf der grünen Wiese erfolgte. Und dennoch musste er genau dort stehen, wo er steht, keine zehn oder 20 Meter abseits davon.

Welche Parameter kamen in solchen Fällen zur Anwendung und woher stammte das Wissen darüber? Abermals landen wir bei der Spurensuche in vorchristlicher, heidnischer Zeit – bei den Kelten und ihren Kraftplätzen und Kraftlinien. Sie erkannten und definierten diese Plätze bereits als solche und bebauten sie entweder gezielt oder mieden sie bewusst.

Viele sakrale Bauten des Christentums stehen auf Kraftplätzen der Kelten. So etwa auch die Kathedrale Notre-Dame von Chartres, die rund 90 Kilometer südwestlich von Paris zu finden ist. Zu ihrer Magie trägt, neben der Zahlenmystik, die dem ganzen Gebäude innewohnt, dem geheimnisvollen Spiel mit Lichteffekten oder dem Grundriss, der auf dem goldenen Schnitt basiert, wohl auch der Ort bei, auf dem sie steht. Fünf sakrale Bauten waren an diesem ursprünglich keltischen Kultplatz bereits errichtet und wieder zerstört worden, ehe die Kathedrale Notre-Dame von Chartres in ihrer heutigen Form dort entstand.

Die Ausrichtung früh- bis spätmittelalterlicher Kirchen erfolgte längst nicht immer, wie vielfach angenommen, nach der so genannten Ostung, also in strengem Ost-West-Verlauf, sondern beugte sich manchmal anderen Traditionen und Zwecken. Der Wiener Stephansdom etwa ist nach Südosten ausgerichtet und die Achse des Langhauses verläuft so, dass sie dem Sonnenaufgang am Stephanstag folgt, während die Achse des Chors auf den darauffolgenden Sonntag verweist.

Aber auch die Lage sakraler Bauten zueinander folgt oft bestimmten Mustern. So können sie auf präzise definierten Achsen liegen, manchmal über weite Räume hinweg. Der Aufgabe, die Systeme oder das eine System hinter diesen Mustern zu entdecken, widmen sich Forscher seit Jahrzehnten. Theorien darüber gibt es jede Menge, tatsächlich bestätigt hat sich bis heute jedoch keine.

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