Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich

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Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich
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Peter Scherrer

Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in

Österreich


168 Seiten mit 105 Abbildungen, einer Tabelle und einer Karte

Titelabbildung: © oben und Mitte: Peter Scherrer; Kultwagen: Universalmuseum

Joanneum, Graz, unten: © Wolfram Letzner.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2016 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein

ISBN 978-3-945751-61-9

Lektorat: Natalia Thoben, Danilo Blaeser

Gestaltung des Titelbildes: Sebastian Ristow

Gestaltung: Bild1Druck GmbH, Berlin

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Vorarlberg

01 Bregenz – Brigantium: Roms erste und letzte Bastion in der Provinz Raetia

02 Rankweil-Brederis, römische Villa – zwei Bäder für ein Bauernhaus?

03 Göfis, die Heidenburg – ein fester Ort von der Bronzezeit bis in das Mittelalter

Tirol

04 Fliess und der Piller Sattel – Heiliger Rauch und verborgene Opfergaben

05 Birgitz – Die Raetersiedlung auf der hohen Birga

06 Volders–Wattens – Das Himmelreich

07 Dölsach – Aguntum: Ein Hauch Italien in den Alpen

08 Lavant, der Kirchbichl – Kupferbergbau vom Neolithikum bis in die Spätantike

Kärnten

09 St. Peter in Holz – Teurnia: Die Stiftung eines gotischen Statthalters

10 Spittal an der Drau-Molzbichl – Das Kloster und der heilige Nonnosus

11 Dellach – Gurina: Etrusker, Veneter, Kelten und Römer auf der Alm

12 Keutschacher See: Die Pfahlbauinsel

13 Maria Saal – Virunum: Die Römerstadt auf dem Zollfeld

14 Maria Saal – Die Karnburg und der Herzogstuhl im Fokus der Geschichte Kärntens

15 Magdalensberg – Republikanischer Handelsplatz und kaiserliche Goldschmelze

16 Globasnitz-Hemmaberg – Wallfahrtsort für Katholiken und Arrianer?

Salzburg

17 Der Dürrnberg bei Hallein – Der Reichtum der Salzherren

18 Salzburg – Erzabtei auf römischen Häusern

19 Obertauern – Vom Radstädter Tauern zum Leissnitzgraben: Entschleunigen auf römischen Alpenstrassen

20 Uttendorf – Alpine Handwerkstradition im Keltendorf

Oberösterreich

21 See – Steinzeitbauten im Mondsee

22 Weyregg am Attersee – Römische Villa mit Fischzucht

23 Altheim-Weirading – Das römische Badegebäude

24 Wels – Vom Municipium Ovilavis zur Burg Oueles

25 Linz: Die Martinskirche – Graf Gerolds Vermächtnis

26 Enns-Lorch – Legionen und Heilige

27 Wurzeralm (Spital am Pyhrn) – (prä)historische Zeichen im Fels

28 Hallstatt – Der Salzberg und seine Herren

Steiermark

29 Sölkpass – Reisende opfern den Göttern

30 Strettweg-Judenburg – Ein Kultwagen der Hallstattzeit auf großer Fahrt

31 Mixnitz-Röthelstein – Die Drachenhöhle: immer ein sicherer Ort

32 Grossklein – Die Maske des toten Fürsten: die Hallstattsiedlung und ihre Nekropole

33 Frauenberg-Seggauberg bei Leibnitz – Götterberg und Bischofssitz

34 Semriach – Das römische Hügelgrab

35 Hartberg-Ringkogel – Keltischer Wall und römisches Heiligtum?

36 Hartberg-Löffelbach – Die spätantike Villa

Burgenland

37 Bruckneudorf – Vom keltischen Fürstensitz zur spätantiken Kaiserresidenz?

38 Unterrrabnitz – Das Frühmittelalterdorf: leben in einer Umbruchzeit

39 St. Martin an der Raab – Keltische Tradition oder römischer Einfluss? Spuren einer Gräberstrasse

Niederösterreich

40 Asparn an der Zaya – Das Mamuz: Urgeschichte im Experiment

41 Oberleis – Ein germanischer Fürst baut ein römisches Haus

42 Wachau – Die ältesten Österreicherinnen

43 Heldenberg – Die neolithische Kreisgrabenanlage: Ein Kalenderbau?

44 Petronell-Carnuntum – Pompeji vor den Toren Wiens

45 Zeiselmauer – Spaziergang durch das Römerlager

46 Tulln – Das Kastell syrischer Reiter

47 Traismauer – Ein karolingischer Graf befehligt ein ehemaliges Römerlager

48 Mautern – Die Stadt des heiligen Severin

49 Schwarzenbach – Vom Keltenwall zum Keltendorf

Wien

50 Wien, Innere Stadt – Vom Legionslager Vindobona zur Babenbergerresidenz

Zeittafel

Abbildungsnachweis

VORWORT

Archäologische Stätten, seien es Ausgrabungen und daraus resultierende Freilichtmuseen bzw. Archäologische Parks, seien es die wenigen ober Tag erhalten gebliebenen und in späteren Zeiten weiter verwendeten Baudenkmäler der Römerzeit, seien es als Geländemerkmale bis heute sichtbare Grabhügel oder Befestigungswerke, spielen im sog. sanften Tourismus eine zunehmende Rolle. Aber auch für Schulausflüge und Gruppenreisen gehören Bodendenkmäler zum festen Zielrepertoire. Dabei stimmt die gefühlte Bedeutung, resultierend aus der Bekanntheit aus Schulunterricht, Heimatliteratur und Kulturführern sowie der Zugänglichkeit, häufig nicht mit dem tatsächlichen Erhaltungszustand überein.

 

Das Buch bietet natürlich eine letztlich subjektive Auswahl des Autors. Mir schien es wichtig die gesamte Bandbreite der Epochen von der Altsteinzeit bis in das frühe Mittelalter, von den Anfängen des mitteleuropäischen Menschen bis zum Ende des 1. Jts. n. Chr., einzuarbeiten. Andererseits sollte die Reichhaltigkeit der österreichischen Landschaft mit ihren Klimazonen mit dem relativ offenen Alpenvorland samt dem Donautal und der böhmischen Masse, mit den von Seen und Flusstälern durchzogenen Hoch- und Mittelgebirgen der Ostalpen, mit der fruchtbaren pannonischen Ebene, auch in ihrer archäologischen Vielfalt zur Geltung gebracht werden. Nicht zuletzt galt es, einigermaßen Ausgewogenheit zwischen den Bundesländern herzustellen. Vor allem aber mussten die unterschiedlichen Typen der Siedlungen, Fluchtpunkte in Steinzeithöhlen, in Seen versunkene Pfahlbauten, metallzeitliche Höhensiedlungen, römische Städte, spätantike Wallfahrtsorte und mittelalterliche Pfalzen und Klöster sowie die damit verbundenen Kult- und Wehranlagen, Gräber, Villen, Wirtschafts- und Technikbauten, Bergwerke, Straßen und Herrschaftsplätze dargestellt werden.

Darum möge man verzeihen, wenn irgendjemandes Lieblingsplatz fehlt, dafür mag so manch Neues zu entdecken sein. Und ebenso möge man mir nachsehen, wenn ich mir in manchen Fällen aus dem Erfahrungsschatz meiner Berufslaufbahn als Archäologe erlaubte, die in der Fachliteratur gegebenen Interpretationen und im Lokalbewusstsein verankerten Deutungen zu hinterfragen und Alternativen anzubieten.


Abb. 1 Nachbau eines neolithischen Langhauses im Urgeschichtepark MAMUZ in Asparn/​Zaya.


Westösterreich

Vorarlberg

01 Bregenz

02 Rankweil-Brederis

03 Göfis

Tirol

04 Fliess und Piller Sattel

05 Birgitz

06 Volders – Wattens

07 Dölsach – Aguntum

08 Lavant

Kärnten

09 St. Peter in Holz – Teurnia

10 Spittal an der Drau

11 Dellach – Gurina

12 Keutschacher See

13 Maria Saal – Virunum

14 Maria Saal

15 Magdalensberg

16 Globasnitz-Hemmaberg

Salzburg

17 Dürrnberg bei Hallein

18 Salzburg

19 Obertauern

20 Uttendorf

Ostösterreich

Oberösterreich

21 See

22 Weyregg am Attersee

23 Altheim-Weirading

24 Wels

25 Linz

26 Enns-Lorch

27 Wurzeralm

28 Hallstatt

Steiermark

29 Sölkpass

30 Strettweg-Judenburg

31 Mixnitz-Röthelstein

32 Grossklein

33 Frauenberg-Seggauberg

34 Semriach

35 Hartberg-Ringkogel

36 Hartberg-Löffelbach

Burgenland

37 Bruckneudorf

38 Unterrabnitz

39 St. Martin an der Raab

Niederösterreich

40 Asparn an der Zaya

41 Oberleis

42 Wachau

43 Heldenberg

44 Petronell-Carnuntum

45 Zeiselmauer

46 Tulln

47 Traismauer

48 Mautern

49 Schwarzenbach

Wien

50 Wien, Innere Stadt

Schon von Drusus, dem Stiefsohn des Augustus, beim Alpenfeldzug 15 v. Chr. als Etappenort gegründet, erlangte der Ort in der Spätantike erneut als Militärplatz Bedeutung. Jetzt mussten die Römer schrittweise vor den Alamannen zurückweichen.

01BREGENZ – BRIGANTIUM: ROMS ERSTE UND LETZTE BASTION IN DER PROVINZ RAETIA

Vorarlberg

Erste Ausgrabungen in der Bregenzer Innenstadt fanden schon seit der Mitte des 19. Jhs. durch den reichen Stofffabrikanten Samuel Jenny statt. Die Siedlungsschwerpunkte des römischen Brigantium lagen am sog. Ölrainplateau und in der sog. Oberstadt sowie am Bodenseehafen. Die Ergebnisse der intensiven Grabungstätigkeit sind teilweise in ihrer Interpretation sehr umstritten, die Befunde sind großteils durch moderne Bautätigkeit verschwunden oder mussten wieder zugeschüttet werden.

Um 15 v. Chr. wurde das Gebiet infolge des Alpenfeldzugs unter Drusus, dem jüngeren Stiefsohn des Kaisers Augustus, von den Römern erobert. Zunächst entstand ein Militärlager auf dem Ölrain, etwa im Bereich der ehemaligen Krankenhausgründe südwestlich der Josef-Huter-Straße. Es diente einer 500 Mann starken Truppe (Ausmaße ca. 196 × 140 m) und war in Holz-Erde-Technik mit zwei umgebenden Spitzgräben errichtet. Hier fanden bis 2012 erneut großflächige, noch nicht umfangreich publizierte Ausgrabungen statt. Eventuell gab es bereits auch ein frühes Hafenkastell. Mit dem Vorschieben der rätischen Provinzgrenze an die Donau entstand im 2. Jh. n. Chr. eine reine Zivilsiedlung, die sich aus dem Lagerdorf am Ölrain entlang einer Durchzugsstraße entwickelte. Ungefähr beim heutigen Grundstück Ölrain 13 lag ein ausgedehntes, heute wieder verschüttetes Forum (96,5 × 54,6 m). Die öffentlichen Thermen befanden sich südwestlich des Forums, direkt an der Hauptstraße, auf dem Areal des heutigen evangelischen Friedhofs. Die evangelische Kirche wurde nach den Ausgrabungen Samuel Jennys über einem besonders großen Saal der Thermen (Raum mit dem Kaltwasserbecken oder Eingangshalle?) errichtet. Abgesehen vom Grundriss ist nur wenig von dieser Anlage bekannt. Auch die Datierung des Bauwerks ist unklar. Das Hauptgebäude (20 × 20 m) bestand aus neun teilweise beheizbaren Räumen.

Der einzige sichtbare und zugängliche Befund der römischen Zeit in Bregenz ist die sog. Villa am Steinbühel, die in ihrem erhaltenen Grundriss um 80 n. Chr. errichtet worden sein dürfte und bis in das 2. Jh. n. Chr. genutzt wurde. Die Mauerreste wurden erstmals 1884 von Samuel Jenny untersucht und zwischen 1980 und 1990 beim Bau des City-Tunnels erneut freigelegt und konserviert. Die älteren Deutungen reichen von einer Funktion als Hafenkaserne oder einem Lagerhospital bis zu einem Zentrallager für importiertes Olivenöl und andere Waren. Der äußerst luxuriös ausgestattete, 2.600 m2 große Komplex ist typologisch als Villa suburbana zu bezeichnen und bestand aus 24 Zimmern, die sich um einen 10 × 20,8 m großen Hof gruppierten. Vermutlich war das Hauptgebäude einstöckig und mit einem Satteldach abgedeckt. In einem der Räume fanden sich Reste einer Toilettenanlage. Der Innenhof selbst war zusätzlich an allen Seiten von pfeilergestützten Wandelhallen (porticus) umgeben, die von einem Pultdach abgedeckt waren. Zum Seeufer hin erstreckte sich noch eine Gartenanlage, die ebenfalls von einer porticus mit 2,8 m hohen Säulen umgeben war. Die Eingangshalle im Osten zur Stadt hin wies hingegen 18 Säulen mit wahrscheinlich 5,6 m Höhe auf. Die Wirtschaftsräume befanden sich im Nordflügel des Gebäudes. Knapp nordwestlich stand eine Thermenanlage, die mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls zum Gebäudekomplex der Stadtvilla gehörte. Die Größe und Lage deuten darauf hin, dass der Baukomplex als regionaler Sitz der Provinzialverwaltung diente und hier die zentralen Warentransporte für das Militär ebenso wie die Steuerleistungen der Provinzialbevölkerung gelagert worden sein dürften.


Abb. 2 Bregenz, Steinbühel (Cityknoten), konservierte Grundmauern eines ausgedehnten römischen Baukomplexes mit zentralem Säulenhof.

Vom Hafenkastell am Leutbühel, im Bereich der Fußgängerzone im Zentrum von Bregenz, wurden zwar mehrere, bis zu 31 m lange Mauerstücke ausgegraben, doch heute ist davon im Stadtbild nichts direkt sichtbar. Im Straßenpflaster markieren aber farbige Bereiche die bekannten Mauerabschnitte. Dieses Hafenkastell, Brecantia, das zur Kastellkette des Donau-Iller-Rhein-Limes gehörte und den Abschnitt der Reichsgrenze an Oberrhein und Bodensee sichern sollte, wurde unter Valentinian I. (364–375 n. Chr.) errichtet. Das Fälldatum der Bäume, die für den Fundamentrost als Piloten in den Boden geschlagen wurden, liegt nach Jahresringuntersuchungen im Bereich um die Jahre 362–382 n. Chr. Die Ausmaße des Kastells dürften etwa 70 × 50 m betragen haben, die Stärke der Wehrmauern betrug nach Ausgrabungsergebnissen bis zu 4 m. Vermutlich wurde die Anlage an den Ecken noch durch vier große, vorkragende Türme verstärkt. Die Tore lagen im Nordwesten und Südosten der Mauer. Die meisten Kasernen und Zweckbauten im Inneren dürften mit ihrer Rückwand an die Kastellmauer angebaut gewesen sein. Die hier stationierte Truppe wird in der notitia dignitatum (occ 35. 32) als numerus barcariorum bezeichnet; der zu dem damals Brecantia genannten Kastell gehörende primitive Hafen bot etwa 10 Schnellbooten (naves lusoriae) Platz.

 

Die zugehörige spätantike Zivilsiedlung lag in der Oberstadt von Bregenz, wo von vielen Archäologen auch ein Kastell vermutet wurde. Da im 3. Jh. n. Chr. die Einfälle der Alamannen zu unruhigen Zeiten für Raetien führten, wurde die Siedlung am Ölrainplateau aufgegeben. Die Bevölkerung zog sich in die Oberstadt zurück, die aufgrund ihrer Lage viel besser zu verteidigen war. Aufgrund der späteren mittelalterlichen Überbauung sind archäologische Befunde jedoch rar. Immerhin wurde an drei Stellen eine 1,5 m dicke Mauer (eines Kastells?) angeschnitten. In der Nähe des späteren Martinsturms wurde eine kleine Badeanlage festgestellt.

Ein Modell des antiken Ortsbildes, die Funde aus der Siedlung und dem gut erforschten Gräberfeld am Ölrain, einige wichtige Inschriften wie eine Ehrung des jüngeren Drusus, Sohns des Tiberius, oder der Nachweis eines Vereins der italischen Händler, sind im Vorarlberg Museum ausgestellt.

Adresse

voralberg museum -

Kornmarktplatz 1

6900 Bregenz

http://www.vorarlbergmuseum.at/

Literatur

S. Deschler-Erb – Ch. Ertel – V. Hasenbach, Kaiserkultbezirk und Hafenkastell in Brigantium. Ein Gebäudekomplex der frühen und mittleren Kaiserzeit, Konstanz 2011; J. Kopf, Indizien für Militärpräsenz im frühkaiserzeitlichen Fundmaterial Brigantiums, in: U. Lohner-Urban – P. Scherrer (Hg.), Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr, Berlin 2015, S. 199–216.

Ein römisches landwirtschaftliches Anwesen mit zahlreichen Gebäuden, die in der Spätantike und im Mittelalter phasenweise als Schmiede fungierten. Wozu aber dienten die einzelnen Gebäude ursprünglich? – Antworten auf eine archäologische Spurensuche.

02RANKWEIL-BREDERIS, RÖMISCHE VILLA – ZWEI BÄDER FÜR EIN BAUERNHAUS?

Vorarlberg

Inmitten einer immer noch vor allem der Landwirtschaft dienenden Ebene im Westen von Rankweil, im Ortsteil Brederis, wurde bereits 1954 ein römisches Gebäude ausgegraben und seine Grundmauern konserviert. Es handelt sich im erhaltenen spätantiken Bauzustand um ein für die römische Kaiserzeit typisches Mittelflurhaus mit zwei Zweiraumgruppen, von denen die südliche beheizt werden konnte und mit einer nach Süden vorspringenden Apsis ausgestattet war. Mitsamt einer heute im konservierten Befund nicht nachvollziehbaren Vorhalle an der Ostseite wies das Gebäude eine Grundfläche von etwa 18 × 20 m auf. Lange Zeit dachte man, das Wohngebäude eines antiken Bauernhofs gefunden zu haben. Im 8./​9. Jh. wurde in den Ruinen ein einzelner erwachsener Mann bestattet, im ausgehenden Spätmittelalter diente das immer noch nutzbare Gemäuer einem Grobschmied; das Haus stand also etwa 1.400 Jahre irgendwie und mit Unterbrechungen in Verwendung.

Erst von 1997 an wurde über zehn Jahre lang ein direkt nördlich benachbartes Gebäude erforscht, das sich bald als der eigentliche Bauernhof vom weit verbreiteten Typ der Porticus-Eckrisalit-Villa herausstellte. Im Vollausbau des 2./​3. Jhs. n. Chr. lag eine repräsentative, nach außen offene Säulenhalle (porticus) zwischen zwei annähernd quadratischen Wohntürmen (Risaliten) mit jeweils ca. 25 m2 Innenraum. Diese dürften nach Parallelen mindestens ein, eher zwei Obergeschosse besessen haben, der südliche war außerdem im Erdgeschoss beheizt. Zur Vergrößerung des Wohnraums wurde in der Südostecke des Hofes ein weiterer beheizbarer Raum eingebaut. Wie bei vielen solcher Villen gab es auch hier im älteren Bestand des 1./​2. Jhs. n. Chr. nur einen unbeheizten Risalit. Der Einbau von Fußbodenheizungen in Wohnräume ab dem späten 2. Jh. n. Chr. hängt mit einer deutlichen Klimaverschlechterung zusammen, die von der Forschung mit Vulkanausbrüchen ungeheurer Ausmaße bald nach 180 n. Chr. in Neuseeland und Südamerika in Zusammenhang gebracht werden.


Abb. 3 Rankweil-Brederis, römische Villa: Im Vordergrund das Nebengebäude mit Apsis, in der Bildmitte der auch als Blickfang dienende turmartige Schutzbau über dem Haupthaus.

Den größten Teil des Gebäudes nahm der ummauerte Hof ein, der in der Spätantike gepflastert und mit einer großen Feuerstelle ausgestattet worden war, und in dessen Umgebung Eisenschlacken auf Schmiedetätigkeiten hinweisen. In früheren Phasen wies der Hof einen Lehmboden auf, was etwa mit einer Funktion als Tenne, zum Trennen von Spreu und Getreidekörnern, in Einklang stünde. Entlang der Hofwände deuten Pfostenstellungen eine innen umlaufende Hallenstruktur an, wohl um Gerätschaften, Vorräte und Brennholz trocken und windgeschützt zu lagern bzw. Kleintierhaltung zu betreiben.

Im 4. Jh. n. Chr. scheint das südliche Bauwerk die Funktion als Wohnhaus von den Risaliten im Haupthaus übernommen zu haben, es könnte aber auch schon vorher als Wohnraum gedient haben, etwa für das Verwalterehepaar. Dieses bewirtschaftete den Hof, da vornehme Römer dies nicht selbst taten. Dafür liegt es aber unüblich nahe am Haupthaus, von der Lage her würde man hier eher ein Bad erwarten. Tatsächlich ähnelt das Gebäude im Grundriss auch einer solchen Anlage mit zwei beheizten Räumen, insbesondere die nach Süden vorspringende Apsis wäre ein typischer Ort für ein Warmwasserbecken. Vielleicht gab es aber auch Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung oder Probleme mit dem verfügbaren Wohnraum.

Tatsächlich wurde im Jahre 2006 in einer Entfernung von etwa 200 m im Osten vom Haupthaus bei der Anlage des Golfplatzes ein Badegebäude entdeckt. Der unüblich große Abstand vom Haupthaus wird von den Ausgräbern damit erklärt, dass dies die wasserreichste Stelle des Grundstücks gewesen sei. Das Bad weist die üblichen fünf Räume in zwei parallelen Raumreihen (Blocktypus) auf, drei davon mit Fußbodenheizungen. Der Umkleideraum (apodyterium) und der Raum mit dem Kaltwasserbecken (frigidarium) lagen im Westen, dann ging man weiter zu einem beheizten Aufenthaltsraum (tepidarium), darauf zum Raum mit der wegen der Temperaturausnutzung nach Süden ausgerichteten Warmwasserwanne und gelangte schließlich in einen kleinen Heißluftraum ähnlich einer modernen Sauna (laconicum).

Der Bauernhof liegt im Einzugsbereich auf der sog. Tabula Peutingeriana, einer auf die Antike zurückgehenden Landkarte, in dieser Gegend verzeichneten Ortschaft Clunia. Diese ist wahrscheinlich im heutigen Feldkirch, 1,5 km weiter im Süden anzusiedeln, wie etwa der ausgedehnte römerzeitliche Baukomplex „Uf der Studa“ in Feldkirch-Altenstadt nahelegt.

Ein kleiner Teil im Südost-Eckbereich des Hofgebäudes wurde mit einem turmartig in die Landschaft ragenden Schutzbau (implantierte, begehbare Skulptur aus COR-TEN-Stahl von Marte. Marte Architekten ZT GmbH) versehen, um Originalbausubstanz zeigen zu können. In einer „Vitrine“ daneben werden Nachbildungen von Funden aus der Villa gezeigt. Alle übrigen Mauern der drei römischen Bauten wurden winterfest neu aufgemauert und solcherart sichtbar konserviert.


Abb. 4 Blick auf die implantierte, begehbare Skulptur aus COR-TEN-Stahl von „Marte. Marte Architekten ZT Gmbh“ über der Villa in Rankweil-Brederis.

Adresse

6830 Rankweil

Kirchstraße,

beim Sportplatz Brederis und auf dem Gelände des Golfplatzes

http://www.rankweil.at/​nexus4/​Web Objects/​xCMS4.woa/​wa/​article?id=45944 &rubricid=68&menu id=1326.

Literatur

J. Pöll (Hg.), Archäologische Forschungen bei der Römervilla in Rankweil-Brederis, Grabung 2004, Rankweil 2008 (= Dokumente Rankweil, Bd. 6); J. Kopf, Wohngebäude, Begräbnisstätte oder Schmiede? – Ein Nebengebäude der villa rustica von Brederis/​Rankweil (Vorarlberg) im Wandel der Zeit, in: Akten des 13. Österreichischen Archäologentages, Wien 2012, S. 339–344.