Buch lesen: «Schule aus, Neuseeland ruft 2.»
2. Auflage | Philip Raillon |
SCHULE AUS, NEUSEELAND RUFT
Work & Travel am schönsten Ende der Welt
IMPRESSUM
Schule aus, Neuseeland ruft
Work & Travel am schönsten Ende der Welt
Philip Raillon
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
© 2. Auflage 2018 | 360° medien gbr mettmann | Nachtigallenweg 1 | 40822 Mettmann
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Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.
Redaktion und Lektorat: Andreas Walter
Satz und Layout: Serpil Sevim-Haase
2. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2018
Bildnachweis:
Alle Bilder von Philip Raillon außer: Titel (unten), S. 330 (unten): Maria Gleichmann; S. 6 und 7: Maps4News; S. 17: Maurice Reinhard; S. 81: Marcel Hainke; S. 121: Jeff Bryan; S. 168: Blake Hamilton; S. 170: Aljeandro Leiva; S. 173, S. 175 (oben): Jean Ravau; S. 187 Clemens Post; S. 189 (unten): AJ Hackett Bungy; S. 226, S. 227: Adam Prest; S. 254: Rafting New Zealand; S. 273, S. 283: Julius Reh; S. 330 (oben): Vanessa Gutthardt; S. 325 (unten), S. 331, S. 332: Jonas Beyrer; Rückseite: Barbara Zabka.
ISBN: 978-3-947164-23-3
Hergestellt in Deutschland
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Widmung
Reisevorbereitung
Am Anfang Australien
Erste Schritte im schönsten Land unseres Planeten
Top und Flop: Wwoofing in Little River und Waimate
Tekapo, Aoraki/Mount Cook und Twizel: Richtung Cromwell
Wwoofing in Cromwell
Sonne im Regenwald: Fiordland mal anders
Die Süd-Nord-Traverse in nur vier Tagen
Wald und Strand am Mittelpunkt des Landes: Golden Bay und Nelson
Regen, Meer, Sturm: Die einsame Westküste
Zwischen Reben und heiliger Erde
Freizeit in Cromwell
Wundersame Wochenendreisen
„Tschüss“ oder „Auf Wiedersehen“ – Abschied aus Cromwell
Die „Fjorde“ des südlichen Nordens
Von der Hauptstadt gen Norden
1200 Höhenmeter, zwanzig Kilometer, zehn Stunden
Wildes Wasser zwischen mächtigen Vulkanen
Verwunschener Regenwald und traumhafter See – Lake Waikaremoana
Schwefeldunst und prächtiges Farbenspiel: Rotorua
Bay of Plenty und gelber Qualm auf White Island
Weite Strände, blaues Meer: Coromandel
Auckland – Good Bye Eddie!
Vier Personen, fünf Tage, 1000 Kilometer: Northland
Zurück in den Alltag
Danke
Vorwort
Der letzte Schultag ist vorbei! Nie mehr das Pausengeschrei der jüngeren Schüler ertragen, nie mehr in den stickigen Klassenräumen vor sich hin fristen, nie mehr Hausaufgaben – endlich frei. Die große weite Welt steht mir offen, jetzt kann es losgehen!
So denken wohl viele, wenn sie ihre Schulzeit beendet haben – also werden Reiseführer gewälzt, die Koffer gepackt und in die verschiedensten Länder der Welt gereist. Denn unsere Erde war wohl gefühlt noch nie so klein wie im 21. Jahrhundert. Was sind Entfernungen schon mit dem Flugzeug? Die Preise sind nicht günstig, aber mit ein wenig gutem Wille stemmbar. Und doch begrenzen sich die allermeisten von uns Schulabgängern auf eine Reise von wenigen Wochen. Warum? Für ein Jahr auf eigene Faust ins Ausland – das trauen sich meist wenn überhaupt diejenigen, die nicht wissen, was als nächstes kommen soll. Ausbildung oder Studium? Welche Fachrichtung, welcher Ort? Vor diesen Fragen stehen viele, aber den Mut in ein Work & Travel-Abenteuer zu starten, haben dann doch nur wenige. Einige andere sind in der glücklichen Situation, bereits einen Plan für den weiteren Weg zu haben – also nichts wie zur Uni. Die Karriere kann schließlich nicht warten. Nach der ersten Euphorie sind die Hörsäle dann doch wieder stickig, die Klausuren stressig und die Kurzurlaube mehr oder weniger öde. Egal, schließlich ist uns während der Schulzeit oft genug erklärt worden, wie wichtig es doch ist, dass es schnell weitergeht! Karriere eben. Ich selbst zählte auch zu Letzterem: Nach dem Abitur für einige Wochen Reisen, vielleicht Asien, vielleicht Europa. Und dann ab zur Uni, Jura soll es schließlich werden.
Im Nachhinein ist mir klar, was für ein Glück ich hatte, dass meine Freundin, Maria Gleichmann, vorschlug, mit ihr Work & Travel zu machen. Zunächst war ich überrascht, und zugegebenermaßen war mir auch etwas mulmig zumute: Was wird aus meinen Schulzeit-Freunden in Witten? Schaffe ich so etwas überhaupt finanziell? Mehrere Monate ohne meine Familie? Was ist mit meiner doch so wichtigen Karriere? Und was ist, wenn ich im Ausland keinen Job finde? Oder Maria und ich uns im Ausland nicht verstehen? Einen längeren Aufenthalt als Auslandssemester oder nach dem Studium gerne, aber nach dem Abi …?
Ich habe es letztlich gewagt, habe mich überwunden. Aus der ursprünglichen Idee, einige Wochen zu reisen, wurden 181 Tage, sechs Monate – die meiste Zeit davon in Neuseeland. Dem Land, von dem ich vorher eigentlich überhaupt keine Notiz genommen hatte. Ich kann nur sagen: Es hat sich gelohnt! Was habe ich alles erlebt? Wie viele lehrreiche Erfahrungen habe ich gesammelt? Wie viele Menschen habe ich kennen und schätzen gelernt? Das alles steht auf den folgenden Seiten – auf Seiten, die ein Beispiel für ein erfolgreiches Work & Travel-Erlebnis in einem der (vielleicht sogar dem) schönsten Land dieser Welt sind. Auf Seiten, die euch, liebe Leser, dazu aufmuntern sollen, das Gleiche zu wagen: Geht raus in die Welt, nutzt die Zeit nach Schule (, Ausbildung oder Studium) und entdeckt fremde Länder, Kulturen und vor allem euch selbst – es lohnt sich bestimmt!
Ach ja, fast hätte ich es vergessen, da war ja noch etwas: Nach meiner Rückkehr habe ich mich natürlich an meine „Karriere“ gemacht … Jura ist es geworden. Seitdem frage ich mich immer wieder vor allem eines: Warum hast du den Hörsaal nur ein halbes Jahr lang warten lassen und nicht länger? Naja, das Auslandssemester kommt bestimmt. Und ich weiß jetzt für mich persönlich, dass es Wichtigeres gibt als nur Karriere. Lebensfreude! Aber das findet ihr am besten selbst raus. Und jetzt: Viel Spaß beim Lesen meines Reiseabenteuers.
Philip Raillon
„Für die Menschen, die mir offenherzig und engagiert geholfen haben.
Für diejenigen, die uns ohne eigenen Nutzen unterstützt haben und diese Reise zu dem gemacht haben, was sie war.
In Gedenken an meine Tante Andrea Hasler, verstorben im Juli 2013, und meine Großeltern, Inge und Arthur Raillon, die im April 2001 verstarben.
Sie prägten mich in meiner Kindheit und hätten das Erscheinen dieses Buches sicherlich gerne erlebt.“
Reisevorbereitung
Unerlässlich: Equipment, Infos, Flugtickets, …
Reisevorbereitung
Zunächst müssen wir uns für ein Ziel entscheiden. Eine Weltreise mit vorherigem Geldverdienen in Deutschland ist keine Option, da Maria ihr Englisch verbessern und lieber lange Zeit im selben Land bleiben möchte. Kanada steht ganz oben auf der Liste, allerdings hören wir schon bald, dass Work & Travel dort noch nicht allzu tief in der Gesellschaft integriert ist und es daher schwer ist, wie ein Wanderarbeiter zu reisen. Außerdem ist es in unserer angepeilten Reisezeit – von August bis Februar, denn zum Sommersemester soll es für mich dann endlich an die Uni gehen – dort bitterkalt. In Australien wollen wir beide nur ungern die gesamte Zeit verbringen, da dort viele deutsche Jugendliche ihre Work & Travel-Erfahrungen machen, es sehr heiß wird und das Land gigantisch ist. Maria drängt von vorneherein auf einen anderen Staat: Neuseeland. Im Gegensatz zu mir hatte sie schon viel von den beiden Inseln gehört. Ihre Schwester und ihr Cousin waren bereits während der Schulzeit dort und hatten entsprechend berichtet. Wir entscheiden uns also, den Großteil der Reise im Kiwi-Staat zu verbringen. Lediglich zwei Wochen wollen wir vorab im Flächenland Australien stoppen, und auf dem Rückflug bleiben wir einige Nächte in Bangkok. Zur Sicherheit buchen wir Flüge, die wir auch getrennt voneinander stornieren oder umbuchen können – man weiß ja nie. Die Gefahr, dass wir die Reise zwar zu zweit beginnen, aber allein beenden, wird uns vor allem von unseren Freunden immer wieder vor Augen gehalten. Doch wir selbst gehen optimistisch an die Sache und merken schon bald, dass unsere Vorstellungen eigentlich nahezu identisch sind.
Der Erwerb des neuseeländischen Working-Holiday-Visums ist für deutsche Staatsbürger dank bilateraler Abkommen keine große Hürde. Wenn man einmal die Fragen zum Vorstrafenregister und zu Krankheiten beantwortet hat, sendet man die Onlinebewerbung ab, zahlt die 165 Dollar per Kreditkarte und kann sich nach dem Ausdrucken der nötigen Zettel für die Einreise theoretisch schon auf den Weg machen. Wenn man dann allerdings nicht sofort das Visum ausdruckt und seine Internet-Zugangsdaten vergisst, so wie ich, der kann dann kostengünstig schon einmal seine Englischkenntnisse testen. In einem längeren Gespräch mit der entsprechenden Behörde in Neuseeland musste ich meine Zugangsdaten erfragen, aber selbst die Callcenter-Kiwis sind schon freundlich. Die Vorfreude steigt!
Der Rucksack ist für Backpacker unerlässlich. Natürlich muss auch ich einen haben – überraschenderweise erweist er sich im Laufe der Monate tatsächlich noch als nützlich. Nachdem ich mehrere getestet habe, entscheide ich mich für einen schwarz-grauen 70-Liter-Rucksack, damit ich wenigstens annähernd alle Klamotten mitnehmen kann. Außerdem gibt es im Trekking-Laden gleich noch neue Wanderschuhe, Camping-Handtücher, eine Taschenlampe und einen neuen Schlafsack. „Wir sind ja hauptsächlich im Sommer unterwegs – da reichen acht Grad als Optimal-Temperatur des Schlafsacks“ sage ich damals noch zu meinen Eltern – denkste …!
Mit auf die Reise nehme ich auch eine gute Mischung aus Funktionskleidung, Arbeitsklamotten und Straßenoutfit – wobei klar ist, dass diese Kleidungsstücke in den nächsten Monaten verschlissen werden. Nichtsdestotrotz habe ich im Laufe der Zeit alle Pullis, T-Shirts und Hosen gut gebrauchen können. Gemäß dem Zwiebel-Prinzip habe ich gerade in den ersten, kalten Wochen vieles übereinander getragen.
Natürlich darf neben wichtigen Dokumenten, dem Taschenmesser und einigen nützlichen Kleinigkeiten (Wäscheleine, Klebeband, …) auch das technische Equipment nicht fehlen: Obwohl ich bei Abreise von diesem Buchprojekt noch nichts weiß, packe ich meine Kamera, ein Stativ und meinen Laptop ein.
Erfreulicherweise greifen mir meine Eltern bei Fragen wie der Krankenversicherung unter die Arme. Die nötigen 4000 Dollar Absicherung muss ich aber dennoch größtenteils allein auf mein Konto bringen. Einen nötigen Kontoauszug, der die 4000 Dollar (etwa 2400 Euro) bestätigt, soll man bei der Einreise bei sich haben. Hatte ich auch – interessiert hat sich dafür allerdings niemand.
Noch wichtiger als all diese Dinge war aber die wirkliche Vorbereitung. So haben wir uns schon in Deutschland mit einigem technischen Wissen für einen späteren Autokauf gewappnet, haben bereits die Auto- und Job-Internetseiten durchforstet und erste Kontakte nach Neuseeland geknüpft: Bei uns stellte sich heraus, dass im Familien- und Freundeskreis eigentlich immer jemand schon mal am anderen Ende der Welt in Neuseeland war. Insgesamt haben wir auf diesem Wege vier Familien in der Ferne ausfindig machen können und nach einigen Mails hatten wir so schon die ersten Anlaufpunkte. Gerade für die innere Ruhe sind solche festen Kontakte von Vorteil – und geben ganz davon ab auch einen Eindruck, was einen erwartet: freundliche und offene Menschen.
In den letzten Tagen, bevor es losgeht, steigt die Spannung: Geld wechseln, Rucksack packen, Freunde ein letztes Mal treffen. Noch einmal die besten Gerichte der persönlichen Lieblingsspeisekarte durchgehen. Von Maria sehe ich in diesen Tagen wenig. Wir machen uns rar – absichtlich. Schließlich dürfen und wollen wir die nächsten sechs Monate zusammen verbringen.
Am Anfang Australien
Die Richtung stimmt schon mal: Irgendwo dahinten liegt Neuseeland.
Am Anfang Australien
Good Bye Deutschland!
Ich schleppe meinen Rucksack die Treppe hinunter, greife meine Jacke und stürme zum Auto. Meine Mutter und mein Bruder warten schon, Vater kommt hinterher geeilt. Wir sind spät dran – in drei Stunden geht der Flug. Alles dabei? Nichts vergessen? Hoffentlich nicht. Auf Richtung Düsseldorf International Airport, von wo aus am Abend des 13. August 2013 unser Flieger zunächst Richtung Australien startet.
Am Flughafen treffen wir eine nervöse Maria samt Familie. Ich bin – vermeintlich cool – relativ gelassen. Wir schnüren unsere Rucksackriemen zusammen und checken ein. Fünfundvierzig Minuten noch, bis wir im Sicherheitsbereich verschwinden müssen. Mir gehen die oberflächlichen Gespräche und die gutgemeinten Tipps schnell auf den Geist. Letztlich kommt der Moment des Abschieds ja doch – wir sagen unseren Familien „Tschüss! Bis in sechs Monaten“, gehen durch die Sicherheitskontrolle und zeigen unsere quasi druckfrischen Reisepässe.
Ready for take-off?
Unser Emirates-Flieger startet bei Sonnenuntergang um 21 Uhr nach Dubai.
Nach 26 Stunden Reise mit einem kurzen Zwischenstopp im arabischen Emirat klappt die Boeing ihr Fahrwerk aus und setzt auf australischem Boden in Sydney auf. Es ist frühmorgens, meinem Gefühl nach eher spätabends. Der Jetlag hat mich schon jetzt voll im Griff – eines der unangenehmsten Gefühle. Wir wanken im Halbschlaf durch den Flughafen und gehen zum Bahnsteig. Immerhin ist unseren Rucksäcken nichts passiert. Die Fahrt mit dem Zug ist in Australien teuer, sehr teuer sogar. Maria und ich wollen zum Circular Quay, direkt am Hafen zwischen Opera House und Harbour Bridge, wo wir uns mit einem meiner Freunde treffen. Maurice kommt auch aus Witten, ist aber momentan bei Verwandtschaft in Sydney. Die Sonne blendet, der Himmel strahlt tief blau und es sind knapp zwanzig Grad. Willkommen im australischen Winter. Wir treffen Maurice am Fährableger – groß ist die Freude: Wie oft hatten Maurice und ich davon geredet, uns in Sydney zu treffen? Endlich hat es geklappt. Wir sitzen auf der Mauer am Hafen, in meiner Erinnerung sind kaum Menschen unterwegs und das in der Woche an einem Vormittag. Wir steigen auf die Personenfähre Richtung Manly, einem sehr entspannten Stadtteils Sydneys. Der Wind weht uns durch die Haare, der Dieselmotor schleudert seinen Qualm gen Ozonloch über uns. Ganz dicht fahren wir an den weißen Bögen des Opernhauses vorbei, die Harbour Bridge schwingt sich über den Hafeneingang rechts von uns. Wie oft habe ich diese Bauwerke auf Fotos und in Filmen gesehen? Jetzt bin ich so nah dran und geistig doch so weit weg: in meiner benommenen Übermüdungs-Welt.
Jet Lag? Egal! Foto-Zeit!
Eine Woche haben wir in Sydney, verbringen diese Zeit mit Maurice, einer weiteren Bekannten aus Witten, Leonie, und zwei guten Freundinnen von Maria, Sophia und Marie. Alle vier sind zufällig zurzeit auch am anderen Ende der Welt, so dass es sich anbietet, die Stadt der goldenen Strände gemeinsam zu erkunden. Am ersten Tag sind wir um elf Uhr im Zentrum verabredet. Maria und ich dürfen bei Bekannten schlafen, die in einem nördlichen Vorort wohnen: Newport ist etwa anderthalb Stunden Busfahrt von der Innenstadt entfernt. An unserem ersten Tag klingeln unsere Freunde uns per Handy um 13 Uhr aus den Federn – wir haben komplett verschlafen. Sydney ist groß, eine Weltstadt und bietet neben häufig gutem Wetter (wir sehen in diesen Tagen keine Wolke) wunderbare Strände. Ein Hingucker sind natürlich die bekannten Sehenswürdigkeiten: Harbour Bridge, Opera House und Diamond Harbour. Auch der botanische Garten, die Einkaufsmöglichkeiten und Manly sowie Bondy Beach sind einen Besuch wert. Allerdings muss ich sagen, dass mich die Metropole des Flächenstaates kaum begeistert. Es fehlt die Historie in der Stadt, sie scheint (wohl auch wegen des meist sonnigen Wetters) stets gut gelaunt, aber dafür wirkt alles nur oberflächlich. Genauso wie die Australier selbst: unsere Bekannten, die sind natürlich offen, herzlich und geben uns das Gefühl, willkommen zu sein. Anders ist es mit dem Rest von Sydney. „Hallo! Wie geht’s?“, fragen die Kassierer an der Kasse – natürlich interessiert es niemanden. Auch in den Gesprächen habe ich nicht den Eindruck, als sei mein Gegenüber wirklich an uns interessiert. Eine oberflächliche Freundlichkeit, die ein Stück weit typisch ist für den englischsprachigen Raum und an die ich mich hier noch gewöhnen muss. Trotzdem finde ich, dass die Neuseeländer herzlicher und bemühter sind. Oberflächlichkeit eine Erscheinung der Großstadt Sydney oder des Landes Australien? Um das zu bewerten, war ich nicht lange genug in dem Staat, aber ich bin froh, dass wir nach einer Woche zum Flughafen fahren. Ziel: Alice Springs.
Meeting friends from home
Die „Tiger Air“-Maschine fliegt über roten Staub, ausgetrocknete Seen und geht dann in den Landeanflug. Unter uns ist noch immer nichts außer wenigen Büschen und einigen Hügel- oder Felsformationen. Aus dem Nichts erscheint die kurze Landebahn – willkommen in Alice Springs. Der Flughafen ist eigentlich kein Flughafen, hat aber seinen eigenen Charme. Mit einem teuren Bus fährt uns ein Aborigine in die Stadt, verfährt sich einige Male und setzt uns nach über einer Stunde bei der Autovermietung ab. Von zu Hause aus hatten wir uns einen Van der Firma „Wicked Camper“ gemietet, die – so dachten wir – das einzige Unternehmen ist, das auch an unter 21-Jährige verleiht. Im Internet hatten wir viel Schlechtes über die Wicked-Flotte gelesen: nicht laufende Motoren, schlechte Ausstattung und viele Kommentare zum Aussehen der Wagen. Denn Wicked wirbt damit, jedes Fahrzeug sei anders und mit coolen Sprüchen lackiert. Einige dieser Sprüche sind, laut Internetaussagen, so „cool“, dass Campingplatz-Besitzer Backpacker wegen ihrer obszönen Wagen nicht bei sich schlafen lassen. Dementsprechend froh sind wir, als wir von dem jungen, sehr entspannten Wicked-Mann die Schlüssel für einen Toyota ausgehändigt bekommen, auf dessen Flanken nur ein „Stoned Again“ (Schon wieder bekifft) und ein „This mashine kills fascists“ (Dieser Wagen tötet Faschisten) prangt.
Die sechs Tage mit dem Van durchs Outback sollen ein Erlebnis sein, sind aber gleichzeitig auch ein Test für unsere geplante Reise mit dem Van durch Neuseeland. Was braucht man? Worauf muss man achten? Das Outback zum Versuchsgebiet zu erklären ist sicherlich kühn: Nach Alice Springs gibt es kaum noch Einkaufsmöglichkeiten und nur wenige Tankstellen. Wir decken uns mit dem Nötigsten im örtlichen Coles-Markt ein. Drei Liter Kühleis knallen wir in unsere Kühlbox. Überall sieht man die Aborigines. Viele der Vorurteile bewahrheiten sich: Sie sitzen neben der Straße, trinken Alkohol und sehen häufig sehr abgerissen aus. An der Tankstelle kauft man „Opal Fuel“, einen besonderen Treibstoff, der geruchsneutral ist – sonst würden die Ureinwohner an ihm schnüffeln. Genauso ist es schwer, Klebstoff und Feuerzeuggas zu kaufen. All das würde missbraucht werden. Die Sonne neigt sich schon dem Horizont entgegen, als wir endlich losfahren. Voller Konzentration verlassen wir Alice Springs. Es ist merkwürdig, auf der „falschen“, auf der linken, Straßenseite zu fahren. Zum Glück ist der Verkehr hier nicht stark, und sobald wir die Stadtgrenze hinter uns gelassen haben, sehen wir kaum noch ein Auto.
Unsealed im Outback: Staub, Stein und Sand
Wir fahren nach Westen. Zwar ist der Boden rot und sandig, aber es stehen Büsche und Bäume am Rand – teils sind sogar Wiesen zu erahnen. Das ist doch nicht das Outback? Doch, ist es, aber in der Tat sind die MacDonnell Ranges, die um Alice Springs herum liegen, von oben betrachtet eine kleine, grüne Oase in der trockenen Wüstenlandschaft des Outbacks. Mehrere Wasserlöcher liegen still in kleinen, teils sehr schmalen Schluchten. Der West MacDonnell National Park gefällt uns sofort. Ellery Creek Big Hole steht auf einem verwitterten Schild am Straßenrand – ein Wasserloch in einer der vielen Gorges (Schluchten). Hier befindet sich auch einer der Campingplätze. Wir biegen ab. Der Asphalt endet plötzlich, vor uns liegt eine rote Sandpiste. Laut Mietvertrag von Wicked dürfen wir diese unbefestigten Straßen nicht befahren. Egal, wir wagen uns trotzdem vor. Die Sonne geht unter, als wir uns eine der kleinen Nischen nahe dem Wasserloch aussuchen. Neben uns campen zwei Australier, die jeweils mit dem Fahrrad durch das Land fahren. Einer sei seit elf Jahren unterwegs, sagen sie. Respekt, vielleicht haben sie aber auch einfach zu viel Sonne abbekommen. Wir kochen auf unserem kleinen Gasherd einige Nudeln, als ein Mädchen vorbeikommt. „Ihr seid doch auch Deutsche? Wenn ihr Lust habt, könnt ihr später an unser Feuer kommen“, sagt sie. Luisa und Julius, ein deutsches Pärchen, kommen aus Bamberg und reisen seit einigen Wochen durch Australien. In wenigen Tagen fliegen sie auch für einige Monate nach Neuseeland. Wir quatschen den ganzen Abend, lauschen ihren Backpacker-Erlebnissen und sind begeistert. Auf jeden Fall wollen wir uns im Kiwi-Land Neuseeland wieder treffen. Die Kälte legt sich über das Outback, es ist nur wenige Grad über Null, als wir zu unserem Van zurückgehen. Im Schein des Vollmonds sehe ich einige Dingos um das Toilettenhäuschen schleichen – unheimlich. Die ersten wilden Tiere im wilden Australien, schnell in den kalten Van.
Wasserlöcher in der Wüste
Der Einstieg ins Campingleben ist gemeistert. Wir schauen uns noch weitere Wasserlöcher der West MacDonnell Ranges an. Eines ist schöner als das andere – trotz des unglaublich kalten Wassers springe ich in eines hinein. Ich kann mich im Wasser kaum bewegen, die Beine schmerzen, so niedrig ist die Temperatur. Doch immerhin bin ich frisch gewaschen. Von Alice Springs zum Uluru sind es über den legendären Stuart Highway knapp 500 Kilometer – durch Sand, Staub und lebensfeindliche Umgebung. Am Rand stehen Kühe der gigantischen Farmen. Immer wieder liegen verrostete Wagen am Straßenrand, teils bis zu fünfzig Meter weit von der Straße ab. Pannenfahrzeuge? Diebesgut? Ein Zug kommt uns entgegen. Genaugenommen ein Road Train, einer der langen Lkw, die Sprit und Lebensmittel zu den Orten Australiens bringen. Mit drei Anhängern und bis zu 100 Meter Länge sind sie die einzige Versorgungsmöglichkeit und gleichzeitig eine echte Gefahr. Vor allem bei Nacht bremsen die Trucks für nichts und niemanden. Vor uns liegen zehn Kilometer schnurgerader Asphalt, der am Rand aufbröckelt.
Es ist spannend, im Outback zu fahren. Dort, wo man die anderen Fahrzeuge lässig mit dem Heben von zwei Fingern grüßt. Dort, wo die Sonne den Van erhitzt. Dort, wo man 250 Kilometer fährt, ohne auch nur die Chance zu haben abzubiegen. Irgendwann wird selbst diese surreale Umgebung langweilig. Wir fahren 90, dann 100. Irgendwann arbeite ich mich an die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h heran. Wir verlassen den Stuart Highway und widmen uns dem Lasseter Highway, der die Ost-West-Verbindung zum Uluru, dem Ayers Rock, darstellt. Und dann sehen wir ihn. Groß liegt der rote Fels im platten Land. Wahnsinn! Er müsste noch über 100 Kilometer weit weg sein und doch sehen wir ihn schon aus der Ferne. Bei einem Aussichtspunkt halten wir an, machen etliche Bilder. Die Stimmung ist wieder oben, alle Müdigkeit der letzten Stunden Fahrt sind vergessen. Mit neuem Elan geht es wieder auf die Piste – unser Ziel, bei Sonnenuntergang am Berg zu sein, scheint plötzlich wieder möglich. Immer weiter und weiter geht die Straße. Den großen Berg sehen wir schon längst nicht mehr, da geht uns ein Licht auf: Was wir sahen, ist nicht der Uluru, sondern eines der am häufigsten irrtümlich fotografierten Objekte der Welt. Der Mount Conner! Bis zum eigentlichen Ziel sind es tatsächlich noch viele Kilometer hin. Endlich erreichen wir den Uluru-Kata Tjuta National Park, wo neben dem Uluru auch die Olgas (Kata Tjuta) liegen. Wir sind überrascht, als wir gebeten werden, jeweils 25 Dollar für den Eintritt zu bezahlen – damit hatten wir nicht gerechnet. Egal, jetzt wollen wir auch hinein. Vor uns liegt der wohl bekannteste Stein der Welt. Groß, abgerundet, rot – und touristisch überlaufen. Auf dem Parkplatz treffen wir zwei deutsche Backpacker, die wir schon in Alice Springs kennengelernt hatten. Mit Robin und Johanna schauen wir uns den Sonnenuntergang an. Wir bleiben länger als alle anderen und verlassen als eines der letzten Autos den Nationalpark. Zum Sonnenaufgang wollen wir uns wieder treffen, Robin und Johanna gehen auf den teuren Campingplatz in Yulara, dem Ort nur für Touristen, außerhalb des Nationalparks. Maria und ich suchen stattdessen ein Fleckchen zum Campen – irgendwo am Straßenrand.
Mietvan mit politischem Statement
Mit voller Konzentration durchschneide ich die schwarze Nacht. Die Mittellinie liegt direkt unter uns, mindestens jeder zweite Blick gilt dem Straßenrand: Wir dürfen nach Sonnenuntergang nicht mehr fahren, so steht es im Mietvertrag. Zu groß ist die Gefahr, dass Kängurus vors Auto hüpfen oder ein Road Train uns umfährt. Mit 40 km/h schleichen wir über den leeren Lasseter Highway und finden einen „Parkplatz“, also eine sandige Fläche, neben der Straße. Wir stellen uns neben die drei anderen Vans und steigen aus. Sterne! Über uns funkelt der Himmel nur so von Himmelskörpern. Die Schleier der Milchstraße ziehen sich von Horizont zu Horizont. Es ist unglaublich, faszinierend. So viele Sterne im Schwarz der australischen Outback-Nacht. Nur für diesen Moment würde ich die gesamte Reise nochmals machen – aber wir sind ja erst am Anfang.
Gang durch die „Olgas“
Neben dem Uluru im Morgengrauen, den unwirklichen, steilen Wänden der Kata Tjuta, den eiförmigen und abgerundeten Bergen im Nichts des Outbacks besuchen wir den Kings Canyon. Während wir den Highway Richtung Kings Canyon Resort fahren, ein Dörfchen wie Yulara am Ayers Rock, nur noch kleiner, sehen wir kaum ein Auto. Lediglich der Mietwagen von Robin und Johanna fährt im Rückspiegel mit uns. Am Straßenrand liegen immer wieder Tierskelette und große Kothaufen – es leben hier wohl mehr Kamele als Menschen. Die Kings Creek Station ist eine Anlaufstelle, genau genommen fast die einzige auf der 170 Kilometer langen Asphaltpiste zwischen Lasseter Abzweigung und Kings Canyon. Unser Plan, an der Station aufzutanken, wird vom Spritpreis zertrümmert: 3,40 Dollar pro Liter, statt 1,70 Dollar in Alice Springs. Der Treibstoff muss reichen – weiter geht’s. Die Luft ist trocken und heiß. Die Sonne knallt auf uns herab. Wir sind am Kings Canyon, vor uns erhebt sich die erste Kette des Gesteinsmassivs. Sofort sitzen Fliegen in unseren Gesichtern, krabbeln in Nase, Augen und Mund – ekelig. Die kleinen Insekten gibt es überall im Outback. Zwar stechen oder beißen sie nicht, sind dafür aber unglaublich nervig. Mit kleinen Ästen wedeln wir uns den Weg durch die Schluchten und Täler. Allerdings geht es hauptsächlich bergauf: Eine lange Treppe führt über die roten Gesteinsplatten hinauf. Erstmal etwas trinken. Trotz des gerade endenden Winters haben wir über dreißig Grad. Im Sommer sollte man die Wanderung nicht mehr nach zehn Uhr machen, weil es unterwegs kein Wasser gibt. Wir wandern weiter. Echsen huschen über den trockenen Boden. Es fällt nicht schwer zu glauben, dass hier unter den steinigen Brocken oder in den Schlitzen Schlangen, Spinnen oder andere gefährliche Tiere leben.
Im Outback wird es im Sommer gerne unerträglich heiß
Irgendwo zwischen Dürre und toller Fernsicht liegt der Garden of Eden. Nach einer Stunde Wanderung auf dem Kings Canyon Rim Walk, der an höchstens mageren Sträucher vorbeiführt, liegt dieses Wasserloch am Ende eines Sackgassenweges in einem kleinen Tal. Die Vegetation gedeiht hier wie im Regenwald: große Bäume, verwunschenes Unterholz und darin ein moosiger Bach. Schwimmen kann man hier bestimmt, Krokodile soll es meines Wissens hier nicht geben. Doch auch für Nicht-Planschende lohnt sich der „Side Walk“ zu den Reflektionen der kleinen Wellen des Wassers an den steilen Felswänden darum herum.
Tierwelt im Outback
Känguru oder Wallaby?
Das Tier des australischen Outbacks bleibt uns übrigens lange Zeit verborgen: Anscheinend sind wir die einzigen, die unterwegs kein Känguru sehen. Als wir eines Abends mit Julius und Luisa sowie Robin und Johanna auf einem Campingplatz nächtigen, kommen ein paar Urlauber und berichten von den soeben gesichteten Springtieren. Und wir? Wir sehen einfach keine! Am letzten Abend fahren wir zum botanischen Garten in Alice Springs, wo man wildlebende, kleine Kängurus beobachten kann. Wir gehen den kleinen Pfad bis ganz nach oben und sehen – wieder keine. Wir wollen schon wieder zurückgehen, als plötzlich etwas über einen großen Stein hoppelt – ein Känguru! Oder vielleicht auch nur ein Wallaby, wie die kleinen Känguru-Arten genannt werden. Egal, es springt herum und hat sogar einen Beutel mit einem Jungen darin. Das zählt!