Der Fänger im Gras

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Der Fänger im Gras
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

„Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche

Summe, ich schwör's euch!“ – Rainer Maria Rilke

Erste Auflage

©

2013

Herausgeber

Spiegelberg Verlag

Konzept

Nicole Brandes and Yusuf Asikin

Bilder

Françoise Nussbaumer

www.francoisenussbaumer.ch

Umschlag, Satz & Layout

Brown Fox Studio

www.brownfoxstudio.com

Lektorat

Christiane Kathmann

www.lektorat-kathmann.de

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner

Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Spiegelberg Verlags reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN 9 7 8 - 3 - 9 3 9 0 4 3 - 4 8 - 5

www.jeder-hat-seine-geschichte.com

Nicole Brandes

DER FÄNGER IM GRAS

Katzenweisheiten für Menschen

4

5

Vorwort 9

Prolog 12

Es ist ein Junge! 17

Hier kommt Zorro! 25

Babypf lichten 31

Vor-Hängen 37

Merlin Mücke 45

Liebeskummer 55

Henry 61

Schnipp schnapp 69

Wolke auf Pfoten 75

Schlaflos in Aurenberg 89

Beauty Day 97

Die Koffer-Affäre 105

GPS 113

Die innere Uhr 121

Der 4-Uhr-Früh-Effekt 127

Herzschlag der Gewinner 133

Epilog 140

9

VORWORT

Ich dachte, ich kenne Katzen. Schließlich bin ich

mit ihnen aufgewachsen. Mit Dutzenden von ihnen.

Da gab es Garfield und Heathcliff. Mehitabel und

Meowth. Sylvester und Scratchy. Krummbein und

Spot. Puff und Oliver. Hello Kitty und den gestiefel-

ten Kater. Top Cat und Krazy Kat. Felix und Fritz.

Duchesse und ihre drei Kätzchen Berlioz, Marie und

Toulouse. Tom (und seinen Erzfeind Jerry). Katze mit

Hut und Grinsekatze.

Aber ich kannte Katzen nicht wirklich, bis ich

Zorro traf. Einen echten Kater. Und ein wirkliches

Prachtexemplar. Ich lernte Zorro durch seine Ge-

schichten kennen, aufgezeichnet von Nicole Brandes.

Im „wirklichen Leben“ ist Nicole eine international

anerkannte Expertin für interkulturelle Kommu-

nikation und Leadership, die sich für ein besseres

Verständnis zwischen den Kulturen engagiert. Mit

10

diesem Buch fördert sie nun das bessere Verständnis

zwischen Mensch und Tier.

Wie viele andere Menschen handelt Nicole im

Beruf überlegt und pragmatisch. Und wie so viele

andere Menschen legte sie sich ein Haustier zu, ohne

lange darüber nachzudenken. Genauso geht es Zor-

ros menschlicher Dosenöffnerin Samantha (Sam). In

den ersten Monaten mit Zorro gibt es viele Missver-

ständnisse und Fehler. Natürlich ist Sams Motivation

die Liebe zu ihrem Haustier, aber entgegen der Be-

hauptung der Beatles ist Liebe eben nicht alles, was

man braucht. Es benötigt auch Wissen, Einfühlungs-

vermögen und Geduld, um die wundersame Bezie-

hung zu erleben, die sich zwischen Mensch und Tier

entfalten kann. Zorros Geschichten schildern nicht

nur seine Jugend und seine Abenteuer, sondern auch

die Verwandlung, die ganz nebenbei mit seiner Be-

sitzerin vor sich geht. Mit Zorros Geschichten taucht

Sam in die Psyche, die Persönlichkeit, die Gewohn-

heiten und die Eigenarten dieses einzigartigen, aber

doch repräsentativen Katers ein.

Mich haben Zorros Abenteuer entzückt. Und

ich habe viel gelernt – nämlich dass man Katzen ver-

stehen und wie man mit ihnen kommunizieren kann.

Das Universelle, so heißt es, spiegelt sich im Einzelnen.

Ich hoffe, dass Zorros Abenteuer auch Sie be-

zaubern werden und dass Sie sich mit Samanthas

11

Lernprozess zum Thema Katzen ebenso identifizie-

ren können wie ich.

Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss

sofort zum Tierheim, um eine Katze für mich zu fin-

den. Dank Zorro weiß ich jetzt, was mich erwartet.

Ich verstehe jetzt, dass Katzen in Wirklichkeit keine

Hüte tragen, dass sie keine Zauberkunststücke vor-

führen und auch nicht langsam verschwinden und

nur ihr Grinsen zurücklassen. Mir ist jetzt klar, dass

– wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaf-

fen und uns gut um sie kümmern – Katzen unser

Herz erfreuen.

GREG GODEK, Bestsellerautor von „How to be

Mildly Brilliant” und „1001 Ways to Be Romantic”

12

P ROLOG

Es war an einem trägen Samstagnachmittag im

Spätsommer, als ich mich nach einer weiteren über-

arbeiteten Woche in luftigem Kleid und mit bloßen

Füßen zum Lesen in den Garten setzte. Golden legte

sich die Sonne auf meine Haut und bezauberte mich

mit wohliger Wärme und einem sanften Lichtspiel

– beides Dinge, die ich an dieser Jahreszeit so liebe.

Meine Rosen verschönerten die Sicht und kitzelten

meine Nase mit ihrem betörenden Duft. Gedämpfter,

fröhlicher Lärm spielender Kinder drang von fern

herüber.

Wie so oft war Cappuccino, der Katzentiger ei-

ner Nachbarin, zu Besuch. Leise stupste er mich am

Bein an und forderte liebevoll seine Streicheleinhei-

ten. Faul streckte ich mich und genoss die Ruhe und

die Gesellschaft dieses entzückenden und einigerma-

ßen domestizierten Tieres. In diesem Moment platz-

13

te Miljana herein. Miljana ist meine Nachbarin, eine

lebensfrohe Russin mit riesigen Kulleraugen, denen

weder Mann noch Frau etwas abschlagen kann – ein

Umstand, den sie schamlos ausnutzt.

Sie wohnt einen Stock über mir, lebt jedoch ein

entrücktes Leben hoch in den Wolken, fernab vom

Boden der Realität, auf welchem gewöhnliche Sterb-

liche ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen.

Der Alltag ohne Saus und Braus ist zu profan für sie.

Ihre Wirklichkeit ist simpel: Was teuer ist, liebt sie.

Was vier Beine hat, vergöttert sie (und umgekehrt).

Gäbe es den Wettbewerb des größten Herzens für

Tiere, Miljana würde die Goldmedaille gewinnen

(aber bitte mit Diamanten besetzt!).

Vorsichtig, mit einem Glas in der Hand, stieg

Miljana über Cappuccino und setzte sich zu mir. Wir

plauderten und besprachen die Welt; ich bei Mine-

ralwasser, sie bei Wodka (nur im äußersten Notfall

ersetzte sie dieses Gesöff mit Whiskey). Cappuccino

lag eingekuschelt auf meinen Knien und ließ sich von

mir an seinen Ohren zupfen. Alle beide schnurrten

vor Zufriedenheit. „Wann legst du dir endlich eine

Katze zu?“, fragte Miljana plötzlich und schüttete das

randvolle Glas auf ex in ihre Kehle.

„Was?!?“, fragte ich verdattert zurück. Miljana

schaute erst mich, dann Cappuccino an. Dann wie-

derholte sie ruhig und langsam, als ob ich schwach-

14

sinnig wäre: „Wann legst du dir endlich eine Katze

zu?“

Verständnislos starrte ich meine Nachbarin an.

Sie und Cappuccino erwiderten meinen Blick gelassen.

„Wie meinst du das?!“

Immerhin gelang es mir, diese hochintelligente

 

Frage zu formulieren. Ein Haustier? Für mich?! Was

für eine absurde Idee. Das war lächerlich. Das war

unmöglich. Selbst wenn ich eine Katze gewollt hät-

te – was definitiv nicht der Fall war – dazu hatte der

Tag einfach nicht genügend Stunden! Meine Zeit war

besetzt mit Arbeit. Oder mit Nachdenken über die

Arbeit. Ich war eine preisgekrönte Expertin auf mei-

nem Fachgebiet. Von plüschigen Zehengängern hatte

ich keinen blassen Schimmer. Das Wenige, was ich zu

wissen vermeinte – Katzen sind Einzelgänger, Katzen

trinken Milch, Katzen sind nicht erziehbar – war ge-

prägt von Mythen, Unsinn und falschem Volkswissen.

Ich blickte zu Miljana hinüber und sah, dass sie

entschlossen nickte. Ich senkte meinen Blick und sah,

dass auch Cappuccino nickte – ich schwöre es! Das ist

die reinste Wahrheit!

Miljana empfahl sich als Patentante. Sie wür-

de während meiner Reisen auf meinen zukünftigen

Liebling aufpassen. Mit erhobenem Becher (jetzt leer)

schwor sie inbrünstig, ihn heroisch und unter Einsatz

ihres Lebens zu beschützen. Und ich wusste, dass sie es

15

ernst meinte. Beinahe hatte ich Mitleid mit dem törich-

ten Rüpel, der es wagte, meiner Katze zu nahe zu treten.

Moment mal – meiner Katze???

Aus mir heute noch unerfindlichen Gründen

hatte ich zwei Tage später ein unwiderstehliches vier-

beiniges Kuschelbaby. Weiß der Himmel, was ich mir

dabei dachte, denn ich hatte keine Ahnung, worauf ich

mich da eingelassen hatte.

17

ES IST EIN JUNGE!

Liebe Familie, liebe Freunde,

ich hoffe, es geht Euch gut. Und mir? Tja, es ist etwas

ganz Unverhofftes passiert. (Vielleicht solltet Ihr Euch

vor dem Weiterlesen hinsetzen.) Ich habe etwas sehr

Überraschendes getan. Oder besser – mir ist etwas

sehr Überraschendes passiert. Äh … Ich bin Mama

geworden … eines Kätzchens.

Jawohl. Ein Kätzchen. Eine Katze. Felis silvestris

catus.

Ja. Ich. Eine Karrierefrau. Mulier professio opus.

Nein, ich mache keine Witze. Nein, ich habe kei-

nen Jetlag. Nein, ich bin nicht verrückt. Aber ich bin

verrückt – nach ihm!

Also möchte ich Euch jetzt meinen Kater Zorro

vorstellen. (Bitte beachtet die 97 Fotos im Anhang.)

Zorro ist ein drei Monate alter Kater. Der süßeste, be-

Äh … Ich bin Mama

geworden … eines

Kätzchens.

Jawohl. Ein Kätzchen.

Eine Katze. Felis

silvestris catus.

19

zauberndste, schönste, neugierigste Kater der gesam-

ten Schöpfung. Zorro ist von Kopf bis Pfote orange.

Sein Fell ist weich und flauschig. Ich möchte andau-

ernd mein Gesicht darin versenken. Natürlich halte

ich mich zurück, denn seine riesigen, kugelrunden,

pechschwarzen Augen beobachten mich mit Arg-

wohn und Angst. Aber auch mit Neugier und Tap-

ferkeit.

Warum „Zorro“? Weil der Name einfach „pass-

te“. (Ja, ich weiß, das ist nicht besonders analytisch.

Was soll ich sagen – ich bin hingerissen!) Aber nach

ein paar Tagen meldete sich meine analytische Seite

dann doch. Und meine Recherche ergab Folgendes:

„Zorro“ heißt „Fuchs“ oder „schlauer Kerl” auf Spa-

nisch – und wahrlich, schlau ist mein winziges Kerl-

chen. Im Slawischen ist „Zorro“ das Wort für „Held

der goldenen Morgenröte“ – und er ist auch ein Held,

und sein Fell sieht aus wie die goldene Morgenröte.

Die Bedeutung von „Zorro“ auf Persisch ist „Stern“

– Ihr könnt Euch sicher denken, was ich davon halte.

Und so wurde mein Leben über Nacht auf den

Kopf gestellt. Die letzten Tage bin ich zu Hause ge-

blieben. Ja, die Frau, die sich niemals Urlaub nimmt,

drückt sich jetzt wegen eines Katers um die Arbeit.

(Psst! Nicht weitersagen! Schließlich habe ich einen

Ruf zu wahren.) Bei meiner Arbeit herrscht ohne-

hin schon heilloses Durcheinander. Gestern belauer-