Öffentliche Stelle in den Sozialen Medien

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Öffentliche Stelle in den Sozialen Medien
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Öffentliche Stellen in den Sozialen Medien
Die primären Rechtsfragen in der Praxis

Robert Kreyßing

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1740-4



© 2020 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main

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Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang

Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis

1  1. Einleitung

2  2. Einordnung von Social Media 2.1. Funktionen und Ziele der Nutzung durch öffentliche Stellen 2.1.1. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 2.1.2. Personalgewinnung 2.1.3. Behördenspezifische Ziele 2.1.4. E-Government-Ansatz 2.2. Technische Grundlagen 2.2.1. Facebook-Fanpage 2.2.2. Social Plugins 2.2.3. Facebook-Pixel

3  3. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und Implikationen 3.1. Datenschutzrechtliche Vorüberlegungen 3.1.1. Entstehung und Entwicklung des Datenschutzrechts 3.1.2. Personenbezogenes Datum 3.1.3. Zwischenergebnis 3.2. Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung 3.3. Verantwortlichkeit 3.3.1. Gemeinsame Verantwortlichkeit 3.3.2. Bewertung der Verantwortlichkeit bei Facebook-Anwendungen 3.3.2.1. Facebook-Fanpage 3.3.2.2. Social Plugins 3.3.2.3. Facebook-Pixel 3.3.3. Folgen der gemeinsamen Verantwortlichkeit 3.3.3.1. Vereinbarung zwischen den Verantwortlichen 3.3.3.2. Bewertung der von Facebook bereitgestellten Vereinbarung 3.3.3.3. Folgen eines Verstoßes gegen Art. 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO 3.3.4. Zwischenergebnis 3.4. Erlaubnistatbestände und konkrete Rechtsgrundlagen 3.4.1. Facebook-Fanpage 3.4.2. Social Plugins und Facebook-Pixel 3.4.3. Zwischenergebnis 3.5. Weitere datenschutzrechtliche Vorgaben 3.5.1. Dokumentations- und Informationspflichten 3.5.2. Datenschutzerklärung 3.5.3. Datenschutz-Folgenabschätzung 3.5.4. Übertragung von Daten in Drittländer 3.6. Zwischenergebnis

4  4. Allgemeine rechtliche Rahmenbedingungen 4.1. Impressumspflicht 4.2. Vergaberecht 4.3. Haushaltsrechtliche Vorgaben 4.4. Barrierefreiheit 4.5. Virtuelles Hausrecht 4.6. Zwischenergebnis

5  5. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung von Sozialen Medien 5.1. Grundrechtsrelevanter Bereich – Vorüberlegungen 5.1.1. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 5.1.2. Das Recht auf Versammlungsfreiheit 5.1.3. Weitere Grundrechte 5.2. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben für die staatliche Informationsarbeit 5.2.1. Neutralitätsgebot 5.2.2. Sachlichkeitsgebot 5.2.3. Richtigkeitsgebot 5.2.4. Grundsätzliches zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit 5.3. Umgang mit Bild und Bewegtbild 5.3.1. Bildaufnahmen mit erkennbaren Dritten 5.3.2. Bildaufnahmen mit nicht erkennbaren Dritten 5.3.3. Bildaufnahmen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 5.3.4. Bildaufnahmen bei Versammlungen 5.4. Umgang mit Äußerungen und Mitteilungen 5.5. Zwischenergebnis

6  6. Schlussbetrachtung

7  Literaturverzeichnis

8  Internet-Quellenverzeichnis

9  Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Die Sozialen Medien haben die Informationswege und Kommunikationsweisen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen erheblich verändert. Diesem Wandel unterliegen nicht nur die klassischen Medien wie Zeitung, Buch, Radio oder Film, sondern auch Unternehmen, Wissenschaftsorganisationen, politische Akteure und öffentliche Stellen. Sie alle haben ihre Kommunikationsweisen und Informationswege den gegenwärtigen Entwicklungen angepasst und nutzen vermehrt die Sozialen Medien. Ein wesentliches Kennzeichen des Wandels ist die Abkehr von der Ein-Wege-Kommunikation der klassischen Medien hin zu einer beidseitigen Zwei-Wege-Kommunikation und Interaktion in den Sozialen Medien. Dabei bietet sich für alle Organisationen die Gelegenheit direkt und ohne einen zwischengeschalteten Gatekeeper mit ihrer Zielgruppe zu kommunizieren und zu interagieren. Diesen Vorteil haben auch die öffentlichen Stellen erkannt. Sie sind zumeist in den Sozialen Medien zu finden und betreiben innerhalb der eigenen Organisationen Social-Media-Redaktionen. Mit Hilfe der direkten Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeit bietet sich für die öffentlichen Stellen die Chance, sich in der öffentlichen Wahrnehmung positiv zu präsentieren und die öffentliche Meinung über die eigene Organisation mit zu gestalten. Trotz der bereits etablierten Strukturen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und Implikationen für öffentliche Stellen zumeist nur teilweise und nicht zusammenhängend beleuchtet. Sogar die grundsätzliche Zulässigkeit der Nutzung von Sozialen Medien durch öffentliche Stellen ist aus datenschutzrechtlicher Sicht umstritten. Daneben birgt auch die Art und Weise der Nutzung von Sozialen Medien durch öffentliche Stellen rechtliche Unsicherheiten.

 

Die vorliegende Publikation betrachtet drei praxisrelevante Bereiche, die maßgeblich für die Nutzung Sozialer Medien durch öffentliche Stellen sind. Nach der grundsätzlichen Einordnung und Darstellung der technischen Grundlagen ist zum einen zu untersuchen, ob öffentliche Stellen aus datenschutzrechtlicher Sicht überhaupt die Sozialen Medien nutzen dürfen und welche Rahmenbedingungen damit verbunden sind. Zu den datenschutzrechtlichen Vorgaben für öffentliche Stellen in Bezug auf die Nutzung Sozialer Medien gibt es zahlreiche Aufsätze, die einzelne Problemstellungen beleuchten. Allerdings sind die meisten Publikationen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und vor den maßgebenden Entscheidungen des Europäischen Robert KreyßingGerichtshofes zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit bei Facebook-Fanpages und Social Plugins.

Insbesondere im Hinblick auf die neue Gesetzeslage und die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs wird eine zentrale Fragestellung die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit einnehmen. Daran anschließend sind die Implikationen der Verantwortlichkeit insbesondere die Vereinbarung zwischen den gemeinsamen Verantwortlichen zu betrachten. Dieser Themenkomplex wird gegenwärtig in Literatur und Rechtsprechung kritisch diskutiert. Nach der Klärung der Verantwortlichkeit können die verschiedenen Erlaubnistatbestände für die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit der Nutzung der Sozialen Medien geprüft und anschließend die weiteren – praxisrelevanten – datenschutzrechtlichen Vorgaben betrachtet werden.

Der zweite Bereich der Publikation befasst sich mit den allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb eines Social-Media-Accounts durch öffentliche Stellen. Hier gilt es aufzuzeigen, welche grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen die Nutzung Sozialer Medien einschränken könnten und was vor der Nutzung zu beachten ist.

Schlussendlich untersucht der dritte Bereich die rechtlich zulässige Art und Weise der Nutzung Sozialer Medien. Hierbei steht im Mittelpunkt der Betrachtung, wie eine öffentliche Stelle in den Sozialen Medien insbesondere in Bezug auf Bild, Bewegtbild und Äußerungen agieren darf und was notwendigerweise unterlassen werden sollte. Der Fokus liegt hierbei auf den Vorgaben des Grundgesetzes und auf möglichen Grundrechtseingriffen durch die Informationstätigkeit öffentlicher Stellen. Dieser Themenbereich ist in wenigen Publikationen wissenschaftlich bearbeitet worden. Insbesondere die Social-Media-Aktivitäten von Polizeibehörden bildeten dabei einen Untersuchungsschwerpunkt. Das übergeordnete Gebiet – das staatliche Informationshandeln – ist weitaus umfangreicher beforscht. Die noch offenen Forschungsfragen über das Wie der Nutzung von Sozialen Medien betreffen weitgehend die Adaption des klassischen staatlichen Informationshandelns auf die neuen Kommunikationswege und -formen in den Sozialen Medien. Denn die Art und Weise wie auf den Plattformen kommuniziert wird, ist wesentlich differenziert zur Art und Weise der Kommunikation klassischer Medien und Formate wie zum Beispiel über Pressemitteilungen. In diesem Kapitel erfahren öffentliche Stellen, was sie in ihrer veränderten Kommunikation in den Sozialen Medien beachten sollten.

2. Einordnung von Social Media

Eine Infratest dimap Umfrage im Auftrag des WDR zur Informationsbeschaffung über das politische Geschehen aus dem Jahr 2019 hat ergeben, dass „Soziale Medien und Netzwerke“ auf Platz fünf der unterschiedlichen Informationsquellen eingeordnet werden.1 Ein ähnliches Bild zeigt auch eine Befragung aus dem Jahr 2017 zu diesem Thema. Hier hat eine Forsa-Umfrage ergeben, dass „Social Media“ gemeinsam mit „Radio“ am vierthäufigsten bei der Informationsbeschaffung über politische Themen und das politische Tagesgeschehen genannt werden.2 Diese Tendenzen gehen auch aus einer Befragung durch das Hans-Bredow-Institut hervor.3 Das Hans-Bredow-Institut stellt im Reuters Institute Digital News Report 2019 daneben dar, dass 34 Prozent und damit der zweithäufigste Wert, der im Internet genutzten Nachrichtenquellen, die sozialen Medien sind.4 Innerhalb des Komplexes Soziale Medien wird Facebook als häufigste Informationsquelle angegeben.5 Bezogen auf die generelle Nutzung von Online-Communitys und damit nicht isoliert betrachtet auf Nachrichten, erlangt Facebook ebenfalls hohe Werte, wobei Instagram bedeutsamer wird.6 Deutlich wird bei diesen Werten, welche Relevanz die Sozialen Medien in Bezug auf Kommunikation und Informationsvermittlung besitzen.

Die Sozialen Medien unterliegen jedoch keiner scharfen Begriffsdefinition. Sie sind vielmehr eine Beschreibung von Plattformen und Anbietern im Web 2.0, die eine weitgehende Kommunikation und soziale Interaktion zulassen, aber auch schlicht zur Informationsbereitstellung und -beschaffung dienen können.7 Unter dem Sammelbegriff Soziale Medien sind daher viele unterschiedliche Anwendungen mit sehr diversen Funktionen zu subsummieren. Taddicken und Schmidt haben deshalb einen Versuch unternommen, die Anwendungen zu systematisieren. Dabei haben sie vier Gruppen identifiziert: Plattformen, Personal Publishing, Instant Messaging und Wikis.8 Die Gruppe Plattformen dürfte hierbei am interessantesten sein, da beispielsweise Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, Snapchat oder auch TikTok darunter gefasst werden. Diese Gruppe soll Gegenstand der vorliegenden Publikation sein. Da nicht alle Anbieter und Plattformen in dieser Gruppe betrachtet werden können, wird nachfolgend insbesondere auf den Anbieter mit den höchsten Nutzungswerten eingegangen. Wie oben dargestellt ist dies Facebook. In einer durch Statista erstellten Prognose lässt sich die zukünftige Relevanz von Facebook in Deutschland erkennen. So wird davon ausgegangen, dass Facebook zwar einen leichten Rückgang an Nutzerinnen und Nutzern verzeichnen wird, aber dennoch werden für das Jahr 2023 über 31 Millionen deutsche Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer prognostiziert.9

Auf der anderen Seite, also der Nutzung durch öffentliche Stellen, liegen keine umfänglichen und vollständigen Erhebungen vor. Aber die ausschnittsweise Betrachtung lässt Tendenzen in Bezug auf die Relevanz der verschiedenen Dienste für die öffentlichen Stellen erkennen. Beispielsweise haben die Polizeibehörden im Jahr 2016 bereits 133 aktive Social-Media-Accounts, wobei diese Zahl mittlerweile deutlich gestiegen sein dürfte.10 Vielfach nutzen einzelne öffentliche Stellen nicht nur unterschiedliche Dienste, sondern mitunter auch unterschiedliche Accounts innerhalb eines Dienstes für verschiedene Zwecke oder auch für Unterorganisationen. So hat beispielsweise die Bundeswehr Accounts bei YouTube, Instagram, Twitter, SoundCloud, Flickr, Snapchat und Facebook sowie bei weiteren Netzwerken. Bei einigen dieser Dienste wie zum Beispiel Facebook betreibt die Bundeswehr neben dem Haupt-Account auch Accounts für die Nachwuchsgewinnung, für wichtige Unterorganisationen und für regionale Organisationseinheiten. Laut einer Analyse mithilfe der Plattform Pluragraph kommen die Accounts der Bundeswehr insgesamt auf mindestens 1,5 Millionen Follower.11 Wobei zu erwähnen ist, dass einzelne Accounts eine enorme Reichweite aufweisen können. So hat der „Bundeswehr Exclusive“-Account auf YouTube über 125 Millionen Aufrufe.12 Eine sehr ähnliche Struktur ist auch bei den Accounts des Landes Berlin vorzufinden, die gemeinsam über drei Millionen Abonnenten verzeichnen13 oder auch bei den Auftritten des Auswärtigen Amtes einschließlich des Geschäftsbereiches mit insgesamt über fünf Millionen Follower.14 Bei den vorgenannten Beispielen ist daneben festzustellen, dass die Facebook-Accounts jeweils hohe Werte verzeichnen und damit zurzeit eine zentrale Rolle einnehmen, gefolgt von Twitter und Instagram. Aufgrund der diversen Struktur der öffentlichen Stellen gestaltet sich eine vollumfängliche Erhebung über alle Accounts der öffentlichen Stellen schwierig. Allerdings lässt der oben gewährte Einblick anhand dreier Beispiele erahnen, um was für eine Größenordnung es sich insgesamt handeln dürfte.

1 WDR, Aus welchen Medien beziehen Sie hauptsächlich Ihre Informationen über das politische Geschehen?, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/661410/umfrage/hauptsaechlicheinformationsquellen-ueber-das-politische-geschehen/. 2 Horizont, Über welche Kanäle informieren Sie sich über politische Themen und das politische Tagesgeschehen?, https://de.statista.com/(...)tagesgeschehen/. 3 Hölig, Hasebrink, Reuters Institute Digital News Report 2019 – Ergebnisse für Deutschland, https://www.hans(...)_Deutschland.pdf, S. 16. 4 Ebenda, S. 17. 5 Ebenda, S. 45 oder auch PwC, Über welche Social-Media-Kanäle erhalten Sie Informationen zu aktuellen Ereignissen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sei es, dass Sie aktiv danach suchen, oder sei es, dass Sie diese auch ohne danach zu suchen bekommen?, Statista, https://de.statista.com/(...)deutschland/. 6 Beisch, Koch, Schäfer, ARD/ZDF-Onlinestudie 2019: Mediale Internetnutzung und Video-on-Demand gewinnen weiter an Bedeutung in: Media Perspektiven 2019, 374, 383 f. 7 Schmidt, Taddicken, Handbuch Soziale Medien, S. 4 ff.; siehe hierzu auch Gabriel, Röhrs, Social Media, S. 12 ff. 8 Schmidt, Taddicken, Handbuch Soziale Medien, S. 9 ff. 9 Statista, Anzahl der Facebook-Nutzer in Deutschland in den Jahren 2017 und 2018 sowie eine Prognose bis 2023 (in Millionen), https://de.statista.com/(...)deutschland/. 10 Rüdiger, Anzahl der Social-Media-Accounts der Polizei in Deutschland nach Social-Media-Kanälen im Jahr 2016, https://de.statista.com/(...)social-media-kanaelen/. 11 Pluragraph, Organisation Bundeswehr, https://pluragraph.de/organisations/bundeswehr. 12 Bundeswehr, Bundeswehr-YouTube-Kanal, https://www.youtube.com/channel/UCZPAni75 bkLnjGO8yhuJpdw/about. 13 Pluragraph, Organisation Berlin, https://pluragraph.de/organisations/berlin und https://plura graph.de/organisations/polizei-berlin. 14 Pluragraph, Organisation Auswärtiges Amt, https://pluragraph.de/organisations/auswaer tiges-amt.

2.1. Funktionen und Ziele der Nutzung durch öffentliche Stellen

Die Ziele der öffentlichen Stellen bei der Nutzung der Sozialen Medien lassen sich in vier Bereiche einteilen: Die allgemeine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die Personalgewinnung, die Erfüllung behördenspezifischer Ziele und (in einem gewissen Maße) die Erfüllung von partizipativen und kollaborativen Zwecken im Rahmen des E-Government-Ansatzes.


Abbildung 1 – Funktionen und Ziele staatlicher Öffentlichkeitsarbeit

2.1.1. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Zum einen ist die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der öffentlichen Stellen zu nennen. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kann Auskünfte, Warnungen, Empfehlungen, Berichte, Gutachten oder sonstige, schlichte Informationstätigkeiten der Verwaltung umfassen.15 Die Auskünfte und sonstigen Informationstätigkeiten dürften wohl zum Kernbereich der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zählen. Sie finden auch nach den erheblichen Veränderungen in der Medienwelt statt und sind weiterhin von hoher Relevanz, da sie in Bezug auf die Sozialen Medien als komplementär zu betrachten sind.16 Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Nutzung beider Wege, also die Verbreitung einer Information über die Sozialen Medien und über die Presse, als gewinnbringend erachtet wird, da ein größerer Empfängerkreis erreicht werden kann.17 Diese Komplementärfunktion ist mit dem Nutzungsverhalten einzelner Bevölkerungsgruppen zu erklären. So zeichnet sich die Tendenz ab, dass sich jüngere Personen signifikant stärker über das Internet und die Sozialen Medien informieren als über die klassischen Medien wie TV, Radio oder Printerzeugnisse.18 Daraus folgt, dass ohne den Einsatz von Sozialen Medien der Adressatenkreis „junge Erwachsene“ nicht beziehungsweise nur teilweise erreicht werden könnte.

 

Daneben hat die Nutzung von Sozialen Medien einen zweiten zentralen Vorteil. Hierbei handelt es sich um die direkte Kommunikationsmöglichkeit mit den Nutzerinnen und Nutzern. Das heißt, Informationen können ungefiltert an eine bestimmte Zielgruppe adressiert werden, ohne dass es zu einer Informationsfilterung, -reduzierung oder -modifikation durch die Medien kommt.19 Die öffentlichen Stellen können damit die Gatekeeperfunktion der Medien umgehen und ihre gewünschten Botschaften transportieren, wobei dies durchaus kritisch diskutiert werden kann, da die Plattformanbietenden durch Algorithmen auch eine gewisse Selektion und Einflussnahme auf die Beiträge vornehmen können.

Das Bundesministerium des Innern benennt in der Beantwortung einer Anfrage explizit das Ziel, die oben beschriebene Zielgruppe Digital Natives erreichen zu wollen, die auf den herkömmlichen Wegen tendenziell schwerer zu erreichen ist und erkennt zusätzlich den Vorteil, die Gatekeeper umgehen zu können.20 Ähnlich antworten auch weitere öffentliche Stellen wie beispielsweise die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)21, der Deutsche Wetterdienst (DWD)22, das Bundeskartellamt (BKartA)23 oder auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)24.

Ziel der klassischen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ist es, die Bürgerinnen und Bürger über die Tätigkeiten und Aufgaben einer öffentlichen Stelle zu informieren und diese zu erläutern, Vertrauen aufzubauen, den Bekanntheitsgrad zu steigern oder allgemein eine Imagesteigerung zu erreichen.25 Wesentliches Kennzeichen ist, dass die öffentlichen Stellen über ihre Aufgabenerledigung berichten.26

Rechtlich betrachtet, konstatiert das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung Parteienfinanzierung I, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und der gesetzgebenden Körperschaften zulässig und vielmehr für die politische Meinungs- und Willensbildung der Bevölkerung sogar erforderlich ist.27 In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur (unzulässigen) Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung vor Bundestagswahlen wird diese Feststellung bestätigt und verfestigt.28 Begründet wird dies im Kern damit, dass die Bürgerinnen und Bürger staatliches Handeln nur dann bewerten können, wenn sie Zugang zu den Informationen der entscheidenden Sachfragen und den getroffenen Entscheidungen haben.29 Die Kommunikation im demokratischen Verfassungsstaat ist demnach keine Einbahnstraße.30 Die beiden Entscheidungen betreffen dem Wortlaut nach die Regierung und die gesetzgebenden Körperschaften. Ebenso geht die Literatur davon aus, dass die Öffentlichkeitsarbeit eine staatsleitende Aufgabe ist, also eine Aufgabe, die die Regierung betrifft.31 Der Kerngedanke ist jedoch auch auf andere öffentliche Stellen zu übertragen.32 So ist davon auszugehen, dass alle öffentlichen Stellen im Rahmen ihrer zugewiesenen Tätigkeiten berechtigt und verpflichtet sind Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.33

Offenheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns sind elementare Grundsteine der Gesellschaft und schaffen Legitimität und Akzeptanz für staatliches Handeln. Insbesondere die mögliche Akzeptanzsteigerung für staatliche Entscheidungen und Handlungen ist unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Verwaltung zu würdigen.34 Die Publizität der Verwaltung ist als ein Prinzip innerhalb der Verfassungsentscheidung Demokratie anerkannt.35 Und zwar konkret in der Gestalt, dass je wichtiger eine staatliche Tätigkeit ist, desto gebotener ist die Publizität.36 Ebenso kann aus dem Rechtsstaatsprinzip eine Pflicht zur Öffentlichkeitsarbeit abgeleitet werden. Denn nur transparentes staatliches Handeln kann einer allgemeinen Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger unterliegen und folglich zur Mäßigung der Staatsgewalt in ihrem originären Handeln führen.37 Demnach kann die Öffentlichkeitsarbeit als Annexaufgabe zur originären gesetzlichen Aufgabe einer öffentlichen Stelle angesehen werden.38 Da die Publizität der Regierung und der Verwaltung insbesondere für das Demokratieprinzip bedeutend sind, ist weiter festzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf freien und gleichen Zugang zur staatlichen Öffentlichkeitsarbeit haben.39