Savers - Revolution

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Aus der Reihe: Akademie der Engel #2
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Savers - Revolution
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Prolog

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Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Savers – und es gibt sie doch

Pribon - Flucht vom wilden Planeten

Saving Rapunzel

Impressum neobooks

Savers - Revolution

Akademie der Engel II

Ein Roman von Rabea Blue

Impressum

Texte: © Copyright by Rabea Blue

Umschlag: Linda Grießhammer;

www.lynbaker.de

Bildmaterial: mcarrel/depositphotos.com; Goodluz/depo sitphotos.com; slonme/shutterstock.com;

Vita Vladimirovna/shutterstock.com

Verlag: Rabea Blue

Ringstraße 13b

64839 Altheim

info@rabea-blue.de

Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Printed in Germany

Für Peach.

Du machst uns komplett.

You can say what you want about me

But no one can tell me I can't

aus

»Sticks & Bricks«

von

A Day To Remember

Prolog

Finster lächelnd lehnte Nathanel an dem Hinweisschild eines belebten Parks und betrachtete die vorbeilaufenden Menschen. Als eine junge Frau mit Heftordner unter dem Arm auf ihn zueilte, sich dabei ständig umblickend, stieß er sich von dem Schild ab und kam ihr entgegen.

»Ah – mein Lieblings-Engel«, sagte er und strahlte sie an. Die Frau war sehr zierlich, blond und trug eine Brille. Mit leicht zitternder Hand übergab sie Nathanel den Ordner.

»Ist alles erledigt?«, fragte er sie.

Sie nickte. »Ja. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich das Richtige ist, was wir tun«, fügte sie hinzu. »Sie suchen ganz fieberhaft nach euch. Gibt es denn keine Zwischenlösung für das Ganze? Was, wenn sie mich entdecken? Wenn alles auffliegt? Was passiert dann mit uns?.«

Nathanel, der schon begonnen hatte, in dem Heftordner zu blättern, ließ das Dokument sinken und legte der jungen Frau eine Hand auf die Schulter. »Es wird alles gut werden. Wir tun das Richtige und bald werden wir gewinnen. Wenn sie jemanden von euch enttarnen, seid ihr jederzeit bei uns willkommen. Dann müsst ihr nicht mehr in Euphoria für mich spionieren.«

»Aber Jakob…«, begann die Frau erneut, doch Nathanel unterbrach sie mit einer erhobenen Hand.

»Es wird sich alles fügen. Ich habe große Pläne und schon bald werden sich die ersten Auswirkungen zeigen. Jakob und seine Savers haben nicht die geringste Ahnung, zu was ich fähig bin.«

Die Frau nickte schüchtern. »Dann gehe ich jetzt lieber wieder zurück.«

»Ja, tu das – sie sollen keinen Verdacht schöpfen«, bestätigte Nathanel. Er fing wieder an, in den zusammengeordneten Papieren zu blättern. Hin und wieder zog er die Augenbrauen hoch oder lachte laut los. Als er mit Lesen fertig war, rollte er den Ordner zusammen und klemmte ihn sich unter den Arm. Den anderen hob er in die Luft.

»Es dauert nicht lange, dann werdet ihr gerettet werden – denkt an meine Worte«, rief er – und verschwand mit einem Male im Nichts.

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»Die Anspannung unter den Savers lässt sich von Tag zu Tag stärker spüren, seit die Unverstandenen Euphoria verlassen haben.« David sah sich auf der Sichtwiese in alle Richtungen um. Neben ihm saß sein Mentor Ephraim und hob ebenfalls den Blick.

»Allerdings. Auch beim Retten auf der Erde merkt man, dass sich etwas verändert hat. Die meisten sind vorsichtiger, vermuten hinter jeder Bewegung und hinter jedem Unfall eine Sabotage.«

Auf der Oberfläche des Sichtungssees war Ephraims Schützling Simon zu sehen, der gerade beim Kinderturnen an der Sprossenwand anstand und wartete, bis er mit Hinaufklettern an der Reihe war.

»Noch vor ein paar Tagen hat man sich bei Rettungsaktionen auch mal auf Kollegen verlassen«, fuhr Ephraim fort. »Doch von Elaine weiß ich, dass sich dies nun drastisch geändert hat. Sie hat es erst gestern selbst erlebt. Wenn möglich machen die Savers alles selbst, auch dann, wenn es eine noch so kleine Bewegung ist. Die Unruhe steigt mit jedem Tag. Aber sie kommt auch nicht von ungefähr – täglich verschwinden weitere Savers. Julius hat es mir erzählt. Sie registrieren einen anhaltenden Strom an Savers, die Euphoria verlassen. Viele melden sich offiziell bei dem Ältestenrat ab und stellen klar, dass sie dem neuen Druck nicht gewachsen sind. Diejenigen, die still und heimlich gehen, könnten zu ihm übergelaufen sein. Doch natürlich wissen wir das nicht sicher.«

Ephraim wirkte auf einmal abwesend. Simon war nun an der Reihe und begann, die Sprossenwand hinaufzuklettern. Oben angelangt, drehte er sich um und sah in Richtung Matte hinab. Er holte Luft – und sprang ab.

Im nächsten Moment war Ephraim verschwunden und David sah ihn nun auf dem Bild, das der See ihm zeigte. Simon war zwar auf dem Weichboden gelandet, jedoch war er danach so ungeschickt seitlich umgekippt, dass er mit seinem Knie in Richtung Hallenboden fiel. Im letzten Augenblick war Ephraim erschienen und hatte seine Hand dazwischengeschoben. Nur wenige Sekunden später landete er wieder neben David in Euphoria.

»Tja«, seufzte er. »Ich schließe mich da keinesfalls aus. Auch bei einer noch so kleinen Gefahr für meinen Schützling bin ich sofort alarmiert. Ich denke zwar nicht, dass Simon die typische Zielgruppe der Unverstandenen wäre, um Aufmerksamkeit zu erregen, aber man weiß ja nie.«

Er ließ sich erneut neben David nieder und schlang die Arme um seine angewinkelten Knie.

David strich sich durch die braunen Haare und lächelte seinen Mentor an. Gerade als er etwas entgegnen wollte, entdeckte er zwei Personen an der Nebelwand.

»Da kommt meine Schwester mit Amanda«, erklärte er.

Ephraim warf einen Blick über die Schulter. »Also wenn ich nicht wüsste, dass ihr Zwillinge seid, würde ich das niemals vermuten.«

 

»Das haben schon viele gesagt«, kicherte David. »Als Babys sahen wir uns sehr ähnlich. Wenn unsere Mutter uns gleich angezogen hat, konnte ein Außenstehender uns nicht auseinanderhalten.«

Sally hatte ihren Zwilling schnell entdeckt und eilte auf ihn zu. David erhob sich und als sie ihn erreicht hatte, fiel sie ihm um den Hals.

»In dieser seltsamen Zeit bin ich jedes Mal heilfroh, wenn ich dich wiedersehe«, murmelte sie, als sie sich von ihrem Bruder löste. »Wer weiß, auf welche Idee dieser Verrückte als Nächstes kommt. Hi Ephraim.«

»Hallo ihr beiden«, antwortete Davids Mentor und erhob sich nun ebenfalls. »Alles ruhig bei euch?«

Amanda nickte. »Seit ihrem Zusammenbruch auf dem Volksfest hat sich mein Schützling wieder gut erholt. Ich dachte erst, sie würde es nicht schaffen. Ich denke, es war mehr die Aufregung als etwas Körperliches.«

»Ist euch ein weiterer Saver aufgefallen, der länger nicht mehr in Euphoria aufgetaucht ist?«, wollte David wissen.

»Bisher nicht«, entgegnete Amanda. »Zum Glück. Auf der Konferenz in der Trainingsarena hat man die Anspannung deutlich gemerkt. Aber ehrlich gesagt verstehe ich nicht, wie man als überzeugter Saver bei der kleinsten Unregelmäßigkeit gleich die Fahnen streichen kann. Aber apropos Unregelmäßigkeiten: Habt ihr auch gehört, dass einige der Unverstandenen in Euphoria gesichtet worden sind?«

Ephraim öffnete den Mund, hielt jedoch abrupt inne und sah wieder auf den Sichtungssee. »Tut mir leid – ich glaube, ich muss noch einmal runter«, brachte er noch heraus, und war im nächsten Augenblick verschwunden.

Amanda zuckte mit den Schultern. Ihre braunen Locken wippten dabei auf und ab. »Ich muss mich ebenfalls um meinen Schützling kümmern. Es bringt ja ohnehin nichts, sich darüber aufzuregen, was hier gerade los ist.« Sie winkte Sally und David zu, bevor sie sich einen Platz am Ufer suchte. »Wir sehen uns morgen, Sally!«

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»So – und jetzt zu dir. Seit der Konferenz sind wir kaum zum Reden gekommen. Wie geht es dir mit dieser Situation?«

Wie auf ein unausgesprochenes Kommando wandten sich David und Sally um und begannen, am See entlang zu laufen. Langsam schlenderten sie über die Wiese, immer wieder mit misstrauischen Blicken der sichtenden Savers quittiert.

»Ich bin okay. Die Sache mit Nathanel hat mich von meinen emotionalen Problemen abgelenkt. Aber die Fluktuation stört mich. Wir müssen doch zusammenhalten. Jetzt ganz besonders.«

»Aber nicht alle sehen das so wie du. Gerade wir als Neuankömmlinge haben noch nicht so ein großes Zugehörigkeitsgefühl wie die alteingesessenen Savers – uns könnte es eigentlich egal sein.«

Empört sah David seine Schwester an. Diese winkte ab. »Ich meine nicht, dass es mir selbst so geht. Aber viele sind gerade noch dabei, ihren Tod zu verarbeiten, während du schon die Initiative ergreifst und die Regeln brichst, damit wir als Auszubildende fremde Schützlinge retten können.«

»Aber hättest du es nicht genauso gemacht«, wollte David wissen.

Sally kaute auf ihrer Unterlippe. »Wir sind uns bei unseren Ansichten zwar meistens einig, aber ich glaube, ich hätte es mich nicht getraut. Vor allem mit dem Hintergrund, dass du schon mal eine Verwarnung bekommen hast.«

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her und betrachteten die Savers auf der Wiese.

»Am liebsten würde ich auf eigene Faust nach den Unverstandenen suchen«, brachte David schließlich heraus. »Wer weiß, wann der Rat endlich etwas verlauten lässt.« Sein Gesicht verfärbte sich ein wenig rot. »In der Zwischenzeit können die sich in Ruhe organisieren und weitere Anschläge planen. Wenn die Ausbildung ohnehin auf Eis gelegt ist, kann ich doch auch auf der Erde sein und nach auffälligen Aktionen Ausschau halten. Meinst du, ich sollte das mal vorschlagen? Oder einfach tun?«

Sally sah ihn von der Seite an. »An sich keine schlechte Idee. Aber da wir schon bei dem Thema Erde sind: Solltest du vielleicht nicht lieber daran arbeiten, zu wandeln, ohne in Konflikte zu geraten?«

»Guter Einwand. Aber dann könnte ich beides kombinieren: Wandeln üben und die Erde im Auge behalten.«

Mittlerweile hatten sie etwa ein Viertel des Sees umrundet. Verhältnismäßig oft stiegen Savers am Ufer in die Luft und verschwanden, um ihren Schützling auf der Erde zu unterstützen.

»Ich möchte noch einmal auf das zurückkommen, was Amanda vorhin gesagt hat«, begann Sally. »Hast du auch gehört, dass Unverstandene hier aufgetaucht sind? Das wäre fürchterlich. Was die hier alles anrichten könnten.«

»Nein, das war mir neu. Aber wieso sollten sie das nicht machen? Das ist doch naheliegend. Und der Einzige, der jemanden aus Euphoria verbannen kann, ist Leopold. Solange der sich nicht meldet oder hier urplötzlich auftaucht, sind wir diesbezüglich machtlos.«

Sally nickte. »Es werden nun angeblich Wachen an den Nebelwänden aufgestellt. Doch da wir ohnehin zu wenige sind, müssen sie einige gewöhnliche Savers dazu überreden, neben Schützling und eventuell noch zu betreuendem Neuankömmling, Wachdienst zu übernehmen.«

»Also noch mehr Belastung für alle. Lässt nur hoffen, dass sich bald etwas tut. Ab morgen werde ich jeden Nachmittag, je nachdem, wie mich Ephraim beim Sichten braucht, das Wandeln üben. Dabei halte ich die Augen nach den Unverstandenen auf. Ich war zwei Mal bei den Treffen dabei, vielleicht erkenne ich ja jemanden. Umgekehrt erkennt mich keiner, so lange ich mich gut tarne.«

Ein lautes Piepsen unterbrach das Gespräch der Zwillinge. Sally zog die Augenbrauen hoch. »Der Warner? Jetzt?«

»Hoffentlich eine Mitteilung des Ältestenrats«, überlegte David.

Sally klappte ihr Gerät als Erste auf und überflog die Meldung. »Du hast Recht - eine Nachricht vom Ältestenrat.«

Als David seinen Warner ebenfalls aus der Hosentasche gekramt hatte, las er die Meldung halblaut vor:

»Liebe Neuankömmlinge, wir bemühen uns fieberhaft, eure Ausbildung so schnell wie möglich fortsetzen zu können. Leider wird es noch ein wenig dauern, bis alles seinen geregelten Ablauf haben wird. Doch wir haben eine neue Aufgabe für euch und möchten diese morgen Vormittag in dem Foyer des Akademiegebäudes vorstellen. Wir bitten um euer Erscheinen – Der Ältestenrat.«

»Nicht das, was du erwartet hattest«, begann Sally, »aber immerhin.«

Einige Meter weiter an der Nebenwand tauchte ein junges Mädchen mit lilafarbenen, kinnlangen Haaren auf, neben ihr ein blonder Saver mit silberfarbenen Flügeln.

Sally stupste ihren Bruder an. »Hey, da hinten ist Violet mit ihrem Mentor.«

Bevor David sie davon abhalten konnte, begann Sally wie wild zu winken. »Huhu Vi – wir sind hier!«

David verdrehte die Augen. »Mensch Sally, die anderen gucken schon. Wollten wir nicht mal unter vier Augen reden?.«

Befremdlich warf Sally ihrem Bruder einen Seitenblick zu. »Aber… es ist doch nur Violet.« Damit war die Sache für sie erledigt und sie ging auf ihre Freundin zu. Auch ihr fiel sie um den Hals und ließ sie erst nach ein paar Sekunden wieder los.

Von ihrem Mentor Aaron hatte sich Violet direkt an der Nebelwand verabschiedet. Er war in Richtung Sichtungssee abgebogen und suchte sich offensichtlich einen Platz zum Sichten.

Als Sally Violet wieder losließ, hakte sie sich bei ihr unter und bugsierte sie zu David herüber.

»Hallo Hübscher«, trällerte Violet, ging auf David zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Sie strahlte ihn an und ging dann wieder ein paar Schritte zurück neben Sally. David verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln, sagte jedoch nichts.

»Hast du schon die Warner-Nachricht gelesen, die eben gerade von dem Ältestenrat verschickt wurde?«, plapperte Sally los. »David dachte ja, dass sie eine neue Konferenz einberufen, um erste Erkenntnisse aus den Gesprächen über die Unverstandenen bekanntzugeben, aber es richtete sich nur an uns Neuankömmlinge.« Sie lächelte kurz und sah von einem zum anderen. »Komisch, irgendwie kommt es mir gar nicht mehr so vor, als wären wir neu hier. Hier verliert man ja ohnehin das Zeitgefühl, aber ich fühle mich einfach so heimisch.«

Violet grinste ebenfalls und sah ihre Freundin an. »Sally – ich habe dich vermisst.« Sie holte ihren Warner hervor und drückte auf den Knöpfen herum, während Sally erneut Luft holte und weiterredete.

»Ich kann mir gar nicht vorstellen, welche Aufgabe sie wohl für uns haben könnten. Am Ende sollen wir die Nebelwand bewachen, damit keine Unverstandenen auftauchen. Aber sind wir als Anfänger wirklich dafür geschaffen? Ich meine, für uns wirken doch alle fremd, wenn nicht gerade Sam oder Eddie hier erscheinen, wissen wir eh nicht, ob es normale Savers oder welche von den Verrätern sind.«

Violet blickte auf. Ihre blauen Augen blitzten interessiert. »Wache?«

»Ach, hast du es noch nicht gehört? In Euphoria wurden Mitglieder der Unverstandenen gesichtet. Es sollen jetzt so gut es geht Wachposten an den Nebelwänden aufgestellt werden, damit die Eindringlinge gefasst oder zumindest wieder vertrieben werden können.«

Gedankenverloren nickte Violet und verstaute ihren Warner. »Ich bin sehr gespannt auf morgen. Klingt, als wäre die Situation mittlerweile so kritisch, dass sie sogar auf unsere Hilfe angewiesen sind.«

»Was heißt hier sogar?«, maulte David. »Auf dem Volksfest haben wir gezeigt, dass wir einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Menschheit leisten können.«

Die Beiden sahen David verblüfft an. »Schon gut, Großer – so habe ich das nicht gemeint.« Violet warf Sally einen unsicheren Blick zu. »Ich denke, ich gehe wieder zu Aaron herüber und überbringe ihm die Neuigkeiten. Wir sehen uns morgen, Sally.« Die Freundinnen umarmten sich zum Abschied. »Bye, David«, hauchte Violet noch. Ihr Blick war für David schwer zu deuten. Er glaubte für einen Moment, eine Art Flackern darin zu erkennen.

Kaum war Violet außer Hörweite, drehte sich Sally zu ihrem Zwillingsbruder um. »Was sollte das denn bitte eben?«, zischte sie. »Willst du ihr etwa vorwerfen, dass sie zum Zeitpunkt des Terrorakts nicht auch auf dem Fest war, um zu helfen, weil sie stattdessen ihren Mentor anderweitig unterstützt hat?.«

»Quatsch. Ich habe es genau so gemeint, wie ich es gesagt habe. Wir haben gut gekämpft und konnten Schlimmeres verhindern. Eigentlich war es sogar Adrian, Louis und mir zu verdanken, dass eine Verbindung zu den Unverstandenen erkannt werden konnte. Ohne unser Insiderwissen hätte niemand Bescheid gewusst.«

»Das ist noch lange kein Grund, so überheblich zu sein. Was ist denn los mit dir?«

»Ach, keine Ahnung. Violet ist ein nettes Mädchen, aber ihre Art mir gegenüber nervt mich.«

Sally zog die Augenbrauen hoch. »Sie steht auf dich – na und? Seit wann hat dich denn so etwas gestört?«

David schnaubte. »Eventuell seit ich meine querschnittsgelähmte Freundin wiedergesehen habe.«

Sofort verfinsterte sich Sallys Miene. Auf der Erde war sie gut mit Davids Freundin Cathy ausgekommen. »Das mit Cathy tut mit leid. Aber immerhin ist sie nicht gestorben. Das ist doch auch etwas Gutes. So kannst du sie immer wieder sehen.«

»Und das mit meiner Wandel-Vorgeschichte? Gute Idee«, entgegnete er in ironischer Tonlage. »Ich würde mich selbst quälen, wenn ich sie ständig beobachten würde. Wir leben in verschiedenen Welten, das kann keiner mehr ändern. Ich muss es akzeptieren. Aber sie zu sehen, wie sie in ihrem Rollstuhl sitzt, mit vor Angst geweiteten Augen, als Thomas damit begann, eine Gondel nach der anderen zu öffnen und die Insassen hinzurichten. Das war für mich kaum zu ertragen. Sie war die Liebe meines Lebens – das weißt du ganz genau. Und diese Gefühle kamen auf dem Fest wieder hoch. Ein flippiges Mädchen, das ständig mit mir flirten will, kann ich jetzt am wenigsten gebrauchen«:

Sally verzog den Mund. »Trotzdem musst du sie nicht gleich so anblaffen. Sie ist immer noch unsere Freundin, und das war sie von Anfang an.«

David überlegte, ob er etwas entgegnen sollte, kniff jedoch lediglich den Mund zusammen und nickte.

»Wie dem auch sei«, hob er nach einer Weile wieder an. »Ich werde mich jetzt an das Wandeln wagen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich genügend Zeit dafür haben werde, wenn wir morgen in der Akademie auftauchen sollen. Ich sage Ephraim Bescheid und gehe dann runter.«

»Ich gehe zurück zu Amanda und informiere sie über die Mitteilung des Rats.«

 

»Okay. Dann sehen wir uns morgen vor der Akademie?«

Sally nickte. »Aber hey – morgen reißt du dich Vi gegenüber bitte etwas mehr zusammen, ist das klar?«

Nun konnte David wieder lachen. »Ja, kleine Schwester - geht in Ordnung.«

Sally schnaubte theatralisch. »Pah, dass du immer auf diesen drei Minuten herumreiten musst.«

- 3 -

David teleportierte sich in eine Ecke des Schulhofs seiner ehemaligen Schule. Hier standen nur ein paar Müllcontainer, man traf dort höchstens den Hausmeister oder das Putz-Team. Heute hatte er Glück und der Ort war menschenleer. Der Unterricht hatte bereits vor einer Weile geendet und die Reinigungsarbeiten waren in vollem Gange.

Für sein heutiges Aussehen wählte er eine unauffällige Maskerade. Ein hellhäutiger junger Mann mit T-Shirt einer Surfer-Marke, kurzen Hosen im Army-Look und gewöhnlichen Sneakers. Vorsichtig lugte er hinter den Containern hervor und prüfte, ob ihn jemand sehen konnte. Als die Luft rein war, trat er aus der Nische hervor und schlenderte gemütlich über den Schulhof in Richtung Straße.

In der Nähe befand sich eine Einkaufstraße, an der immer viel los war. Hier reihte sich eine Boutique an die nächste, während nebenan auf der Straße die Autos fuhren, als wären sie auf der Autobahn. Davids Meinung nach der perfekte Ort, um Unfälle zu verursachen. Er hielt die Augen auf und versuchte, sich unauffällig alle Passanten anzusehen. Doch schon nach einer Weile verließ ihn die Hoffnung. Wenn er sich tarnen konnte, wieso sollten die Unverstandenen es nicht auch tun? Er sah keinen Grund, warum sie in ihrer gewohnten Gestalt auf der Erde spazieren gehen sollten.

Irgendwann ging die Verkehrsstraße in eine Fußgängerzone über. Es war ein Samstag und die Menschenmenge schob sich wie eine zähflüssige Masse an den Geschäften vorbei. Im Vorbeigehen bekam er ein Gespräch mit, in dem sich zwei Frauen lautstark über einen Vorfall unterhielten, in dem ein Mann spurlos verschwand. Mitten in einem Park. David wurde hellhörig und versuchte in Hörweite der beiden Damen zu bleiben.

»Er muss eine Art Magier gewesen sein, der Werbung für seine Show machen wollte. Leider hatte er nicht viel gesagt, weder seinen Namen, noch ein Datum oder einen Ort für seine Veranstaltung. Stattdessen hat er etwas von Rettung gerufen.«

Nathanel. David war sich ganz sicher. Hatte er sich etwa mitten unter Menschen weg teleportiert? Aber wenn der Mann sprechen konnte, musste es jemand anderes gewesen sein. Oder hatten die Unverstandenen durch ihre Flucht aus Euphoria ihr Sprechvermögen auf der Erde zurückgewonnen?

In Davids Kopf rasten die Gedanken. Ihm lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter und er konnte seinen Blick nicht von den beiden sich unterhaltenden Frauen abwenden.

»Und es war kein Rauch zu sehen? Wie soll er das denn gemacht haben? Sonst arbeiten diese Kerle ja immer mit Spiegeln oder sonstigen Tricks, mit denen sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer kurz auf etwas anderes lenken, und dann schnell verschwinden.«

»Na ja«, machte die erste Frau. »Er wird wohl kaum wirklich zaubern können. So etwas wäre doch schon längst bekannt, bei der schnellen Kommunikation heutzutage.«

Das Gespräch schien sich dem Ende zuzuwenden und David versuchte, sich unauffällig abzuwenden, bevor die beiden Frauen bemerkten, dass er sie mit offenem Mund anstarrte. Doch ehe er sich gefasst hatte, wurde er hart von jemandem angerempelt. ›Mist, ich darf doch nicht auffallen‹, war der erste Gedanke, der in den Sinn David kam.

»Sorry«, stammelte er und hob abwehrend die Hände.

Der junge Mann, etwa zwanzig Jahre alt mit einem langen Zopf, drehte sich zu David um und antwortete: »Kein Problem – ich war derjenige, der nicht aufgepasst hat.«

David nickte freundlich und wandte sich wieder zum Gehen. Doch dann blieb er wie angewurzelt stehen. Hatte der Mann ihn gerade verstanden? Das Wort ›Sorry‹ war ihm automatisch entwischt, eigentlich hatte er erwartet, dass der Mann nichts davon hören würde. Aber er hatte direkt darauf geantwortet.

Kopfschüttelnd ging er weiter. Das konnte nicht sein. Savers können beim Wandeln nicht mit Menschen reden. So hatte es ihm sein Mentor erklärt.

Aber der Gedanke ließ ihn nicht los. Er setzte sich schließlich auf eine Bank und beobachtete die einkaufenden Familien, Ehepaare, Männer und Frauen. Sollte er versuchen, jemanden einfach anzusprechen? Mehr als seltsam ansehen konnten sie ihn wohl nicht. Wenn sie ihn nicht hörten, dachten sie höchstens, dass sie es mit einem Taubstummen zu tun hatten und würden entschuldigend abwinken.

Er versuchte, sich auf seine ursprüngliche Mission zu konzentrieren: Ausschau nach den Unverstandenen halten. Die Frauen hatten den seltsamen Mann, der einfach verschwand, nicht genauer beschrieben, aber wenn Nathanel Aufmerksamkeit erregen wollte, musste er sich nicht tarnen. Und er würde sich auch nicht verstecken.

David ließ noch ein wenig den Blick schweifen, doch er entdeckte niemanden, den er kannte, und auch niemanden, der seiner Meinung nach versuchte, Chaos anzurichten. Er stand auf und schritt langsam die Fußgängerzone entlang. An Ende angelangt, sah er eine Bushaltestelle. Er musste es einfach probieren. Einen tiefen Atemzug später, schritt er auf den Fahrplan zu, der neben dem Wartehäuschen an einer großen Tafel angebracht war. An der Haltestelle warteten viele Menschen, einige schauten immer wieder nervös auf die Uhr oder ihr Mobiltelefon.

Als David eine Weile gespielt ratlos mit dem Finger über den ausgehängten Plan gewandert war, wandte er sich zu einem der Wartenden um.

»Entschuldigen Sie bitte«, begann er und sah den älteren Mann mit Brille erwartungsvoll an. Dieser hob tatsächlich den Blick und sah David abwartend an.

›Okay – das konnte auch nur Zufall sein‹, dachte sich David. ›Wenn jemand plötzlich direkt vor einem stand, sah man schon mal auf‹.

»Können Sie mir sagen, ob der Bus 7520 schon weg ist?«, fuhr er fort.

Als der Mann mit dem Kopf schüttelte, blieb David fast das Herz stehen. »Nein, auf den warte ich auch«, erklärte der Mann. »Der müsste aber gleich kommen.«

David musste sich zusammenreißen, um ein freundliches Lächeln zustande zu bekommen. »Vielen Dank – ich dachte schon, ich bin zu spät.«

»Nein nein«, lachte der Mann fröhlich. »Leider ist es der Bus nur mal wieder.«

Freundlich nickend stellte sich David ein paar Schritte neben den Mann und tat so, als würde er nun auf den Bus warten. Er konnte es nicht fassen. Er konnte tatsächlich mit Menschen reden. Was bedeutete das? War er kein richtiger Saver? Konnte er deswegen verbannt werden? Schließlich war das der Sinn und Zweck des Ganzen. Dass niemand der Savers sich gegenüber der Menschen verplappern konnte, dass es Schutzengel gab. Gerade David, der seine Gefühle nicht hundertprozentig im Griff hatte, war nicht gerade die Person, die der Ältestenrat gerne mit einer kommunikativen Gabe auf der Erde sehen wollte.

Oder würde ihn das zu jemand Besonderem machen? Vielleicht einer Art Spezialagent? David schüttelte den Kopf. Der Bus kam, und um weiter unauffällig zu bleiben, stieg er ein und setzte sich auf einen freien Platz am Fenster.

Er musste seine Gedanken ordnen. Als Erstes würde er Ephraim Bescheid geben. Den Fehler, ihm etwas zu verheimlichen, wollte er nicht noch einmal machen. Wenn Sally auch noch auf der Sichtwiese war, müsste er sie ebenfalls einweihen, sonst würde sie ein Drama daraus machen. Doch was war mit Amanda? Eine solche Abnormität musste sicherlich erst mit dem Rat besprochen werden. Bei dem Gedanken daran, wie die Ältesten auf diese Tatsache reagieren würden, wurde ihm ganz heiß.

Nach drei Haltestellen stieg David aus und suchte sich einen Ort, wo er sich unbemerkt zurück nach Euphoria teleportieren konnte.