DIE SCHWARZEN STEINE GLÄNZEN

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DIE SCHWARZEN STEINE GLÄNZEN
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PETER WIMMER

DIE SCHWARZEN STEINE GLÄNZEN

Irland Reiseskizzen

Die Rechte liegen beim Autor und Verlag

Wimmer Visuelle Kommunikation

Am Lichterkopf 25

D-56112 Lahnstein

Telefon 02621/62625

info@wimmer-kommunikation.de

www.wimmer-kommunikation.de

Ich schreibe Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen, Theaterstücke und Besonderheiten die sich nur schwer zuordnen lassen. Eine Zusammenfassung bieten die E-Books „Peter Wimmer, Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen“ und „Peter Wimmer, Theaterstücke für einen bis vier Darsteller.“

Unter dem Reihentitel “Kulturreisen individuell” erstelle ich filmische Reisedokumentationen. Dabei folge ich mit meiner Kamera den Spuren der Menschheitsgeschichte, so wie ich sie in den besuchten Reiseländern antreffe. Ich dokumentiere herausragende Kulturstätten und Landschaften, einfühlsam, sachlich, informativ.

“Schönheit, Anmut und große Architektur im alten Ägypten” das ist der Reihentitel einer 14-teiligen filmischen Dokumentation über das reiche Erbe der pharaonischen Kultur am Nil. Schauplätze sind die großen Pyramiden, Göttertempel, Totentempel, Museen und prächtig ausgestatteten Gräber in Kairo, Giseh, Sakkara, Medum, Tel el Amarna, Abydos, Dendera, Luxor, Edfu, Kom Ombo, Assuan, Philae und Abu Simbel. Die DVD „ÄGYPTEN – Highlights der pharaonischen Kultur“ vermittelt einen Eindruck dessen was die großen Schauplätze und Museen entlang des blauen Nils dem kulturinteressierten Reisenden bieten.

Die DVD „Highlights der Megalithkultur in Westeuropa“ zeigt kulturhistorisch bedeutende Monumente unserer Vorfahren, Kultstätten und Museen in der Bretagne, auf Malta, Gozo und Korsika, in England, Irland, Schottland, auf den Hebriden und auf den Orkneyinseln.

INHALT:

Bed and Breakfast

Die Mönchsinsel

Kein guter Tag

More Guinness

Ein besonderes Mädchen

So wie jemand es tut, wenn er friert

Bed and Breakfast

Ich sitze an der Bar, trinke mein erstes Guinness und träume den Erlebnissen von vier Urlaubswochen entgegen. Die Fähre ist gut besetzt. Ich verkneife mir etwas zu essen, weil das meistens nicht schmeckt auf diesen kurzen Strecken. Ich mache einige Mal die Runde an Deck. Sehr windig heute. Aber das große Schiff liegt ruhig in der See. In der Mitte des Kanals begegnet uns das Schwesterschiff. Die Kreidefelsen von Dover kommen näher, ein mir vertrauter Anblick.

Die Fähre legt an. Am Zoll werde ich als Einzelreisender links heraus gebeten. Ich muss den Kofferraum öffnen. "Nein, ich besuche keine Freunde in England. Ich möchte nach Irland." Der Offizier ist ohne nähere Kontrolle zufrieden. Ich fahre auf der linken Straßenseite aus dem Terminal. Die Straßenzüge mit den kleinen Häusern in Dover, ein mir vertrautes Bild. Ich liebe das Ankommen auf dieser Insel. Drive left, drive left, sage ich mir immer wieder.

Ich nehme die Küstenroute in Richtung Brighton, eine mir vertraute Landschaft. Ein kleiner Zug, mit einer Dampflokomotive davor, stampft und schnauft durch grüne Wiesen. Ich spüre, dass ich in England bin. Ich höre irische Folklore und träume.

Eigentlich wollte ich noch heute Abend nach Brighton, zirka 80 Kilometer. Die Strecke zieht sich wie Gummi. Ich komme nicht vom Fleck. Immer wieder muss ich durch Ortschaften und kleine Städte, bis mir schließlich in Hastings einfällt, dass es sich bei den Angaben auf den Straßenschildern um Meilen handelt.

Ich habe genug vom Fahren, bin müde und hungrig, beschließe in Hastings zu bleiben. Ich halte an der Küstenstraße in der Nähe des großen weißen Piers. Die Uferpromenade ähnelt der in Brighton. Ich suche eine Unterkunft, sehe ein Schild B+B an einem griechischen Restaurant. Ich suche den Eingang, stehe im Speiseraum, denke, das ist nicht richtig, gehe wieder hinaus.

Ich entdecke einen separaten Eingang mit den Buchstaben B+B, öffne die Tür. Ein Flur, es ist sehr dunkel. Ich erkenne eine zweite Tür, daneben eine Klingel, ziemlich groß und rot. Ich lese trotz Dunkelheit break, denke an breakfast, drücke, höre ein seltsames Geräusch. Etwas ist zerbrochen.

Ich fühle, dass ich einen Fehler gemacht habe. Aber da geht schon die Sirene los, fürchterlich laut und durchdringend. Ich weiß nun, dass ich anstatt zu klingeln den Feuermelder aktiviert habe. Mein Gott, ist mir das peinlich.

Ohne zu überlegen flüchte ich hinaus auf die Straße. Mit großen Schritten mache ich mich davon, begleitet vom Geheul der Sirene. Hier draußen tönt sie noch lauter.

Ich höre eine Stimme hinter mir. Ein kleiner korpulenter Mann folgt mir schnaufend. Ich sehe ihm an, dass er sehr erregt und sehr zornig ist. Wie peinlich ist mir diese Situation. Jedoch fortlaufen hat keinen Sinn. Ich bleibe stehen, verstehe die Worte: "Warst du das? Hast du den Alarm ausgelöst?" Ich sehe mich überführt, gebe mich geschlagen und bestätige, dass ich es war.

Mit meinem geringen Englischwortschatz entschuldige ich mich aufgeregt stotternd damit, dass ich heute Abend erst mit der Fähre in England angekommen bin und dass ich im dunklen Flur den Feuermelder mit der Klingel für Bed and Breakfast verwechselt habe.

Der Mann schaut mich mit offenem Mund an, so als hätte er einen Marsmenschen vor sich. Sein Gesicht glättet sich, während ich spreche. Er wirkt zunehmend freundlicher. Ich sehe ihm an es ist ihm ebenso unangenehm wie mir. Und immer noch heult dieses fürchterliche Ding ohne Unterlass.

Ich verstehe wenn ich zehn Pfund zahle geht die Sache in Ordnung, schließlich hätte er ja Kosten mit dem Erneuern der Scheibe. Ich nicke erleichtert. Das ist mir natürlich zehn Pfund wert. Wenn doch nur die Sirene abgestellt würde. Wir müssen uns anschreien, so laut ist sie.

Ich folge dem Mann in das Restaurant. Die Gäste sitzen da und futtern bei grässlichem Sirenengeheul. Ich schlängele mich mit rotem Kopf hinter dem Wirt durch die Reihen. Eine Dame fragt freundlich ob ich einen Tisch für eine Person wünsche. "Nein", sage ich, "ich wünsche dass die Sirene abgeschaltet wird. Ich war es, der sie ausgelöst hat." Sie schaut mich mitfühlend an. Das erlebt sie nicht alle Tage.

Gott sei Dank. Stille. Der Wirt hat das grässliche Geheule abgestellt. Ich atme erlöst auf und bezahle mit roten Ohren zehn Pfund. Ich sehe auch die Gäste sind erleichtert.

Ich frage, als wäre nichts gewesen, nach Bed and Breakfast. Aber natürlich könne ich ein Zimmer haben. Ich bekomme einen Schlüssel. Damit gehe ich auf die Suche. Das Treppenhaus ist eng, die Zimmerreihenfolge verwirrend. Der Raum ist schmal, das Bett auch, die Decke schräg. Ich kann vor dem Bett kaum aufrecht stehen. Das Ganze ist eher eine Kammer. Aber, was soll’s. Es ist schon neun Uhr. Ich habe ein Bett direkt über einem Restaurant. Was will ich mehr.

Ich mache noch einen Bummel zum Pier und durch die Straßen der kleinen Stadt. Der Hunger ist mir vergangen. Ich muss abschalten. Alles wirkt fad und traurig auf mich, in Hastings, an diesem Abend. Die Straßen sind menschenleer, die wenigen Restaurants überfüllt.

Ich gehe zu meinem Bed and Breakfast Haus zurück. Der Wirt freut sich. Er strahlt, führt mich, als sei ich ein ganz besonderer Gast, zu seinem besten Tisch. Ich werde von ihm persönlich bedient. Die Speisekarte ist gut und umfangreich.

Ich möchte mir und ihm etwas gönnen, an diesem besonderen Abend in England. Ich bestelle Forelle und einen guten französischen Weißwein. Der Wirt nickt, bedeutet mir, dass ich eine gute Wahl getroffen habe. Er klappt geräuschvoll die große Speisekarte zu und entfernt sich.

An der Kasse sehe ich ihn hantieren. Er drückt Tasten, es klingelt, die Lade öffnet sich. Mit spitzen Fingern fischt er etwas heraus. Er kommt wieder eilig auf mich zu. Es knistert. In meiner Hemdtasche steckt eine Zehn-Pfund-Note. Weg ist er. Die Forelle ist gut. Der Wein auch. Ich bedanke mich bei dem netten Wirt und bei der netten Bedienung, wanke nach oben, falle müde in mein Bett.

DIE MÖNCHSINSEL

Noch geht es mir gut, dank meiner Reisetabletten. Der Hosenboden ist nass, ebenso mein rechter Arm und mein rechtes Hosenbein. Das kleine Boot schaukelt fürchterlich. Mal ist es vorne ganz oben, hinten ganz unten, mal umgekehrt. Mal scheint es sich auf die linke, mal auf die rechte Seite legen zu wollen. Und manchmal kommt alles zusammen.

Am Heck sitzen Leute in Regenhäute oder Gelbzeug gehüllt. Es wäre auch nicht anders möglich. Obwohl sie nur ein paar Meter von mir entfernt sind verschwinden sie zeitweilig in einem dichten Gischtschwall.

Ich erfülle mir einen ganz großen Traum. Skellig Michael zu besuchen ist für mich beinahe so wichtig wie einmal vor den Pyramiden Ägyptens gestanden zu haben. Die Insel liegt etwa zwölf Kilometer vor der Südwest-Küste Irlands, umtost von den Wellen des Atlantiks. Der bizarre Fels ragt pyramidenförmig mit scharfen Konturen bis zu 230 Metern aus dem Wasser. Es gibt dort keine Vegetation, nur schwarzer Stein. So steht es in der Reiseliteratur.

Und dennoch haben auf diesem kleinen Eiland vom sechsten bis zum zwölften Jahrhundert in ununterbrochener Folge Mönche gelebt. Man weiß nicht weshalb sie sich auf ein solch lebensfeindliches Felsgebilde mitten im Meer zurückgezogen haben und wovon sie sich ernährten.

 

Reste ihrer Behausungen und in den Fels geschlagene Stufen das ist alles was übriggeblieben ist. Genug, um meine Phantasie zu beflügeln, zumal ich vor zwei Jahren, bei meiner ersten Irlandreise, im Reiseführer las: Der Besuch von Skellig Michael ist eines der letzten großen Abenteuer in Europa.

Es stand dort auch, dass die kleinen Schiffe, welche die Besucher hinüberbringen, nur bei gutem Wetter fahren, weil sie nur bei gutem Wetter und ruhiger See an der Felsinsel anlegen können.

In einer anderen Information wurde vom Besuch der Skellig-Insel abgeraten. Die Überfahrt sei zu beschwerlich, die Anlegemöglichkeit zu schlecht, die uralten Stufen fast nicht mehr zu begehen. Nebel, Regen, Gischt, Seekrankheit ... Und dennoch, ich war damals maßlos enttäuscht, als man mir sagte: "Sorry, but the see is to rough, and the boat can’t start today."

Heute hat es geklappt, obwohl das Wetter nicht besonders gut ist. Ich habe gesehen, dass der Bootsführer, bevor wir ablegten, noch einige Schwimmwesten zusätzlich unter Deck verstaut hat. Ich denke, er wird schon wissen was er macht. Und wenn er glaubt das Wetter ist gut genug für einen Bootstrip zur Felsinsel dann wird das auch so sein. Das wilde Schaukeln und Stampfen des kleinen Bootes lässt mich jedoch nichts Gutes ahnen.

Es ist ein offenes Holzboot. Wir, die vierzehn Touristen, sitzen rings um die Reling auf einer Bank. Nein, einer steht. Das bin ich. Sehr schnell habe ich gespürt, dass der Entschluss auf dieser Seite des Bootes Platz zu nehmen kein guter war. Ich dachte beim Einsteigen wenn ich mit dem Rücken zur Kabinenwand sitze sei ich relativ geschützt.

Ja, sogar eine Kabine gibt es auf dem Boot. Aber die ist für den Schiffsführer bestimmt, für den Kapitän. Nur er hat darin Platz. Außer einem großen Steuerrad, einem Kompass, einigen wenigen Schaltern und Hebeln sehe ich nichts in der Kommandozentrale. Wieder denke ich, der stark schielende rotschöpfige sommersprossige Ire, unser Kapitän, wird schon wissen, was er seinem Boot zutrauen kann, zumal vier Kinder an Bord sind.

Ich stehe während der gesamten Überfahrt. Meine Sitzbank entlang der Kajütenrückwand ist permanent überspült. Der Wind und mit ihm die Gischt kommen gerade von der Seite auf der ich stehe. Den Platz wechseln kann ich nicht. Alle anderen sind besetzt und die meisten nicht besser. Aber das Stehen hat auch Vorteile. Ich kann das Auf und Ab, die Schlingerbewegungen des Bootes, gut ausgleichen. Meine Reisetabletten wirken Wunder. Mir geht es nach einer halben Stunde Fahrt noch gut.

Es ist wie auf einer Achterbahn. Die am Heck Sitzenden kreischen, wenn das Boot sie hoch schleudert und dann einige Meter nach unten durchsackt. Das kommt jetzt oft vor. Als Zugabe erhalten sie auch immer noch eine große Dusche.

Die Kinder lachen nicht mehr. Sie schauen ernst und mit ihnen die Eltern. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen wird zuerst blass, dann leicht grün im Gesicht. Es klammert sich an den Wulst der Reling. Der Vater schützt und stützt das Kind. Der Kopf des Mädchens neigt sich über den Bootsrand. In krampfartigen Intervallen hebt und senkt sich der junge Körper.

Es ist 11.30 Uhr. Einige sitzen nun blass da und schauen mit starrem Blick geradeaus. Und einige hängen über der Reling, so, als wollten sie die Fische zählen oder ergründen wie tief das Meer ist. Immer wenn ich glaube es ist gerade möglich versuche ich an der Kajütenseite entlang nach vorn zu schauen. Ich sehe die kleine schwarze Felsinsel verschwommen im grauen Dunst näher kommen. Manchmal sehe ich nichts. Dann bekomme ich die weiße schäumende Gischt mitten ins Gesicht.

Es sind noch ein paar hundert Meter. Die weiße Insel vor uns, die aussieht wie Skellig Michael, ist nicht Skellig Michael. Es ist die Nachbarinsel. Ich denke, wieso liegt dort Schnee? Aber jetzt beim Näherkommen erkenne ich. Es ist kein Schnee. Es ist der Kot von unzähligen Seevögeln die den Fels umkreisen und darauf ihre Nistplätze haben. Ihr Kreischen übertönt das Brummen und Stampfen der Schiffsmotoren.

Wir sind jetzt eine Stunde unterwegs. Der Kapitän schaut manchmal kurz aus der offenen Tür seiner Kajüte. Ein prüfender aber kein besorgter Blick. Also mache auch ich mir keine Sorgen. Filmen oder Fotografieren ist nicht mehr möglich. Ich kralle mich mit einer Hand an etwas was mir ein wenig Halt gibt, an eine kleine Vertiefung in der Kajütenrückwand.

Nun liegt schwarz und unwirklich Skellig Michael greifbar nahe vor uns. Wenn das Boot in einem Wellentief absackt sehe ich nur noch die scharfkantige Spitze der pyramidenförmigen Insel. Ich erkenne die Anlegestelle, etwa in der Mitte.

Ein schwarzes Loch, eine vom Meer in den Fels geschlagene große Grotte, bildet den natürlichen Schutz für den vorgebauten kleinen Hafen. Eine Betonmauer mit Stufen ist das einzige Neuzeitliche was ich entdecken kann. Ein Boot liegt schon dort. Es macht uns Platz. Es fährt hinaus, dreht Runden, bis wir an Land sind.

Diese Anlegemöglichkeit und das was unmittelbar danach kommt, der breite betonierte Fußweg bis hin zum Leuchtturm an der Nordspitze der Insel, wurden erst im vorigen Jahrhundert geschaffen. Seit etwa einhundertfünfzig Jahre steht der Leuchtturm dort, und seitdem gibt es Menschen die hier in Intervallen ihren Dienst verrichten. Bei rauer See werden sie mit dem Hubschrauber gebracht und abgeholt. Ich sehe den markierten Hubschrauberlandeplatz.

Durch diese modernen Dinge beeinflusst, bin ich erst einmal etwas enttäuscht. Ich denke, typisch, wie so oft, was im Reiseführer steht ist längst überholt. Langsam gehe ich weiter. Es hat zu regnen begonnen. Ein feiner Nieselregen, der alles auf der Insel und um sie herum in einen grauen, feuchten Schleier hüllt. Die anfangs noch gute Fernsicht nimmt immer mehr ab. Das Boot, der Hafen und sogar die Nachbarinsel sind kaum mehr zu erkennen.

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