Salomé

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LUNATA




Salome




Salome



Drama in einem Aufzug



© 1891 by Oscar Wilde



Originaltitel

Salomé



Aus dem Französischen von Hedwig Lachmann



© Lunata Berlin 2020




Inhalt





Personen







1. Aufzug







Personen



Herodes,

Tetrarch von Judäa



Herodias,

Frau des Tetrarchen



Salome,

Tochter von Herodias



Jochanaan,

der Prophet



Narraboth,

ein junger Syrer,


Hauptmann der Wache



Ein

 Page

der Herodias





Fünf Juden







Zwei Nazarener







Zwei Soldaten,







Ein Cappadocier







Ein Sklave







1. Aufzug





Erste Szene







Eine große Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stößt. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung. Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrund eine alte Zisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.





Narraboth.

 Wie schön ist die Prinzessin Salome heute nacht!



Page.

 Sieh die Mondscheibe, wie sie seltsam aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab.



Narraboth.

 Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füße weiße Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt.



Page.

 Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin.

(Lärm im Bankettsaal.)



Erster Soldat.

 Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Tiere, die da heulen?



Zweiter Soldat.

 Die Juden.

(Trocken)

 Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.



Erster Soldat.

 Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten.



Narraboth

 Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Abend!



Page


(unruhig)

. Du siehst sie immer an. Du siehst sie zu viel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehn.



Narraboth.

 Sie ist sehr schön heute Abend.



Erster Soldat.

 Der Tetrarch sieht finster drein.



Zweiter Soldat.

 Ja, er sieht finster drein.



Erster Soldat.

 Auf wen blickt er?



Zweiter Soldat.

 Ich weiß nicht.



Narraboth.

 Wie blaß die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blaß gesehn. Sie ist wie der Schatten einer weißen Rose in einem silbernen Spiegel.



Page


(sehr unruhig)

. Du mußt sie nicht ansehn. Du siehst sie zu viel an. Schreckliches kann geschehn.



Die Stimme des Jochanaan


(aus der Zisterne)

. Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen den Riemen an seinen Schuh'n. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn. Wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet.



Zweiter Soldat.

 Heiß' ihn schweigen! Er sagt immer lächerliche Dinge.



Erster Soldat.

 Er ist ein heil'ger Mann. Er ist sehr sanft. Jeden Tag, den ich ihm zu essen gebe, dankt er mir.



Ein Cappadocier.

 Wer ist es?



Erster Soldat.

 Ein Prophet.



Ein Cappadocier.

 Wie ist sein Name?



Erster Soldat.

 Jochanaan.



Ein Cappadocier.

 Woher kommt er?



Erster Soldat.

 Aus der Wüste. Eine Schar von Jüngern war dort immer um ihn.



Ein Cappadocier.

 Wovon redet er?



Erster Soldat.

 Unmöglich ist's, zu verstehn, was er sagt.



Ein Cappadocier.

 Kann man ihn sehn?



Erster Soldat.

 Nein, der Tetrarch hat es verboten.



Narraboth (sehr erregt).

 Die Prinzessin erhebt sich! Sie verläßt die Tafel. Sie ist sehr erregt. Sie kommt hierher.



Page.

 Sieh sie nicht an!



Narraboth.

 Ja, sie kommt auf uns zu.



Page.

 Ich bitte dich, sieh sie nicht an!



Narraboth.

 Sie ist wie eine verirrte Taube.





Zweite Szene







(Salome tritt erregt ein.)





Salome.

 Ich will nicht bleiben. Ich kann nicht bleiben. Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern? Es ist seltsam, daß der Mann meiner Mutter mich so ansieht. Wie süß ist hier die Luft! Hier kann ich atmen ... Da drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reißen ... Schweigsame, list'ge Ägypter und brutale ungeschlachte Römer mit ihrer plumpen Sprache ... O, wie ich diese Römer hasse!



Page


(zu Narraboth)

. Schreckliches wird geschehn. Warum siehst du sie so an?



Salome.

 Wie gut ist's, in den Mond zu sehn. Er ist wie eine silberne Blume, kühl und keusch. Ja, wie die Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist.



Die Stimme des Jochanaan.

 Siehe, der Herr ist gekommen, des Menschen Sohn ist nahe.



Salome.

 Wer war das, der hier gerufen hat?



Zweiter Soldat.

 Der Prophet, Prinzessin.



Salome.

 Ach, der Prophet! Der, vor dem der Tetrarch Angst hat?



Zweiter Soldat.

 Wir wissen davon nichts, Prinzessin. Es war der Prophet Jochanaan, der hier rief.



Narraboth

(zu Salome). Beliebt es Euch, daß ich Eure Sänfte holen lasse, Prinzessin? Die Nacht ist schön im Garten.



Salome.

 Er sagt schreckliche Dinge über meine Mutter, nicht wahr?



Zweiter Soldat.

 Wir verstehen nie, was er sagt, Prinzessin.



Salome.

 Ja, er sagt schreckliche Dinge über sie.





(Ein Sklave tritt ein.)





Sklave.

 Prinzessin, der Tetrarch ersucht Euch, wieder zum Fest hineinzugehn.



Salome


(heftig)

. Ich will nicht hineingehn.





(Der Sklave geht ab.)





Salome.

 Ist dieser Prophet ein alter Mann?



Narraboth


(dringender)

. Prinzessin, es wäre besser hineinzugehn. Gestattet, daß ich Euch führe.



Salome


(gesteigert)

. Ist der Prophet ein alter Mann?



Erster Soldat.

 Nein, Prinzessin, er ist ganz jung.



Die Stimme des Jochanaan.

 Jauchze nicht, du Land Palästina, weil der Stab dessen, der dich schlug, gebrochen ist. Denn aus dem Samen der Schlange wird ein Basilisk kommen, und seine Brut wird die Vögel verschlingen.



Salome.

 Welch seltsame Stimme! Ich möchte mit ihm sprechen ...



Zweiter Soldat.

 Prinzessin, der Tetrarch duldet nicht, daß irgend wer mit ihm spricht. Er hat selbst dem Hohenpriester verboten, mit ihm zu sprechen.



Salome.

 Ich wünsche mit ihm zu sprechen.



Zweiter Soldat.

 Es ist unmöglich, Prinzessin.



Salome


(immer heftiger)

. Ich will mit ihm sprechen ... Bringt diesen Propheten heraus!



Zweiter Soldat.

 Wir dürfen nicht, Prinzessin.



Salome

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