Das Ritual des Stalkers

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Das Ritual des Stalkers
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R.S. Star

Das Ritual des Stalkers

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Widmung

Die Geschichte

Nachtrag

Danksagung

Impressum neobooks

Widmung

Für meine Eltern und Atan.

Sie wissen warum.

*************

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und

öffentliche Zugänglichmachung.

Die Geschichte

Im Grunde genommen begann alles ganz harmlos und Nele wäre nie auf die Idee gekommen, dass diese Sache ihr Leben bald auf den Kopf stellen würde.

Noch lange Zeit danach ging Nele grundsätzlich immer mit wachem Auge um ihr Auto herum, bevor sie einstieg. Immer ein Auge auf die Reifen, sind diese noch in Ordnung? Immer auf Sicherheit bedacht, immer Pfefferspray und eine kleine Taschenlampe in der Jackentasche.

Aber von vorne.

Es begann vor fast dreizehn Jahren mit einem Zettel im Fahrstuhl.

Nele machte sich auf den Heimweg und ging Richtung U-Bahn. Endlich Feierabend, dachte sie. Ein anstrengender Tag lag hinter ihr, aber jetzt war ja bald Entspannung angesagt.

Sie überlegte, was sie alles machen könnte. Eine Runde joggen, oder einfach nur faul auf dem Sofa liegen mit schöner Musik im Hintergrund und einem spannenden Buch vor der Nase. Oder mal wieder ihre Eltern besuchen? Im Internet chatten, das machte ihr immer Spaß und lenkte ab, oder die Wohnung aufräumen? Die Entscheidung war nicht einfach, aber ihr blieb ja noch etwas Zeit, bis sie zu Hause war.

Nele betrat den Bahnsteig, der zu dieser Zeit sehr belebt war.

Auch wenn zu Hause seit einiger Zeit niemand mehr auf sie wartete, freute sie sich dennoch auf den bevorstehenden Abend. Die Trennung von ihrem Mann war noch frisch, aber nicht mehr zu frisch, als dass sie die Zeit der Einsamkeit nicht genossen hätte.

Nur das tun, wozu sie Lust hatte, frei, ungebunden. Noch war das ungewohnt, aber es fühlte sich gut an. Es gab natürlich Tage, an denen ihr menschliche Nähe fehlte, aber diesen Gedanken schob Nele ganz schnell beiseite. Sie wollte sich ihren Feierabend nicht verderben.

Die U-Bahn kam pünktlich und war voll, wie immer um diese Uhrzeit. Nele stieg ein und drängelte sich durch die stehenden Menschen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie jemand aufstand, und setzte sich schnell auf den freien Platz.

Glück gehabt, wie so oft, freute sie sich. Sie nahm ihr Buch aus der Tasche und schlug es auf.

Lesen bedeutete für sie totale Entspannung und wenige Minuten später war die Umwelt vergessen. Nein, nicht ganz. Zwischendurch hatte sie so ein Gefühl, beobachtet zu werden. Als sie aber aufblickte und sich umsah, war da niemand.

Sie las weiter, wieder diese Empfindung. War da doch jemand? Vorsichtig drehte sie ihren Kopf, konnte aber wieder nichts Auffälliges feststellen. Kurzzeitig lief ihr Gänsehaut über den Rücken. Das kannte sie sonst gar nicht und zu diesem Zeitpunkt konnte sie nicht wissen, wie vertraut ihr dieses Gänsehautgefühl noch werden würde.

Wahrscheinlich lag das an dem neuen Buch, dachte Nele. Åke Edwardson, 'Der Himmel auf Erden', dieses Buch hatte den Schwedischen Krimi-Preis 2001 erhalten und war jetzt endlich auch in Deutschland erschienen. Es war wirklich spannend. Sie verschlang die Seiten geradezu und bald war ihr Ziel erreicht.

Wenn Nele las, stand sie immer erst auf, wenn die U-Bahn schon fast stand, da sie jede Minute des Buches genießen wollte. Selten stiegen bei ihrer Station viele Leute aus, so war es auch an diesem Tag. Bis auf einen Mann, den Nele nicht kannte, und eine ganz alte Frau mit Gehwagen war niemand zu sehen.

Schnell ging sie auf die Rolltreppe zu, die zum Ausgang führte, denn so richtig wohl fühlte sie sich unter der Erde nicht. Endlich wieder oben. Jetzt noch zehn Minuten und dann wäre das geschafft, dachte Nele.

Der kurze Fußmarsch von der U-Bahn nach Hause hatte ihr wie immer gut getan, obwohl sie diesen Weg eigentlich nicht mochte. Schmale Pfade, viele Büsche, zu viele dunkle Stellen, zu wenige Straßenleuchten. Solange es hell war, nutzte sie diesen Weg. In der dunklen Jahreszeit ging sie ab und zu Umwege, es sei denn, sie war zu müde oder war zu schwer bepackt.

Die Luft war angenehm lau und Nele kam fast ins Schwitzen, so schnell war ihr Schritt. Oftmals sah sie diesen Weg als kurze Laufstrecke an und versuchte, ihren eigenen bisherigen Rekord, fünf Minuten bis nach Hause, zu übertreffen.

An diesem Tag aber nicht, sie ging einfach nur so schnell sie konnte, um endlich die neuen Pumps von den Füßen zu bekommen. Diese drückten inzwischen schon ziemlich unangenehm. Machte aber nichts, die sahen einfach toll aus, der Kauf hatte sich gelohnt, auch wenn sie gerade anfing leicht zu humpeln.

Bei dem Hochhaus angekommen, in dem sie wohnte, war ihre erste Überlegung, zu Fuß nach oben zu gehen, aber der Fahrstuhl war doch zu verlockend. Während sie auf den Fahrstuhl wartete, sah sie nach, ob sie Post bekommen hatte. Nichts, außer Werbung. Auch gut, wenigstens keine Rechnungen dabei, schoss es ihr durch den Kopf.

Eine Nachbarin, die sie schon ewig kannte, kam die Treppen herunter, sie hielten einen kurzen Plausch.

Schön, dass es mitten in einer Großstadt solche vertrauten Momente gab, dachte Nele. Viele interessierten sich nicht füreinander, hier im Haus war es größtenteils anders. Na gut, viele kannten sich eben schon seit Jahren, da lief man normalerweise nicht einfach so aneinander vorbei. Ausnahmen gab es natürlich immer.

Der eine Nachbar von ganz oben zum Beispiel, der grüßte grundsätzlich nicht, guckte aber immer so lüstern. Das war richtig widerlich. Er war kleiner als Nele, kugelrund, mit Brille und schütteren Haaren. Immer wenn Nele ihn sah, trug er den gleichen schmuddeligen Pulli. Wenn der mit am Fahrstuhl wartete, ging Nele grundsätzlich zu Fuß nach oben.

Oder die eine Neue, die sah einen immer nur mit starrem Blick aus kalten blauen Augen an und sagte kein Wort. Die war echt etwas merkwürdig. Ansonsten war die Hausgemeinschaft schon in Ordnung, befand Nele und ging im Kopf die Leute durch, die sie im Hause noch kannte. Weniger inzwischen, wurde ihr auf einmal klar, sie arbeitete ja in Vollzeit, da sah man nicht mehr alle Nachbarn.

Der Fahrstuhl war endlich da und Nele stieg, in Gedanken versunken, ein. Gerne fuhr sie eigentlich nicht damit. Noch schlimmer war es geworden, als der Fahrstuhl umgebaut wurde. Früher konnte man zumindest durch die Etagentüren hinaussehen, wenn man im Fahrstuhl fuhr, inzwischen schob sich eine Extratür von innen vor und man war eingeschlossen in dem kleinen Raum. Bedrückend.

Es war für sie schrecklich, in so einem engen Kasten eingesperrt zu sein. Nichts machen können, ausgeliefert. Das Unwohlsein hatte sich verstärkt, nachdem sie in der Vergangenheit schon damit steckengeblieben war. Kurz nur, aber das hilflose Gefühl hatte sich eingeprägt. Hilflosigkeit ist mit das Schlimmste, dachte Nele.

Wie gut, dass sie keine Ahnung hatte, wie hilflos sie sich bald fühlen sollte.

Dennoch, nach Feierabend wenn sie müde war oder wenn sie viel eingekauft hatte, nutzte Nele den Fahrstuhl oft, wie auch an diesem Tag, wegen der drückenden neuen Schuhe.

Im Fahrstuhl fiel ihr Blick auf einen kleinen gefalteten Zettel, der an dem Tableau für die Aufzugknöpfe eingeklemmt war.

Suche“

stand dort groß und in Rot geschrieben drauf.

Das sprang ins Auge und ihre Neugier war geweckt.

Nele griff wie von selbst nach dem Zettel, faltete ihn auf und las ihn auf dem Weg nach oben.

Auch wenn sie diesen Zettel nicht gelesen hätte, wäre es nicht anders gekommen.

Suche die braunhaarige junge Frau mit Kind, die ich gestern im Bus gesehen habe. Ich bin dir bis zu diesem Haus gefolgt, dann habe ich dich verloren, ich möchte dich kennenlernen.“

Das waren die Worte, in leicht schnörkeliger Handschrift geschrieben.

Nele fing an zu grinsen, da war aber offensichtlich jemand schwer verliebt, und das nur vom Ansehen ging ihr durch den Kopf.

Na ja, sollte diejenige eine Chance bekommen, die gesucht wurde. Nele war weder braunhaarig noch hatte sie Kinder. Sie faltete den Zettel also wieder zusammen und steckte ihn dahin, wo sie ihn hergenommen hatte.

Oben angekommen stieg sie aus dem Fahrstuhl und stand direkt im Treppenhaus. Eine Nachbarin hatte es offensichtlich gut gemeint und dort einige Grünpflanzen neben die Treppe gestellt. Das sah freundlich aus. Vom Treppenhaus bog Nele in den kleinen Flur ein, der zu ihrer Wohnung führte. Sie schloss ihre Wohnungstür auf und seufzte wohlig. Nele liebte es, nach Hause zu kommen.

 

Jetzt konnte der Feierabend beginnen. Die Wohnung war einfach gemütlich. Hell und freundlich eingerichtet, viele Fenster, zum Wohlfühlen eben. Doch gut, dass sie nicht ausgezogen war, als sie sich getrennt hatte.

Also, endlich die Schuhe von den Füßen, am liebsten lief Nele barfuß, und die Arbeitsklamotten gegen bequeme getauscht. So war es schon besser.

Nele war durstig und ging in die Küche, um sich einen Becher grünen Tee zu machen. Damit wollte sie es sich vor dem PC gemütlich machen und zunächst mal ins Internet gehen, dafür hatte sie sich in der Zwischenzeit entschieden.

Als sie auf dem Weg zur Küche an dem Spiegel im Flur entlang ging, sah sie kurz ihr Spiegelbild. Blond, schlank, sportlich, nicht allzu groß. Sommersprossen nicht zu vergessen. Sie war ganz zufrieden mit dem, was sie sah. Das morgendliche Jogging, das sie seit einiger Zeit wieder angefangen hatte, machte sich bezahlt.

Trotzdem, die gesuchte Traumfrau war sie wirklich nicht. Sie grinste leicht vor sich hin und dachte, möge er sie bald gefunden haben. Mit diesem Gedanken und dem Becher in der Hand ging sie in den Arbeitsraum. Nachdem die Entscheidung für das Internet gefallen war, gönnte Nele sich einen ausgiebigen Chatabend.

Dazu musste Sie zunächst das Telefon aus- und das 56k Modem einstöpseln und anstellen. Immerhin hatte sie jetzt ein neueres Modell und konnte schneller surfen und chatten. Das alte 33k Modem war doch echt langsam gewesen, wie sie inzwischen jeden Tag aufs Neue feststellte.

Fortschritt, wie schön, dachte Nele, als sie das Piepsen vom Modem hörte und wie es sich einwählte.

Gleich im ersten Chat traf sie auf Sam, der war immer lustig. Sie hatte sich schon dabei ertappt, wie sie laut lachend vor dem PC saß, wenn sie sich mit ihm austauschte. Zusammen veralberten sie so manchen anderen Chatteilnehmer und amüsierten sich dabei köstlich.

Irgendwann später traf sie im ICQ ihre beste Freundin Emilia. Emilia war so ziemlich das Gegenteil von ihr, groß, sehr kurvig und volle dunkle lange Haare. Eventuell verstanden die beiden sich deshalb vom ersten Augenblick an so gut. Temperament hatten sie aber alle beide, was bei ihnen im Job hilfreich war. Wenn sie zusammen ausgingen, wurde es oft spät und es war immer total lustig.

Nele war ein absoluter PC-Freak und hatte Emilia zu ICQ überredet. ICQ war schon eine feine Sache, sofort konnte man sehen, ob ein Freund online war und sich dann schriftlich austauschen. Die quäkenden Töne, die die Software von sich gab, sobald sich ein ICQ-Fenster öffnete, hatte Nele direkt ausgestellt, die nervten nur.

Telefonieren per ICQ ging auch, aber die Qualität war unglaublich schlecht, deshalb schrieben sich Nele und Emilia meistens. Schreiben mussten sie auch im Job, darin waren sie schnell, es machte ihnen also nichts aus.

Nach einer halben Stunde machten sie eine kurze Pause und holten sich ein Glas Wein dazu. Nele holte sich auch noch schnell ein Handtuch und eine Schüssel mit warmem Wasser und stellte ihre gequälten Füße da rein, das tat gut, dann tauschte sie sich weiterhin ausgiebig mit Emilia aus. Nicht, dass sie sich nicht gerade vorher auf der Arbeit gesehen hätten. Aber in der Zwischenzeit war ja doch wieder einiges passiert.

Nele erzählte Emilia von dem Zettel im Fahrstuhl und sie überlegten gemeinsam, wie diese Geschichte wohl weitergehen würde. Sie waren sich einig. Sie hofften, dass er seine Traumfrau findet. Wobei, wenn sie mit Kind unterwegs gewesen war, war sie wohl eher nicht mehr frei.

Zum Glück war das nicht ihr Problem, darin waren sie sich einig. Wie falsch Nele damit lag, sollte sie bald zu spüren bekommen.

Emilia fragte nach dem nächsten geplanten Tanzabend und wer denn diesmal der Glückliche sei. Ein Thorsten, antwortete Nele, nach Egon und Karsten diesmal ein Thorsten, der auch schon Tanzerfahrung hat. Ein Foto wollte er ihr nicht per Mail schicken, als Erkennungszeichen wollte er eine rote Rose in der Hand halten. Er hatte wohl zu viele alte Spionagefilme geguckt. Er meinte, Nele bräuchte nichts mitzubringen, er würde sie wohl auch so erkennen.

Erst hatte Nele gezögert, dann hatte sie aber zugestimmt. Immerhin hätte sie so den Vorteil, dass sie noch rechtzeitig verschwinden könnte, wenn ihr nicht gefiel, was sie sah.

Nele war wirklich gespannt und hoffe, dass es nicht wieder so ein Reinfall werden würde, wie das letzte Tanzkennenlernen mit Egon.

Mit ihm hatte sie sich eine Weile per Mail ausgetauscht, bevor sie sich in einer Tanzschule zum Kennenlernen verabredeten. Sie wollten reden, sehen ob es passt, aber auch eventuell schon das erste Mal das Tanzbein schwingen. Und dann?

Egon hatte sie die Getränke holen und sogar bezahlen lassen, danach wollte er mit ihr ins Kino gehen, anstatt zu tanzen. Angeblich hatte er sich den Knöchel verstaucht, sie hatte ihn aber von der Tanzschule zum Auto gehen sehen, da war kein Humpeln zu bemerken. Nein, danke! Nele wollte tanzen und zwar nur tanzen.

Der neue Spiderman-Film, der gerade angelaufen war, hätte sie schon gereizt, aber Egon eben nicht. So ein Geizkragen und nach altem Schweiß hatte er gerochen, auch wenn er versucht hatte, das mit „Cool Water“ zu übersprühen. Schon die Erinnerung daran ließ Nele fast würgen.

Inzwischen war das Wasser in der Schüssel kalt geworden und Nele fing an leicht zu frieren. Sie nahm schnell ihre Füße da raus und trocknete sie ab. So war es besser und die Druckstellen merkte sie zum Glück schon gar nicht mehr.

Ein Auge hatte sie immer auf dem Bildschirm gerichtet, wo Emilia gerade ausführlich über ihre neusten Einkäufe berichtete und sich dabei über ihre Figur beklagte.

Nele fand zwar, dass es daran überhaupt nichts auszusetzen gab, aber sah das als ihr Stichwort für einen Themenwechsel an, zumal sie keine Lust hatte, jetzt eine Endlosdiskussion über überschüssige Pfunde anzufangen. Sie fragte Emilia, ob sie nicht zusammen einen Kampfsport machen wollten, sie hatte von Wing Tsun, einer Kampfsportart aus China, gehört. Diese war keine Wettkampfsportart, sondern diente eher der Selbstverteidigung. Beide verabredeten, demnächst ein Probetraining mitzumachen. Das sollte hart sein, aber unglaublich effektiv. Schnelligkeit war gefragt und schnell war Nele schon immer. Hier hatte Emilia bei sich einige Bedenken, aber angucken konnte sie sich das ja mal.

Arbeit klammerten Emilia und Nele bei der Unterhaltung aus, es war ja schließlich Feierabend. Selten, dass sie sich darüber austauschten.

Nele gähnte, dieser Abend war schnell vergangen und sie war wohlig müde, als sie sich hinlegte. Das mochte durchaus mit an dem ungewohnten Glas Weißwein liegen. Sie schlief schnell ein und träumte von einem Zettel, auf dem das Wort „SUCHE“ geschrieben stand. Sie sah im Traum eine Frau, die ein Kind hinter sich herzog und rannte, dann fand sie sich im Fahrstuhl wieder, der sich aber nicht von der Stelle rührte.

Auf einmal kam ein großes Auge auf sie zu. Nele duckte sich weg und fing an zu laufen. Sie rannte immer schneller und schneller, dann kam sie zu einer Tür und musste abrupt bremsen. Sie merkte, wie ein Ruck durch ihren Körper ging, und wachte auf.

Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie noch eine Stunde Zeit hatte, sie drehte sich auf die Seite und schlief weiter.

Beim ersten Klingeln des Weckers verblasste der Traum, die Morgenroutine begann.

Einige Tage später.

Der Zettel mit der Suche war bei Nele schon fast in Vergessenheit geraten, die Erinnerung daran sollte aber an diesem Abend überraschend wieder aufgerüttelt werden.

In der Post fand Nele unter anderem einen Briefumschlag ohne Briefmarke. Er musste also so eingeworfen worden sein, das war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich bewusst. Sie sah nur eine leicht geschnörkelte Schrift, die ihr vage bekannt vorkam.

Oben in der Wohnung machte Nele es sich erst einmal, wie jeden Abend, bequem, dann nahm sie sich ihre Post vor. Als sie den Brief geöffnet hatte, zog sie belustigt die Augenbrauen hoch. Sie hielt eine DIN A5 Seite, handschriftlich beschrieben, in der Hand.

Liebe Alex,

ich weiß jetzt, dass du das im Bus gewesen bist. Ich habe dich da mit deinem Kind gesehen und bin dir vom Bus bis nach Hause gefolgt.

Du hast so schön ausgesehen, ich möchte dich gern kennenlernen.

Bitte, bitte melde dich bei mir, meine Handynummer ist 0151-777328.

Liebe Grüße Ali

Nele überlegte kurz. Das hier war ja einerseits ganz nett, aber richtig mit Sicherheit nicht. Was tun?

Dem Mann muss doch geholfen werden und sei es mit der Information, dass er total falsch liegt, dachte sie sich. Gedacht und zum Telefon gegriffen.

Hätte Nele gewusst was sie damit auslöst, hätte sie niemals zum Telefonhörer gegriffen, sie wusste es aber nicht und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

Das Telefon klingelte, nach kurzer Zeit meldete sich eine männliche Stimme in leicht gebrochenem Deutsch, im Hintergrund waren Kneipengeräusche zu hören.

»Hallo, wer ist da?«

»Hallo, sind Sie Ali?«

»Ja, das bin ich.«

»Hallo Ali, ich habe heute einen Brief von Ihnen bekommen und wollte Ihnen nur sagen, dass ICH nicht die Frau bin, die sie suchen. Ich bin nicht braunhaarig und ich habe kein Kind und ich heiße nicht Alex.«

»Ach so? Aber ich denke doch, dass du Alex bist.«

»Nein, mit Sicherheit nicht. Ich war auch in keinem Bus. Da müssen Sie weiter suchen.«

»Ah, ok, tut mir leid.«

»Kein Problem, ich wollte nur nicht, dass Sie umsonst warten.«

»Gut, danke.«

»Schönen Abend.«

»Danke, auch einen schönen Abend.«

Nele legte auf, erledigt. Sie fühlte sich gut.

Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Nele überlegte, wer wohl jetzt noch anrufen würde und ging ran. Anruferkennung hatte sie noch nicht.

»Hallo?« (Namen nannte Nele, seitdem sie allein wohnte, nicht mehr am Telefon)

»Hallo!« In gebrochenem Deutsch.

»Ja, bitte?«

»Hallo, hast du eben bei mir angerufen?«

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