Satellitenmeteorologie

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1.3.3 Kalibration und Validation

Satellitenmeteorologisch erzielte Ergebnisse können, wie jede Messung, fehlerbehaftet sein. Fehler können aus unsicheren Invertierungsalgorithmen resultieren oder aus solchen, die für spezielle Bedingungen optimiert sind aber für andere Bedingungen nicht gut passen. Falsche Ergebnisse können aber auch aus einer ungenauen oder falschen Kalibration der Sensoren resultieren.

Eine solche Kalibration ist die Bestimmung des Zusammenhangs zwischen der vom Detektor abgegebenen Spannung, die als Signal zur Erde gefunkt wird, und der sie verursachenden Strahldichte am Satelliten, die gemessen werden soll. In das Ergebnis der Kalibration gehen alle Eigenschaften des optischen Wegs im Radiometer ein, von der Empfangsoptik über Spiegel, Strahlteiler und Filter bis zum Detektor. Derartige Kalibrationen werden im Allgemeinen vor dem Start des Satelliten vorgenommen, müssen aber im All überprüft werden. Eine Änderung der Strahlungseigenschaften des Radiometers im Laufe der Zeit ist denkbar, und zwar durch Alterung der Komponenten, durch Temperatureffekte oder sogar durch einen Beschlag von optischen Flächen durch mitgeführten Wasserdampf. Um Fehler zu vermeiden, die aus sich ändernder Empfindlichkeit resultieren, wird während des Flugs üblicherweise regelmäßig gegen eine bekannte Quelle, wie die Sonne oder einen dafür konzipierten Temperaturstrahler, kalibriert.

Bei fehlerhafter Kalibration (oder wenn im Invertierungsalgorithmus ein Fehler enthalten ist) kann der Fehler in dem final bestimmten Wert des meteorologischen Parameters systematisch sein. Aber auch bei guter Kalibration besteht wegen des variablen Effekts der Störgrößen die Gefahr einer Ungenauigkeit des gesuchten Parameters. In jedem Fall müssen die Ergebnisse der Satellitenmeteorologie deshalb immer wieder durch den Vergleich mit Ergebnissen von Messungen mit anderen Methoden überprüft werden. Dabei darf daran erinnert werden, dass dieses Problem natürlich für alle Methoden zur Messungen meteorologischer Parameter gilt. Ein derartiger Test mit unabhängigen Methoden zur Qualitätssicherung und Verifizierung der Ergebnisse heißt „Validation“.

Jedes Messverfahren muss überprüft werden – das gilt auch für die Methoden der Satellitenmeteorologie. Hierzu werden Werte der gleichen Größe verwendet, zur gleichen Zeit und am gleichen Ort, aber bestimmt mit anderen, unabhängigen Methoden.

Die Aspekte der Validation sind bei allen satellitenmeteorologischen Anwendungen gleich: Als erstes muss es passende Vergleichsdaten geben und weiter müssen die zu vergleichenden Ergebnisse von zeitlich und räumlich übereinstimmenden Punkten stammen. Letztendlich ist zu beachten, dass die Werte über die gleichen Areale oder Volumina gemittelt sind. Naheliegend ist es, In-situ-Messungen vom Boden oder Flugzeugen aus zum Validieren zu nutzen. Aber schon bei der Messung des Niederschlags oder der Temperatur zeigt sich das Problem der räumlichen Mittelwertbildung, da diese Größen eine hohe räumliche Variation aufweisen. Die Mittelung lokaler derartiger Werte über das für den Vergleich notwendige Areal resultiert in einer Unsicherheit, die in gleicher Größenordnung liegen kann wie im Fall einer Messung des Parameters mittels Satelliten. Um dieses Problem zu vermeiden, bietet es sich an, mit Ergebnissen aus anderen Satellitendaten zu vergleichen. Auch hierbei muss die räumliche und zeitliche Übereinstimmung der zu vergleichenden Ergebnisse berücksichtigt werden und mitunter können die zu vergleichenden Werte, aufgrund ähnlicher Methodik, nicht als unabhängig angesehen werden. Eine weitere Methode besteht darin, die Algorithmen auf „Pseudo-Satellitendaten“ anzuwenden, die mittels Strahlungsübertragungsrechnung bestimmt werden. Dabei ist der „wahre“ Wert der gesuchten Parameter natürlich bekannt, da er ja eine der Eingangsgrößen der Modellierung darstellt. Dieses Verfahren ähnelt den Sensitivitätsstudien, die zur Entwicklung des Algorithmus verwendet werden. Hierbei kommt es immer darauf an, wie gut die reale Variation der möglichen Atmosphärenparameter bei der Modellierung erfasst wurde.

Die Verwendung von Bodenmessungen zur Validation oder zur Optimierung der Algorithmen bedeutet natürlich nicht, dass die Satellitenmessungen durch Bodenmessungen ersetzt und damit überflüssig werden. Qualitativ hochwertige Bodenmessungen stehen oft nur an wenigen Orten zur Verfügung oder werden durch einzelne, zeitlich begrenzte Kampagnen gewonnen. Das reicht aber oft aus, um einen Algorithmus zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Dieser kann dann für andere Gebiete oder auch global und für andere Zeiten genutzt werden – mit all den genannten Vorteilen der Satellitenmeteorologie.

1.4 Beispiele meteorologischer Fernerkundung
1.4.1 Information aus einem Kanal

Die von jedem Radiometerkanal gemessene Information besteht immer nur aus einer Signalstärke. Jeder Kanal liefert damit primär nur verschiedene Grauwerte zwischen schwarz bei keiner und weiß bei maximaler Strahlung. Jedes Bild eines einzelnen Kanals ist damit nur als Schwarz-Weiß-Bild oder als Bild mit Helligkeitsstufen einer gegebenen Farbe darstellbar. Wird ein Satellitenbild, das mit nur einem Kanal bestimmt wurde, trotzdem mit verschiedenen Farben gezeigt, so kann das zur besseren Unterscheidung zwischen Untergrund und meteorologischer Information sinnvoll sein. Bei dieser Methode, die unter anderem früher für Meteosat-Bilder im Fernsehen angewendet wurde, wird aber keine fernerkundete, aktuelle Information für den Boden gezeigt, sondern es handelt sich um “Hintergrundwissen”, das auch zum Druck einer Landkarte hätte verwendet werden können.

Als Beispiel für mittels Satelliten gewonnene Information sind in den Abbildungen 1.5 a–c die gesamte von einem geostationären Satelliten aus sichtbare Fläche der Erde in verschiedenen Bereichen elektromagnetischer Strahlung wiedergegeben. Die Bilder, die eine Mittagssituation zeigen, stammen von dem europäischen Satelliten Meteosat Second Generation (MSG), der fest bei 0° geographischer Länge über dem Äquator steht (Kap. 4.1.2). Die erste Generation von Meteosat hatte breite Kanäle im sichtbaren Spektralbereich, genannt VIS (visible), im Bereich der Wasserdampfabsorption bei 6,7 μm, genannt WV für Wasserdampf (Water Vapor), und im Bereich des atmosphärischen Fensters bei 10 μm, genannt IR (infrared) (Kap. 2.1.1). Meteosat Second Generation hat, dank verbesserter Technologie, in jedem dieser Bereiche mehr und schmalere Kanäle, wodurch sich die Invertierungsmöglichkeiten erheblich verbessern. Die Namen der Kanäle wurden beibehalten, aber zur Spezifizierung zusätzlich eine Zahl angegeben, die die Zentrumswellenlänge in Mikrometer (μm) angibt.


Abb. 1.5

Die Erde, gesehen von Meteosat Second Generation in verschiedenen Kanälen (EUMETSAT, 2011)


Abb. 1.5 a

Meteosat-Kanal VIS 0.6.

Abbildung 1.5 a zeigt ein Bild der Erde im VIS-0,6-Kanal, d.h. im Bereich der sichtbaren Strahlung, ähnlich wie ein Mensch die Erde aus der Entfernung des Satelliten sehen würde. Allerdings entspricht das Bild der Wahrnehmung eines einäugigen, farbenblinden Menschen, da ihm die Information von nur einem Kanal zugrunde liegt. Die Wolken sind hell, das Meer ist dunkel, und die Landflächen sind unterschiedlich grau, je nach Oberflächentyp und Bewuchs. Aber schon dieses Bild verdeutlicht, dass die einfache Betrachtung eines Satellitenbildes Information enthält, die ohne den Blick von weit außen auf die Erde in dieser Zusammenschau nicht möglich wäre. Beispielsweise ist die Lage der Tiefdruckfronten auf der Nordhalbkugel zu erkennen. Offene Wolkenzellen über dem subtropischen Atlantik zeigen Bereiche, wo Kaltluft über wärmeres Wasser strömt. Weiter ist die Lage der Innertropischen Konvergenzzone (ITCZ) mit ihren zahlreichen lokalen Gewittern und den größeren hellen Gewitterclustern erkennbar. Damit ist bereits die einfache visuelle Interpretation sehr informativ und für die „meteorologische Didaktik“ von großer Bedeutung. Wenn dann noch Unterschiede zwischen mehreren Bildern mit kurzem zeitlichem Abstand betrachtet werden, kann aus der Verlagerung von Bildelementen zusätzliche Information für die Wettervorhersage abgeleitet werden.

Abbildung 1.5 b zeigt die Strahlung, die Meteosat zur gleichen Zeit, aber in einem Kanal im Infraroten (IR-10,8) erreicht. Das heißt, die Signale stammen aus dem Wellenlängenbereich des atmosphärischen Fensters bei rund 10 μm, wo die Transmission durch die Atmosphäre so gut ist, dass auch der Boden „gesehen“ werden kann. In IR-Kanälen wird die Signalstärke in erster Linie durch die Temperatur des strahlenden Körpers bestimmt, und zwar – wie später erklärt wird – steigt die Strahlung mit steigender Temperatur (Kap. 2.2.1). Damit ergeben die hohen, kalten Wolken ein geringes Signal, sind also dunkel, und der warme Boden ist hell, wie Abbildung 1.5 b zeigt.

„Meteosat“ ist der Name für geostationäre europäische Satelliten, die in der Zeit ihrer operationellen Nutzung fest bei 0° geographischer Länge über dem Äquator stehen. Sie beobachten in zeitlich dichter Folge nicht nur fast ganz Europa und Teile des Atlantiks, sondern auch Afrika und die umgebenden Meere.


Abb. 1.5 b

Meteosat-Kanal IR 10.8.

 

Um der menschlichen Wahrnehmungsgewohnheit zu entsprechen, dass Wolken hell sind und das Meer dunkel ist, wird bei weiterbearbeiteten IR-Bildern die Helligkeitsskala umgekehrt und Gebiete mit hohen Temperaturen (z. B. Meer) werden dunkel und kalte Bereiche (z. B. Wolken) hell dargestellt. Das sind dann die IR-Bilder, wie sie üblicherweise gezeigt werden.

Auch in Abbildung 1.5 b sind wieder unterschiedliche Grauwerte zu erkennen, die jetzt unterschiedliche Temperaturen bedeuten. Auch dieser Kanal liefert wieder bereits durch die bloße Betrachtung des Satellitenbildes interessante Information. Zum Beispiel ist die Wüste in diesem Mittagsbild wärmer und damit wegen der verwendeten Originaltemperaturzuordnung heller als der Urwald und der Ozean. Die kalten Zirren über der Sahara, die so dünn sind, dass sie im VIS-Bild fast nicht gesehen werden, zeichnen sich dank des Temperaturkontrasts zur Wüste deutlich ab. Die Helligkeitsunterschiede verschiedener Wolken dokumentieren, dass sie unterschiedliche Temperaturen haben. Da bekannt ist, dass die Temperatur in der Atmosphäre mit der Höhe abnimmt, kann aus der Temperatur einer Wolke deren Höhe abgeleitet werden, wobei natürlich die Strahlungseigenschaften der Wolke und das für den Beobachtungsort gültige Temperaturprofil berücksichtigt werden müssen. Neben der Bestimmung des Bedeckungsgrades, eine Information die schon im VIS-Kanal enthalten ist, ergibt sich durch Kombination der Informationen von VIS und IR somit die Möglichkeit, den Bedeckungsgrad in verschiedenen Wolkenstockwerken und damit für verschiedene Wolkentypen zu ermitteln (Kap. 6).

Wie beim VIS-Bild liefern auch die Wolkenbilder im Infrarot-Kanal über die zeitliche Abfolge Informationen über den Wind im Wolkenniveau (Kap. 8). Zudem bietet die zeitlich hochaufgelöste Bestimmung der Änderung der Größe und Höhe einzelner Wolken eine Möglichkeit zur Erkennung von Schauern und Unwettern, aber auch von Fronten und anderen meteorologischen Systemen.


Abb. 1.5 c

Meteosat-Kanal WV 6.2.

Abbildung 1.5 c zeigt, wie die Erde von Meteosat aus zur gleichen Zeit in einem WV-Kanal ausgesehen hat. Die Strahlung in diesem Kanal wird vom Wasserdampf in der Atmosphäre emittiert und ist damit abhängig von dessen Menge und Temperatur. So gilt wieder, dass Bereiche mit niedrigen Temperaturen, resultierend in geringer Strahlung, dunkel erscheinen, während solche mit höherer Temperatur und viel Wasserdampf als helle Flächen zu sehen sind. In Abbildung 1.5 c sind die hohen Wolken wieder erkennbar, da sie oberhalb des emittierenden Wasserdampfniveaus liegen. Tief liegende Wolken werden jedoch durch das Wasserdampfsignal maskiert, sind also nicht sichtbar. Das erlaubt aus zeitlich dicht folgenden WV-Bildern für Wolken, die plötzlich sichtbar werden, auf deren rasche Höhenzunahme und damit auf eine Gewitterentwicklung zu schließen. Die Verlagerung von zu erkennenden Wasserdampfstrukturen wird, wie die von Wolken, zur Windbestimmung genutzt (Kap. 8). Wichtig ist die Fernerkundung des Wasserdampfgehalts aber auch für die Kontrolle der Ergebnisse von numerischen Prognose- und Klimamodellen.

1.4.2 Information aus der Kombination mehrerer Messungen

Im Laufe der Jahre wurde die Zahl der spektralen Kanäle in den Satellitenradiometern erhöht, ihre spektrale Auflösung verbessert und die Messung der Polarisation hinzugenommen. Aktive Methoden wurden realisiert und mit unterschiedlichen Abtastmethoden und Pixelgrößen kombiniert. Beispiele hierzu werden in den folgenden Anwendungskapiteln vorgestellt.

Um die durch die erweiterten Messmöglichkeiten gegebene Zusatzinformation zu nutzen und so die Invertierung zu verbessern, werden häufig mehrere Sensoren an Bord eines Satelliten gemeinsam geflogen. Ein aktuelles Beispiel für diese Entwicklung ist die Plattform „Envisat“, auf der zehn Instrumente vereint sind, und die mit 25 m Länge und 8 t Gewicht der größte je von der ESA gebaute Satellit ist (Abb. 1.6).


Abb. 1.6

Envisat im Labor. Die Größe des Satelliten wird durch die Menschen im Bild verdeutlicht (EUMETSAT, 2011).

Eine andere Lösung zur Nutzung der synergetischen Effekte verschiedener Sensoren, die das gleiche Gebiet beobachten, ergibt sich durch die Verwendung mehrerer kleinerer Satelliten, die in kurzem räumlichen und damit zeitlichen Abstand auf der gleichen Bahn fliegen. Dieses Konzept ist im sogenannten A-Train der NASA verwirklicht, der in Kapitel 13 vorgestellt wird. Damit ist die Möglichkeit gegeben, jeden Punkt unter der Flugbahn nahezu gleichzeitig mit ganz verschiedenen Sensoren zu beobachten, ohne sich mit den technischen Problemen auseinandersetzen zu müssen, die sich bei der Integration mehrerer Radiometer auf einem Satelliten immer ergeben. Durch die Verteilung der Sensoren auf verschiedene Satelliten wird die Konkurrenz um eine Position mit Blick nach unten innerhalb eines Satelliten ebenso behoben wie die Probleme mit gegenseitigen mechanischen und elektrischen Störungen der Sensoren und ihrer Wärmeabfuhr. Es entfällt weiter das Risiko, dass Probleme eines einzelnen Sensors eine Gefahr für den ganzen Instrumentenverbund bedeuten oder dass ein Fehlstart gleich viele verschiedene Sensoren vernichtet. Dass dieses Risiko eines missglückten Flugs auch heute noch besteht, zeigte sich in den misslungenen Starts des „OCO“ im Jahr 2009 und von „Glory“ im Frühjahr 2011, die beide für den A-Train vorgesehen waren.

In Zukunft werden sich die Möglichkeiten und Methoden der Satellitenmeteorologie weiterentwickeln (Kap. 13.5). Verbesserungen bei optischen Komponenten, Detektoren, Elektronik und Energieversorgung sowie bei den technischen Möglichkeiten für aktive Fernerkundung, aber auch bei den Methoden zur Dateninterpretation werden neue Möglichkeiten eröffnen. Zum Beispiel wird die in Planung befindliche dritte Generation Meteosat (Meteosat Third Generation, MTG) neue Produkte liefern, wie globale Blitzortung und die Bestimmung verschiedener chemischer Substanzen in der Atmosphäre. Aber auch die derzeitig schon fernerkundeten Größen sollen mit besserer Qualität und Auflösung ermittelt werden.

Ergebnisse der Satellitenmeteorologie dienen der Aktualisierung der Startbedingungen von Wettervorhersagemodellen sowie der generellen Verbesserung der Kenntnisse über meteorologische und geophysikalische Parameter. Sie gehen aber auch als Eingangsgrößen in weiter führende Programme ein, mit denen Vorgänge berechnet werden, bei denen meteorologische Ereignisse als Antriebsgrößen von Bedeutung sind. Diese Methoden heißen Fernerkundung 2. Grades oder indirekte Fernerkundung. Ein Beispiel hierfür ist die Abschätzung der Ernteaussichten eines bestimmten Gebietes durch die kontinuierliche Satellitenfernerkundung des Pflanzenzustands und der für die Pflanzenentwicklung relevanten Größen wie Niederschlag, Strahlung und Temperatur. Ein anderes Beispiel ist die Ermittlung der Malariagefahr in subtropischen Gebieten. Malaria wird von Mücken übertragen, die zu ihrer Entwicklung Wasser und Wärme benötigen. Damit kann durch die Fernerkundung der Temperaturen und des Niederschlags-, ggf. auch von Überschwemmungsgebieten auf die Menge der möglichen Brutstätten der Mücken und ihr Wachstumspotenzial geschlossen und so einer regionalen Gefährdung durch Malaria frühzeitig gegengesteuert werden. Solche indirekten Verfahren werden in diesem Buch jedoch nicht behandelt. Die Ergebnisse der satellitenmeteorologischen Verfahren, die in den Anwendungskapiteln besprochen werden, sind stets meteorologische oder geophysikalische Parameter.

1.5 Vom gemessenen Signal zur gesuchten Information

Da verschiedene Nutzer unterschiedliche Ansprüche an die Daten haben, erfolgt die Auswertung der am Satelliten gemessenen Strahlungsdaten in verschiedenen Stufen. Manche Nutzer möchten Messdaten mit eigenen Algorithmen interpretieren, andere sind nur an den finalen Werten eines gesuchten Parameters interessiert. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Stufen der Bearbeitung werden als „Level“ (Auswertungsebene) angegeben.

Die von Satelliten ermittelte Information steht in verschiedenen Stufen zur Verfügung, den „Levels“. Diese reichen von den Rohdaten bis zu detaillierten Angaben zu vielen verschiedenen meteorologischen, luftchemischen und geophysikalischen Größen.

Anfangswert ist die am Satelliten gemessene Strahldichte, von einem Kanal, von einem Ort und aus einer Richtung, die in Form einer Signalspannung als digitaler Wert (genannt „Count“, Ergebniszahl) übertragen wird. Dies sind die unbearbeiteten Rohdaten, Daten im Level 0. Durch die digitale Datenübertragung stehen diese Messdaten in Stufen zur Verfügung, die als Graustufen interpretiert werden können. Das Niveau der Digitalisierung bestimmt einerseits die Zahl der Graustufen, die übermittelt wird, und andererseits die Datenrate. Durch die beschränkten Möglichkeiten der Datenübertragung in den 1970er-Jahren wurden zum Beispiel die Messwerte vom ersten Meteosat mit nur 64 Graustufen zur Erde gefunkt. Dies war ausreichend im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Wolken und Boden, aber nicht für feinere Unterscheidungen oder gar die Bestimmung von Staub in der Atmosphäre. Heutige Satellitendaten werden üblicherweise mit 10 Bit digitalisiert. Sie repräsentieren damit über 1000 Graustufen und ermöglichen so für meteorologische und geophysikalische Zwecke mehr als ausreichende Unterscheidungen.

Die einlaufenden Satellitendaten, die Graustufen, werden in den nächsten Schritten hin zu Level 1 in Strahldichten überführt, auf Ausfälle überprüft, mit den geographischen Koordinaten verknüpft und in die gewünschte geographische Projektion transformiert. Um die Graustufen in die zugehörigen Strahldichten zu überführen, muss jeweils die gültige Kalibration verwendet werden. Der Sprachgebrauch für die Bedeutung der Level ist bei verschiedenen Organisationen nicht ganz einheitlich, und es werden auch Zwischenstufen wie 1.5 oder 1a und 1b eingeschoben.

Level-2-Daten sind dann die eigentlichen gesuchten meteorologischen oder geophysikalischen Parameter als Funktion des Ortes und der Zeit: Hier findet bei der Ableitung der Temperatur die Länge des Strahlungswegs in der Atmosphäre ebenso Berücksichtigung wie bei den Bildern im solaren Spektralbereich der aktuelle Sonnenstand zum Zeitpunkt der Messung („Sonnenstandsnormalisierung“). Produkte, die mittels weiterer Bearbeitungsschritte entstehen, sowie aus der Kombination der Information von mehreren Überflügen oder aus den Daten abgeleitete Vorhersagen werden als Level 3 ausgegeben.

Die Abspeicherung der Daten in den verschiedenen Levels erlaubt einerseits eine schnelle Verfügbarkeit der einfacheren Produkte und hat andererseits den Vorteil, bei einer Verbesserung von Algorithmen auch bereits ausgewertete Daten noch einmal in bessere Endprodukte invertieren zu können. So ist zum Beispiel denkbar, dass ein neuer Algorithmus entwickelt wird, der es ermöglicht, aus bereits verfügbaren spektralen Informationen die Konzentration eines bisher nicht untersuchten Gases abzuleiten.

Level-1-Daten können schon zur visuellen Interpretation genutzt werden. Die Invertierung der gemessenen Strahlungswerte zu Level 2, d. h. die Ableitung der gesuchten Parameter aus den gemessenen Werten, erfolgt über Invertierungsalgorithmen. Diese Algorithmen, die die Zusammenhänge zwischen den Größen wiedergeben, basieren auf den physikalischen Prozessen, die zu der Strahlung geführt haben. Sie sind aber wegen der Auswertung der großen Datenmengen möglichst einfach gehalten und der Fragestellung, der Messtechnik und den verfügbaren Daten angepasst. Daraus ergibt sich, dass für unterschiedliche Sensoren jeweils spezifische Algorithmen entwickelt wurden, auch wenn diese der Fernerkundung des gleichen meteorologischen Parameters dienen.

Erwähnt werden müssen in diesem Zusammenhang noch sogenannte „Look-up Tables“ (LUTs, „Tabellen zum Nachschauen“, Kap. 12.3.2). Dies sind Nachschlagetabellen, in denen zu Werten der vom Satelliten gemessenen Strahldichten die jeweiligen Werte des verursachenden gesuchten geophysikalischen Parameters angegeben werden. Damit ist eine bequeme, direkte Invertierung der gesuchten Fernerkundungsgröße möglich, ohne die Strahlungsprozesse jeweils neu zu berechnen. Die Daten in den LUTs basieren aber natürlich jeweils auf Strahlungsübertragungsrechnungen, sodass die grundlegende Problematik der Unsicherheit durch Störgrößen durch die Verwendung von „Look-up Tables“ nicht ausgeräumt wird.

 

Die Verbreitung der Ergebnisse erfolgt im einfachen Fall durch Bilder mit den gemessenen Daten, die nur Graustufen zeigen (Abb. 1.5), aber bereits direkt interpretiert werden können. Echte farbige Information aus Satellitenmessungen kann nur erhalten werden, wenn Daten aus verschiedenen Spektralbereichen im sichtbaren Wellenlängenbereich, eben verschiedenen Farben, vorliegen. In der Praxis viel häufiger sind jedoch „Falschfarben“-Darstellungen. Diese werden durch die Kombination der Information von verschiedenen Kanälen und deren Übertragung in Helligkeitsstufen verschiedener Farben erzeugt. Im sichtbaren Spektralbereich kann die Wellenlänge des Kanals seiner tatsächlichen Farbe zugeordnet werden. Es kann aber auch Information farblich darstellt werden, die von für das Auge unsichtbare Spektralbereichen stammt. Dies ist häufig die Temperatur, deren Variation durch unterschiedliche Farbtöne dargestellt wird, wodurch unter anderem eine Höhenzuordnung der Wolken im Bild vermittelt wird. Auch meteorologische Parameter wie Staub in der Atmosphäre oder Schnee, die durch Kombination der Information mehrerer Kanäle gewonnen wurden, sind häufig mit eigenen Farben dargestellt.

Bei dieser „Falschfarben“-Darstellung handelt es sich also um eine Kombination von Level-2-Produkten, die zum Zweck der leichten Interpretation zu einer farbigen Karte zusammengefasst werden. Die im Bild letztendlich gezeigten Farben sind dem im Bildpunkt jeweils dominierenden geophysikalischen Parameter zugeordnet. Dabei sind die Falschfarben aber so gewählt, dass sie der gewohnten Beobachtungserfahrung möglichst entsprechen. So sind Wolken weiß bis hellblau dargestellt, Landoberflächen grün oder braun und das Meer schwarz oder nachtblau. Damit ermöglichen diese Bilder einen Überblick über die meteorologische Situation in einem großen Areal, und zeitlich folgende Bilder zeigen deren Änderung und die Verlagerung von Strukturen Die Möglichkeit einer gezielten individuellen Interpretation der Strahldichten der einzelnen Kanäle ist natürlich trotzdem weiterhin gegeben. Abbildung 1.7 zeigt als Beispiel ein aus AVHRR-Daten erzeugtes Falschfarbenbild eines Satellitenflugs über Europa, und in Kapitel 6 wird gezeigt, wie unterschiedliche Wolkeneigenschaften durch farbliche Zuordnung getrennt werden können.


Abb. 1.7

Europa am 20.6.2011, gesehen mittels AVHRR (Advanced Very High Resolution Radiometer) (NASA, 2011).

Die genauere Angabe von Ergebnissen erfolgt mittels Tabellen oder Graphiken. Die Darstellung der geographischen Verteilung einzelner Größen, wie zum Beispiel von Bodentemperatur, Wolkenbedeckungsgrad, Meereiskonzentration, Menge von Aerosolpartikeln oder von einem Spurengas, erfolgt durch thematische Karten mit Isolinien oder farblich unterschiedenen Bereichen. Hier sind die Grenzen zwischen den Farben frei wählbar, deshalb sollte stets ein Farbkeil zur Erläuterung gezeigt werden. Und die zeitliche Entwicklung einer Größe kann natürlich in entsprechenden Verlaufsdiagrammen dargestellt werden.

Zusammenfassung Kapitel 1

Satellitenmeteorologie bedeutet die Fernerkundung von meteorologisch relevanten Parametern der Atmosphäre und ihres Unterrands (Boden, Wasser) mittels Satelliten. Sie leistet einen fundamentalen Beitrag zur Qualität der Wettervorhersage und für die Überwachung des Klimas.

Ein großer Vorteil von Satelliten als Beobachtungsplattform ist die globale Überdeckung, die zudem zeitlich dicht und räumlich hochaufgelöst erfolgen kann. Dabei werden auch von den Ozeanen und den Polarregionen Daten gewonnen, also von Gebieten, die für die Wettervorhersage und die Erfassung einer möglichen Klimaänderung wichtig sind, von denen aber nur sehr wenige Bodenbeobachtungsdaten zur Verfügung stehen.

Die prinzipielle Methodik bei der Fernerkundung mittels Satelliten besteht darin, dass zunächst Strahlungsgrößen gemessen werden, aus denen durch „Invertierung“ der gesuchte Atmosphären- oder Bodenparameter ermittelt wird. Da die zu messende Strahlung aber immer auch durch andere Größen der Atmosphäre oder des Bodens beeinflusst wird, ergeben sich Unsicherheiten in Bezug auf die gesuchte fernerkundete Größe.

Diese Unsicherheiten können durch zusätzliche Messungen oder Modellrechnungen reduziert werden, resultierend in verbesserten Invertierungsalgorithmen. Hierzu wird die Tatsache genutzt, dass Strahlung in einem großen Wellenlängenbereich – vom UV bis zu den Mikrowellen – zur Verfügung steht und dass Information auch mittels Strahlung gewonnen werden kann, die vom Satelliten aus gesendet wird (Radarprinzip). Generell gilt, dass sehr viele meteorologisch interessierende Größen fernerkundet werden können, aber nicht alle mit gleicher Genauigkeit. Hierauf wird in den parameterbezogenen Kapiteln dieses Buchs näher eingegangen.

Die genutzten Radiometer müssen regelmäßig kalibriert und die Ergebnisse validiert werden. Diese Qualitätskontrollen zusammen mit der Kontinuität bei der Entwicklung von Sensoren erlauben es, längere Messreihen zu erstellen, die zur Klimaüberwachung dienen können. Darüber hinaus ermöglicht der technische Fortschritt immer bessere Messungen und mit neuen Radiometern auch die Erfassung weiterer meteorologischer und geophysikalischer Parameter.

Die eigentlichen Messdaten sind Graustufen von jedem Kanal eines Radiometers (entsprechend einer Wellenlänge), die zu Bildern zusammengesetzt werden. Diese georeferenzierten Bilder enthalten bereits interessante, auswertbare meteorologische Informationen, und ihre zeitliche Änderung erlaubt atmosphärische Strömungsfelder (Winde), Wetteränderungen oder Transportvorgänge zu erkennen. Üblicherweise werden aber die Ergebnisse mehrerer Kanäle weiterverarbeitet zu detaillierter meteorologischer Information zusammengefügt.