378 Dinge, die man über Remscheid wissen muss

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Alt-Remscheid

Remscheid, ich besiege dich! Wenn man sich mal überlegt, was ich trotz der Kopfschmerzen am ersten Tag zusammengetragen habe, wird das doch ein Kinderspiel mit dieser Liste. Vermutlich werde ich nicht mal die vereinbarten vier Wochen brauchen. Vielleicht nutze ich die restlichen Tage dazu, direkt eine Fortsetzung anzufertigen. In meinem Kopf dreht sich gerade ein Riesenrad: Lesungen in ausverkauften Hallen, Einladungen zu glamourösen Talkshows, eigene Autogrammkarten … na ja, eins nach dem anderen.

Ich nehme mir erstmal vor, zunächst etwas Struktur in das Projekt zu bringen und eröffne mit einem Edding eine Strichliste auf der Küchenwand. Sämtliche Links und Notizen aus meinem Smartphone konvertiere ich zu Strichen auf der Wand. So habe ich stets einen zuverlässigen Zwischenstand. Und jetzt nichts wie raus zu meiner Spurensuche auf den Remscheider Straßen.

Siegessicher schlendere ich die Alleestraße zum Rathausplatz hinauf. Um nicht aus der Puste zu kommen, stoppe ich ab und zu und mache für meine Freunde im Netz ein paar Bilder von mir, die ich mit den Hashtags #rolf #in #remscheid #oldiebutgoldie und #likeifyoulikeme versehe. Der Upload dauert leider ewig und noch während ich, die vielen Likes erwartend, verträumt auf mein Smartphone schaue, springt mich von der Seite plötzlich etwas an und wirft mich ohne zu zögern auf den Boden. Als ich wieder zu mir komme, schauen mich acht Augen verblüfft an. Drei Augenpaare befinden sich direkt über meinem Kopf, und die Wesen beginnen mir ohne Vorwarnung das Gesicht zu lecken. Das vierte Augenpaar kommt mir dann zum Glück zur Hilfe, zieht diese angsteinflößenden Löwen von mir weg und gibt mir einen Moment, um mich zu sammeln und aufzustehen.

„Sorry, aber meinen drei Damen gefällt es gar nicht, dass hier jeder nur noch mit dem Blick auf sein Handy durch die Straßen zieht“, ermahnt mich eine Frau. Ich bin wie in Trance. Ihre Worte schweben weich durch die Luft und ihr blondes Haar weht leicht im Wind. So eine schöne Frau habe ich noch nie gesehen. „Hey, aufwachen, du Schlafmütze“, sagt sie lächelnd. Mit ihrem Blick nimmt sie mich gefangen. Nur langsam komme ich wieder zu mir. Ich klopfe mir den Staub von der Hose und bringe leicht zittrig ein „Was sind das für Löwen?“ über die Lippen. Sie lacht. „Löwen? Das sind chinesische Chow Chows. Aber wie du siehst, sind die Hunde auch sehr gefährlich!“

Eigentlich habe ich dem Thema Liebe seit ein paar Jahren komplett entsagt. Ich bin ein guter Einzelkämpfer und brauche so ziemlich niemanden außer mich selbst, um mir ein schönes Leben zu machen, so! Andererseits habe ich mindestens genauso lange nicht mehr eine so schöne Frau getroffen. Noch bevor ich meine Gedanken sortieren kann, sprudelt es weiter aus ihr heraus. „Also, ich bin Lena. Ich wohne oben in der Scharffstraße und bin hier oft in der City unterwegs. Ich kenne echt Gott und die Welt, aber dich hab ich noch nie gesehen. Biste neu hier?“

Ich stelle mich vor und beginne damit, Lena meine Geschichte zu erzählen. Sie ist begeistert von meinem Mut und ganz bestimmt auch fasziniert davon, mal persönlich einen aufstrebenden Schriftsteller kennenzulernen.

Prompt lädt sie mich ein, sie auf ihrem Spaziergang zu begleiten und Remscheid aus ihrer Sicht zu erleben. Ich willige vielleicht etwas zu blitzartig ein, aber Lena ist einfach eine Wucht mit ihren drei Löwinnen.

Rolf, du Vollidiot! Von dem anstrengenden Spaziergang wieder in meiner beschaulichen Dachgeschosswohnung angekommen, fühle ich mich feige. Anstatt Lena zu küssen, durfte ich lediglich den Kot der Köter aufheben, mit einem dieser Kackbeutel, die hier überall rumhängen. Und natürlich habe ich mich weder getraut nach Lenas Telefonnummer zu fragen noch nach ihren Internetprofilen. Das wird schwer bis unmöglich sie im Internet zu finden. Ich stelle das Thema erst mal hinten an, setze mich vor den Heizkörper in der Küche und schenke mir ein Glas Rotwein ein. Dann schreibe ich auf, was ich mit Lena heute alles über Remscheid erfahren habe. Denn das war immerhin einiges.

50. Alt-Remscheid

Alt-Remscheid ist der bevölkerungsreichste Stadtbezirk Remscheids mit einer Bevölkerungsdichte von 25.440 Einwohnern pro Quadratkilometer. Flächenmäßig ist die „Innenstadt“ jedoch kleiner als Lennep.

Für besonders Neugierige:

Hier finden sich die Unterkapitel zu Alt-Remscheid


Innenstadt Hasten, Honsberg, Kremenholl Vieringhausen und Reinshagen 43 79 96

Innenstadt

51. Rathaus

Der erste Bürgermeister Remscheids konnte noch kein schickes Amtszimmer im Rathaus beziehen, er musste dieses schlicht in seinem eigenen Wohnhaus einrichten. So befand sich das erste „Rathaus“ Remscheids in der Schüttendelle, der zweite Bürgermeister wohnte dann am Hasten – und so zog auch das Amtszimmer dorthin.

Schnell wurde klar, dass das wachsende Remscheid ein eigenständiges Verwaltungshaus braucht. Als geeigneter Platz wurde der Holscheidsberg bestimmt, der den Schützen zu dieser Zeit jedoch als Schützenfeld diente. Nach zähen Verhandlungen überließen die Schützen der Stadt das Gelände des heutigen Theodor-Heuss-Platzes. Im Gegenzug erhielten sie von der Stadtverwaltung neben einer Geldzahlung auch ein alternatives Areal, den heutigen Schützenplatz.

Auf dem Gelände, das heute als Rathausplatz bekannt ist, begann in den Jahren 1902 bis 1906 der Bau des ersten Rathauses im Neo-Renaissance-Stil, und jedes Gewerk, das etwas auf sich hielt, wollte sich an dem Prestigebau beteiligen. Bei der Eröffnung kamen viele Gäste und Zuschauer und bestaunten das kostbare Bauwerk mit seinen Goldverzierungen. Es wurde sogar überlegt, das Rathaus sonntags zu öffnen, damit es sich die Bürger in Ruhe, wie bei einem Museumsbesuch, anschauen konnten.

In einer Bombennacht im Juli 1943 wurde das Rathaus, wie der ganze Innenstadtkegel, dann größtenteils zerstört. Es standen nur noch Fragmente. Erst nach dem Krieg widmete man sich dem Wiederaufbau des Rathauses, welches in ähnlichem Stil wiederhergestellt werden sollte, jedoch mit weniger Prunk und Protz. Im Jahr 1956 war der Bau fertiggestellt und wurde wieder genutzt, die Wiederherstellung des Turmes wurde 1962 abgeschlossen.

Exakt 58 Meter führen hoch bis zum Rathausturm. Genau 222 Stufen geht man vom Rathausplatz hoch bis zum Turmzimmer, wo heute kleine interne Jubiläumsfeiern, Verleihungen und Trauungen stattfinden.

52. Der schönste Tag im Leben

Immer wenn in Remscheid eine Hochzeit bevorstand, wurde diese von einem Hochzeitsausrufer verkündet. Drei Wochen vor der Hochzeit wurde „Hieleng“, also der Polterabend, gefeiert.

Am Tag der Hochzeit wurden Werkstätten und Schmieden früher geschlossen, sodass alle an der Trauung teilnehmen konnten. Der Pfarrer kam in das Haus der Eheleute und hielt dort die Trauung ab, die nach erfolgreichem Abschluss mit Pistolenschüssen verkündet wurde. Bei sogenannten Gebehochzeiten wurden vorher die Speisekarten bekanntgegeben. So sollten möglichst hohe Geldgeschenke erzielt werden, für Haushalte, die wenig Geld zur Verfügung hatten. Diese Gebehochzeiten wurden später verboten, da sich einige Gäste hoch verschuldeten, um an den Hochzeiten teilnehmen zu können.

53. Ratskeller

Der Ratskeller befindet sich, wie der Name schon sagt, im Keller des Remscheider Rathauses. Schon immer war er ein Ort der Einkehr und Mittelpunkt des Stadtlebens. Zwischen den Weltkriegen traten dort rastende Kirmesleute wie Jongleure und Degenschlucker auf. Über die Jahre herrschte immerzu eine rege Betriebsamkeit in der Gaststätte.

54. Remscheider Löwe

Ein wichtiges Bauwerk, das jeder Remscheider kennt, steht mitten auf dem Rathausplatz: die Löwenstatue mit 13,5 Metern Höhe. Erbaut wurde das ursprüngliche Hitler-Denkmal von dem Bildhauer Willy Meller und 1939 bei einer Großkundgebung der NSDAP enthüllt. In anderen Städten wurden Statuen mit dem Abbild Hitlers erbaut, in Remscheid hatte man sich für den Löwen als Symbol entschieden. Im Vergleich zum „Bergischen Löwen“ und Wappentier des Bergischen Landes wurde der steinerne Löwe jedoch nicht aufgerichtet und nur mit einem Schwanz abgebildet.

Der Löwe musste mit der Zeit vieles miterleben. In der Bombennacht 1943 ist das Denkmal überraschend heil geblieben und man überlegte, es nach dem Krieg wegen seiner Verherrlichung des Naziregimes abzureißen. Letztlich entschied man sich für eine Umwidmung und entfernte die Inschriften. Heute steht der Löwe zugleich als Denkmal für den Frieden und Mahnmal gegen den Krieg.

Als die Stadtsparkasse im Jahr 1956 eine Tiefgarage unterhalb des Rathausplatzes erbauen ließ, blieb der Löwe erneut stehen, und so wurde die Baustelle von den Remscheidern liebevoll „Löwengrube“ genannt.

 

Am 19. Dezember 1966 feierten die Remscheider ein großes Fest rund um das Löwendenkmal, als der Rathausplatz in „Theodor-Heuss-Platz“ umbenannt wurde. Auch heute finden rund um den Löwen auf dem Rathausplatz regelmäßig Feierlichkeiten, wie Konzerte, Wochen- und Weihnachtsmärkte sowie Public-Viewings zu Fußballgroßveranstaltungen statt.

55. Löwenparade

Zum 85. Großstadtjubiläum feierte Remscheid im Jahr 2014 ein großes Fest, Mittelpunkt der Feierlichkeiten war die Löwenparade. Der Remscheider Löwe wurde zur Identifikationsfigur des runden Geburtstages. Remscheider Unternehmen, Vereine, Schulen und Einzelpersonen hatten zuvor lebensgroße Löwenfiguren erworben und diese nach ihren Vorstellungen bemalt und dekoriert. Bei einer feierlichen Parade wurden die bunten Löwen über die Alleestraße gezogen. Seitdem haben sie an zahlreichen Stellen im Stadtbild einen Platz gefunden und verschönern mit ihren bunten Farben die Straßen und Ecken Remscheids. Die Parade diente vor allem dazu, ein Zusammengehörigkeitsgefühl in der Stadt neu aufleben zu lassen, was zweifelsohne gelang.

56. Waterbölles

Vom Rathausturm aus sieht man „Auge in Auge“ den Waterbölles. Der Wasserturm in der Hochstraße ist einer von sieben auf sieben Bergen Remscheids. Er wurde als Erster 1883 mit einem großen Festakt in Betrieb genommen, Tausende begrüßten das silberne Nass auf dem Bergkegel. Tatsächlich war der Bau des Wasserturms mit seinen 400 Kubikmetern Fassungsvermögen für die Versorgung von über 900 Haushalten notwendig geworden.

Im Laufe der Zeit wurde sein Fassungsvermögen mit einer neuen Ummantelung um 1100 Kubikmeter erweitert. Im Krieg in Teilen zerstört, wurde er 1953 wiederaufgebaut und 2002 noch einmal restauriert. Bekannt ist er unter dem Namen „Waterbölles“ oder früher auch „Der dicke Daumen des Kämmerers“ und ziert als Wahrzeichen, schon von weitem zu sehen, neben dem Rathausturm die Silhouette der Stadt. Seit Januar 2006 ist ein gleichnamiges kommunalpolitisches Forum im Internet zu finden, und es gibt eine Erlebnisführung, bei der die Teilnehmer einen mysteriösen „Mordfall am Waterbölles“ aufklären können.

57. Steinberg

Der Steinberg findet die erste Erwähnung um 1675, da in der Nähe des Mückenbachs ein Reckhammer geplant war. Jedoch wurde er erst später besiedelt, um 1808 standen dort vier Häuser. Viele Remscheider erinnern sich noch an das dortige Chemieunternehmen „Thermolith“. Auch bekannt als „Giftbude“ oder „Firma Fliegentod“, bei der viele Steinberger eine Anstellung fanden.

Heute kann man den Steinberg als „In-Viertel“ Remscheids bezeichnen. Durch die Innenstadtlage und gleichzeitige Nähe zur Natur ist die Siedlung besonders bei jungen Menschen beliebt.

58. Allee-Center

Mit dem Allee-Center bietet die Remscheider Innenstadt neben der Alleestraße auch eine überdachte Einkaufsmeile. Auf 30.000 Quadratmetern und zwei Etagen mit anliegendem Parkhaus bietet das Center zahlreiche Shoppingmöglichkeiten. Cafés und Restaurants laden zum Verweilen und Klönen ein.

Der Platz, auf dem das heutige Allee-Center erbaut wurde, liegt zwischen der Alleestraße, dem Teo Otto Theater und dem Rathausplatz. Das bislang größte Einkaufzentrum Remscheids war jedoch nicht unumstritten. Im Rat der Stadt sprachen sich die vertretenen Parteien SPD und FDP für den Bau aus, die CDU war strikt dagegen. In der entscheidenden Abstimmung wurde schließlich eine sehr knappe Entscheidung, mit nur zwei Stimmen Mehrheit, für den Bau erzielt. Dazu musste ein Mitglied des Rates aus dem Urlaub geholt werden und ein weiteres wurde frisch vom Operationstisch im Rollstuhl in den Ratssaal gefahren. Am Eröffnungstag im Februar 1986 lockten die damals 60 Geschäfte rund 100.000 neugierige Besucher. Und ein weiteres Novum war erreicht: Mit 130 Metern bot das Allee-Center die längste Glasflucht Europas.

59. Alleestraße

Die Alleestraße ist heute Einkaufsstraße und Fußgängerzone in einem. Sie entwickelte sich aus dem Verbindungsweg vom Markt hoch zum Rathaus, an dem sich im Laufe der Zeit zahlreiche Geschäfte ansiedelten.

Im Mai 1950 wurde der erste Selbstbedienungsladen in Remscheid auf der unteren Alleestraße eröffnet, ganz im Gegensatz zu den traditionellen „Tante-Emma-Läden“. Diese neue Form der Geschäfte löste eine große Diskussion aus, da die Zahl der Ladendiebstähle immens anstieg. Im Jahr 1952 eröffnete das Bekleidungsgeschäft „Sinn“ mit 1000 m2 Verkaufsfläche und schaffte 150 Arbeitsplätze. Eine große Attraktion in diesem Geschäft war die erste Rolltreppe Remscheids, die viele Remscheider auf- und abfuhren, da sie so etwas noch nie gesehen hatten.

In den 1970er Jahren wurde die Alleestraße zur Fußgängerzone. Durch den Bau des Allee-Centers kamen viele neue Geschäfte nach Remscheid, was die Einzelhändler auf der Alleestraße beklagten. In den vergangenen Jahren sind namhafte Einzelhandelsketten von der Alleestraße verschwunden und es gibt immer mehr Leerstände. Um dem entgegenzuwirken, soll die Straße mit neuen Ideen wieder attraktiver gemacht werden und mehr Menschen in die Innenstadt locken.

60. Remscheider General-Anzeiger

Im Jahr 1889 gründete Dr. Joseph Ziegler den Remscheider General-Anzeiger. Das erste Redaktionsgebäude befand sich auf der Alleestraße. Die Zeitung erschien zunächst zwei Mal in der Woche, für die Leserschaft waren die Anzeigen auf der Titelseite das wichtigste, darüber hinaus war der neueste „Klatsch und Tratsch“ sehr gefragt. Ab 1964 befand sich das Verlagsgebäude am Friedrich-Ebert-Platz. Heute ist der RGA wieder auf der Alleestraße zu Hause.

Die Lokalzeitung hat eine Auflage von etwa 15.000 Exemplaren. Seit 2011 gehört die Remscheider Medienhaus GmbH & Co. KG zum Verlag B. Boll.

61. Tüpitter

In einer kleinen Kolumne im Remscheider General-Anzeiger, in Remscheider Platt geschrieben, und für das einfache Volk gemacht, wurden Themen angesprochen, die den Alltag der Bürger betrafen. Es wurde geschimpft über die Entscheidungen der Stadtverwaltung, die Zustände der Straßen in Remscheid oder über zu hohe Brotpreise. Die Rubrik fand großen Anklang und man entschloss sich, ihr eine gezeichnete Symbolfigur zu geben. Das konnte nur ein typischer bergischer Arbeiter sein. Man wählte einen Schmied, nannte ihn Peter und gab ihm ein Seil für eine große Glocke an die Hand, an dem er kräftig ziehen sollte, um durch den Lärm Gehör zu finden. Die Überschrift der Kolumne mit diesem Schmied Peter lautete „Nit te bang! Tü Pitter!“ also „Nicht zu ängstlich! Zieh Peter!“. Obwohl diese Artikel nur einen kleinen Platz in der Zeitung fanden, waren die Leser so begeistert, dass sie den General-Anzeiger fortan „Tüpitter“ nannten. Bis heute erreichen den Verlag Leserbriefe mit der Anrede: „Lieber Tüpitter!“. Seit die Redaktion an der oberen Alleestraße sitzt, hat auch der aus Metall gegossene „Tüpitter“ dort seinen Platz.

Seit über 125 Jahren bestimmt der Lokaljournalismus des Tüpitters das Stadtleben in Remscheid. Faszinierend! Mit großer Freude blättere ich mich durch längst vergangene Schlagzeilen. „Dürfen Frauen Fahrrad fahren?“ – Dieser Titel aus dem Jahr 1897 zeigt, wie sehr sich Lokalzeitungen seit jeher um ihre Bürger sorgen. Das sind die Stories, die sich verkaufen in der Branche. Ich habe es immer gewusst!

Und übrigens: Ja, sie durften Fahrrad fahren, allerdings nur diejenigen, die keine Herz- und Lungenleiden hatten, nicht hysterisch, aufgeregt oder gar darmleidend waren.

62. Skulpturen auf der Alleestraße

Wenn man vom Allee-Center auf die Alleestraße tritt, sieht man oberhalb des „Tüpitters“ gleich mehrere Skulpturen, doch was hat es damit auf sich?

Ganz einfach: Die erfolgreiche Textilhändlerin Ria Fresen wollte die Remscheider an ihrem Erfolg teilhaben lassen und spendete hohe Geldsummen für meist soziale Einrichtungen. Eine der auffälligsten ihrer Spenden stellen die überdimensionalen Zangen auf der oberen Alleestraße dar.

Der Rotary-Club Remscheid schenkte der Stadt Remscheid zu seinem 60-jährigen Bestehen 1992 die Skulptur „Spielende Kinder“, an der auf der Alleestraße bestimmt schon jeder Remscheider vorbeigegangen ist. Wie kann es in Remscheid anders sein – es gibt auch eine Figur, die im Sturm einen Schirm hält.

63. Remscheider Citylauf

Der Laufsport in Remscheid ist sehr beliebt. Viele Läufer nutzen die Trassen und Wälder, um ihre Ausdauer zu trainieren. Im Jahr 1990 entstand die Idee, die Läufer aus den Wäldern mitten in die Innenstadt zu einem Wettkampf zu holen, im darauffolgenden Jahr veranstalteten der Reinshagener Turnerbund und die Stadtsparkasse gemeinsam den ersten Remscheider Citylauf. Die Veranstaltung ist immer weiter gewachsen. Um den großen Aufwand weiterhin stemmen zu können, hat der Remscheider Schwimm-Verein die Organisation in Zusammenarbeit mit der Stadtsparkasse im Jahr 1996 übernommen.

In unterschiedlichen Altersklassen absolvierten jährlich bis zu 1.500 Sportler den Lauf über verschiedene Distanzen. Schon immer war es den Veranstaltern wichtig, Remscheider Schüler für den Laufsport zu begeistern, daher konnten diese für ihre Schulen antreten und ein Preisgeld von 1000 Euro für Projekte an ihrer Schule erkämpfen. Im Jahr 2015 sollte der Citylauf zum 25. und letzten Mal stattfinden, aufgrund einer Bombendrohung musste die Veranstaltung jedoch kurzfristig abgesagt werden.

64. Bermuda Dreieck

Die Partyhochburg Remscheids ist seit Mitte der 1970er Jahre das so genannte „Remscheider Bermuda Dreieck“ in der Mandtstraße. Angefangen hat es mit den Kneipen „Hibiduri“ als Abkürzung für „Hier bist du richtig“, dem L’Eclipse und Quasimodo. Das Quasimodo, heute Simplicius, wurde von Benno Berghaus eröffnet.

Die Einrichtung mit Vertäfelungen, Kirchenbänken und Klavier ging aus einer Renovierung der Luther-Kirche hervor.

An den Wochenenden waren regelmäßig nicht nur die drei Kneipen gut besucht, die ganze Straße war mit Menschen überfüllt. Die Kellner servierten den Gästen ihr kühles Bier für gerade mal 80 Pfennig nicht nur drinnen, sondern auch direkt auf der Straße. Im Quasimodo kam übrigens Remscheids erste „Getränkepistole“ zum Einsatz. An heißen Sommerabenden nutzte der Wirt diese auch schon mal als erfrischende Dusche für seine Gäste.

Viele Remscheider erinnern sich noch an die wilden Zeiten zurück. An gleicher Stelle befinden sich heute immer noch beliebte Kneipen, die Nachtschwärmer bis in die frühen Morgenstunden bewirten.

65. Hesseninsel

Ende des 18. Jahrhunderts kamen viele junge Männer aus ärmlichen Gebieten Hessens nach Remscheid, um in der aufblühenden Industriestadt zu arbeiten. Gerade die fleißigen Schmiede waren als „Fremdarbeiter“ in den hiesigen Betrieben willkommen. In ihrer Freizeit konnten die jungen Leute mit den Einheimischen allerdings kaum mithalten. Sie sparten ihren Lohn, um ihn zur Verwandtschaft nach Hessen zu schicken und gönnten sich selten die Einkehr in ein Kakaostübchen, einen Tanzsaal oder eine Gastwirtschaft. Häufig aber trafen sich die Landsleute im Sonntagsgottesdienst der Stadtkirche und nutzten die Zeit, bis die nächste Straßenbahn ankam, an der Haltestelle Markt zu einem Schwätzchen. Schnell nannten die Einheimischen die Haltestelle an der Weltzeituhr, nicht ohne Skepsis dem Fremden gegenüber, die „Hesseninsel“. Heute befindet sich dort eine Inschrift im Boden: „Hesseninsel, Treff der Hergelu’openen“, wie der Bergische die zugezogenen „nicht Remscheider“ nennt. In den 1950er Jahren kamen dann Gastarbeiter aus Italien, Österreich, Holland, Jugoslawien und der Türkei in die Stadt.

 

Hehr-geh-lop-pen, Her-ge-lu-ob-pen-er, Her-ge-lupp-en-er … Leise versuche ich mehrmals dieses Wort vor mich hin zu sprechen. Ist das wirklich richtig geschrieben? Da hat doch einer die Buchstaben durcheinander gewürfelt. Nachdem ich verschiedene Quellen prüfend vergleiche, muss ich mich damit abfinden, dass ich das Wort als Hergelu’opener wohl nicht aussprechen kann.

66. Markt

Mit dem Stadtrecht erhielt Remscheid 1808 auch das Marktrecht. Traditionell fanden die Wochenmärkte „am Markt“ statt. Später erschloss sich der Bergkegel und zahlreiche Geschäfte und Gastronomie-Betriebe entwickelten sich rund um den Mittelpunkt Alt-Remscheids. Bereits früh siedelten sich Gaststätten, Butterstübchen und Feinkostläden am Markt an. In Marmorsälen wurden Tanz und Unterhaltungskonzerte geboten.

Wirtshäuser wie der Bierbrunnen, die Hufschmiede und das Brauerhaus öffneten nach und nach ihre Türen. Am Markt eröffnete das erste kleine Einkaufscenter, das „Cityhaus“, mit Reisebüro, Tabakladen und anderen Kleinwaren. Im Keller des Cityhauses befanden sich eine Disko („Tenne“) und eine Kneipe („Schwemme“). Ließen die Remscheider ihre Küche kalt, gingen sie zudem in den „Wienerwald“.

Bis in die 1990er Jahre war das Remscheider Nachtleben mit vielen Kneipen und Diskotheken sehr bunt und rege. Dies änderte sich mit der Zeit, da es viele Remscheider zum Feiern mehr und mehr in die großen Städte im Umland zog.

67. Dönerkrieg

Deutschlandweite Schlagzeilen machte Remscheid mit dem wahrscheinlich billigsten Döner bundesweit. Für gerade mal 80 Cent bot ein Döner-Imbiss eine Dönertasche „mit allem drum und dran“ an. Dieser besonders niedrige Preis ergab sich aus der starken Konkurrenz auf der unteren Alleestraße und am Markt, wo sich ein Dönerladen an den anderen reiht. Obwohl sich die Döner-Verkäufer auf einen einheitlichen Preis von 2,50 Euro pro Portion einigten, wurde dieses Abkommen nach nur einer Woche gebrochen. Dies führte in Remscheid zu einem erbitterten „Dönerkrieg“.

68. Remscheider Straßenbahn

Da die bergischen Bewohner auf Grund ihrer vielfachen Handelsbeziehungen Transportmitteln aller Art immer sehr aufgeschlossen gegenüberstanden, wundert es nicht, dass hier schon im Jahr 1893 die ersten Straßenbahnen die Wege über die Berge erleichterten. Diese wurden ohne Zahnrad oder Seilzug betrieben – in Europa damals eine echte Neuheit. Die Remscheider verfügten über keinerlei Erfahrung in der Konstruktion und hatten nur die Cable Cars in San Francisco als Vorbild. Auf Initiative von Robert Böker wagte sich die bergische Stahlindustrie an den Bau und konstruierte die ersten Wagen. Sie waren ausgestattet mit Klotzbremsen und Sandstreuanlagen gegen nasse oder verschneite Gleise. Die Straßenbahnen bestanden aus einem Waggon und erreichten die Maximalgeschwindigkeit von zwölf Stundenkilometern. Die letzte Fahrt der Remscheider Straßenbahn in den 1970er Jahren fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Zum Andenken liegen heute Stücke der Gleise auf der Alten Bismarckstraße in Höhe der alten Haltestelle Markt, neben der Hesseninsel.

69. Straßenbahnfahrer unter Strom

Trotz vieler rührseliger Erinnerungen der Remscheider an ihre Straßenbahn – der Komfort in den ersten Waggons ließ zu wünschen übrig. Die Fahrgäste mussten ohne Fensterscheiben auskommen, sodass sie weder vor Regen noch Wind geschützt waren. Noch schlimmer traf es den Fahrer, denn durch die schlechte Unterboden-Isolierung passierte es nicht selten, dass er in seiner Fahrerkabine bei feuchter Witterung leichte Stromschläge bekam. In der zweiten Produktionsserie wurde schon auf mehr Komfort geachtet, es gab immerhin Wettervorhänge vor den noch offenen Fenstern und die gepolsterten Sitzplätze waren schwenkbar, sodass sich die Fahrgäste der Fahrtrichtung anpassen konnten.

70. Das Saxo

Die heutige „Saxo Bar“ ist die älteste durchgängig gastronomisch betriebene Kneipe Remscheids. Da es früher üblich war, in einer Gaststätte auch Essen anzubieten, gab es einen Speiseaufzug in die erste Etage zur Küche, wo sich heute die Toiletten befinden. Das Saxo wechselte einige Male Besitzer und Namen: 1960 hieß es noch „Füchschen“, 1965 dann „Krokodil“ und seit 1981 heißt es „Brick-House Saxobar“. Dort gibt es seit 1987 jeden Dienstagabend den Erdnussabend. Die Gäste können kostenfrei Erdnüsse verspeisen und dürfen die Schalen auf den Boden werfen. Die zertretenen Schalen sollen zur Pflege des Holzbodens dienen. Seit 2005 gibt es dort viele Whisky-Spezialitäten und Tastings – das Saxo gilt als eine der besten Whisky-Kneipen Deutschlands.

71. Diskotheken

Diskothekennamen, die jeder Remscheider, der etwas auf sich hält, kennen sollte:

Big Pub

Ibach Capri Sirius

Bismarckplatz

Deja Vu

Schnarchhahn

(Saiten-) Sprung

Adoptiert hätten die Remscheider gerne auch die unter der Müngstener Brücke gelegene Diskothek „Exit“. Diese Kultstätte befand sich aber auf der anderen Seite der Wupper und somit auf der Solinger Seite. Im Herzen der Remscheider ist sie aber heute noch.

72. Stadtkirche

Der erste Fronhof, sozusagen die „Keimzelle Alt-Remscheids“, entstand an einem Quellteich in der Nähe der heutigen Stadtkirche an der Kirchhofstraße. Zu diesem Fronhof gehörte bereits im 11. Jahrhundert eine kleine Kirche. In dieser wurden Gottesdienste und Begräbnisse veranstaltet, da es zu dieser Zeit üblich war, Bestattungen im Kirchraum durchzuführen. Je nach Stand innerhalb der Gesellschaft befand sich das Grab inner- oder außerhalb der Kirche. Das „Geschlöngs“ wurde weiter entfernt beigesetzt. Bis 1761 wurde noch unmittelbar in der Kirche bestattet, erst 1780 wurden dann neue Friedhöfe außerhalb des Gebäudes angelegt. Im Jahr 1979 wurde die Kirche umfassend umgebaut, dabei legten die Bauarbeiter etliche Gebeine und das Fundament des kleinen Kirchleins frei.

Heute ist die Kirchengemeinde die älteste evangelische in Remscheid. Reformiert wurde sie in den Jahren 1565 bis 1598 durch das Wirken des Pastors Ambrosius Vaßbender. In den Jahren 1871/​72 spaltete sich die Hastener Gemeinde von der Evangelischen Gemeinde Remscheid. Seitdem gab es auf dem Remscheider Stadtgebiet über viele Jahre zwei evangelische Gemeinden: die „Filiale“ Hasten und die Evangelische Gemeinde Remscheid. Erst 2012 beschlossen die Gemeinden eine Wiedervereinigung, um die kirchliche Arbeit langfristig zu sichern.

73. St. Suitbertus

Die St. Suitbertus Kirche wurde als dreischiffige Basilika in den Jahren 1883 bis 1885 im neuromanischen Stil erbaut. Die zuvor selbstständigen Kirchengemeinden St. Engelbert, St. Marien, St. Suitbertus und St. Josef schlossen sich 2011 zur Pfarrei St. Suitbertus zusammen. Mit der roten Außenfassade und dem Glockenturm fällt die Kirche in der Nähe des Markts in der Remscheider Innenstadt direkt ins Auge. Besonders beeindruckend ist die imposante Orgel der Kirche.

74. Kerkhofgeschichten

Die Friedhöfe und Beerdigungskultur sind immer ein Spiegel der jeweiligen Zeit in Remscheid. Der Evangelische Stadtfriedhof in der Kirchhofstraße wurde im Jahr 1801 angelegt. Vorher war es üblich, die Toten um das Kirchenschiff zu beerdigen. Aus hygienischen Gründen wurde dies per Erlass verboten. Es war kaum mehr möglich die Geruchsentwicklung im Kircheninneren einzudämmen.

Bei der Restaurierung der Stadtkirche im Jahr 1979 fand man unter den Bodenplatten eine Vielzahl an Tonpfeifen. Die Totengräber hatten beim Ausheben neuer Gräber mit dem Rauchen der Pfeifen versucht, den Geruch der Leichen zu überdecken und so ihre Arbeit erträglicher zu machen. Der Transport der Verstorbenen wurde mit Pferdekarren bewältigt und führte häufig zu Staus. Bis zur Entstehung des Friedhofs beerdigte man nun um die Kirche herum, im Kirchhof (Kerkhof). In den zeitgenössischen Berichten liest man heute allerhand Skurriles über die damaligen Umstände. So wurden die Totengräber zum Beispiel als „Söffer und Schläger“ betitelt, fielen durch Trunkenheit bei Beerdigungen auf oder schickten gar ihre Töchter sonntags zum Kerkhof um dort Brötchen zu verkaufen. Aber auch die Bevölkerung scheint in Sachen Pietät nicht zimperlich gewesen zu sein:

Das Rauchen bei Beerdigungen und der Diebstahl von Kerzen entwickelten sich zu einem echten Problem.

75. Hasenclever Engel

Viele bedeutende Remscheider wurden auf dem Stadtfriedhof begraben. Unter anderem Helene und Wilhelm Kipper, Adolf Alexander, Daniel Schürmann, Carl Wilhelm Stockden, Carl Friedrichs, Fritz Korff, Franz Ziegler, die Familie Böker sowie Helmut und Hildegard Frantzen.

Ein besonders beeindruckender Grabstein ist der „Hasenclever Engel“ der Familie Johann Bernhard Hasenclever. Der Bildhauer Karl Jannsen erschuf im Jahr 1902 den weißen Marmor-Engel nach Vorbild des posaunentragenden Auferstehungsengels. Die Figur selbst hat eine Höhe von 2,70 Metern und steht auf einem 1,30 Meter hohen Sockel. In ein Gewand gehüllt und mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Thron sitzend, hält der Engel eine „Lure“ (posaunenähnliches Instrument) in der Hand. Der Hasenclever-Engel wurde 1988 unter Denkmalschutz gestellt. Die zu der eigentlichen Grabstätte gehörenden Gräber wurden eingeebnet, und die Einfassung mit Hecke und Tor wurde entfernt. Ein Memoriam für Urnen wurde angelegt. In der Halloweennacht von 2014 wurde der Engel beschädigt, zwei Finger und ein Mundstück der Posaune wurden gestohlen. Einen Großteil der Reparaturkosten von 15.000 Euro übernahm ein Nachfahre des Bildhauers, der Rest kam durch Spenden engagierter Bürger zusammen.

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