Leben um jeden Preis

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Leben um jeden Preis
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Nicole Weber

Leben um jeden Preis

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Leben um jeden Preis

2. Einzige Konstante ist der Tod

3. Dekubitus

4. Würde. Herz. Anstand.

5. Wen will man schützen?

6. Der letzte Rest des Lebens

7. Eine Frage der Ethik

8. Weg mit dem Tod!

9. Eingehüllt in ein Geheimnis

10. Entwicklung der Lebenserwartung

11. Allmächtige Medizin?

12. Leben mit der Endlichkeit

13. Was glauben wir wirklich?

Nachwort:

DANKSAGUNG:

Impressum neobooks

Leben um jeden Preis

Albert Einstein:

„Ein neues Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will.“

Das Leben ist hart. Und endet meist tödlich.

Ähhm, ich korrigiere mal den flapsigen Instagram-Spruch: Und endet IMMER tödlich.

Eigentlich wissen das alle. Besonders aber die Krankenschwestern und Pflegekräfte im medizinischen Bereich.

Ich bin examinierte Krankenschwester, diplomierte Pflegefachfrau mit Erfahrungen in der Schwerstbehindertenbetreuung, in der Palliativversorgung, in der Altenpflege und als Fachkraft auf der Intensivstation einer renommierten Herzchirurgischen Fachklinik. Auch ich weiß, wovon ich rede. Das Leben ist endlich...und irgendwann mit Sicherheit vorbei.

Ich stamme aus Deutschland, bin im katholischen konservativen Bayern geboren und lebe in der Schweiz, dem Land der Banken und Sterbehilfe. Die Ansichten über Leben und Tod, über Würde und Abschiednehmen sind in beiden Regionen unterschiedlich, ich erlebe beide. Jetzt, in der Corona-Pandemie, gewinnen diese Ansichten extrem an Bedeutung. Leben um jeden Preis?

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will "jedes einzelne Leben retten". Um jeden Preis.

Die meisten Minister danken und die Passanten applaudieren dem Pflegepersonal. Bravo!

Mir tun alle Pflegefachfrauen und -männer leid, ...scheiß Job ...rund um die Uhr ...schlechte Bezahlung ...immense Verantwortung, psychisch, physisch und dann hören sie diese Aussagen: "Wir wollen jedes Leben retten..." Immer mehr meiner Kollegen fragen zurück:... auch das der Pfleger und Ärzte?

Wir gehen mit Bedacht mit dem Leben um und akzeptieren ethisch und mit voller Verantwortung die menschliche Schwäche des Sterbens und versuchen unser Möglichstes, jedes Leben auch in Würde gehen zu lassen, weil wir es müssen.

Die Fragen sind für das Pflegepersonal im Umgang mit schwerstkranken oder todgeweihten Patienten nicht neu, aber aktueller denn je:

Wieso ist die Menschheit nicht in der Lage zu akzeptieren, dass Menschen sterben... "...ist halt so, ist ja auch gut so, anders wäre die Erde nicht existenzfähig..."

Wieso ist es für die meisten Menschen sogar unglaublich schwer, sich mit dem Tod überhaupt auseinanderzusetzen?

Wieso wird dem Tod mit so viel Negativität begegnet? Leben um jeden Preis erhalten! Und in der hochinvasiven, teuren Medizin ohne die Fragestellung, ob es wirklich ethisch und moralisch wertvoll und menschlich ist, dass wir versuchen jedes Menschenleben am Leben zu erhalten…

Ich finde nicht, dass es Sinn hat, wirklich jeden Betroffenen an ein Beatmungsgerät anzuschließen, es geht doch auch um die Ethik des Sterbens und nicht nur darum, alles Machbare zu machen, um das blanke Leben zu erhalten.

Da werden 92-jährige Menschen reanimiert. Reanimiert! Reanimation heißt im Klartext, der Mensch ist ja schon tot... Es wird nicht abgewogen zwischen Leben erhalten und friedvollem Sterben. OBERSTE Prämisse: Leben erhalten!! Wieso glauben wir Menschen das Recht zu haben, uns ständig in die natürliche Ordnung des Lebenskreislaufs einzumischen?

Ich weiss nicht, ich bin da mittlerweile sehr skeptisch. Die Schweizer sagen, man kann Menschen auch das Sterben erleichtern, wenn sie sterben müssen. Wäre das nicht vielleicht der angenehmere Ansatz? Eine gute Sterbestrategie, schmerzfrei, panikfrei, friedlich. Da gibt es ausreichend Möglichkeiten.

Mittlerweile werden in Europa Frühgeborene in der 22. Schwangerschaftswoche brutal am Leben erhalten, mit zum Teil fatalen Folgen. Wieso betrachtet man dabei nicht etwa die Unwürde, jemandem das natürliche Sterben in Frieden zu verweigern?

Weil die Devise heißt: Leben um jeden Preis.... Sterben auf keinen Fall....

Das Pflegepersonal wird schon seit Jahren bis an die Grenze und darüber hinaus belastet. Und dennoch sind wir/sie aus Sicht der Träger zu teuer, deshalb fehlt auch überall medizinisches Fachpersonal. In Deutschland beträgt die Wartezeit für eine Weiterbildung etwa zur Intensivpflegerin zwei Jahre! Minimum! Wie lächerlich. Und jetzt erhöhen sie aufgrund der Pandemie die Intensivbetten...und zaubern wissendes Personal dazu, oder wie kann man sich das vorstellen?

Niemand will einen geliebten Menschen verlieren, die wenigsten Menschen wollen sterben. Der Kampf ums Überleben ist also wichtig und richtig. Wichtig und richtig wäre es aber auch, einzusehen, dass das Leben endlich ist. Es endet IMMER tödlich.

2. Einzige Konstante ist der Tod

Der Tod, ist die einzige Konstante überhaupt, die mit Sicherheit im Leben irgendwann stattfinden wird.

Den Tod blenden wir aus, obwohl er eine unwiderrufliche, unvermeidbare Tatsache ist. Der Tod beginnt bereits mit unserer Geburt, dazwischen ist das Leben und das endet eben tödlich.

Wir wollen den Tod nicht in unserem Leben haben. Wir wollen ihn verbannen und am besten irgendwie umgehen. Die Kryoniker setzen ihre Hoffnung, auf ein Wiederbeleben in hunderten von Jahren und wollen so dem Tod ein Schnippchen schlagen. In der Hoffnung, dass die Medizin fortgeschritten genug ist, um die in flüssigem Stickstoff gelagerten Toten in Edelstahl-Behältern wieder zum Leben zu erwecken. Mit diesem Wunsch, der im Moment nichts mehr als eine Hoffnung ist, wurden schon etliche Menschen sofort nach ihrem Tod dieser sogenannten Vitrifizierung unterzogen, wie man dieses spezielle Verfahren nennt.

Es wird in verschiedenen Quellen beschrieben, dass die Toten sofort nach dem klinischen Tod mit Eiswasser gekühlt werden, um den Gewebszerfall, vor allem im Gehirn aufzuhalten.

Um den Kreislauf aufrechtzuerhalten, bis der Leichnam in der Kryozentrale eintrifft, werden künstliche Beatmung und Herzmassage weitergeführt. Im Anschluss wird Frostschutzmittel in die Arterien gepumpt und Körperflüssigkeiten werden herausgepumpt. Danach erfolgt die Abkühlung auf minus 196 Grad. Der Körper wird mit dem Kopf voraus in die Edelstahlbehälter abgesenkt, damit im Falle eines Stickstoffverlusts, das empfindliche Gehirn am längsten gekühlt bleibt.

Anscheinend gelingt es der Forschung bisher, einfache Tiere wie Fadenwürmer und Egel wieder zu erwecken, aber ein menschliches Gehirn wieder funktionstüchtig aufzutauen ist derzeit nicht möglich.

Ich hoffe, dass das so bleibt. Es erscheint mir unheimlich, sollte diese Möglichkeit irgendwann Realität werden und Tote würden und könnten wiederbelebt werden.

Es stellen sich jedoch Fragen! Es gibt Menschen, die dafür ein Vermögen bezahlen. Es gibt Menschen, die sich mit diesem Forschungsgebiet auseinandersetzen und vermutlich sogar so Ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Wieso fehlt die Akzeptanz, dass Sterben ein natürlicher, menschlicher Prozess ist und einfach zum Leben dazugehört?

«Vielleicht, weil niemand, niemanden verlieren möchte?!»

«Ich möchte Dich nicht verlieren!»

«Ich möchte Dich nicht loslassen»

«Ich möchte Dich für immer behalten oder wenigstens noch ein paar Jahre mehr.»

Sind das die wahren Gründe? Niemand will einen geliebten Menschen verlieren! Die wenigsten Menschen wollen sterben.

Wieso wollen Sie nicht sterben?

Mögliche Gründe könnten folgende darstellen. Vermutlich ist die Liste unendlich erweiterbar.

«Ich habe Angst vor dem Sterben und dem Tod»

«Ich habe Angst vor der Ungewissheit, was nach dem Tod passiert»

«Ich habe Angst vor dem NICHTS!»

«Ich habe Angst, dass ich im Tod allein bin»

«Ich möchte unendlich leben, weil ich noch so viele Ziele habe und erreichen möchte»

 

«Ich möchte meine Kinder und Enkelkinder aufwachsen sehen»

«Ich kann nicht loslassen»

Ist Ihnen und den anderen Menschen auch bewusst, dass nicht jedes Leben in der Form erhalten werden kann, die man sich wünscht oder die bekannt war?

Ist der Bevölkerung überhaupt bewusst, dass nach einer Intensivtherapie oft auch nur noch der Schatten des geliebten Menschen übrigbleibt…?

…aber Sterben ist nicht die gewünschte Option. Seit der Coronapandemie kommt das alles viel deutlicher zum Vorschein.

Sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und auch die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga wirken sehr emotional, schier hilflos, wenn es um die Sterbethematik geht im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Es gibt zu viele Tote. Es herrscht eine Massensterblichkeit. Man möchte das nicht akzeptieren!

Es wird beraten und gerätselt, was wohl der beste Weg sei, um die Übersterblichkeit zu verhindern!

Helfen uns die in Deutschland eingeführten „AHA“-Regeln? „A“ steht für Abstand halten, „H“ steht für Hygienemaßnahmen einhalten, „A“ steht für Alltagsmaske tragen.

„AHA!!!“ Und ist das nun der beste Weg um die Übersterblichkeit zu verhindern?

Vielleicht! …Vielleicht aber auch nicht….!

Vielleicht können wir das auch nicht verhindern!

Vielleicht gibt es im Moment auch nur die Möglichkeit des Versuchs etwas zu bewirken, anstatt hilflos zuzusehen und machtlos zu sein.

Vielleicht rettet uns der Impfstoff, der nun von immer mehr Firmen in immer größerer Zahl hergestellt wird? Nur welcher ist denn nun der Richtige oder ist dieser überhaupt schon auf dem Markt und genug erforscht um wirklich hilfreich zu sein?!

Vielleicht brauchen wir vorallem Akzeptanz!

Vielleicht sollten wir Menschen eben endlich lernen zu akzeptieren, dass Sterben ein natürlicher, menschlicher Prozess ist, der irgendwann stattfinden wird.

Vielleicht soll es auch so sein, wie es jetzt gerade ist. "Ist halt so! Wir können es ohne hin nicht wirklich ändern", wie man ja sieht!

Vielleicht ist diese Zeit auch die beste Möglichkeit für uns Menschen, um aufzuwachen und einzusehen, dass wir nicht grenzenlos Macht haben, uns in den natürlichen Kreislauf des Lebens einzumischen.

Wir Menschen sind so ungerne machtlos. Wir sträuben uns dagegen, dass wir die Kontrolle verlieren. Wir Menschen wären gerne allmächtig. Ein großer Teil der Weltbevölkerung vermittelt den Anschein, dass Macht, Kontrolle und am besten noch die Allmacht über das Leben erhalten und verlängern das einzige Wichtige und Richtige ist.

Vielleicht sollten wir Menschen uns in der Akzeptanz üben, dass wir nicht allmächtig sind!

Wir sind nicht allmächtig!!! Und das ist auch gut so!!!

Vielleicht sollten wir aber versuchen, es den Menschen einfacher zu machen, die täglich an der Front, um das Leben von vielen Menschen kämpfen, für sie da sind, sie pflegen, ihnen ärztliche Behandlung zukommen lassen.

Ich wiederhole mich, aber das ist nötig und wichtig, um gehört zu werden. Um dem medizinischen Personal an der Front Gehör zu verschaffen:

Mir tun alle Pflegefachfrauen und -männer leid, ...scheiß Job ...rund um die Uhr ...schlechte Bezahlung ...immense Verantwortung, psychisch, physisch und dann hören sie diese Aussagen: "Wir wollen jedes Leben retten..." Immer mehr meiner Kollegen fragen zurück: …auch das der Pfleger und Ärzte?

Wieso reden wir nicht einmal darüber, ob es wirklich ethisch und moralisch wertvoll und menschlich ist, dass wir versuchen jedes Menschenleben am Leben zu erhalten.

Wieso formulieren wir nicht neue Ansätze, wie zum Beispiel:

"Wir gehen mit Bedacht mit dem Leben um und akzeptieren ethisch und mit voller Verantwortung die menschliche Schwäche des Sterbens und versuchen unser Möglichstes jedes Leben auch friedvoll in Würde gehen zu lassen…"

Für ein friedvolles, würdevolles Sterben braucht es jedoch auch medizinisches Personal, welches diese Verantwortung übernehmen möchte und dafür ausgebildet wurde, Menschen im Sterben zu begleiten und für Erleichterung und Schmerzfreiheit zu sorgen. Eine noch schönere Vorstellung wäre es, wenn diese Personen, sprich medizinisches Personal, seien es nun Pflegekräfte oder Ärzte, genug Zeit hätten sich auch der Sorgen und der Trauer der Angehörigen zu widmen. Eine umfassende, würdevolle, menschliche Betreuung könnte so erreicht werden. Vielleicht wäre das die menschlichere Alternative zur hochinvasiven medizinischen Intensivbetreuung, bei der alle über einen längeren Zeitraum nur an Überforderung leiden und der Behandelnde letztendlich doch nicht mehr auf die Beine kommt oder doch stirbt, weil das eben der Kreislauf des Lebens ist.

Nun betrachte man einmal die Situation. Pandemie, eine Krise, ein Wirrwarr an unbeantworteten Fragen. Obwohl, wenn wir von der Schweiz sprechen, sind auch hier die wirklich gut ausgebildeten Pflegefachkräfte Mangelware. Man hat die letzten Jahre, Jahrzehnte mehr auf billige Hilfskräfte gesetzt. Außerdem wurde ein Vermögen ausgegeben für die elektronische Patientendokumentation. Eine Investition für die innovative Zukunft, meinte man wenigstens.

Sind wir nun schon mal bei der elektronischen Dokumentation angekommen, möchte ich noch das wichtigste Instrument der heutigen Pflege erwähnen. DIE PFLEGEPLANUNG!

Das Erlernen einer Pflegeplanung gehört schon seit Jahrzehnten zur Pflegeausbildung. Das ist auch gut so. Es ist ein gutes Konzept, um ein umfassendes Wissen in der Pflege zu erlangen und dieses dann am Patienten umzusetzen und vernetzt zu denken. Es ist also richtig und wichtig dieses Konstrukt ausführlich zu verstehen und dann im Arbeitsalltag einzusetzen und den anvertrauten Menschen die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen.

Die Pflegeplanung wird unterteilt in Pflegeprobleme, so hieß das 1995 während meiner Ausbildung. Heutzutage sind es immer noch Pflegeprobleme, doch man hat das Wort ein wenig aufgewertet und nun heißt es "Pflegediagnosen". Der nächste Punkt ist die Restfähigkeit, das sind die Möglichkeiten, die ein Patient noch an Eigeninitiative und persönlicher Selbständigkeit besitzt, sprich im Rahmen seiner Erkrankung und den damit verbundenen Einschränkungen aufgrund seiner Krankheitsproblematik, welches das zu behandelnde Pflegeproblem darstellt. Restfähigkeit wird nun auch als Ressource bezeichnet, da das laut Pflegewissenschaftlern besser klingt, bzw. man möchte die Professionalität der Pflege hervorheben und hat aus diesem Grund auch den Wörtern einen professionelleren Klang verpasst. Zu einer kompletten Pflegeplanung gehören noch die Pflegeziele und die damit verbundenen Pflegemaßnahmen. Die Ziele sind in jedem Fall eine bedürfnisorientierte, individuelle Pflege für den jeweiligen Menschen zu erreichen. Dazu gehört auch die Vorsorge, dass man Folgeschäden vermeidet.

Als Beispiel möchte ich die Haut dafür hernehmen. Die Haut ist unser größtes und wichtigstes Organ. Ist ein Patient aufgrund einer Operation, einer Intensivtherapie, einer altersbedingten Immobilität oder aufgrund einer schweren körperlichen Behinderung nicht fähig sich selbst ausreichend zu bewegen, können Folgeschäden in Form von Dekubiti entstehen. Das sind Druckgeschwüre, die in vier Stadien unterteilt werden. Die Gefahr dieser Druckgeschwüre ist, dass die Haut aufgrund einer Minderdurchblutung sogar absterben kann.

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