Philosophische und theologische Schriften

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ZEHNTES KAPITEL
Vom Geiste des Universums

Einige betrachten die Bewegung, welche die Verbindung der Form und Materie bewirkt, als eine Kraft (spiritum), die die Vermittlung zwischen Form und Materie vollzieht, und dachten sich dieselbe über den freien Himmelsraum, die Planeten und die irdische Welt verbreitet. Sie nannten sie ἄτϱоπоς, gleichsam das Bewegungslose, weil sie glaubten, der eine Himmelsraum habe eine einfache Bewegung von Ost nach West; sodann ϰλωϑὼ, das ist: Umdrehung, weil sich die Planeten durch Umdrehung gegen den Himmelsraum von West nach Ost bewegen; endlich λάχεσιϛ, d. i. Zufall (sors), weil der Zufall die Welt regiert. Die Bewegung der Planeten ist die Entfaltung der ersten Bewegung, und die Bewegung im Zeitlichen ist die Entfaltung der Planetenbewegung. In den irdischen Dingen sind einige Ursachen von gewissen Folgen verborgen, wie die Saat im Samen enthalten ist; daher sagten die Alten, was in der Weltseele wie zu einem Knäuel eingewickelt sei, werde durch die Bewegung entwikkelt und entfaltet. Die Philosophen gingen nämlich davon aus: Wie ein Künstler, der eine Statue in Stein aushauen will, die Form derselben als Idee in sich hat, und dann mittelst einiger Instrumente die Form der Statue nach seinem idealen Bilde abbildlich darstellt, so trage die Weltseele die Ideen der Dinge in sich und bringe sie mittelst der Bewegung in der Materie zur Wirklichkeit; diese Bewegung erstrecke sich über alles; daß ein Ding in Wirklichkeit gerade dieses Ding sei, werde durch diese Bewegung bestimmt. Diese verbindende Kraft (spiritum connexionis) gehe aus beidem: der Möglichkeit und der Weltseele hervor. Denn da die Materie durch ihre Gefügigkeit ein gewisses Verlangen nach der Form hat, diese aber nach der Wirklichkeit strebt, jedoch nicht absolut bestehen kann, da sie kein eigenes Sein hat und auch nicht Gott ist, so senkt sie sich in die Möglichkeit (Materie) herab, um beschränkt in ihr zu sein, und wirkt begrenzend, vollendend und bestimmend. Aus dieser gegenseitigen Durchdringung entsteht die beide verbindende Bewegung. Diese bewegende Kraft geht durch das ganze Universum und alle seine Teile und heißt Natur. Die Natur ist demnach der Inbegriff (complicatio) von allem, was durch Bewegung entsteht. Wie nun diese Bewegung aus dem Allgemeinen herab sich spezialisiere (quomodo ab universali contrahitur usque in particulare), mit Beibehaltung der stufenmäßigen Ordnung, mag aus folgendem Beispiele erhellen. Wenn ich sage: Gott ist, so gehen diese Worte aus einer gewissen Bewegung hervor, in einer bestimmten Ordnung, so daß ich zuerst die Buchstaben, dann die Silben, dann die Worte, zuletzt den ganzen Satz ausspreche, obwohl das Gehör diese Ordnung nicht unterscheidet. So steigt die Bewegung aus dem Allgemeinen in das Partikulare herab, und erlangt hier zeitlich oder natürlich eine konkrete Gestalt. Diese Bewegung, diese Kraft (spiritus) kommt von dem heiligen Geiste (descendit a sp. s.), der durch die Bewegung selbst alles bewegt. Wie in dem Redenden ein gewisser Geist ist, der beim Reden von ihm ausgeht und in der oben angegebenen Weise sich konkret ausgestaltet, so geht von Gott, der ein Geist ist, alle Bewegung aus. Denn also spricht die Wahrheit: »Nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Geist eures Vaters redet in euch.« Dies gilt auch von allen andern Bewegungen und Tätigkeiten. Dieser Geist nun (die Bewegung im Universum) ist ein erschaffener Geist, ohne den nichts eine Einheit ist und bestehen kann; die ganze Welt und alles in ihr ist durch diesen Geist, der den Erdkreis erfüllt, in der naturgemäßen Verbindung; die Möglichkeit ist durch seine Vermittlung Wirklichkeit und die Wirklichkeit eben dadurch in der Möglichkeit. Es ist dies die Bewegung, die alles zur liebenden Vereinigung und Einheit führt, so daß alles ein Universum bildet. Während jedes seine besondere Bewegung hat, um auf die beste Weise das zu sein, was es ist, und keines sich ganz gleich wie das andere bewegt, so nimmt doch jedes an der Bewegung eines jeden in seiner Weise, mittelbar oder unmittelbar Anteil (wie die Elemente an der Bewegung des Himmels und alle Glieder an der Bewegung des Herzens), auf daß es ein Universum sei. Durch diese Bewegung existieren alle Dinge auf die bestmögliche Weise, sie erhalten sich in sich und in ihrer Art durch die natürliche Verbindung der verschiedenen Geschlechter47, die durch natürliche Bewegung geeint, wenn auch individuell gesondert sind. Keine Bewegung kann aber die absolut größte sein, weil diese mit der Ruhe koinzidiert. Keine Bewegung ist daher absolut, denn die absolute Bewegung ist Ruhe, ist Gott, der alle Bewegung in sich begreift. Wie demnach alle Möglichkeit in der absoluten ruht, welche der ewige Gott ist, jede Form und Wirklichkeit in der absoluten Form, die das Wort, der Sohn des Vaters ist, so ruht alle verbindende Bewegung, alle einigende Proportion und Harmonie in der absoluten Verbindung aus dem heiligen Geiste, auf daß ein Prinzip von allem ist – Gott, in dem und durch den alles ist, in einer gewissen dreifaltigen Einheit, die ihren abbildlichen konkreten Ausdruck innerhalb des schlechthin Größten und Kleinsten findet, in verschiedenen Stufen, so daß eine Stufe der Bewegung nach Möglichkeit, Wirklichkeit und Verbindung in den geistigen Naturen ist, wo Bewegen Denken ist, eine andere Stufe in dem körperlichen Sein nach Materie, Form und Verbindung, wo das Bewegen Sein ist. Doch hierüber ein anderes Mal. Das über die Dreieinigkeit des Universums Gesagte mag für jetzt genügen.

ELFTES KAPITEL
Folgerungen aus dem Wesen der Bewegung

Es staunen vielleicht manche über diese bisher unerhörten Sätze, deren Wahrheit die Wissenschaft des Nichtwissens nachgewiesen hat. Wir wissen nun, daß das Universum dreieinig und daß es nicht ein Universum gibt, das nicht eine Einheit ist aus Möglichkeit, Wirklichkeit und vereinigender Bewegung, so wie daß kein Wesen absolut, ohne die andern bestehen kann, weshalb notwendig alles in den verschiedensten Gradunterschieden besteht, so daß im ganzen Universum nicht zwei Dinge einander vollkommen gleich sind. Es ist daher, wenn man die Verschiedenheit der Bewegung der Weltkörper erwägt, unmöglich, daß etwas die Weltmaschine sei, oder daß diese sichtbare Erde oder Luft, Feuer oder sonst irgendetwas das feste und unbewegliche (Welt-) Zentrum bilde. Denn man kommt in der Bewegung auf kein schlechthin Kleinstes, wie z. B. ein fixes Zentrum, weil das Kleinste notwendig mit dem Größten koinzidiert. Es würde also das Zentrum der Welt mit ihrer Peripherie koinzidieren. Die Welt hat daher keine Peripherie; hätte sie Zentrum und Peripherie, so hätte sie ihren Anfang und Ende in sich selbst, die Welt wäre in Bezug auf ein anderes begrenzt, außer der Welt wäre ein Anderes und ein Raum –, Sätze, die alle der Wahrheit entbehren. Da es somit unmöglich ist, daß die Welt in ein körperliches Zentrum und eine bestimmte Peripherie eingeschlossen sei, so erkennen wir die Welt nicht, deren Zentrum und Peripherie Gott ist. Und wiewohl diese Welt nicht unendlich ist, so kann sie doch auch nicht als endlich gedacht werden, da sie keine Grenzen hat, in welche sie eingeschlossen ist. Es kann somit auch die Erde, die das Zentrum nicht sein kann, nicht ohne alle Bewegung sein (terra igitur, quae centrum esse nequit, motu omni carere non potest); denn daß sie sich bewegen müsse, ist auch in dem Sinne zu fassen, daß sie sich noch unendlich weniger bewegen könnte (nam eam moveri taliter etiam necesse est, quod per infinitum minus moveri posset). Wie die Erde nicht das Zentrum der Welt ist, so ist es auch nicht die Sphäre der Fixsterne oder ein anderer Umkreis derselben, wiewohl die Erde, im Verhältnis zu dem Himmel mehr der Peripherie ähnlich zu sein scheint. Die Erde ist also nicht das Zentrum, auch nicht für die erste oder irgendeine andere Sphäre. Denn auch wenn diese von ihrem Zentrum entfernt wäre und sich in der Nähe einer durch die Pole gehenden Achse befände, so daß sie auf der einen Seite gegen den einen Pol erhoben, auf der andern gegen den andern Pol gesenkt wäre, würde denjenigen, die so weit von den Polen entfernt stehen, als der Horizont sich ausgedehnt, nur die Mitte der Sphäre sichtbar sein, was für sich klar ist. Es ist auch das Zentrum der Welt nicht mehr innerhalb, als außerhalb der Erde. Ja, weder die Erde, noch irgendeine Sphäre (Himmelskörper) hat ein Zentrum. Denn da das Zentrum der von der Peripherie gleichweit entfernte Punkt ist und es keinen vollkommen wahren Kreis oder Kugel gibt, die keine größere Vollkommenheit zuließe, so gibt es offenbar kein Zentrum, das nicht noch viel wahrer und präziser sein könnte. Eine präzise gleichweite Entfernung ist außer Gott unmöglich, weil er allein die absolute Gleichheit ist. Gott also, der das Zentrum der Welt ist, ist auch das Zentrum der Erde und aller Himmelskörper und von allem, was in der Welt ist; er ist zugleich die unendliche Peripherie von allem. Ferner: am Himmel sind keine unbeweglichen und fixen Pole, wiewohl auch der Himmel der Fixsterne infolge der Bewegung Kreise von stufenweise verschiedener Größe, kleiner als die Meridiane oder als die Äquinoktiale (das gleiche gilt von den dazwischen liegenden Kreisen) zu beschreiben scheint. Allein es muß sich jeder Teil des Himmels bewegen, wiewohl ungleich, im Verhältnis zu den Kreisen, welche die Sterne in ihrer Bewegung beschreiben. Wie einige Sterne einen größten, so scheinen andere Sterne einen kleinsten Kreis zu beschreiben; es gibt aber keinen Stern, der keinen Kreis beschriebe. Gibt es in einem Himmelskörper (in sphaera) keinen fixen Pol, so gibt es auch keine Mitte, die gleichweit von den Polen entfernt wäre. Es gibt daher in der achten Sphäre keinen Stern, der durch seine Umdrehung einen größten Kreis beschreibt, weil derselbe gleichweit von den Polen, die es nicht gibt, entfernt sein müßte. Folgleich gibt es auch keinen, der einen kleinsten Kreis beschreibt. Die Pole der Himmelskörper koinzidieren daher mit dem Zentrum, so daß Zentrum und Pol nichts anderes ist, als – Gott. Und da wir die Bewegung nur im Verhältnisse zu etwas Unbeweglichem, zum Pole oder Mittelpunkt wahrzunehmen imstande sind und jene bei dem Messen der Bewegungen voraussetzen, so finden wir, daß wir nur in Mutmaßungen uns bewegen und in allen Stücken irregehen; wir wundern uns, wenn wir nach den Regeln der Alten Sterne in ihrer Stellung nicht übereinstimmend finden, weil wir annehmen, daß die Alten über Zentrum, Pole und Messung richtige Begriffe gehabt haben.

 

Aus dem Gesagten geht klar hervor, daß die Erde sich bewege. Da wir aus Erfahrung wissen, daß sich die Elemente durch die Bewegung eines Kometen, der Luft und des Feuers bewegen, sowie, daß der Mond sich weniger von Ost nach West bewege als der Merkur, die Venus oder die Sonne und so stufenweise, so bewegt sich die Erde noch weniger, als alle andern (Sterne), jedoch ist sie nicht ein Stern, der um Zentrum oder Pol den kleinsten Kreis beschreibt, so wie nach dem eben Gesagten die achte Sphäre oder irgend eine andere keinen größten beschreibt. Beachte daher wohl: Wie sich die Sterne zu den angenommenen (coniecturales) Polen der achten Sphäre verhalten, so sind Erde, Mond und Planeten Sterne, die sich am Pole in verschiedenen Abständen bewegen, so daß wir da den Pol suchen, wo man bisher das Zentrum annahm (coniecturando polum esse, ubi creditur centrum). Wenn daher gleich die Erde ein Stern ist, der sich in größter Nähe von dem Zentralpole befindet, so bewegt sie sich doch und beschreibt nicht, wie gezeigt ist, einen kleinsten Kreis. Ja, weder Sonne noch Mond oder Erde, oder irgendein Himmelskörper kann, wenn es uns gleich anders scheint, eine wahre kreisförmige Bewegung beschreiben, weil sie sich nicht um etwas Festes bewegen. Es gibt auch keinen wahren Kreis, der nicht vollkommener sein könnte, und zu einer Zeit sich ganz genau wie zu einer andern bewegt oder einen ganz gleichen Kreis beschreibt, wenn wir dies gleich nicht wahrnehmen. Willst du daher über die Bewegung des Universums eine andere Ansicht als die bisher übliche gewinnen, so mußt du Zentrum und Pole zusammenfassen (necesse est ut centrum cum polis complices) und dabei so gut, als es angeht, die Einbildungskraft zu Hilfe nehmen. Denn wenn einer auf der Erde und unter dem Nordpole, ein anderer im Nordpole stünde, so würde der auf der Erde Stehende ebenso glauben, der Pol sei im Zenit, wie der im Pole Stehende glauben würde, das Zentrum sei im Zenit. Wie die Gegenfüßler gleich uns den Himmel über sich haben, so würde den auf beiden Polen Stehenden die Erde im Zenit zu sein scheinen, und wo immer einer steht, glaubt er, er sei im Zentrum. Fasse also jene entgegengesetzten Vorstellungen zusammen, so daß das Zentrum Zenit ist und umgekehrt, dann wird dein Verstand, dem nur die Wissenschaft des Nichtwissens gute Dienste leistet, einsehen, daß die Welt, ihre Bewegung und Gestalt nicht erkannt werden können, denn sie wird dir vorkommen wie ein Rad im Rade oder eine Kugel in der Kugel, die, wie gesagt, nirgends Zentrum und Umkreis hat.

ZWÖLFTES KAPITEL
Von den Zuständen der Erde

Das eben Ausgeführte kannten die Alten nicht, weil ihnen die Wissenschaft des Nichtwissens fehlte. Uns ist es jetzt ganz klar, daß diese Erde sich wirklich bewegt, wenn wir es gleich nicht bemerken, da wir die Bewegung nur durch Vergleichung mit etwas Unbeweglichem wahrnehmen. Wüßte jemand nicht, daß das Wasser fließe und sähe er das Ufer nicht, wie würde er, wenn er in einem auf dem Wasser hingleitenden Schiffe steht, bemerken, daß das Schiff sich bewegt? Da es daher jedem, er mag auf der Erde oder Sonne oder einem andern Sterne sich befinden, vorkommt, er stehe im unbeweglichen Mittelpunkte während alles um ihn her sich bewege, so würde er, in der Sonne, im Monde, Mars etc. stehend, immer wieder andere Pole angeben. Der Bau der Welt ist daher so, als hätte sie überall ihr Zentrum und nirgends eine Peripherie, denn Umkreis und Zentrum ist Gott, der überall und nirgends ist. Diese Erde ist nicht kugelförmig, wie einige gesagt haben, wiewohl sie der Kugelform sich zuneigt, denn die Gestalt der Welt ist, wie auch ihre Bewegung, in ihren Teilen beschränkt. Wird aber die unendliche Linie als konkret gedacht, in der Art, daß sie, als konkret, nicht mehr vollkommener und umfassender (capacior) sein könnte, so ist sie kreisförmig, denn hier trifft Anfang und Ende zusammen. Wie daher die vollkommenere Bewegung die kreisförmige ist, so ist die vollkommenere körperliche Gestalt die kugelförmige. Jede Bewegung des Teiles hat daher Beziehung zur Vollkommenheit des Ganzen: Das Schwere strebt nach der Erde, das Leichte nach oben, Erde zu Erde, Wasser zu Wasser, Luft zu Luft, Feuer zu Feuer. Die Bewegung des Ganzen folgt soviel als möglich der kreisförmigen Bewegung, jede Figur der kugelförmigen Figur, wie wir an den Teilen der Tiere, an den Bäumen und dem Himmel sehen. Eine Bewegung ist kreisförmiger und vollkommener als die andere, ebenso sind auch die Gestalten verschieden. Die Gestalt der Erde ist beweglich und kugelförmig, ihre Bewegung kreisförmig, könnte aber vollkommener sein.

Da es in allen Vollkommenheiten, Bewegungen und Gestalten der Welt kein Größtes gibt (wie aus dem Gesagten erhellt), so ist es unwahr, daß diese Erde der geringste und unterste Teil der Welt ist; denn wenn sie gleich im Verhältnis zur Welt mehr im Zentrum zu sein scheint, so ist sie doch aus demselben Grunde, wie schon gezeigt, auch dem Pole näher. Die Erde ist nicht ein aliquoter Teil der Welt, denn da die Welt kein Größtes und Kleinstes hat, so hat sie auch keine Mitte und keine aliquoten Teile, wie dies auch nicht vom Menschen oder Tiere gilt, denn die Hand ist kein aliquoter Teil des Menschen, wiewohl ihr Gewicht ein Verhältnis zum Körper hat.

Auch die schwarze Farbe ist kein Beweis für die schlechte Beschaffenheit (vilitatis) der Erde. Wer in der Sonne wäre, der würde nicht die große Helle, wie wir auf Erden, wahrnehmen. Denn betrachtet man den Sonnenkörper, so hat er eine mehr konzentrierte Erde und eine wie Feuer leuchtende Peripherie, dazwischen eine Art Wolken und reinere Luft, gerade wie unsere Erde ihre Elemente hat. Stünde daher jemand außerhalb der Region des Feuers, so würde ihm diese Erde durch das Medium des Feuers wie ein heller Stein vorkommen, wie uns, die wir im Umkreis der Region der Sonne sind, die Sonne überaus helleuchtend vorkommt. Der Mond erscheint uns nicht so hell, vielleicht weil wir in seinem Umkreis mehr den zentralen Teilen desselben zugekehrt sind, etwa der wäßrigen Region desselben. Daher erscheint uns sein Licht nicht, obgleich er ein eigenes Licht hat, das nur denen erscheint, die in den äußersten Grenzen seines Umkreises stehen, während uns nur der Reflex des Sonnenlichtes sichtbar ist. Deshalb wird auch die Wärme des Monds, die ohne Zweifel durch die Bewegung entsteht und daher in der Peripherie, wo die größere Bewegung ist, größer ist, uns nicht so mitgeteilt wie von der Sonne. Unsere Erde ist zwischen die Region der Sonne und des Mondes gestellt, durch deren Vermittlung sie an der Einwirkung anderer Sterne partizipiert, die wir nicht sehen, weil wir außerhalb ihrer Region uns befinden, denn wir sehen nur die Region derjenigen Sterne, welche leuchten. Die Erde ist ein edler Stern, der Licht, Wärme und Einwirkung von allen andern Sternen in verschiedener Weise empfängt. Jeder Stern unterscheidet sich von jedem durch Licht, natürliche Beschaffenheit und Einwirkung, wie auch jeder Stern dem andern Licht und Einwirkung mitteilt, nicht absichtlich (ex intentione); denn alle Sterne haben nur Bewegung und Glanz, um auf die beste Weise zu sein, woraus als Folge das Partizipieren entsteht, wie das Licht seiner Natur nach leuchtet, nicht damit ich sehe, sondern das Partizipieren an demselben ist Folge, indem ich das Licht zum Zwecke des Sehens benütze. Der gütige Gott hat alles so erschaffen, daß jedes Wesen, indem es sein Sein wie einen göttlichen Beruf zu erhalten strebt, dieses in Gemeinschaft mit andern vollzieht. Wie der Fuß nicht sich allein, sondern auch dem Auge, den Händen, dem Leibe, ja dem ganzen Menschen dadurch dient, daß er nur im Gehen gebildet ist, so gilt das Gleiche von den Teilen der Welt. Plato nannte die Welt ein lebendes Wesen; denkst du dir als ihre Seele – jedoch ohne Verschmelzung – Gott, so wird dir vieles von dem bisher Gesagten klarwerden.

Man kann auch nicht sagen, die Erde sei deswegen von geringer Beschaffenheit, weil sie kleiner als die Sonne und ihrer Einwirkung unterworfen ist, denn die ganze Region der Erde, die sich bis zum Umkreis des Feuers ausdehnt, ist allerdings groß. Ist gleich die Erde kleiner als die Sonne, wie wir aus dem Schatten und den Eklipsen wissen, so ist doch nicht bekannt, um wieviel die Region der Sonne größer oder kleiner als die der Erde ist. Vollkommen gleich kann sie auf keinen Fall sein, da kein Stern dem andern gleich sein kann. Die Erde ist auch deshalb nicht der kleinste Stern, weil sie größer als der Mond ist, wie die Eklipsen beweisen, und als der Merkur, wie einige sagen, vielleicht auch größer als andere Sterne. Aus ihrem Umfange ist man daher nicht auf ihre Unbedeutendheit zu schließen berechtigt.

Auch der Einfluß, den sie aufnimmt, beweist nicht ihre Unvollkommenheit, denn als Stern übt auch sie, wie gezeigt ist, auf die Sonne und ihre Region Einfluß aus, und da unsere unmittelbare Wahrnehmung keine andere ist, als daß wir im Zentrum sind, wo alle Einflüsse zusammenströmen, so haben wir von jenem Einflusse keine Erfahrung. Verhält sich die Erde wie die Möglichkeit, die Sonne wie die Seele oder geistig bildende Kraft, der Mond als die vermittelnde Verbindung, so daß diese zu einer Region gehörenden Sterne durch gegenseitigen Einfluß vereinigt sind, und diese Einfluß auf andere Sterne, den Merkur und die Venus und die andern über ihnen stehenden (nach der Ansicht der Alten und auch einiger Neueren) mitteilen, so ist das Verhältnis des Einflusses der Art, daß der eine Stern ohne den andern nicht bestehen kann. Der Einfluß wird daher ein einiger und dreifacher, in jedem einzelnen Sterne nach seinen Graden sein. Daraus geht hervor, der Mensch könne nicht wissen, ob die Region der Erde sich in einem vollkommeneren oder weniger vollkommenen Grade, im Verhältnis zu den Regionen der andern Sterne, der Sonne, des Monds etc. befinde. Dasselbe gilt von der Erde als Wohnplatz. Es läßt sich nicht sagen, daß die Erde ein Wohnplatz von Menschen, Tieren und Pflanzen sei, die graduell geringer sind als die Bewohner der Region der Sonne und anderer Sterne. Denn, wenn gleich Gott das Zentrum und die Peripherie aller Sternenregionen ist, und von ihm Naturen von verschiedenem Werte ausgehen, so daß jede Region bewohnt, und soviele Räume des Himmels und der Sterne nicht leer an Wesen sind, und wohl nicht diese Erde allein von geringeren Wesen bewohnt ist, so scheint es doch keine edlere und vollkommenere Natur als die geistige, die sich auf unserer Erde vorfindet, zu geben, mögen auch Geschöpfe ganz anderer Art in andern Sternen wohnen, denn der Mensch hat kein Verlangen nach einer andern Natur, er will nur in seiner Natur vollkommen sein. Es stehen daher die Bewohner anderer Sterne, wie sie nun auch sein mögen, in keinem Verhältnis (improportionabiles sunt) zu den Bewohnern dieser Erde, wenn auch jene ganze Region zu der ganzen der Erde für den Zweck des Universums in einem verborgenen Verhältnis stehen mag, auf daß die Bewohner der Erdenregion zu den Bewohnern anderer Sterne durch Vermittlung der universellen Region in einem gegenseitigen angemessenen Verhältnis stehen, wie die einzelnen Glieder der Finger durch Vermittlung der Hand in einem Verhältnis zum Fuße und die Zehen mittels des Fußes in einem Verhältnis zur Hand stehen, so daß alles die Proportionen eines vollständigen lebenden Wesens annimmt. Da nun jene ganze Region uns unbekannt ist, so bleiben auch die Bewohner derselben uns ganz unbekannt, wie auch auf dieser Erde die Tiere einer Spezies, indem sie gleichsam eine spezifische Region bilden, sich vereinigen, und wechselseitig an dem, was zu dieser Region gehört, partizipieren, von andern Spezies aber nichts annehmen. Ein Geschöpf einer Spezies kann nicht die Natur einer andern, die sich durch bestimmte Laute kennzeichnet, erfassen, außer in ganz wenigen Zeichen äußerlich, und auch dann nur nach langer Übung und nur annähernd. Aber noch weit weniger können wir von den Bewohnern einer andern Region, die in keinem Verhältnis zu uns stehen, wissen. Wir nehmen an, in der Region der Sonne seien mehr sonnige (solares), klare, lichte, geistige Bewohner, geistiger als im Monde, wo mehr mondartige (lunatici), und auf der Erde, wo mehr materielle und massive (grossi) Wesen wohnen. Die geistigen Sonnennaturen wären in hohem Grade in Wirksamkeit, wenig in bloßer Möglichkeit, bei den Erdenbewohnern wäre die Möglichkeit überwiegend über die Wirksamkeit, die Mondbewohner bewegten sich unstet (fluctuantes) in der Mitte von beiden. Dies vermuten wir aus dem Feuereinflusse der Sonne, dem Einflusse von Wasser und Luft aus dem Monde und der materiellen Schwere der Erde; ähnlich bei den Regionen anderer Sterne. Wir nehmen an, kein Stern sei unbewohnt. Der partikularen Teile des einen Universums sind so viele, als viele Sterne es gibt, sie lassen sich nicht zählen, außer durch den, der alles in der Zahl erschaffen hat.

 

Auch die Zerstörung der Dinge auf der Erde ist kein gültiger Beweis der geringen Beschaffenheit der Erde. Denn da die Welt ein Universum ist, und alle einzelnen Sterne gegenseitigen Einfluß aufeinander ausüben, so ist es nicht ausgemacht, daß irgend etwas ganz und gar zerstörbar ist, wohl aber kann es in eine andere Seinsweise übergehen, wenn die konkreten Einwirkungen in einem Individuum sich auflösen, so daß die Weise, so oder so zu sein, aufhört, ohne daß ein eigentlicher Tod eintritt, wie schon Virgil sagt. Denn der Tod scheint nichts anderes zu sein als eine Auflösung des Zusammengesetzten in die Elemente der Zusammensetzung. Ob eine solche Auflösung nur bei den Erdenbewohnern stattfinde, wer kann das wissen? Einige sagten, es gebe so viele Arten der Dinge auf Erden, als Sterne sind. Wenn nun der Einfluß aller Sterne in allen einzelnen Arten der Erdenwesen seinen konkreten Ausdruck findet, warum soll nicht Ähnliches in den Regionen anderer Sterne, welche den Einfluß der übrigen Sterne aufnehmen, stattfinden? Wer kann wissen, ob die konkrete Gestaltung aller dieser Einwirkungen, die zuerst eine Zusammensetzung (zu einem Individuum) ist, in Auflösung übergehe, so daß ein lebendes Erdenwesen von irgendeiner Art sich auflöse, oder ob es zu seinen Prinzipien (Elemente) zurückkehre, indem das Bildungsprinzip zu dem besonderen Sterne, von dem jene Art auf der Erde wirkliches Sein erlangt hatte, zurückkehrt? Oder ob dieses Bildungsprinzip zu seinem Urbilde, der Weltseele (nach den Platonikern), oder zur Möglichkeit der Materie zurückkehrt, während der die Einigung bewirkende Geist in der Bewegung der Sterne verbleibt und zu einigen aufhört, indem er sich wegen Untauglichkeit der Organe oder aus einem andern Grunde zurückzieht und somit aus der nunmehr entgegengesetzten Bewegung Trennung verursacht? Oder ob die gestaltenden Prinzipien (formae) jeder Region in einem höhern Prinzip, etwa dem geistigen, ihren Stützpunkt finden (quiescant) und durch dieses das Ziel der Welt erreichen, während dieses höhere Prinzip sein Ziel in Gott findet. Dieses letztere erhebt sich vielleicht zur Peripherie, die Gott ist, hinauf, während der Körper nach dem Zentrum, wo wieder Gott ist, hinabsinkt, so daß die Bewegung von allem nach Gott hin geht, in welchem dereinst, wie Zentrum und Peripherie in Gott eines sind, der Körper, wenn er gleich zum Zentrum hinabzusinken schien, und die Seele, die sich zur Peripherie erhoben, wieder vereinigt werden, indem alsdann nicht jegliche Bewegung, sondern nur die des Geschlechtlichen aufhört. Der alles einigende Geist kehrt zurück und verbindet die Möglichkeit wieder mit dem belebenden Prinzip, das ihr im Leben angehört hatte. Alles das kann kein Mensch aus sich wissen, wenn er nicht eine besondere Belehrung darüber von Gott erhalten hat. Zweifelt auch niemand daran, daß der gute Gott alles für sich (ad se) erschaffen hat und nicht will, daß eines seiner Werke zugrunde gehe, und wissen wir gleich, daß er der reiche Vergelter aller seiner Verehrer sei, so kennt doch die Art der göttlichen Wirksamkeit, der gegenwärtigen und zukünftigen Vergeltung nur Gott allein, er allein weiß, wie seine Wirksamkeit ist. Hierüber will ich jedoch nach dem Maße der göttlichen Eingebung weiter unten noch einiges sagen.