Soziologie der Migration

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Soziologie der Migration
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utb 2118 utb.

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Seit Jahrzehnten nehmen Migrationsbewegungen weltweit stetig zu und erfassen die gesamten Weltregionen. Die einstige Einteilung zwischen den sog. Aus- und Einwanderungsländern relativiert sich.

Viele Länder sind gleichzeitig Aus- und Einwanderungsländer. Die Anzeichen sprechen dafür, dass Migrationsbewegungen und die damit verbundenen Folgeprobleme weiter zunehmen werden.

Vor diesem Hintergrund beschreibt das vorliegende Buch einführend die komplexen Themenbereiche der Migrationssoziologie. Es vermittelt Studierenden, sozialen Fachkräften in den Migrationsdiensten und interessierten Lesern einen Überblick über migrationssoziologische Zusammenhänge und bietet eine Strukturierung und Bewertung von Themen zur Orientierung.


Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

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1. Auflage: © Lucius & Lucius, Stuttgart 2000

2. Auflage: © Lucius & Lucius, Stuttgart 2005

3. Auflage: © Lucius & Lucius, Stuttgart 2010

© 4., unveränderte Auflage: UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 • D-78462 Konstanz

Tel.: 07531-9053-0 • Fax 07531-9053-98

www.uvk.de

UTB-Band Nr. 2118

ISBN 978-3-8463-4685-3

Vorwort

Die vorliegende 3. Auflage bringt alle verwendeten statistischen Daten auf den verfügbar neuesten Stand und berücksichtigt auch die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die die Bedingungen der nationalen und internationalen Migration aktuell beeinflussen. Dadurch wurde die Überarbeitung und Erweiterung vieler Textstellen unumgänglich, insbesondere die der Kapitel 1.3, 1.4, 1.6 und 2.2 - 2.4.

Über die positiven Rückmeldungen zu diesem Buch, insbesondere von Studierenden und Doktoranden, habe ich mich sehr gefreut und danke dafür herzlich.


Paderborn, im November 2009 Petrus Han

Inhalt

Einführung

1. Entwicklung soziologischer Migrationstheorien und Wandel der Migrationsformen seit 1945

1.1 Begriff der Migration und Grundbegriffe der Migrationssoziologie

1.2 Multikausale Determinanten der Migration und Typologisierung ihrer Formen

1.3 Migration als Selektionsprozess des Humankapitals und das Problem des „Brain Drain“

1.4 Ausgewählte soziologische Migrationstheorien

1.4.1 Anfänge und Entwicklung der Migrationsforschung

1.4.2 Migrationstheorie von Shmuel N. Eisenstadt

1.4.3 Migrationstheorie von Milton M. Gordon

1.4.4 Migrationstheorie von Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny

1.4.5 Migrationstheorie von Hartmut Esser

1.5 Transmigranten und Transnationalismus als neue Themen der Migrationsforschung

1.6 Globalisierung der Migrationsbewegungen und Diversifizierung der Migrationsformen seit 1945

1.6.1 Arbeitsmigration

1.6.2 Migration von Familienangehörigen (Familienzusammenführung)

1.6.3 Migration von Flüchtlingen

1.6.4 Migration ethnischer Minderheiten

1.6.5 Migration von Studierenden

1.6.6 Illegale Migration

2. Strukturelle Bedingungen der weltweit wachsenden Migrationsbewegungen

2.1 Bildung von Nationalstaaten und gewaltsame politische Konflikte

2.2 Dynamisches Bevölkerungswachstum in der Dritten Welt und seine Auswirkungen auf Nahrungsmittelproduktion und Umwelt

2.3 Ungleiche wirtschaftliche Entwicklung der Industrie- und Entwicklungsländer und Armutsprobleme

2.4 Restriktive politische und legislative Reaktionen der Industrieländer gegenüber dem wachsenden Migrationsdruck

2.4.1 Einwanderungspolitik der traditionellen Einwanderungsländer

2.4.2 Migrations- und Asylpolitik ausgewählter europäischer Aufnahmeländer

2.4.3 Harmonisierung der Einwanderungs- und Asylpolitik in der Europäischen Gemeinschaft / Europäischen Union

3. Psychosoziale Folgen der Migration für die Migranten

3.1 Individuelle Migrationsentscheidung als Prozess

3.2 Existentielle Unsicherheit und Orientierungsstörung als Folgen migrationsbedingter Entwurzelung und Desozialisierung

3.3 Akkulturationsstress und psychosomatische Erkrankungen der Migranten

3.4 Psychosoziale Situation der Migranten als Fremde und „marginal man“ in den soziologischen Analysen von Georg Simmel, Alfred Schütz, Robert E. Park und Everett V. Stonequist

4. Marginalisierung der Migranten im Aufnahmeland

4.1 Residentiale Konzentration und Segregation der Migranten

4.2 Sektorale Konzentration der Migranten am Arbeitsmarkt

4.2.1 Theorie des „Split Labor Market“

4.2.2 Ethnische Enklavenwirtschaft, „Middleman Minority“, selbstständiges Unternehmertum, „Mixed Economy“ und „Job Transition“ von der geschlossenen Enklavenwirtschaft zur offenen „Mainstream Economy“

4.3 Ethnische Vorurteile und Diskriminierungen

4.4 Fremdenangst (Xenophobie) und gesellschaftliche Bedingungen der manifesten Fremdenfeindlichkeit

 

5. Pluralisierung der Gesellschaft durch Einwanderung und multikulturelle Orientierung der Eingliederungspolitik

5.1 Assimilationsmodell der Eingliederungspolitik im Übergang zum Pluralismusmodell des Multikulturalismus

5.2 Theoretische Aussagen zur Integration der Immigranten von Shmuel N. Eisenstadt, Milton M. Gordon und Hartmut Esser

5.3 Ethnische Mobilisierungen in multiethnischen Gesellschaften und theoretische Erklärungsansätze

5.4 Problematische Vorstellungen zur multikulturellen Gesellschaft in Deutschland und Gefahren der Ethnisierung der deutschen Gesellschaft

Abkürzungen

Literaturverzeichnis

Sachregister

Personenregister

Vezeichnis der Tabellen und Übersichten
Tabellen

Tabelle 1: Percentage of All Tertiary Educated Foreign-born Adults by Region of Residence and Region of Birth 2000 (2008)

Tabelle 2: Health Workers Moving to OECD Countries from Developing Countries 2006 (2008)

Tabelle 3: Proportion of Familiy Migrants among Longterm Migrants in Thousand and %, 2005 (2008)

Tabelle 4: Inflow of Asylum Seekers into Selected OECD Countries (2008)

Tabelle 5: Entscheidungen über Asylanträge-Sachentscheidungen 2001-2007 (2008)

Tabelle 6: Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen nach Herkunftsgebieten (2008)

Tabelle 7: All International Students 2006 (2009)

Tabelle 8: Weltbevölkerung Mitte 2008 und Bevölkerungsprojektionen in Mio. (2008)

Tabelle 9: Characteristics of Three Country Types, 2005 (2007)

Tabelle 10: Per Capita Food Consumption (kcal/person/day) (2003)

Tabelle 11: Cereal Balances, World and Major Country Groups (2003)

Tabelle 12: World’s Urban Agglomerations with Population of 10 Million or more Inhabitants in 2005 and 2015 (2007)

Tabelle 13: Labor Force Structure of the World (2008)

Tabelle 14: Labour Participation Rate and Unemployment Rate by Sex in Selected OECD Countries (2008)

Tabelle 15: Economically Active Population Estimates and Projections (EAPEP) (2009)

Tabelle 16: Weltbevölkerung 2008 nach Alter und in % (2008)

Tabelle 17: 20 Länder mit höchstem und 20 Länder mit niedrigstem Bruttonationaleinkommen (GNI) pro Kopf im Jahre 2007 (2009)

Tabelle 18: New Memberstates of European Union: Population, GNI per Capita, Consumer Prices and Current Account Balance (2009)

Tabelle 19: Jährliche Gesamtzahl der polizeilich registrierten fremdenfeindlichen Straf- und Gewalttaten unmittelbar vor und nach der deutschen Vereinigung (1987-1994) (1996)

Tabelle 20: Zahl der zugewanderten Aussiedler und Asylsuchenden unmittelbar vor und nach der Änderung des Verfassungsrechts auf Asyl im Art.16 des GG (1993)

Übersichten

Übersicht 1: Typologie der Migration nach William Petersen

Übersicht 2: Phasen des Assimilationsprozesses von Milton M. Gordon

Übersicht 3: Veränderung des Migrationspotentials aufgrund veränderter Konstellationen von kulturellen und strukturellen Distanzen zwischen den nationalen Einheiten in der Weltgesellschaft

Übersicht 4: Grundmodell der Assimilation von Wanderern

Übersicht 5: Vorläufige Systematik zentraler Begriffe der Forschung zur transnationalen Migration

Übersicht 6: Existentielle Unsicherheit und Orientierungsstörung als Folgen migrationsbedingter Entwurzelung und Desozialisierung

Übersicht 7: Strategien der Akkulturation und ihre Ergebnisse

Übersicht 8: Begriffliche Dimensionen der Eingliederung von Wanderern von Hartmut Esser

Übersicht 9: Prozesshafte Entwicklung ethnischer Mobilisierungen

Einführung

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nehmen die Migrationsbewegungen weltweit stetig zu und erfassen die gesamten Weltregionen, so dass heute kaum eine Region von dieser Entwicklung unberührt bleibt. Im Jahr 2005 erreichte die Zahl der Migranten weltweit 191 Millionen, während sie bereits im Jahr 2008 die Schwelle von 200 Millionen überstieg. Zwischen 2000 und 2005 sind jährlich 3,3 Mio. Menschen aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer ausgewandert. Man rechnet damit, dass diese Zahl zwischen 2005 und 2010 jährlich bei etwa 2,5 Mio. und zwischen 2010 und 2050 jährlich etwa bei 2,3 Mio. liegen wird (IOM, 2008, 2, 36, 80). Es wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Migranten bis zum Jahr 2050 auf 230 Mio. ansteigen wird (vgl. UN, 2002/1; IOM, 2003, 5). Neu bei dieser Entwicklung ist die zirkulierende Fließrichtung der Migrationsbewegungen. Die einstige Einteilung zwischen den sog. Aus- und Einwanderungsländern relativiert sich. Viele Länder sind zeitgleich Aus- und Einwanderungsländer. Dabei findet ein Prozess der Diversifizierung der Migrationsbewegungen in dem Sinne statt, dass ihre Formen zunehmend differenzierter werden. Migration entwickelt sich zu einem globalen Phänomen, so dass von einem „age of migration“ (vgl. Stephen Castles, Mark J. Miller, 1993, 3) gesprochen wird.

Soziologie der Migration als Forschungsrichtung der speziellen Soziologie ist keineswegs neu. Sie bildete bereits in den 1920er Jahren einen Forschungsschwerpunkt der Soziologie an der Universität Chicago/USA. Sicherlich ist es kein Zufall, dass diese Disziplin bisher in dem größten Einwanderungsland, den USA, und in den anglophonen Einwanderungsländern ihre theoretische und empirische Akzentuierung und Fortentwicklung erfahren hat und noch erfährt. Dagegen ist sie in Deutschland, von da aus zwischen 1820 und 1930 fast 6 Mio. Menschen nach Nordamerika ausgewandert sind, bis in die 1970er Jahre kaum bekannt. Sie gewinnt ihre fachliche Aufmerksamkeit erst im Zusammenhang mit der Einwanderung großer Zahlen von Arbeitsmigranten seit der Mitte der 1950er Jahre und mit den von ihr zeitlich versetzt eintretenden sozialen Problemen in den 1970er Jahren. In der Bundesrepublik Deutschland beginnt die sporadische Rezeption der Migrationssoziologie erst in den 1980er Jahren. Seit den 1990er Jahren nehmen in der Bundesrepublik Deutschland die Forschungen über selektive Themen der Zuwanderungsproblematik in ihrem Umfang zu. Sie bleiben jedoch als Einzelforschungen weitgehend unkoordiniert und ohne integralen Theorieansatz.

Vor diesem Hintergrund wurde das vorliegende Buch als Einführung in die komplexen Themenbereiche der Migrationssoziologie konzipiert. Anlass dazu waren die Erfahrungen des Autors mit Studierenden und Mitarbeitern in den Migrationsdiensten, mit denen er in Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen über Fragen aus dem Themenkomplex der Migration arbeitete. Ausgangspunkt dieser Diskurse bildete die Zuwanderungssituation in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren Zusammenhang mit den globalen Entwicklungstendenzen der Migrationsbewegungen.

Absolut gesehen verzeichnete Deutschland seit den 1980er Jahren die größte Zuwanderung in Europa, die wesentlich aus der anhaltenden Zuwanderung der Familienangehörigen von Arbeitsmigranten, deutschstämmigen Aussiedlern und Asylsuchenden bestand. Die Folgen dieser Zuwanderung waren vielfältig. Deutlich wurde insbesondere, dass die Zahl der Ausländer trotz des generellen Anwerbestopps von Arbeitsmigranten 1973 und trotz der restriktiven Verschärfung der legislativen Bestimmungen der Zuwanderung kontinuierlich gestiegen war. Diese Entwicklung war auch in allen europäischen Nachbarländern zu beobachten. Sie wurde von einem großen Teil der deutschen Bevölkerung mit diffusen Ängsten und wirtschaftlich begründeten Sorgen beobachtet. Zu Beginn der 1990er Jahre löste sie sogar gewalttätige fremdenfeindliche Reaktionen aus, die nicht nur dem internationalen Ansehen Deutschlands schadeten, sondern auch die interethnischen Beziehungen belasteten.

Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre geht die Zahl der Zuwanderer in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der restriktiven Zuwanderungspolitik kontinuierlich zurück. Dennoch blieb die Frage der gesellschaftlichen Integration der Zuwanderer ungelöst. Die Fachkräfte in den Migrationsdiensten, die mit der professionellen Betreuung und Beratung von Migranten unterschiedlicher ethnischer Herkunft beauftragt sind, suchen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und problemorientiertem Fachwissen aus der Migrationsforschung. Zudem nimmt an den Hochschulen die Zahl der Studierenden und Doktoranden der 2. und 3. Generation der Aussiedler und Arbeitsmigranten zu, die sich in ihren Examens- und Promotionsarbeiten auch mit der eigenen familialen Migrationsgeschichte auseinandersetzen.

Ein weiterer Anlass zu dem vorliegenden Buch war die zunehmende Bedeutung, die der Autor der Migrationsthematik beimisst. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die Migrationsbewegungen und die damit verbundenen Folgeprobleme weiter zunehmen werden. Die fortschreitende Liberalisierung und Globalisierung im Personen-, Waren- und Kapitalverkehr werden zu wachsenden internationalen Verflechtungen der Nationalstaaten im politischen, wirtschaftlichen, soziokulturellen und ökologischen Bereich führen. Diese Entwicklung bedeutet faktisch die kontinuierliche Zunahme der Migrationsbewegungen von Arbeitskräften. Die Fortentwicklung von Informations-, Kommunikations- und Transporttechnologien erleichtert und fördert nicht nur die Globalisierung von Politik und Wirtschaft, sondern auch die der Migrationsbewegungen. Menschen können heute nicht nur große geographische Entfernungen relativ schnell und kostengünstig überwinden, sie werden auch laufend über die Lebensbedingungen in anderen Ländern informiert, so dass ihr Informationsstand über die „Push-und-Pull-Faktoren“ ständig verbessert wird. Die wachsenden strukturellen Ungleichheiten zwischen Nord und Süd bzw. zwischen Ost und West werden den allgemeinen Migrationsdruck auf die wenigen Industrieländer weiter erhöhen. Die Bemühungen der Industrieländer, dem weltweit wachsenden Migrationsdruck durch restriktive Verschärfung ihrer legislativen und administrativen Maßnahmen zu begegnen, werden zwangsläufig zu steigenden illegalen Migrationsbewegungen führen. Auf der anderen Seite werden die politischen und wirtschaftlichen Gemeinschaftsbildungen von Nationalstaaten (z.B. EU, NAFTA, AFTA, APEC, ASEAN) die regionale Integration der Länder vorantreiben und dadurch in wachsendem Ausmaß regionale Migrationsbewegungen innerhalb der jeweiligen Gemeinschaften auslösen.

 

Vor dem Hintergrund der Zuwanderungssituation in der Bundesrepublik Deutschland und der weltweit zunehmenden Migrationsbewegungen hat das vorliegende Buch das Ziel, Studierenden, Mitarbeitern in den Migrationsdiensten und interessierten Lesern einen strukturierten Überblick über migrationssoziologische Zusammenhänge zu vermitteln. Es handelt sich um eine selektive Zusammenfassung, Strukturierung und Bewertung von Themen, die den Lesern umfassende und praxisnahe Orientierung bieten sollen.

Der inhaltliche Aufbau des Buches folgt dabei, um vorab einen Überblick zu geben, einer Konzeption, in der versucht wird, Begriffe, Ursachen, Verläufe, Folgen und Perspektiven der Migration in der Reihenfolge der Nennung zu thematisieren. Dadurch soll sich aus der Summe der behandelten Themen ein abgerundetes Bild des Migrationsvorganges, angefangen von dem individuellen Entscheidungsprozess über die physische Emigration aus dem Herkunftsland bis zur schwierigen und prozesshaft verlaufenden wirtschaftlichen und psychosozialen Eingliederung in die Einwanderungsgesellschaft, ergeben. Unter Berücksichtigung dieser Konzeption sind in den einzelnen Kapiteln folgende Inhalte thematisiert.

Im ersten Kapitel werden, ausgehend von der Klärung des Migrationsbegriffes, grundlegende und in der migrationssoziologischen Literatur häufig angewandte Grundbegriffe vorgestellt, um die Leser in die Begriffssprache einzuführen. Im Anschluss daran werden die multikausale Verursachung der Migration und die dadurch stattfindende Selektion der Migranten exemplarisch aufgezeigt, um dann vor dem Hintergrund der grundlegenden Charakterisierung des Migrationsgeschehens die Entwicklung migrationssoziologischer Theorien sowie die vielfältigen Formen der Migration vorzustellen. Themen des zweiten Kapitels sind makrostrukturelle Bedingungen (Bildung von Nationalstaaten, Bevölkerungswachstum, Umweltzerstörung, ungleiche wirtschaftliche Entwicklungen, Armutsprobleme, restriktive politische Reaktionen der Industrieländer), die die weltweiten Migrationsbewegungen in der Gegenwart auslösen. Im dritten Kapitel folgt die Analyse von Phasen des individuellen Entscheidungsprozesses zur Migration und den mit der Migration verbundenen Risiken und Folgeproblemen für die einzelnen Migranten, um die psychosoziale Verfassung der Migranten in ihrer Aufnahmegesellschaft verständlich zu machen. Das übergreifende Thema im vierten Kapitel ist die Lebenssituation der Migrantengruppe in der Aufnahmegesellschaft. Dabei handelt es sich um die Arbeits- und Wohnungsmarktsituation der Migranten und um die Probleme der ethnischen Vorurteile, Diskriminierungen und Fremdenfeindlichkeit, die teilweise durch die residentiale und berufliche Konzentration der Migranten provoziert werden. Im abschließenden fünften Kapitel werden die langfristigen strukturellen Veränderungen der Aufnahmegesellschaft in den Blick genommen, die durch eine große Zahl von Immigranten eingeleitet werden. Die zu diesem Zweck behandelten Themen sind: Richtungswechsel der Eingliederungspolitik, migrationssoziologische Theorieansätze zur Integration, Erklärungsansätze zur zunehmenden ethnischen Mobilisierung und Vorstellungen zur multikulturellen Gesellschaft in Deutschland.

Mit dieser subjektiven Themenwahl hat der Autor die ihm wesentlichen Aspekte angesprochen, ihre theoretischen Zusammenhänge dargestellt und Praxisbezüge aufgezeigt. Das vorliegende Buch versteht sich als Einführung und soll grundlegende Orientierung zu wichtigen Themenbereichen der Migrationssoziologie geben. Hier sei noch darauf hingewiesen, dass die Begriffe „Migrant“ und „Immigrant“ in Anlehnung an den englischen Sprachgebrauch für die migrierenden und immigrierenden Frauen und Männer verwendet werden.

Ich danke meiner Frau Anne Han für ihre Unterstützung und ihre konstruktiven Anregungen bei der Durchsicht dieses Manuskriptes.