Geld, Krieg und Macht

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Geld, Krieg und Macht
Font:Smaller АаLarger Aa



Inhalt

Vorwort

I Einleitung

1 Thema: Pensionenunruhen, Gewaltmärkte, Aussenbeziehungen

2 Fragestellung: Fremde Kriege, fremdes Geld und eidgenössische Politik?

3 Forschungsstand zu den Pensionenunruhen

4 Quellen und Methode: Netzwerkanalyse

II Die Pensionenunruhen in Bern, Luzern, Solothurn und Zürich 1513–1516 – Ereignisgeschichte

1 Streit um Mailand und gescheiterte Friedensgespräche – Vorgeschichte

2 Der Könizer Aufstand in Bern

3 Der Zwiebelnkrieg in Luzern

4 Die Unruhen in Solothurn

5 Der Lebkuchenkrieg in Zürich

6 Die Konzessionen der Obrigkeit – Inhalt der Einigungsverträge

7 Zusammenfassung

III Geschäfte mit der militärischen Gewalt – Das Pensionenwesen in der Eidgenossenschaft zur Zeit der Mailänderkriege

1Die eidgenössischen Gewaltmärkte: Krieger als Handelsware

1.1 Die Ökonomisierung fremder Kriege

1.1.1 Instrumente

1.1.2 Strukturen

1.1.3 Beziehungen

1.2 Eidgenössische Pensionenpolitik

1.2.1 Städtische Verbote bis 1516

1.2.2 Der Pensionenbrief von Baden 1503

1.2.2.1 Anfänge einer gemeineidgenössischen Pensionenpolitik

1.2.2.2 Der Pensionenbrief kommt zustande

1.2.2.3 Das Reformprojekt scheitert: Der Beibrief

1.2.2.4 Exkurs: Historiografische Traditionen zum Pensionenbrief

1.2.2.5 Warum der Pensionenbrief zustande kam – Vier Thesen

2Französische Interessenpolitik 1512–1515: Akteure, Handlungsfelder und Verflechtungszusammenhänge

2.1 Pensionennetzwerke

2.1.1 Akteure und Praktiken der französischen Aussenpolitik nach dem Pavierzug

2.1.2 Bern

2.1.3 Luzern

2.1.4 Solothurn

2.1.5 Zürich

2.1.5.1 Lokales Netzwerk 1512/13

2.1.5.2 Personale Verflechtung im Feld 1515

2.1.6 Netzwerkstrukturen

2.2 Ferne Patrons – Praktiken vor Ort

2.2.1 Broker

2.2.2 Rivalitäten

2.2.3 Räume

IV Zusammenfassung und Synthese

1Zusammenfassung

2Pensionennetzwerke als Faktor für die Verdichtung der politischen Macht – Synthese

Anhang

Abkürzungen

Bibliografie

Quellen

Ungedruckte Quellen

Gedruckte Quellen

Literatur

Verzeichnis der Grafiken

Verzeichnis ausgewählter Personen

Vorwort

Das Buch handelt von Söldnern, heimlichen Geldzahlungen und den Verwicklungen der eidgenössischen Orte in die Kriege der Grossmächte in Italien als Söldnerlieferanten. Es basiert auf der Dissertation, welche im Frühlingssemester 2011 unter dem Titel Die Pensionenunruhen 1513–1516. Kriegsgeschäft und Staatsbildung in der Eidgenossenschaft am Beginn der Neuzeit von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern angenommen wurde. Das besondere Augenmerk der Untersuchung liegt auf der Verflechtung der politisch-militärischen Eliten der Eidgenossenschaft mit den Grossmächten Europas. Die engen Beziehungen der eidgenössischen Pensionenherren mit Frankreich, Mailand, dem Kaiser oder dem Papst, welche um Mailand und die Vorherrschaft in Oberitalien rangen, führten zwischen 1513 und 1516 zu massiven Untertanenprotesten in Bern, Luzern, Solothurn und Zürich. Die eidgenössischen Orte, welche von den Kriegsherren als Söldnerlieferanten heftig umworben wurden, sahen sich im Umfeld der Mailänderkriege mit massiven inneren Spannungen konfrontiert. Nach den Schlachten von Novara 1513 und Marignano 1515 traten die Untertanen in Bern, Luzern, Solothurn und Zürich bewaffnet vor ihre Obrigkeiten, denen sie Verrat und Bestechlichkeit vorwarfen. Am Beispiel dieser als Pensionenunruhen bezeichneten Untertanenproteste zeigt die Untersuchung auf, dass die Eidgenossenschaft seit den Burgunderkriegen politisch, ökonomisch und militärisch stark mit dem Ausland vernetzt war. Das enge Beziehungsgeflecht der eidgenössischen Machteliten mit auswärtigen Herren und der Abschluss von Soldallianzen mit den umliegenden Grossmächten – allen voran mit Frankreich – bildeten eine wichtige Grundlage für die eidgenössischen Aussenbeziehungen bis ins 18. Jahrhundert.

Es ist Prof. Dr. André Holenstein, der mein wissenschaftliches Interesse auf diese Thematik gelenkt und mich vor einigen Jahren auf die Pensionenunruhen aufmerksam gemacht hat. Ihm möchte ich dafür danken, dass er die Arbeit mit viel Geduld begleitet und mit vielen inhaltlichen Inputs massgeblich geprägt hat. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Arndt Brendecke, der die Arbeit als Zweitgutachter konstruktiv kritisiert hat. Mein einjähriger Aufenthalt am Sonderforschungsbereich 437 Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen im Rahmen eines Personenförderungsstipendiums des Schweizerischen Nationalfonds ermöglichte mir die Bearbeitung des Themas in einem wissenschaftlich anregenden Umfeld. Für die freundliche Aufnahme in die Oberseminarien des Fachbereichs Geschichtswissenschaft an der Universität Tübingen danke ich Prof. Dr. Anton Schindling und Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Langewiesche. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abteilung für ältere Schweizer Geschichte des Historischen Instituts der Universität Bern waren stets aufmerksame Zuhörer und wohlwollende Kritiker. Ich danke an dieser Stelle besonders Prof. Dr. Andreas Würgler, Prof. Dr. Heinrich R.Schmidt, Dr. Daniel Schläppi und MA Sarah Rindlisbacher.

Ohne die grosszügige finanzielle Unterstützung durch die Burgermeinde Bern, den Friedrich-Emil-Welti-Fonds und den Schweizerischen Nationalfonds wäre eine Publikation dieses Buches nicht möglich gewesen. Ihnen bin ich zu grossem Dank verpflichtet. Mein Dank gilt auch Dr. Bruno Meier vom Verlag Hier und Jetzt, der sich dazu bereit erklärt hat, die Arbeit zu publizieren. Für die kritische Durchsicht eines frühen Manuskripts danke ich Martin Fries und Sara Steffen für das sorgfältige Lektorat.

Meiner Partnerin Susanne Fleischli, die mich stets darin bestärkt hat, meine bisweilen zeitaufwendigen historischen Studien fortzuführen, gilt mein Dank ganz besonders. Ihr und unseren drei Kindern Anna, Paula und Linus ist dieses Buch gewidmet.

 

Niederscherli, im Frühling 2015

Philippe Rogger

I Einleitung

1 Thema: Pensionenunruhen, Gewaltmärkte, Aussenbeziehungen

Das 16. Jahrhundert begann unruhig in der Eidgenossenschaft. Der Berner Chronist Valerius Anshelm berichtet sehr lebendig davon, wie angespannt die Stimmung im Umfeld der Mailänderkriege war.

«Wie wol nun ein from, loblich Eidgnoschaft durch den herlichen, gwaltigen sig, zu(o) Nowara gewunnen, gegen allen iren pundsverwanten hat ir glu(e)k, lob, êr und nammen ganz wider ufgericht und gestelt, so erhu(o)b sich doch ein unwiderbringlich ungfa(e)l, namlich anheimsche ufru(o)r, […] wie der merteil ufru(o)ren entstond uss der obren und ra(e)ten zwitracht, kib und blast, zu(o) der zit bi Eidgnossen zu(o) Bern und in andren orten, uss heimschs gwalts und fro(e)mds gelts gitikeit fu(e)rnemlich erwachsen, und so wit ufgetriben, dass der sak mu(o)st einmal zerrissen, und der hizig wind ein ungestu(e)eme windsbrut ufwirblen und hurren.»1

Nur wenige Tage nach dem Zusammenstoss der Eidgenossen mit Frankreich in der Schlacht von Novara am 6. Juni 1513 erhoben sich die Untertanen in Bern (Könizer Aufstand), Luzern (Zwiebelnkrieg) und Solothurn und zogen bewaffnet vor die Tore ihrer Hauptstädte.2 In Zürich waren die Untertanen ebenfalls unruhig, doch gelang es dem Zürcher Rat, die Situation vorerst zu entschärfen. Nach der Niederlage der eidgenössischen Kontingente in Marignano im September 1515 und den darauf folgenden Bündnisverhandlungen mit dem französischen König und dem römisch-deutschen Kaiser zogen allerdings auch die Zürcher Untertanen vor ihre Hauptstadt (Lebkuchenkrieg).

Diese in der Historiografie als Bauernbewegung, 3 Schweizer Bauernkrieg4 oder Pensionenunruhen5 bezeichneten Unruhen lassen sich in eine lange Reihe von Konflikten zwischen Obrigkeiten und Untertanen auf eidgenössischem Gebiet in der Vormoderne einordnen.6 Untertanenproteste stellen gewissermassen ein «Grundproblem der Alten Eidgenossenschaft» dar.7 Im Unterschied zu anderen Aufständen im 15. und frühen 16. Jahrhundert zeichnen sich die Pensionenunruhen jedoch durch einen starken aussenpolitischen Bezug aus. Die Aufstände zwischen 1513 und 1516 sind eng mit der Machtpolitik der städtischen Obrigkeiten in den Mailänderkriegen (1494–1516) und dem um 1500 aufblühenden Sold- und Pensionenwesen verknüpft. Sie entstanden, wie Anshelm im Eingangszitat sagte, «uss der obren und ra(e)ten zwitracht» und «uss heimschs gwalts und fro(e)mds gelts gitikeit». Parteiung und Geldgier innerhalb der eidgenössischen Elite waren nach Meinung dieses scharfen Beobachters die Hauptursachen für die Konflikte. Dieser Zusammenhang wird etwa auch in der Chronik des Zürchers Hans Füssli deutlich.

«Wie bald nun alle zeichen der eidgnossen von nawarien wider heim kamend, da kond der verlurst zu(o) nawarien (der glychen in manß tenken nit mer geho(e)rt begegnet syn den eidgnossen) den gmeinen man nie gnu(o)g verruwen, vermeintend och, daß sy nit den minsten teil ireß verlurstß von den tütschen frantzosen hetind, namlich von denen, die vornaher dem frantzosen groß gu(o)t an iargelt, pensionen vnd schenkungen abgenomen hatend, die hetind vilicht jetz zu(o) mal mee trurenß vnd mitlydenß mit dem frantzosen dan mit den eidgnossen.»8

Das Missfallen der Untertanen richtete sich 1513 gegen die «tütschen frantzosen», also gegen diejenigen Ratsherren, welche von Frankreich «groß gu(o)t an iargelt, pensionen vnd schenkungen» erhalten hatten. Im Zitat Füsslis lässt sich somit der Vorwurf an die «deutschen Franzosen» erkennen, sich mit Frankreich, mit dem man sich im Krieg befand, verbündet zu haben. Feldflüchtige Knechte sollen, wie Anshelm vermerkt, noch während der Schlacht ausgerufen haben: «Alles verraten und verloren!»9 Eine vergleichbare Konfliktkonstellation und der Vorwurf des Verrats zeigten sich zwei Jahre später auch im Zürcher Lebkuchenkrieg. Auch dort zielte der Untertanenprotest gegen die französischen «pensioner».10 Was aber ist unter diesem Begriff Pensionär beziehungsweise Pensionen zu verstehen?

Die ursprünglich kirchenrechtliche Verwendung des Begriffs der Pension als Recht, die Erträge eines Benefiziums zu beziehen, erfuhr im Spätmittelalter einen Bedeutungswandel und fand seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Eingang in den weltlichen Kontext. «Pensionen sind im Sprachgebrauch vom Ende des 15. Jahrhunderts an», so die Definition von Valentin Groebner, «offizielle (wenn auch oft vertraulich gehandhabte), regelmässige und in fester Vertragsform vereinbarte Zahlungen von auswärtigen Höfen an Einzelpersonen, Amtsleute, Räte und politische Körperschaften.»11 Für die Zeitgenossen um 1500 war die Begrifflichkeit dieser Transaktionen weitaus diffuser, als dies moderne Definitionen suggerieren. Dies zeigt nicht nur das Zitat von Füssli, sondern etwa auch der Zürcher Mailänderbrief von 1516. In diesem Einigungsvertrag zwischen Obrigkeiten und Aufständischen ist die Rede von «pension, provision, gnad, dienstgelt, miet, gab noch schenki, wie das namen haben möcht».12 In der Eidgenossenschaft sind solche Zahlungen von Fürsten und Königen an die eidgenössischen Eliten erstmals im Zusammenhang mit den Bündnissen gegen Karl den Kühnen belegt.13 Nach den Burgunderkriegen gewannen diese Transfers an Bedeutung, da sich die eidgenössischen Orte nach den spektakulären Siegen in Grandson, Murten und Nancy 1476–1477 zu wichtigen Rekrutierungsmärkten für Söldner entwickelten. Seither floss sehr viel Geld ins Land.14

«Sowohl als öffentliche, an offizielle Kassen bezahlte wie als geheime, an Einzelpersonen entrichtete Pensionen zielten sie darauf ab, politische Entscheidungen zu beeinflussen und den ausländischen Kriegsherren den Zugang zu den begehrten eidgenössischen Söldnern zu sichern.»15

Diese Gelder wurden als Anerkennung für geleistete Dienste und in der Erwartung künftiger Verbindlichkeiten wie Gesandten- oder Vermittlertätigkeit, Mithilfe beim Abschluss von Bündnissen, einer allgemeinen Gewogenheit oder für die Stellung von Söldnern entrichtet.16 Gelang es kriegführenden Parteien nicht, eine Soldallianz mit den Orten abzuschliessen, war schon viel erreicht, wenn diese nicht dem Gegner zuliefen.17 Der Zusammenhang zwischen der gesteigerten Nachfrage nach eidgenössischen Söldnern und dem Aufkommen des Pensionenwesens ist eng.18

Um 1500 entwickelte sich der Reislauf zu einem Massenphänomen. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts zogen zwischen 50 000 und 100 000 Eidgenossen in die Dienste fremder Kriegsherren, im 16. Jahrhundert waren es bereits gegen 400 000. Für grosse Bevölkerungskreise stellte der Reislauf einen attraktiven Zusatzverdienst dar, obwohl der Einsatz als Söldner für sie und ihre Familien mit hohen Risiken behaftet war. Aufgrund des zunehmenden Bevölkerungsdrucks war die temporäre Auswanderung in Form von Solddienst nicht nur politisch wünschbar, sondern auch wirtschaftlich notwendig (Stettler). Insbesondere die Umstellung im Alpengebiet auf Viehwirtschaft setzte in grösserem Umfang Arbeitskräfte frei.19 Für die hohe Nachfrage nach eidgenössischen Söldnern um 1500 dagegen sind verschiedene Faktoren anzuführen, von denen an dieser Stelle nur die wichtigsten genannt werden sollen. Aufgrund der Ausbildung und Verfestigung grosser territorialer Machtkomplexe europäischer Fürsten und Könige nahm die Nachfrage nach Söldnern zur Verstärkung ihrer regulären Heere stark zu.20 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur die taktische Überlegenheit der mit Spiessen und Hellebarden bewaffneten eidgenössischen Gevierthaufen hervorgehoben. Die eidgenössische Kampfweise, welche sich gegenüber den mittelalterlichen Ritterheeren als überlegen erwies, wurde zum Vorbild. Deutsche und italienische Heere haben sie übernommen.21 Die eidgenössischen Knechte hatten ausserdem den Vorteil, dass sie jederzeit in genügender Anzahl verfügbar und vor allem rasch an den jeweiligen Kriegsschauplätzen einsetzbar waren.22 Betrachtet man die geografische Lage der grossen Konfliktherde an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, zeigt sich, dass sich diese oft in direkter Nachbarschaft zur Eidgenossenschaft befanden. So grenzten die Freigrafschaft Burgund oder auch Mailand unmittelbar an eidgenössisches Gebiet. Die Möglichkeit, schnell auf den brennenden Kriegsschauplätzen anwesend zu sein, verschaffte den eidgenössischen Knechten gegenüber den Söldnern aus der europäischen Peripherie wie Irland, Schottland oder Böhmen zweifelsohne einen Wettbewerbsvorteil. Zudem musste den königlichen und fürstlichen Kriegsherren auch daran gelegen sein, die Alpenpässe für Truppenverschiebungen nutzen beziehungsweise den militärischen Alpentransit für feindliche Heere sperren zu können.

«Die Söldner und die Pässe waren das Kapital der Eidgenossen.»23

Obwohl die Dienste der eidgenössischen Knechte im Vergleich etwa zu den deutschen Landsknechten vergleichsweise teuer waren, tat dies der grossen Nachfrage keinen Abbruch.24 Um 1500 war die Bündnispolitik der Eidgenossenschaft mithin entscheidend für Erfolg und Misserfolg der rivalisierenden Dynasten.25 Insbesondere Frankreich, das seine Machtansprüche in Neapel und in der Lombardei seit 1494 auch militärisch geltend machte, versuchte mit der Zahlung von Pensionen an die eidgenössischen Orte und an ihre politischen Führungsgruppen, die Politik zu seinen Gunsten zu beeinflussen und sich den Zugang auf die eidgenössischen Gewaltmärkte vertraglich zusichern zu lassen. Soldallianzen regelten die Modalitäten der Sold- und Pensionenzahlungen und legten unter anderem die genaue militärische Hilfeleistung fest. Details der Söldnerrekrutierung wurden fallweise in den sogenannten Kapitulationen festgehalten. Bei diesen Kapitulationen handelt es sich um Werbelizenzverträge, die von der Obrigkeit bewilligt werden mussten.26 Mit den Allianzen gingen auch politische und wirtschaftliche Absprachen einher, von denen die Eidgenossenschaft ökonomisch und politisch profitierte.27 Im Zuge der Burgunder- und Mailänderkriege entwickelten sich die Orte zu bedeutenden Rekrutierungsmärkten für Söldner und wurden somit zu Söldnerlandschaften, 28 wobei es sich jedoch nicht um offene Märkte oder Freihandelszonen handelte, zu denen alle Interessenten Zugang hatten.29 Im Unterschied zum Gewaltmarktbegriff Georg Elwerts, den er in den 1990er-Jahren am Beispiel von Räumen ohne Gewaltmonopol (er untersuchte moderne Bürgerkriege, Kriegsherrensysteme und Räubertum in afrikanischen Gesellschaften) entwickelt hatte, war der Gebrauch der militärischen Gewalt auf den eidgenössischen Gewaltmärkten in der frühen Neuzeit begrenzt und das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage nach den Interessen der Obrigkeiten und Kriegsherren ausgerichtet und reglementiert.30 Mit dem Instrument der Soldallianzen sollten die Söldnerströme kanalisiert und mit Reislaufverboten der freie Reislauf verhindert werden. Mit diesen Massnahmen versuchten die eidgenössischen Obrigkeiten, sich als Solddienstanbieter gegenüber anderen, «privaten» Militärunternehmern auf den eidgenössischen Gewaltmärkten durchzusetzen. Es ist ein signifikantes Merkmal der eidgenössischen Gewaltmärkte, dass die Obrigkeiten in den Orten durch die Soldallianzen eine ähnliche Position einnahmen «wie die grossen deutschen Kriegsunternehmer, die den Herrschern ganze Regimenter und Armeen zur Verfügung stellten.»31 Allerdings fanden die regulatorischen Massnahmen der Orte nicht immer Beachtung, weil die Reisläufer – also jene Eidgenossen, die für die fremden Mächte gegen Sold in den Krieg zogen (mittelhochdeutsch: in «die reis louffen») – häufig ohne Rücksicht auf bestehende Bündnisverpflichtungen oder Reislaufverbote dort ihren Dienst leisteten, wo die Aussicht auf Gewinn (Sold und Beute) am grössten war. 32

Die wirtschaftlichen Interessen der damaligen Eliten am Solddienst und an den Pensionen waren fundamental für die Praktiken der Aussenbeziehungen. Denn die Söldnerrekrutierung in der Eidgenossenschaft fand auf grenzüberschreitenden Patronagemärkten statt.33 Die königlichen oder fürstlichen Patrons verfügten in der Eidgenossenschaft, wie schon angedeutet, über Beziehungsnetze, bestehend aus Politikern, Söldnerführern und anderen lokalen Agenten, welche die Politik zu ihren Gunsten beeinflussen sollten. Pensionen sind somit auch Ausdruck asymmetrischer Aussenbeziehungen. Durch die Untersuchung der Vorgänge im Umfeld der Pensionenunruhen wird das konkrete Handeln von einzelnen Personen und sozialen Gruppen in grenzüberschreitenden Beziehungen fassbar.34 Die Prozesse im Nachgang der Unruhen verdeutlichen das Ausmass der Verflechtung der eidgenössischen Eliten mit fremden Mächten und den hohen Stellenwert der Patronage in der diplomatischen Praxis um 1500. Ausserhalb des eidgenössischen Kontexts ist die fürstliche Praxis des Pensionengebens jedoch kaum erforscht. Dieser Umstand ist insofern überraschend, als bereits Jean Bodin in Les six livres de la République (Paris 1583) die Bedeutung von finanziellen Mitteln (Tributzahlungen und Pensionen) für die Ausgestaltung der frühneuzeitlichen Aussenbeziehungen betont hatte.35

 

Die Verflechtung und die multiplen Loyalitäten der eidgenössischen Magistraten, welche für die Interessen Frankreichs, des Papsts oder des römisch-deutschen Kaisers Politik betrieben, bargen jedoch ein hohes Konfliktpotenzial. Spätestens im Jahr 1500 wurden die Risiken der politisch-militärischen Verwicklung der Eidgenossen in Italien offenkundig, als sich in Novara gleichzeitig eidgenössische Kontingente in den feindlichen Heeren befanden (Verrat von Novara). Im Verlauf der Mailänderkriege wurden die eidgenössischen Orte, so die Beurteilung von André Holenstein, «mit finanziellen, militärischen und auch sozialpsychologischen Folgen einer Grossmachtpolitik konfrontiert, die letztlich die Tragfähigkeit der politischen Verfassung der Eidgenossenschaft und ihrer einzelnen Glieder überforderte.»36 Die Diskrepanz zwischen der militärischen Potenz einerseits und der Unfähigkeit der Orte andererseits, eine kohärente gemeinsame Aussenpolitik zu verfolgen, wurde nach der Vertreibung der Franzosen aus der Lombardei 1512 (Pavierzug) besonders deutlich.

«Komplexe, divergierende Interessenlagen bei Obrigkeiten wie Untertanen führten dazu, dass sich das äussere militärisch-diplomatische Engagement der Orte massiv in inneren Spannungen manifestierte.»37

Das Sold- und Pensionenwesen als Ursache dieser Spannungen sind in der Historiografie sehr unterschiedlich beurteilt worden. Ähnlich disparat fallen die Erklärungen zu den Pensionenunruhen aus.