Biblische Sprachen im Theologiestudium

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Biblische Sprachen im Theologiestudium
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Stefan Fischer / Jan Heilmann / Thomas Wagner

Forum Exegese und Hochschuldidaktik – Verstehen von Anfang an

Jg. 3 – 2018 | Heft 1

in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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© 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.francke.de • info@francke.de

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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

ePub-ISBN 978-3-7720-0070-6

Inhalt

  Stefan Fischer/Jan Heilmann: Editorial

 HauptbeiträgeViktor Golinets: Hebräischunterricht und Hebraistik in Deutschland und deutschsprachigen Ländern: Eine Bestandsaufnahme1 Einführung2 Orte und Kontexte des Hebräischunterrichts in der Bundesrepublik3 Hebraistische Forschung in Deutschland im 19. und 20. Jh.4 Hebraistik im 21. Jh.Melanie Köhlmoos: Ad Fontes. Aber wie?1 Die Problematik: Sachliches Zentrum, curriculare Peripherie2 Sprachen als Voraussetzung des Studiums3 Sprachen als ‚Lektoratsfächer‘4 Alte Sprachen und theologische Praxis5 Zusammenfassung und PerspektivenJohannes F. Diehl/Dirk Schwiderski: In fünfzehn Wochen zum Hebraicum?1 Einleitung2 Anforderungen an den Hebräisch-Unterricht/Rechtliche Voraussetzungen2 Anlage des Kurses3 Unterrichtsmaterialien (Grammatikphase)4 Hebräisch-Materialien zum Selbststudium (Lektüre- und Vertiefungsphase)5 NachhaltigkeitMichael Rydryck/Michael Schneider: Übersetzen als hermeneutisches, exegetisches und theologisches Problem1 Übersetzungen, Übersetzung, Über-Setzungen und Über-Setzungen2 Fallstudie: Übersetzungen von Apg 2,1–13 (von Sophie Hopp)3 Übersetzungskompetenz als hermeneutische Kompetenz4 Sprachkompetenz in theologischen Studiengängen — Probleme und Perspektiven

 Lehr-/LernbeispieleEva Hiby: Tutorien zu biblischen Sprachen1 Zur didaktischen Ausgangssituation2 Zur Zielsetzung3 Zur DurchführungDaniel Bohnert: Einführung in die lateinische Terminologie und Nomenklatur für Theologiestudenten. Ein Werkstattbericht1 Problem und Ansatz2 Anforderungen und Ziele3 Methoden und Inhalte4 Ein Beispiel

 FrontendThomas Wagner: The Open Richly Annotated Cuneiform Corpus1 Das Projekt2 Content3 Suchfunktionen4 Hilfefunktionen5 Datenexport6 User Exchange7 Einsatzmöglichkeiten im akademischen Unterricht

 RezensionenThomas Römer/Jean-Daniel Macchi/Christophe Nihan (Hg.): Einleitung in das Alte Testament. Die Bücher der Hebräischen Bibel und die alttestamentlichen Schriften der katholischen, protestantantischen und orthodoxen Kirchen, aus dem Französischen übertragen von Christine Henschel, Julia Hillebrand und Wolfgang Hüllstrung1 Zum Buch2 Zur Didaktik3 Zur Methodik4 Das Buch als Lehr- und LernbuchMarkus Lau/Nils Neumann (Hg.): Das biblische Methodenseminar1 Zum Buch2 Zur Didaktik3 Zur Methodik4 FazitInterview mit … Aaron Schart

Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa)

Jahrgang 3 – 2018, Heft 1

Editorial

Stefan Fischer/Jan Heilmann

In dieser Ausgabe wendet sich das Forum Exegese und Hochschuldidaktik der Vermittlung der alten Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein zu, die eine zentrale Rolle im Studium der Theologie haben. Die Beiträge nehmen vor allem die Situation an den Universitäten in Deutschland auf. Wurden Theologiestudierende früher vielfach aus altsprachlichen Gymnasien rekrutiert, so ist dieses heute nur noch selten der Fall. Alle drei Sprachen, Griechisch, Hebräisch und Latein, werden an Gymnasien fast nirgends mehr angeboten. So wird das Erlernen dieser Sprachen in zunehmendem Maße zu einem Teil des fachwissenschaftlichen Studiums in den Fächern Altes und Neues Testament sowie Kirchengeschichte.

Eine Herausforderung des akademischen Unterrichts besteht darin, dass an den meisten Hochschulen die Sprachanforderungen je nach Studiengang variieren, sodass die Lerngruppen bezüglich ihrer Sprachkenntnisse häufig sehr heterogen sind. Obwohl sich der Evangelisch-Theologische Fakultätentag um einheitliche Sprachanforderungen bemüht, führt die Gewichtungsverschiebung von klassischem Griechisch zur Koine in der Schweiz und in Österreich – wie es für die Pfarramtsausbildung in allen deutschsprachigen Ländern bis in die 1970er Jahre univeristärer Standard war – dazu, dass Abschlüsse wegen unterschiedlicher Sprachvoraussetzungen nicht anerkannt werden und divergente hochschulpolitische Positionen ‚auf dem Rücken von Studierenden‘ ausgetragen werden. Während die auf das Pfarramt oder das Diplom führenden Studiengänge mit rückläufigen Einschreibungszahlen zu kämpfen haben, nimmt die Anzahl an Studierenden in den BA- und MA-Studiengängen, in denen es z.T. keine oder nur eingeschränkte Sprachvoraussetzungen gibt, zu. Die Lehrenden der exegetischen Fächer stehen damit vor der Herausforderung, auf die ursprachlichen Texte bezogene philologische Fachwissenschaften an Studierende ohne Kenntnisse dieser Sprachen zu vermitteln. Vielerorts ist zu beobachten, dass die mit dieser Problemstellung befassten Kolleginnen und Kollegen ihren Studierenden ein Mindestmaß an Sprachkompetenz vermitteln und von diesen einfordern. Welchen Umfang diese Vermittlung besitzen sollte und unter welchen Gesichtspunkten sie erfolgen kann, wird in verschiedenen Beiträgen dieser Ausgabe behandelt.

Die Beiträge setzen folgende Schwerpunkte: Viktor Golinets bietet einen forschungsgeschichtlichen und gegenwartsanalytischen Überblick über die Vermittlung der hebräischen Sprache und ihren unterschiedlichen Unterrichtsformen in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei skizziert er Orte und Kontexte des Hebräischunterrichts und fasst die Hebraistische Forschung vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart zusammen. Melanie Köhlmoos geht der Lage der alten Sprachen im Studium der Evangelischen Theologie in Deutschland nach. Sie hebt hervor, wie im universitären Alltag Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Sie beschreibt die Wahrnehmung von Studierenden, die den Erwerb der alten Sprachen am Anfang des Studiums als Hürden betrachten. Wenn diese überwunden sind, so kommt die ‚sprachenfreie‘ Zeit des Studiums; eine widersinnige Bezeichnung angesichts der Tatsache, dass die Sprachen ständige Referenz theologischen Arbeitens sein sollten. Nach ihrer eher niederschmetternden Analyse der Situation zeigt sie Wege zum konstruktiven Einsatz der alten Sprachen im Studium auf. Ergänzend zu ihrer auf Deutschland bezogenen Analyse sei hinzugefügt, dass in der Deutschschweiz (Basel, Bern, Zürich) Hebräisch und Griechisch ins Bachelorstudium integriert worden sind, so dass die damit erworbenen Kreditpunkte angerechnet werden. In Wien gilt dieses immerhin für das Hebräische.

Dirk Schwiederski und Johannes Diehl setzen sich mit Lehrveranstaltungen auseinander, die auf das Hebraicum vorbereiten. Sie plädieren für einen nachhaltigen Hebräisch-Unterricht, der in einem 15-wöchigen Kurs, also innerhalb eines Semesters zum Hebraicum führt. Dabei ziehen sie dieses Modul gegenüber anderen Formen vor, die etwa in zwei Semestern parallel zu einer zweiten Sprache oder sehr kompakt in den Sommerferien durchgeführt werden. Sie unterteilen ihren Kurs in drei Phasen: Auf die zehnwöchige Grammatikphase folgt in ihrem Konzept eine vier- bis fünfwöchige Lektüre- und Vertiefungsphase, die durch das Hebraicum abgeschlossen wird. Mit Beispielen aus den verschiedenen Phasen schildern sie, wie solch ein Sprachunterricht durchgeführt werden kann. Insbesondere die von ihnen vorgestellten Übungsklausuren und die Grammatikkarten im E-Learning sind praxisnahe Studienhilfen.

Michael Rydryck und Michael Schneider reflektieren in ihrem Beitrag über das Übersetzen als hermeneutisches, exegetisches und theologisches Problem. Sie stellen Konzeption und Ertrag einer interdisziplinären Summer-School vor, in welcher diese drei Bereiche der Theologie mit Studierenden behandelt wurden. Ein studentisches Fallbeispiel, in welchem die Übersetzung der Pfingstgeschichte aus Apg 2 in drei deutschen Bibelübersetzungen analysiert wurde, zeigt auf, wie Hermeneutik, Exegese und Theologie in die Übersetzung einfließen. Ihren Kurs präsentieren Rydryck und Schneider als einen Ansatz vernetzten Lernens. Darin heben sie das Übersetzen als eine hermeneutische Kompetenz hervor, bei der Ausgangs- und Zielhorizont ineinander verschmelzen.

In den Lehr-/Lern-Beispielen wendet sich Eva Hiby dezidiert den BA-Studiengängen zu. Sie skizziert die didaktische Ausgangssituation der Studienordnungen und die Problematik fehlender Sprachkompetenz in Bezug auf die Fachliteratur. Sie stellt ein BA-Modul vor, in dessen Kontext ein Tutorium zur Vermittlung von Grundkenntnissen biblischer Sprachen gehört, so dass Studierende eine grundlegende Sprachkompetenz erwerben, die es ihnen ermöglicht, exegetische Fachliteratur zu lesen. Sowohl für Hebräisch, als auch für Griechisch wird schrittweise aufgezeigt, wie solch ein Tutorium aufgebaut ist.

 

Das zweite Lehr-/Lern-Beispiel ist ein Werkstattbericht. Daniel Bohnert nimmt sich der lateinischen Sprache an, wie sie insbesondere für die Kirchengeschichte von Bedeutung ist und von dort ihre Rückwirkung in die exegetischen Fächer besitzt. Er verdeutlicht dieses an einem Beispiel zum Römerbriefkommentar Bugenhagens.

Die letzte Ausgabe unserer Zeitschrift, die sich mit dem Thema Digital Humanities befasst und eine Sammelrezension von Internetressourcen enthält, nehmen wir zum Anlass, von nun an in der Rubrik Frontend jeweils eine digitale Ressource vorzustellen und zu evaluieren. Thomas Wagner hat dazu The Open Richly Annotated Cuneiform Corpus erprobt und beschrieben. Zwei Rezensionen, eine Einleitung in das Alte Testament und ein exegetisches Methodenbuch, das sich an Lehrende richtet, sowie ein Interview mit Aaron Schart beschließen diese Ausgabe.

In eigener Sache sei gesagt, dass das Herausgeberteam der Zeitschrift von Anfang an das Ziel besaß, eine regelmäßige Fluktuation zwischen den Herausgebern und dem erweiterten Herausgeberkreis zu haben. Dieses soll nicht nur die Arbeitslast, welche die halbjährliche Herausgabe einer Zeitschrift mit sich bringt, reduzieren, sondern auch jüngeren Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, sich einzubringen. Die Zeit einer ersten Veränderung ist nun gekommen. Jan Heilmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einem Schwerpunkt im Neuen Testament an der TU Dresden, rückt mit dieser Ausgabe vom erweiterten in den Hauptherausgeberkreis, um einen allfälligen Wechsel vorzubereiten.

Zu guter Letzt möchten wir auf die kommende Tagung des Forums Exegese und Hochschuldidaktik hinweisen, die vom 3. bis 6.9.2018 an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. zum Thema „E-Learning“ stattfinden wird. Die Beiträge werden in Heft 2/2019 einfließen. Nun aber wünschen wir Ihnen ein gewinnbringendes Studium dieses Bandes. Anregungen und Rückmeldungen sind wie immer willkommen unter info@vvaa.de.

Stefan Fischer, Wien, und Jan Heilmann, Dresden

Hauptbeiträge

Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa)

Jahrgang 3 – 2018, Heft 1

Hebräischunterricht und Hebraistik in Deutschland und deutschsprachigen Ländern: Eine Bestandsaufnahme

Viktor Golinets

Abstract | The paper describes developments within Hebrew Studies in Germany with an outlook to other German-speaking countries. It reviews several research trends of the nineteenth and twentieth centuries and delineates the current state. Traditionally, Hebrew Studies in Germany deal with Biblical Hebrew, and academic teaching of this language takes place at theological institutions. This chronological and institutional focus restricts the research field, whereby later stages of linguistic development become neglected. Even today, while Modern Hebrew is a flourishing language, its teaching is being conducted at a very small number of locations. Currently, there is only one chair in Modern Hebrew Studies in Germany and German speaking countries, and that is merely of an Assistant Professor range. Present growth of Israel and Near Eastern Studies in Germany and continuing interest in Modern Hebrew demands establishing of Hebrew Studies at more locations. The research and teaching should cover all chronological and geographical layers of Hebrew as well as apply sundry linguistic methods.

Viktor Golinets, *1976, studierte Semitistik, Judaistik und allgemeine Sprachwissenschaft in München und promovierte in Altorientalistik in Leipzig. Seit 2012 ist er Juniorprofessor für Hebräische Sprachwissenschaft an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geschichte der hebräischen Sprache, Sprach- und Textgeschichte der Hebräischen Bibel, sowie semitische und hebräische Onomastik.

1 Einführung

Die deutsche Bezeichnung des Faches, das sich mit dem Hebräischen befasst, macht deutlich, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Sprache in Deutschland ihren Anfang nahm. Der Begriff Hebraistik wurde mit dem gräzisierenden Suffix –ik gebildet, wodurch er eine äh+knliche Bildung wie die Namen einiger anderer Disziplinen wie z.B. Anglistik, Linguistik, Romanistik und Informatik aufweist. Diese Bildungen unterscheiden sich von älteren Fachbezeichnungen, die wie Philologie und Biologie auf der einen und Geographie auf der anderen Seite griechische Komposita sind. Fächer mit Namen, die auf –ik auslauten, sind relativ jung im Verbund der wissenschaftlichen Disziplinen. Die deutsche Fachbezeichnung Hebraistik wurde in die slawischen Sprachen übernommen, was eines der Beispiele für den Einfluss der deutschen akademischen Kultur in osteuropäischen Ländern darstellt, während westeuropäische Sprachen eigene Bezeichnungen prägten.1

Der Anfang der wissenschaftlichen Hebraistik in Europa wird mit dem Erscheinen der ersten nichtjüdischen Beschreibung des Hebräischen, der Grammatik von Johannes Reuchlin, angesetzt, die 1506 in Pforzheim gedruckt wurde.2 Die Wiederaufnahme der jüdischen Erforschung des Hebräischen ist ebenfalls mit Deutschland sowie mit dem deutschsprachigen Basel verbunden, und zwar durch das Wirken von Elia Levita (1469–1549).3 Geboren in Mittelfranken, war er in Venedig und Rom tätig, ließ in Venedig und Basel seine Bücher drucken, lebte aber zwischen 1540 und 1542 in der freien Reichsstadt Isny im Allgäu, wo fünf seiner Bücher nachgedruckt wurden. Zwischen 1542 und 1544 lebte er in Konstanz.

In diesem Aufsatz werden der Stand und einige Entwicklungen innerhalb der Hebraistik in Deutschland und in deutschsprachigen Ländern beschrieben.

2 Orte und Kontexte des Hebräischunterrichts in der Bundesrepublik

Es ergab sich aus dem theologischen Interesse am Hebräischen, das in der Spätrenaissance und der Neuzeit bei der Beschäftigung mit dieser Sprache leitend war, dass der Sprachunterricht an den theologischen Einrichtungen stattfand. Man könnte meinen, diese Lage habe sich zu Beginn des 21. Jh.s wenig verändert. Allerdings kommt es bei der Beschreibung des Standes der Hebraistik in Deutschland auf den Blickwinkel an. Je nachdem, ob wir nach Hebräischlernenden innerhalb der Theologie oder in anderen Fächern und dementsprechend an anderen Fakultäten Ausschau halten, werden Ergebnisse der Standortanalyse unterschiedlich ausfallen. Eine andere Perspektive wäre, nicht vom Angebot, sondern von der Nachfrage her den Stand der Sprache und des Faches zu eruieren. Des Weiteren sollten wir bedenken, dass die hebräische Sprache sich in den letzten hundert Jahren stark gewandelt hat. Diese Wandlung wird gemeinhin metaphorisch als ‚Wiederbelebung des Hebräischen‘ bezeichnet, und sie rief eine neue Situation hervor, sowohl in Bezug auf die Forschung, als auch hinsichtlich der Nachfrage und des Angebots. Aus diesen Gründen scheint es angebracht, zuerst Personenkreise zu benennen, die sich für diese Sprache interessieren und sie erlernen.

Die Interessengruppen könnten nach fachlicher Ausrichtung oder nach Berufen genannt werden, aber auch eine altersabhängige Aufzählung ist möglich. Versuchen wir die letztere, dann wird es vielleicht für einige Leser dieser Zeilen neu sein, dass die jüngsten Hebräischschüler in Deutschland Kinder in jüdischen Kindergärten und Grundschulen sind.1 In diesen Einrichtungen wird modernes Hebräisch unterrichtet.

Die nächste Altersgruppe der Hebräischschülerinnen und -schüler sind Gymnasiasten. Auf dieser Stufe findet eine Angebotserweiterung statt, denn an Gymnasien wird sowohl biblisches, als auch modernes Hebräisch unterrichtet. Der Unterricht des Biblisch-Hebräischen wird an einigen Gymnasien, vor allem an humanistischen, als Teil des philologischen Fächerkanons Griechisch-Latein-Hebräisch im Rahmen eines Wahlfaches oder einer Arbeitsgemeinschaft ab der Mittelstufe angeboten.2 Am Ende des Sprachkurses kann eine Hebraicumsprüfung abgelegt werden. An manchen Gymnasien in Nordrhein-Westfalen kann auch modernes Hebräisch als Prüfungsfach gewählt werden. Iwrit wird auch an jüdischen Gymnasien in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München als ein eigenes Fach unterrichtet.3 Gewisse Hebräischkenntnisse werden des Weiteren innerhalb des jüdischen Religionsunterrichtes vermittelt, der an öffentlichen Schulen von staatlich geprüften Lehrerinnen und Lehrern und in jüdischen Gemeinden abgehalten wird.

Alt- und Neuhebräischkenntnisse, die an Grundschulen und Gymnasien erworben wurden, können im Studium der Judaistik/Jüdischen Studien, der Semitistik, der Orientalistik, der Religionswissenschaft, der Theologie und anderer geisteswissenschaftlicher Fächer vertieft werden. In Fächern wie Judaistik, Semitistik und Theologie sind Kenntnisse des Biblisch-Hebräischen im Umfang des Hebraicums obligatorisch. Unterricht des Biblisch-Hebräischen findet an Universitäten und Hochschulen in staatlicher und privater/kirchlicher Trägerschaft sowie an theologischen Seminaren statt, während rabbinisches bzw. mittelalterliches sowie modernes Hebräisch nur ins Curriculum der judaistischen Institute gehört. So umfasst das Hebraicum an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg Prüfungen in zwei Bereichen des Hebräischen – im biblischen und modernen.

An den meisten Universitäten – auch in Österreich und in der Schweiz – werden Hebraicumskurse an theologischen Fakultäten angeboten. Diese Lage ist durch regelmäßigen Bedarf an diesen Kursen für angehende Theologinnen und Theologen und somit kulturell und historisch bedingt.4 Studierende anderer Fächer belegen die Kurse und lassen danach die erworbenen Qualifikationen ‚bei den Theologen‘ prüfen. Die Sprach- und Lektürekurse zum Biblisch-Hebräischen werden – je nach dem Schwerpunkt des jeweiligen (alttestamentlichen) Lehrstuhls sowie den Forschungsinteressen der Dozierenden – durch Leseübungen zum inschriftlichen sowie Qumran-Hebräischen ergänzt. Lektüreübungen zum Qumran- und rabbinischen Hebräisch werden zudem an einigen neutestamentlichen Lehrstühlen angeboten. Ebenfalls an theologischen Fakultäten einiger Universitäten – z.B. in Heidelberg, Marburg und Münster – kann ein Studium des Biblisch-Hebräischen als Lehramtsfach für Gymnasien abgeschlossen werden.5

Modernes Hebräisch ist an deutschen Hochschulen unterrepräsentiert – nur an wenigen Instituten wird die Sprache regelmäßig unterrichtet. Sie wird vor allem an Instituten für Judaistik oder jüdische Geschichte,6 vereinzelt auch an theologischen Fakultäten angeboten, wie z.B. in Göttingen. Gleichzeitig zeigt die Erfahrung, die an der Hochschule für Jüdische Studien gemacht wird, dass sich Iwrit als eine moderne nichteuropäische Sprache bei Studierenden eines breiten Fächerspektrums einer steten Nachfrage erfreut. Studierende folgender Disziplinen nehmen dort an Iwritkursen teil: Semitistik, Assyriologie, Theologie, Philosophie, Religions-, Islam- und Politikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, Soziologie, Ethnologie, Mittelalterstudien, Slawistik, Mathematik, Physik, Biologie, Medizin und Pharmazie.

Das Sprachangebot an den Instituten für Judaistik bzw. Jüdische Studien wird mit Kursen zu jüdischen aramäischen Dialekten wie biblisches, jüdisch-palästinisches und jüdisch-babylonisches Aramäisch ergänzt, denn das Aramäische stellt die zweitwichtigste Sprache für jüdische Kultur und Religion dar. An den Rabbinerseminaren, die dem Studiengegenstand entsprechend nicht nur jüdische, sondern auch judaistische Einrichtungen sind, wird dagegen weder Hebräisch noch Aramäisch unterrichtet, da anscheinend davon ausgegangen wird, dass angehende Rabbinerinnen und Rabbiner entsprechende Qualifikationen in beiden Sprachen mitbringen.7

Neben ‚Ganztagsangeboten‘ für den Unterricht in verschiedenen Bereichen des Hebräischen, gibt es auch ‚Teilzeitangebote‘. Wer sich für Iwrit interessiert, aus beruflichen Gründen jedoch nur abends über Lernzeit verfügt, kann Sprachkurse an einer der vielen Volkshochschulen besuchen.

Wer als staatlich geprüfte/r bzw. vereidigte/r Übersetzerin und/oder Dolmetscher arbeiten möchte, kann nach seinem Studium Iwritkenntnisse durch die zuständigen Landesbehörden gemäß dem jeweiligen Landesrecht prüfen lassen und eine entsprechende Eignung nachweisen.

 

Diese Übersicht über die Angebote an Hebräischunterricht in unterschiedlichen Lehrinstitutionen und in mehreren Sprachstufen verdeutlicht, dass es in der Bundesrepublik viele Menschen gibt, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen über Kenntnisse in verschiedenen Sprachstufen des Hebräischen verfügen bzw. als Nichtmuttersprachler/in Iwrit sprechen. Hierzu kommt, dass manche in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr in Israel gearbeitet, und andere während ihres Studiums eine Zeitlang in Israel gelebt haben – z.B. innerhalb eines akademischen Austauschprogramms wie Studium in Israel – und Iwrit im Rahmen von Ulpan-Kursen der sechs angebotenen Stufen lernten. Wer als Auslandsmitarbeiter in Israel tätig ist – sei es in der Wirtschaft, Wissenschaft oder bei Stiftungen – kann sich auch leicht Alltagshebräisch aneignen. Ebenfalls sprechen einige ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Initiativen des christlich-jüdischen Dialogs Iwrit. Iwritbeherrschung ist selbstverständlich conditio sine qua non für Politik- und Sozialwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Nahost,8 auch wenn Israel-Studien im Lande an diesem Punkt noch schlecht aufgestellt sind.