Satellitenmeteorologie

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3.4 Was passiert in der Atmosphäre und am Boden?

Für die Satellitenmeteorologie stehen der solare, der terrestrische und der Mikrowellen-Spektralbereich zur Verfügung. Mit den unterschiedlichen Wellenlängen ändern sich die Quellterme in der Strahlungsübertragungsgleichung und auch die Größenparameter, die sich für die in der Atmosphäre vorhandenen Teilchen ergeben, sind ganz verschieden. Als Konsequenz wird das Strahlungsfeld durch Streuung und Absorption in der Atmosphäre in jedem Wellenlängenbereich anders beeinflusst. Weiter ist zu beachten, dass auch die Randbedingungen, nämlich die Einstrahlung am Ober- und am Unterrand der Atmosphäre, mit dem Spektralbereich variieren.

Dementsprechend kann die allgemeine Strahlungstransportgleichung in den drei für die Satellitenmeteorologie genutzten Spektralbereichen unterschiedlich vereinfacht werden. Da auch die Eigenschaften der Atmosphärenparameter selbst für die Spektralbereiche verschieden sind, werden sie im Folgenden getrennt behandelt. Bei der Fernerkundung einer bestimmten interessierenden Größe kann aber durchaus Strahlung aus den verschiedenen Spektralbereichen gleichzeitig Verwendung finden, um so Zusatzinformation zu gewinnen und Fehlinterpretationen zu vermeiden.

3.4.1 Eigenschaften im solaren Spektralbereich

Der solare Spektralbereich umfasst Wellenlängen zwischen rund 0,2 μm und 4,0 μm (Abb. 2.12) und hat ein Intensitätsmaximum bei rund 0,5 μm.

Die Eigenschaften der Atmosphäre im solaren Bereich zeigt Abbildung 3.7 anhand von mittleren Werten der Transmission. Auffallend sind die Absorptionsbanden, im Wesentlichen von Wasserdampf, dessen Gehalt mit 3 g/cm2 angenommen wurde. Aber auch Sauerstoff, Kohlendioxid und Ozon absorbieren im solaren Spektralbereich und müssen als Störgröße berücksichtigt werden bzw. können für Fernerkundungszwecke genutzt werden. Die Absorption von Ozon ist stark im Bereich unterhalb von 320 nm, wodurch die solare UV-Strahlung am Boden auf ein für die menschliche Gesundheit erträgliches Maß reduziert wird. Durch die in diesem Spektralbereich stark mit den Wellenlängen variierende Ozonabsorption ist hier eine Möglichkeit zur Ozon-Fernerkundung gegeben. Neben diesen starken Absorbern gibt es noch schwächere Absorber, wie CH4, NO2 oder N2O, die durch unterschiedliche Absorption in eng benachbarten Spektralbereichen analysiert werden können.


Abb. 3.7

Spektrale Transmission einer wolkenlosen Atmosphäre im solaren Spektralbereich (nach LOWTRAN 7, Kneizys et al., 1988).

Die zwischen den Absorptionsbanden liegenden Bereiche mit hoher Transmission werden „Fenster“ genannt, weil hier vom Satelliten bis auf den Boden “gesehen” werden kann. Dass die Transmission auch in diesen Fenstern nicht 100 % beträgt, liegt an der Streuung durch die Luftmoleküle und die Aerosolpartikel. Die kontinuierliche Abnahme der Transmission zu kurzen Wellenlängen – die gut zu erkennen ist wenn die Werte in den Fenstern miteinander verbunden werden – beruht auf der Zunahme der optischen Dicke der Luftmoleküle mit abnehmender Wellenlänge nach der Rayleigh-Theorie. Auch die optische Dicke von Aerosolteilchen nimmt in den meisten Fällen mit abnehmender Wellenlänge zu, im Mittel mit λ–1,3. Diese Wellenlängenabhängigkeit ist aber stark von den Aerosoleigenschaften abhängig und kann deshalb genutzt werden, um Information über deren Größenverteilung zu erhalten (Kap. 9.2).

Die optische Dicke von Wasserwolken im solaren Spektralbereich ist im Allgemeinen so groß, dass die Wolken nicht transparent sind. Damit können in Bildpunkten, die vollständig mit Wolken erfüllt sind, die darunter liegenden Eigenschaften der Atmosphäre und des Bodens nicht bestimmt werden. Aufgrund der Größe der Tropfen ist die Streuung der Strahlung im sichtbaren Licht kaum abhängig von der Wellenlänge, Wolken erscheinen weiß. Bei größeren Wellenlängen im solaren Bereich variieren die spektralen Reflexionseigenschaften aber doch mit der Größe der Tropfen, sodass hier die Möglichkeit der Fernerkundung von Information zur Tropfengrößenverteilung gegeben ist. Eiswolken (Zirren) haben eine deutlich kleinere optische Dicke als Wasserwolken, sodass sie die Strahlung zwar schwächen, aber doch teilweise hindurchlassen. Das erlaubt bei Lidar-Messungen auch noch Information von Bereichen unterhalb dieser Wolken zu bekommen und erfordert bei passiven Messungen die Interpretation eines Mischsignals aus Boden- und Wolkeneigenschaften. Bei durchbrochener Bewölkung, wenn die Wolken kleiner sind als der Bildpunkt, ergeben sich Probleme sowohl für die Bestimmung der Eigenschaften der Wolken als auch für die des Bodens darunter. Zur Lösung dient die Mischungsregel, mit der Annahme einer linearen Mischung der Eigenschaften beider Bestandteile (Kap. 4.4.7 und Kap. 6.2.3).

Die am Boden reflektierte solare Strahlung, die Reflexstrahlung oder auch Bodenhelligkeit, ist in vielen Fällen so hoch, dass es bei den üblichen passiven Messungen schwierig ist, darüberliegende Aerosolschichten zu erkennen. Dies gilt speziell für Wüsten, wo das Material des Staubs in der Atmosphäre häufig das gleiche ist wie das des darunterliegenden Bodens. Die optische Dicke von Aerosol wurde deshalb lange Jahre nur über Wasserflächen bestimmt. Im solaren Spektralbereich schwer zu unterscheiden sind auch Wolken von Schnee. Die Bodeneigenschaften müssen deshalb bei der Bestimmung von Atmosphärenparametern möglichst genau berücksichtigt werden (Kap. 6.2, Kap. 9.2 und Kap. 11.2).

Die Reflexionseigenschaften des Bodens variieren mit der Wellenlänge, und zwar ganz unterschiedlich für verschiedene Bodentypen, wie in Abbildung 3.8 für einige Beispiele gezeigt.


Abb. 3.8

Spektraler Reflexionsgrad für verschiedene Bodenarten (nach Paltridge and Platt, 1976).

Immer hoch ist das Reflexionsvermögen von Schnee im sichtbaren Spektralbereich, aber selbst das variiert mit dessen Alter und Verschmutzung, und wird klein für Wellenlänger oberhalb von 1μm. Auffallend ist der starke Sprung im Reflexionsvermögen bei 700 nm für Oberflächen mit grünen Pflanzen gegenüber dem relativ kontinuierlichen Anstieg mit der Wellenlänge für nackten Boden oder abgestorbene Pflanzen. Damit ist es möglich, aus an klaren Tagen gemessenen spektralen Unterschieden, Bodentypen und den sogenannten Vegetationsindex (Kap. 4.4.2) zu bestimmen.

3.4.2 Strahlungstransport im solaren Spektralbereich

Wie in Abbildung 2.12 gezeigt, kann im solaren Spektralbereich die von Erde und Atmosphäre emittierte Strahlung vernachlässigt werden. Damit reduziert sich der Quellterm in der STG auf gestreute Strahlung. Als Randbedingung für den Oberrand der Atmosphäre gilt, dass nur Strahlung der direkten Sonne einfällt. Als Randbedingung für den Unterrand ist die am Boden oder Ozean reflektierte Sonnen- und Himmelsstrahlung zu beachten sowie beim Ozean das Unterlicht, das heißt im Ozeanwasser rückgestreute Strahlung, die wieder in die Atmosphäre gelangt. Die für satellitenmeteorologische Untersuchungen zu berücksichtigenden Wechselwirkungen reduzieren sich damit auf die in Abbildung 3.9 gezeigten Prozesse.

Die Streuung durch die Luftmoleküle muss mittels der Rayleigh-Theorie berücksichtigt werden, wobei die Stärke des Effekts über die bekannten höhenabhängigen Werte des Luftdrucks – und damit der Zahl der Moleküle pro Volumen bestimmt ist. Aerosolpartikel sind dagegen durch stark variierende Mengen und Eigenschaften gekennzeichnet, mit entsprechend unterschiedlichen Effekten auf die solare Strahlung. Damit sind die Aerosol-Eigenschaften einerseits mittels satellitenmeteorologischen Methoden erkundbar, müssen aber andererseits bei der Fernerkundung anderer Parameter, wie Wolken oder Bodeneigenschaften, als Störgröße berücksichtigt werden. Genauso kann die an Wolken rückgestreute Strahlung als Informationsquelle oder Störparameter fungieren. Wellenlängen mit Absorption durch Spurengase werden genutzt, um diese zu bestimmen – oder sie werden vermieden, wenn Aerosol- und Bodeneigenschaften gemessen werden sollen.


Abb. 3.9

Strahlungsprozesse im solaren Spektralbereich.

Bei Messungen mittels Lidar wird nur die direkt zurückgestreute Laserstrahlung gemessen, die ebenfalls durch die in Abbildung 3.9 gezeigten Prozesse bestimmt wird. Damit muss bei Laser-Messungen am Tag die von der Sonne kommende Strahlung durch geeignete Maßnahmen unterdrückt bzw. berücksichtigt werden.

3.4.3 Eigenschaften im terrestrischen Spektralbereich

Im terrestrischen Spektralbereich – zwischen rund 4 und 50 μm, mit einem Maximum zwischen 9 und 12 μm (s. Abb. 2.12) – ist die Streuung durch Luftmoleküle und Aerosolpartikel vernachlässigbar (Abb. 3.6); es dominieren Absorption und Emission.

Abbildung 3.10 zeigt die Transmission der Atmosphäre im Wellenlängenbereich zwischen 5 und 30 μm, die im Wesentlichen durch Wasserdampf, Ozon und Kohlendioxyd bestimmt wird. Die gezeigten Kurven gelten für verschiedene Atmosphärentypen, angegeben mit den Namen von sogenannten Standard-Atmosphären, für verschiedene Jahreszeiten und Regionen. Da die Menge des Wasserdampfs in kalten Atmosphären (Winter, hohe Breiten) viel geringer ist als in warmen (Sommer, niedere Breiten) unterscheiden sich die Atmosphärentypen in erster Linie hinsichtlich der Menge des Wasserdampfs. Mit zunehmendem Wasserdampf steigt dessen Möglichkeit Strahlung zu absorbieren, und damit sinkt die Transmission. Auffallend ist der Spektralbereich zwischen 8 und 13 μm mit relativ hoher Transmission, der wieder die Bezeichnung „atmosphärisches Fenster“ trägt. Die geringere Transmission in der Mitte des Fensters bei 10 μm beruht auf Absorption durch Ozon.

 

Abb. 3.10

Spektrale Transmission wolkenloser Atmosphären im terrestrischen Spektralbereich (nach Henderson-Sellers, 1984).

Der Bereich des atmosphärischen Fensters stimmt recht gut mit dem Maximum der terrestrischen Strahlung überein. Damit ist es der Bereich, in dem die nächtliche Auskühlung durch Abstrahlung von der Erde dominiert. Bewölkung entspricht einem „Vorhang vor dem Fenster“, da Wolken in Richtung Boden strahlen, entsprechend ihrer Temperatur, die viel höher ist als die der sonst im Fenster gesehenen hohen Atmosphäre. Dies hat die Konsequenz, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, dass die strahlungsbedingte Abkühlung des Bodens – und damit auch die der bodennahen Luftschicht – in der Nacht bei Bewölkung viel geringer ist als in wolkenfreien Fällen.

Unter dem Aspekt der Satellitenmeteorologie ist das atmosphärische Fenster wichtig zur Bestimmung der Temperatur des Bodens (Kap. 5.2.2). Bei der Bestimmung der Temperatur aus der Strahlung geht das Emissionsvermögen ε des Bodens ein, für das Abbildung 3.11 Werte für den Spektralbereich um 10 μm zeigt. Die Variationsbreite bei einem Materialtyp beruht auf den individuell möglichen Unterschieden. Die Unsicherheit von ε in einem aktuellen Fall resultiert in einer entsprechenden Unsicherheit der fernerkundeten Temperatur, weshalb der Oberflächentyp bekannt sein sollte, gegebenenfalls mithilfe von Zusatzmessungen. Eine weitere Unsicherheit bei der Messung der Bodentemperatur mittels Satelliten ergibt sich aus der im aktuellen Fall nicht genau bekannten Transmission der Atmosphäre, obwohl die Messung im Fenster erfolgt. Um das Problem zu lösen, wird wieder zusätzliche Information genutzt: Es wird bei mehreren Wellenlängen gemessen, bei denen die Effekte von Boden und Atmosphäre unterschiedlich sind und so getrennt werden können (Kap. 5.2).


Abb. 3.11

Emissionsgrad terrestrischer Oberflächen im Spektralbereich um 10 μm (nach Häckel, 2008, Kraus und Schneider, 1988, und anderen).

Aus Emission oder Absorption von Gasen kann deren Menge und Verteilung ermittelt werden. Dabei wird genutzt, dass jedes Gas eine typische Verteilung von spektralen Absorptionslinien besitzt, die aus Labormessungen oder Energieniveaurechnungen bekannt sind. Ein Beispiel für die Absorptionslinien verschiedener Gase, angegeben als Logarithmus der Linienstärke, zeigt Abb. 3.12. Hier wird dokumentiert, dass die Linien sehr dicht liegen können, die Linien verschiedener Gase überlappen und dass die Gase ganz verschieden stark absorbieren. Die Abbildung ist nur ein Beispiel: bei anderen Wellenlängen kann die Dominanz der Absorption verschiedener Gase ganz anders sein.


Abb. 3.12

Absorptionslinien von Spurengasen im Spektralbereich um 15 μm (nach Park et al., 1987).

3.4.4 Strahlungstransport im terrestrischen Spektralbereich

Die Überlegungen zum Größenparameter haben ergeben, dass im terrestrischen Spektralbereich die Streuung an Luftmolekülen und Aerosolpartikeln vernachlässigt werden kann (Abb. 3.6). Damit entfällt der Quellterm zur Beschreibung der Streuung und es bleibt nur der für die Emission. Wie in Abbildung 3.13 gezeigt, gilt als Randbedingung für den Oberrand der Atmosphäre, dass keine Strahlung einfällt, da die Strahlung von der Sonne in diesem Spektralbereich vernachlässigbar ist. Am unteren Rand der Atmosphäre ist die vom Boden entsprechend seiner Temperatur emittierte Strahlung zu berücksichtigen – natürlich unter Beachtung des spektralen Emissionskoeffizienten. Die am Boden reflektierte atmosphärische Gegenstrahlung kann in erster Näherung vernachlässigt werden, da wegen des hohen Emissionsgrades der Reflexionsgrad gering ist. Ergänzt wird die Strahlung auf ihrem Weg zum Satelliten durch in der Atmosphäre emittierte Strahlung.


Abb. 3.13

Strahlungsprozesse im terrestrischen Spektralbereich.

3.4.5 Eigenschaften im Mikrowellenbereich

Zwischen dem terrestrischen Bereich und den Mikrowellen (MW) liegt ein großer Spektralbereich, der wegen starker Absorption, geringer Signalstärke und fehlenden Detektoren für die Satellitenmeteorologie nicht verwendbar ist. Der Mikrowellenbereich kann für die meteorologische Fernerkundung aber wieder genutzt werden. In der Dimension Frequenz liegt die Strahlung in diesem Bereich zwischen rund 0,5 und 100 GHz, was Wellenlängen zwischen rund 3 mm und 60 cm entspricht (Abb. 2.2).

Da im Mikrowellenbereich die Trennung nach Frequenzen üblich ist, wird dies auch hier in den zugehörigen Abbildungen gemacht. Um die streuende Wirkung der Atmosphärenbestandteile auf die Mikrowellen zu diskutieren, wird jedoch wieder auf das Wellenlängenbild zurückgegriffen. Da die Wellenlängen sehr groß sind, ergeben sich für die Größenparameter aller Atmosphärenbestandteile so kleine Werte (Abb. 3.6), dass die MW- Strahlung weder durch Luftmoleküle noch durch Aerosolpartikel gestört wird und sogar Wolken, die ja relativ kleine Tropfen haben, praktisch ungehindert passieren kann. Sehr große Teilchen in der Atmosphäre, das heißt Tropfen von Platzregen aber auch Graupel und Hagel, streuen jedoch auch im Mikrowellenbereich und können damit das Signal, das vom Boden kommt, verändern. Absorption durch atmosphärische Gase, in diesem Fall durch Sauerstoff und Wasserdampf, gibt es auch im MW-Spektralbereich.


Abb. 3.14

Spektrale Dämpfung von Mikrowellen beim Durchgang durch die Atmosphäre (nach Jeske, 1988, Kraus und Schneider, 1988).

Abbildung 3.14 zeigt die Zenitdämpfung im Bereich zwischen 10 und 300 GHz, d.h. die Signalschwächung bei senkrechtem Weg durch die Atmosphäre. Diese wird als „Dämpfung“ des Signals in Dezibel (dB) angegeben, wie das der Tradition in der Mikrowellentechnologie entspricht. Ein dB gibt den zehnfachen Wert des dekadischen Logarithmus zwischen zwei Größen an, in Abbildung 3.14 also das Verhältnis der Werte der Mikrowellen vor und nach dem Durchgang durch die Atmosphäre. 1 dB entspricht damit einer Transmission von 79 % und eine Dämpfung um 20 dB einer Transmission von 1 %. Zu sehen ist, dass die Reduktion der atmosphärischen Transmission im Mikrowellenbereich im Wesentlichen durch Wasserdampf und Sauerstoff hervorgerufen wird. Da die Sauerstoffmenge konstant ist, können Messungen in der Flanke der O2-Absorptionsbande genutzt werden, um ein Temperaturprofil zu ermitteln (Kap. 4.4.3). Wasserdampf hingegen ist variabel und absorbiert unterschiedlich bei verschiedenen Frequenzen, sodass seine Menge aus Transmissionsmessungen erschlossen werden kann. Aufgrund der Möglichkeit, durch Wolken hindurch zu sondieren, ist der Mikrowellenbereich speziell geeignet, um den Boden und die Ozeanoberfläche fernzuerkunden. Dies gilt sowohl für passive als auch für aktive Methoden. Für ein MW-Signal wird keine Sonne benötigt. Damit kann dieser Spektralbereich auch in den polaren Regionen das ganze Jahr hindurch zur Untersuchung von Bodeneigenschaften genutzt werden. Da im MW-Bereich das Rayleigh-Jeans-Gesetz (Gl. 2.9) gilt, wird die Strahlung üblicherweise gleich als Strahlungstemperatur angegeben.

Die vom Boden emittierte Strahlung gehorcht wieder dem Emissionsgesetz, das heißt, sie ist abhängig von der Temperatur und dem Emissionsvermögen. Das Emissionsvermögen von Wasser und Eis im Mikrowellenbereich ist stark abhängig von deren Eigenschaften und der Polarisationsrichtung und variiert mit der Frequenz. Abbildung 3.15 zeigt das unterschiedliche Emissionsvermögen für Ozeanwasser sowie von einjährigem und mehrjährigem Eis, das bei schrägem Blick nach unten für horizontale und vertikale Polarisation verschieden ist. Damit ergeben Messungen bei zwei Polarisationsrichtungen ebenso eine zusätzliche Information wie die Messung bei zwei Frequenzen. Da das Emissionsvermögen von Wasserflächen von der Wellenstruktur der Oberfläche abhängt, die wiederum durch den Wind beeinflusst wird, kann mittels Mikrowellen die Windgeschwindigkeit unmittelbar über dem Meer abgeleitet werden (Kap. 8.2.2).


Abb. 3.15

Emissionsgrad von Eis und Wasser im Mikrowellenbereich, bei 50° Zenitwinkel, für vertikale Polarisation (durchgezogen) und horizontale Polarisation (gestrichelt); (nach Grenfell, 1992).

3.4.6 Strahlungstransport im Mikrowellenbereich

Für Messbedingungen mit Aerosol und nicht regnenden Wolken ist der Mikrowellenbereich durch fehlende Streuung gekennzeichnet. Dieser Quellterm ist also zu vernachlässigen. Falls die Messbedingungen durch sehr große Tropfen gestört sind, kann dies durch Messung bei verschiedenen Wellenlängen erkannt werden. Wie in Abbildung 3.16 gezeigt, ist die Strahlung, die im Mikrowellen-Bereich am Oberrand der Atmosphäre einfällt, nicht null, sondern eine vom Weltall emittierte Hintergrundstrahlung.


Abb. 3.16

Strahlungsprozesse im Mikrowellenspektralbereich.

Die untere Randbedingung für den Strahlungstransport ist die vom Boden emittierte Strahlung, häufig das gesuchte Signal, und die am Boden reflektierte Strahlung. Da die Emissionskoeffizienten im Mikrowellenbereich relativ klein, sind die Reflexionskoeffizienten entsprechend hoch. Deshalb ist eine möglichst genaue Berücksichtigung des Anteils der am Boden reflektierten Strahlung im gemessenen Signal wichtig, und damit auch die der Hintergrundstrahlung. In der Atmosphäre kann die Strahlung im MW-Spektralbereich, abhängig von der Wellenlänge, absorbiert und emittiert werden.

Zusammenfassung Kapitel 3

Auf dem Weg zum Satelliten kann die Strahlung durch Streuung und Absorption verändert werden, was zusammengenommen als Extinktion bezeichnet wird. Diese Prozesse führen zu einer Reduktion der Strahlung, beschrieben als Transmission, die nach dem Bouguer-Lambert-Gesetz exponentiell von der Länge des Wegs und den Extinktionseigenschaften der durchstrahlten Materie abhängt. In der Atmosphäre wird die Strahlung auf ihrem Weg aber nicht nur geschwächt, sondern gleichzeitig auch verstärkt. Dies geschieht durch Photonen, die aus der Umgebung in das betrachtete Volumen hinein gestreut oder in diesem emittiert werden. Das Ergebnis ist die komplexe Strahlungsübertragung, die mit aufwendigen numerischen Verfahren modelliert werden kann. Hierbei müssen auch die Strahlungsbedingungen am Oberrand der Atmosphäre und am Boden berücksichtigt werden.

Das Emissions- und Absorptionsvermögen der atmosphärischen Bestandteile und auch deren Streuung sind wellenlängenabhängig, was bei der Fernerkundung entsprechend genutzt wird. Die Streuung und Absorption von Partikeln wächst mit dem Teilchenquerschnitt, wird aber durch Effizienzkoeffizienten modifiziert, die vom Größenparameter – dem Verhältnis von Teilchenumfang zu Wellenlänge – und dem Brechungsindex abhängen. Für Teilchen, die klein sind gegenüber der Wellenlänge, kann die Streuung mit der Rayleigh-Theorie beschrieben werden, mit der auch die blaue Farbe des Himmels erklärt wird. Für große Partikel können die Streueigenschaften mittels geometrischer Optik berechnet werden. Für Teilchen mit einer Größe ähnlich der Wellenlänge ist die Streueffizienz stark variabel, abhängig vom Größenparameter und dem komplexen Brechungsindex des streuenden Materials. In diesem Bereich wird, unter der Annahme kugelförmiger Teilchen, für Berechnung der Streueigenschaften die Mie-Theorie verwendet.

 

Für die verschiedenen zur Fernerkundung genutzten Wellenlängenbereiche ergeben sich damit unterschiedliche Effekte der Atmosphärenbestandteile. Im solaren Spektralbereich dominiert die Streuung an Aerosolpartikeln und die Reflexion am Boden und den Wolken. Dies ermöglicht die Bestimmung von Wolkeneigenschaften in bewölkten Bildpunkten, sowie von Boden- und Aerosoleigenschaften in wolkenfreien Bereichen.

Im terrestrischen Spektralbereich dominiert die temperaturabhängige Emission irdischer Materie, während die Strahlung der Sonne vernachlässigt werden kann. Er ist damit besonders geeignet zur Bestimmung der Temperatur von Boden-, Meeres- und Wolkenoberflächen. Die Streuung an Luftmolekülen und Aerosolteilchen ist in diesem Spektralbereich vernachlässigbar, aber die spezifischen Absorptionseigenschaften vieler Gase erlauben deren Untersuchung.

Im Mikrowellenbereich kann die Streuung aller Atmosphärenbestandteile, außer der von sehr großen Niederschlagselementen, vernachlässigt werden, sodass hier die Effekte der variablen Emission der Erdoberfläche im Signal am Satelliten dominieren. Damit ist dieser Spektralbereich besonders gut geeignet zur Untersuchung von Eis und Schnee, sowie zur Windbestimmung aus der Ozeanrauigkeit.

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