Der Duft der indischen Nelke

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Sie steht langsam auf, kehrt ihren Bewunderern den Rücken zu und umschlingt sich mit ihren Armen, so als läge sie in den Armen einer anderen Frau. Ihre Hände, die in langen Spitzenhandschuhen stecken, spielen auf ihrem Nacken nach der Melodie anmutig Luftklavier. Bei Just what you want to be, you will be in the end dreht sie ihren Kopf mit der Bananenfrisur, die Grace Kelly alle Ehre macht, und schenkt mir einen der sündigsten Blicke, den ich bislang erhalten durfte. Er landet unmittelbar dort, wo sie ihn haben wollte. Die Atmung des Blaumanns hinter mir wird hörbar.

Es folgt ein eher unbekannter Titel der Moody Blues: Candle Of Life. Take a look at me but slowly the candle of life.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich Liane anschließend ganz allein für mich haben werde und meine Mitbewunderer hier anschließend mit sich und ihren geilen Fantasien allein gelassen werden, könnte ich an die schmuddelige Decke über mir hüpfen vor Freude und Stolz.

Der Soloraum ist ein bisschen größer als sein Bruder in der Kantstraße, der Charakter jedoch identisch. Das Kanapee ziert eine Leopardplüschimitatdecke. Hier steht die große Glotze rechts. Ohne Ton schenkt ein brutal aussehender Glatzkopf sein riesiges Teil zwei dicken Pornoqueens. Die lecken es um die Wette. Warum erinnert mich die eine an die hiesige Kassiererin?

Auf dem Beistelltisch an der Eingangstür steht die Eieruhr, die uns den Himmel begrenzen wird. Ein Moment der Besinnung. Gleich wird sie bei mir sein. Wird mich mit ihren strahlenden Augen betören, wird mir beweisen, dass sie eine der begehrenswertesten Vertreterinnen jener Wesen ist, die in der deutschen Sprache Frau benannt werden.

Auch hier quietscht die Tür. Ihren Kimono hat sie lässig über einem Arm. Aber was ist das? Hier besucht mich eine Frau mit einem Cocktailkleid, das für sie geschneidert sein muss. Rot ist unbedingt ihre Farbe. Sie hat ihre Haare von Grace Kellys Banane befreit. Das blonde Gold streichelt die schmalen Träger, die eine beeindruckende Verantwortung für dieses wunderbare Dekolleté übernehmen.

„Ich scheine dir also zu gefallen! Na dann habe ich ja schon gewonnen.“ Was für eine Begrüßung!

Ich habe mich schon meiner Klamotten entledigt. Sitze nur in schwarzer Unterhose und schwarzem T-Shirt auf dem ausgebreiteten hellblauen Oberhemd, mit dem ich den Plüschleopard unter meinem Po verstecke.

Ich stehe auf, habe Gänsehaut überall, spüre ihren Körper, den weichen Chiffon an meiner Haut und diesen Duft, den sie verströmt. Viel später habe ich gelernt, dass das Shalimar ist. Ich habe mich nie getraut sie zu fragen.

„Hat dir denn meine kleine Darbietung gefallen?“

„Ich war und bin hin und weg. Nights In White Satin ist einer meiner absoluten Lieblingstitel. Wie du dich dazu bewegt hast. Ich finde keine Worte.“

„Komm, Hubert, nimm mal dein Hemd weg. Mein Kimono ist größer und ein bisschen daran gewöhnt. Also eine ganze Stunde möchtest du mit mir?“

„Ja! Hoffentlich wird dir das nicht langweilig?“ Meine rhetorische Frage.

Statt zu antworten dreht sie den Zeiger der Eieruhr einmal komplett im Kreis.

„Wenn wir so zusammen sein wollen wie am Mittwoch, dann würde ich mich freuen, wenn du mir dafür einhundert Mark schenken könntest.“

Wer kann diesem Blick widerstehen? Ich nicht. Ein großer Blauer wechselt von Besitzer zu Besitzerin.

Wir setzen uns nebeneinander. Ich höre das Rascheln ihrer Strümpfe unterm Kleid. Ich lege meinen Arm um sie. Drücke sie an mich. Küsse sie, schließe die Augen, ja ich weiß, das ist ein Moment des Glücks in diesem Leben.

„Lass uns doch mal plaudern, bevor wir uns genießen?“

„Gerne, alles, was du magst, Liane. Heißt du eigentlich wirklich so?“ Ich gebe ihr einen Stups auf ihr Näschen.

„Wenn du es genau wissen willst?“

„Ja, natürlich.“

„Liane, Margarethe, Julia.“ Ihre Lippen berühren sanft mein Ohr.

„Sicher möchtest du wissen, warum ich in eine Peepshow komme?“

„Na, das kann ich mir doch denken. Du hast sicher sonst niemanden, der …“

„… so zärtlich ist wie du!“ Meine Finger gleiten durch ihr Haar.

„Na ja, du hast doch sicher eine Frau oder Freundin?“

„Habe ich. Wir leben seit ein paar Jahren zusammen. Unser Leben gestaltet sich aber eher wie das eines Bruders mit seiner Schwester. Da ist null erotische Spannung zwischen uns. Zudem hat sie mich mit einem Freund betrogen.“

„Und warum hast du sie nicht gehen lassen?“ Ihre Hand auf meinem Knie ist angenehm warm.

„Ich bin so ein verdammtes Gewohnheitstier! Eigentlich bin ich sowieso nur aus einer Art Mitleid mit ihr zusammengekommen.“

„Wie das denn?“ Die Hand wandert ein wenig nach oben.

„In unserer ersten Nacht in ihrem kleinen Zimmer bin ich fast aus dem Bett gefallen vor Schreck, als ich sie von hinten nackt sah. Ihre Kleidung muss unglaublich geschickt das getarnt haben, was da zu Tage, besser gesagt zu Nacht trat. Ich habe vorher noch nie so gewaltige Oberschenkel gesehen. Später erfuhr ich, dass es für dieses Phänomen auch einen Fachausdruck gibt: Reiterhosenfettsucht!

Und das mir, wo ich so mit den Augen, ich meine, wo ich so optisch, erotisch gesehen, zu erregen bin.“

„Warum bist du denn nicht am nächsten Morgen vielleicht nicht schreiend, aber immerhin doch davongerannt?“ Da nähert sich etwas meinem Schoß!

„Noch in jener Nacht hat sie mir von ihrem Selbstmordversuch erzählt, dass sie eine Woche im Koma im Sauerstoffzelt lag, dass ihr Urvertrauen gestört sei, weil sie als Baby von ihrer Mutter zu ihrer Uroma abgegeben worden war. Ich konnte sie nicht, nur weil sie dick war, vor den Kopf stoßen. Und Teile ihres Charakters sind ausgesprochen herzlich. Es gibt aber auch ihre dunkle, ihre cholerische Seite.“

„Wie sieht die aus?“ Ihre Hand wandert in meine untere Hose.

„Stell dir mal vor. Sie hatte ein halbes Jahr ein Verhältnis mit einem guten Freund von mir.

Abends zur Essenszeit hübschte sie sich dann auf und fuhr zu ihm. Und das einige Male pro Woche. Ich wusste genau, wo sie da landete. Manchmal rief sie mich sogar von ihrem Stelldichein aus an, fragte, wie es mir ginge. Liane, ich weiß nicht, ob ich mich mit deiner Hand an dieser Stelle noch konzentrieren kann!“

„Das musst du lernen, Hubert! Ich werde einen Teufel tun und jetzt von dir ablassen. Zudem, wo er schon so wunderbar gewachsen ist. Erzähl weiter.“

„Vor zwei Wochen komme ich am späten Nachmittag nach Hause. Sie fragt mich, warum ich so spät käme. Ich antworte wahrheitsgemäß, dass mich ein Fahrgast im Café am Schloß Charlottenburg zu einem Glas Sekt eingeladen hätte. Sie fragt, was das für ein Fahrgast sei. Du musst wissen, dass ich neben dem Studium Taxi fahre. Also antworte ich ihr, dass das die junge Frau sei, die ich als Dauergast zweimal die Woche von Nikolassee zum Flughafen brächte. Dann merke ich schon, wie ihre Gesichtsfarbe ins Rötliche wechselt. Und klar, dann kommt dieser Satz: Und in welchem Hotel wart ihr? Daraufhin werde ich sauer und entgegne ihr, dass wir uns den ganzen Nachmittag im Puff in der Windscheidstraße eingemietet hätten, um dort mit einer Hure einen enorm geilen Dreier zu zelebrieren.

Was ich nicht wusste ist, wie flink sie sein kann. Ratzfatz greift sie sich meine zwölfsaitige Gibson und schlägt sie mir über den Kopf. Mein Doktor musste mich mit drei Stichen nähen. Die Gitarre ist im Gitarrenhimmel und glaubst du, dass sie sich nur andeutungsweise entschuldigt hätte? Mir wird immer noch ganz anders, wenn ich mir vorstelle, wenn da nicht die Akustik- sondern eine E-Gitarre gestanden hätte. Liane Margarethe Juliane, du würdest jetzt gerade bei …“

„Pssssst!“ Sie dreht mir den Nacken zu und flüstert:

„Hubert, der Reißverschluss würde gerne abwärts fahren.“

Ich tue ihr und mir den Gefallen, fahre entlang des

BH-Verschlusses talwärts und komme erst fast am unteren Rand des Hüftgürtels zum Stehen. Ihre Hand verlässt mich. Sie steht auf, ich stehe auf und sie fragt ziemlich unkompliziert, aber auch rhetorisch:

„Ja, was machst du denn nun mit deiner halbausgezogenen Schlampe?“

Wortlos ziehe ich ihr das Kleid über den Kopf. Und da steht sie vor mir, wie vorhin auf der Bühne: Weißer BH mit Brüsten, die keineswegs noch mehr eingeengt werden dürften, einem Hüftgürtel, der sicher aus einem Retro-Wäschegeschäft stammt, jedoch die Aufgabe hat, sich um die Strümpfe, vermutlich aus reiner Seide, zuschnappend zu kümmern. Und letztlich diese Lackpumps, wegen der so manches Weib seiner besten Freundin beim Caféhausbesuch ins Ohr flüstern würde: Meine Gute, für die würde ich morden!

„Darf ich vorstellen: linker Hand, mein Herr, das ist Margarethe und zu Ihrer Rechten wartet Julia! Du darfst sie gerne ein wenig über den Rand befreien. Falls du sie magst, so darf ich verraten, dass sie es lieben, ein wenig abgeschleckt zu werden.“

Einen Moment lang stehe ich sicher vor ihr, als hätte ich vom Hupen und Trompete spielen keinen Schimmer.

Aber na klar! Frauen geben ihren Brüsten gerne auch mal Namen. So schiebe ich meinen Zeigefinger vorsichtig in Margarethes Behausung und lasse das Nippelchen über die Begrenzung des bajuwarischen Kleidungsstücks hinausschauen. Vorsichtig nehme ich es zwischen meine Lippen und umkreise es mit meiner Zunge. Die Reaktion ist eindrucksvoll. Wie ein verkehrtes Ausrufungszeichen ragt es mir in den Mund. Aber Julia möchte ja auch. Als ich sie befreie, hat sie schon fast Margarethes Ausmaße. Damit die aber nicht traurig wird, puste ich ihr ein wenig Luft zu. Nun kommt die Reaktion von höchster Stelle:

„Gemeinheit! Willst du mich quälen?“

„Wo ist eigentlich Liane, wenn hier oben Margarethe und Julia residieren?“

 

„Rate doch mal!“

Es gibt da eigentlich nur eine Lösung. Ich gehe auf die Knie. Unter dem Hüftgürtel, da ist ja gar nichts! Besser gesagt, da ist sehr viel, nur kein Stoff. Ein winziges, hahnenkammartiges Büschelchen verläuft vom Venushügel abwärts. Es endet dort, wo sich mir Lianes Liane völlig hemmungslos offenbart.

„Sie möchte auch dein Mäulchen kennenlernen.“

Folgsam stecke ich meinen Kopf zwischen ihre Beine.

Als wir wieder nebeneinander auf ihrem Kimono sitzen, führt sie meine Hand auf ihre erregte Yoni. Das ist deutlich zu spüren.

In der Glotze beginnt ein neuer Film. Massagesalon Elvira.

Ein hellblauer Opel Kadett ist von der Beifahrerseite her zu sehen. Eine Blondine in graublauer Bluse mit Sternchen darauf plaudert mit einer älteren Frau am Steuer. Die Blondine steigt aus. Verdammt, ich kenne das Gesicht! Neben mir beginnt es zu kichern. Liane schüttet sich fast aus vor Lachen.

„Na? Haste mich erkannt?“

„Du spielst in einem Porno mit?“

Klar! Habe ich ausnahmsweise gemacht. Der Produzent war ein paar Mal Gast bei mir. War richtig lustig mit dieser Crew! Und hat gut Kohle gebracht. Aber auf Dauer wäre mir das nichts. Hier, das ist mir lieber. Hier suchen sich die Männer mich zwar aus, aber ich kann dann unter denen wählen. Ich akzeptiere bei Weitem nicht jeden.“

„Nach welchen Kriterien?“

„Ich zwischen euch wähle?“

„Ja.“

„Sympathische Erscheinung, Sauberkeit und er muss mich auf emotionaler Ebene anmachen. Ich muss eine Spannung zwischen ihm und mir spüren.“

Im Fernsehen ist ein dicklicher Kerl auf einer Massageliege zu sehen, der sich über irgendetwas beschwert. Er will ihr ihre Hand zu seinem Teil unter einem weißen Handtuch führen. Sie ist entsetzt und verlässt den Behandlungsraum. Eben diese gefilmte Hand ist hier in Realität auf mir und streichelt sehr wirkungsvoll. Die Liane im Film betritt einen anderen Raum. Dort ist eine schmollmündige Wasserstoffblondine dabei, auf einem Patienten zu reiten. Jedenfalls sieht man von hinten, wie er in sie ein und ausfährt, während ihr wohlgeformter Po die Bewegung unterstützt. Die Liane der Glotze verlässt mit angsterfüllter Miene auch diesen Raum.

„Die Geschichte ist einfach. Ich spiele eine ausgebildete Masseurin, die erst nicht begreift, dass in diesem Massagesalon nur ein männliches Körperteil massiert werden soll. Zum Schluss akzeptiert sie die Situation und zeigt ihrem Chef, dass sie auch diese Art von Massage glänzend beherrscht.“

„Was sagt eigentlich dein Freund oder Mann dazu. Ich meine, dass du Pornos drehst und in der Peepshow arbeitest?“

„Mein Mann und ich sind auf der gleichen Wellenlänge. Sexuelle Vergnügen sind frei. Wir entsagen den landläufigen Praktiken seinen Partner besitzen zu wollen oder zu müssen. Unsere gegenseitige Zuneigung ist natürlich, ehrlich und ohne Erpressungen. Eine Mutter, die mehrere Kinder hat, liebt die sicher auch alle, jedes individuell. Ich glaube nicht an eine Begrenzung des Lieben-Könnens, jedenfalls nicht in Richtung Quantität.“

Im Fernseher hält Liane den Warja eines sportlichen Typen in der Hand und beginnt ihn zu massieren, so wie meinen gerade.

Ich küsse sie auf ihre schönen Lippen. So lässt sie mich nicht davonkommen. Sie drückt mich an sich und der Kuss wird sehr, sehr intensiv. Sie hat mich völlig in der Hand. Mein Unterbauch schmerzt vor Vergnügen und ich bin zu allem bereit.

„Wie gefällt dir das, was ich da gerade mit Johnny mache?“

Johnny heißt der Kerl also. Sie hat inzwischen sein Teil in mündlicher Behandlung.

„Ich hätte nichts dagegen!“

„Dass ich dich lutsche? Hubert, das stehst du nicht lange durch. Wir haben doch eine Stunde. Nimm dir nicht die Spannung! Komm, ich ziehe mir wieder mein Kleid an. Zuerst lassen wir Margarethe und Julia wieder verschwinden. Schwupp sind die beiden wieder hinter bayerischem Textil und Liane sitzt angeblich brav neben mir. Mein Bauchweh nimmt zu. Sie schließt mich in ihre Arme, schleckt mir sehr feucht mein Ohr und erobert erneut meinen Mund. Ich schließe die Augen und höre:

„Ich verwöhne dich so gerne, weißt du? Von der ersten Berührung an habe ich in allem gespürt, dass du genießen kannst, dass du dich mir ganz und gar hingibst. Das macht mich stolz und glücklich und dass macht mich auch geil. Verstehst du? Ein Wechselspiel im wahrsten Sinne des Wortes.“

„Du bist ein Phänomen, Liane Margarethe Julia. Ich möchte mich ununterbrochen zwicken und mich fragen, ob du nicht nur einem wunderbaren Traum entstammst. Alles an dir ist pure Erotik, macht mich so verlangend, so sehnsüchtig nach dir, obwohl du da bist.“

„Ich habe verstanden, Hubert. Wenn du mir versprichst, dass du es eine Minute aushältst, werde ich dich jetzt schon mal ein wenig beschlecken. Im Film vergewaltige ich übrigens gleich meinen Massagestudiochef. Er sagt mir da, dass ich vorsichtig sein soll, denn sein armes bestes Stück ginge sonst in die Binsen. Worauf ich ihm entgegenhauche, dass bei mir die Moral in die Binsen gegangen sei.

Und du, genieße das mal! Wer hat schon seine Pornoqueen im Fernseher und gleichzeitig an und um sich?“

Sie beugt sich über meinen Schoß und hat ihn sogleich geschnappt, schlabbert und saugt, aber äußerst vorsichtig, wie in Zeitlupe. Im Film hat sich Lianes Liane das Teil ihres Massagechefs einverleibt und scheint es auch genüsslich zu bearbeiten.

„Hör bitte auf, Liane. Ich halte es sonst nicht länger aus.“

„Okay, mein stolzer Krieger. Programmänderung!“ Sie lässt von mir ab und lehnt sich relaxt zurück.

„Wieso bin ich denn plötzlich ein Krieger?“

„Na lieben es nicht die Herren, das sogenannte starke Geschlecht

in sexueller Hinsicht in Kriegssprache zu schwadronieren? Ich habe sie erobert, habe sie genommen, sie mir unterworfen oder in brutalo Jargon: habe sie flach gelegt, sie aufgerissen, sie zugeritten und so weiter!“

„Ist nicht meine Sprache! Bei mir hieße das: Sie ist ein Sonnenstrahl in meinem Leben, ich bete sie an oder sie ist die zarteste Versuchung, seitdem es blonde Engel gibt!“ Mein Lächeln versucht meine Worte zu verstärken.

„Du bist wohl ein Romantiker, ein Träumer?“ Sie stützt ihr Kinn auf ihren Handrücken.

„Wer bei dir nicht zum Träumer wird, muss ein Herz aus Glas haben.“ Ich greife ihr mit einer Hand seitlich unter die Achsel, spüre ihre Wärme und gleite hinunter bis zur Hüfte. Dann ziehe ich sie zu mir, beuge meinen Kopf über ihre Schulter und küsse sie auf den kleinen Bereich zwischen dem Kragen des Kleides und Haaransatz. Das ist die Stelle, die für einen Japaner an einer Frau wohl der erregendste Ort ist. Ich wandere mit den Lippen seitlich hinter ein Ohr und tippe dort ein paar Mal ganz sanft mit der Zungenspitze an. Sie zittert ein wenig und atmet tief ein.

Das Fernsehprogramm ist seit dem Massagesalon Elvira unterbrochen. Weißes Schneeflimmern erfüllt den Bildschirm.

Liane steht auf und geht zum Fernsehapparat.

„Ich erspare uns jetzt den elektronischen Schnee.“

Neben der Glotze steht ein Cassettenkoffergerät. Sie führt eine Cassette ein und drückt auf einen Knopf.

Die ersten Töne von Nights In White Satin erklingen.

„So, mein lieber Hubert. Du ziehst dir jetzt mal deine Hosen und Schuhe an. Ich würde gerne ein bisschen mit dir tanzen. Ich setze mich jetzt wieder hin und du forderst mich auf, so als ob wir uns nicht kennen würden.“

Ich bin sehr folgsam.

Mit Hosen und T-Shirt am Körper und Schuhen an den Füßen stehe ich vor ihr und schenke ihr ein liebevolles Lächeln.

„Tanzt du mal mit mir?“

„Sehr gerne“, flötet sie mit verstellt, tiefer Stimme.

Besitzergreifend ist ihr Körper, mit allen Partien an mich geschmiegt, die dafür möglich sind. Wange an Wange bewegen wir uns nach Beauty, I'd always missed with these eyes before. Just what the truth is, I can't say anymore …

„I can’t say anymore“, singe ich ihr leise ins Ohr.

„Du hast mir doch noch gar nichts gesagt“, neckt sie mich.

„Ich habe dich sofort da sitzen sehen und mir gedacht, dass du wohl eine Fata Morgana sein musst. Jemand wie du hier alleine ohne Tanzpartner?“

„Ich bin eine Mutter Mordana! Sei vorsichtig, schöner Fremder. Ich fresse junge, frauenlose Männer.“ Schwupp spüre ich eine Hand auf einer Pobacke.

„Zeigst du mir, wie das geht? Ich meine, wer möchte nicht von dir gefressen werden?“ Ich tue es ihr gleich. Meine rechte Hand gleitet unter ihren Rock und kommt auf der Kurve ihres Hinterteils zu einer vorgetäuschten Ruhe.

„Du gehst aber ran, junger Mann! Aber ich mag das! Du weißt, was du willst?“ Ihre Hand wandert von meinem Po zu meinem Hinterkopf. Ihr Augenpaar nimmt Stellung vor meinem Gesicht, fixiert mich und schon erobert ihre Schnute mit allem, was zu ihr gehört, meinen Mund. Wie eine Katze ihre Jungen, schleckt sie mein Gesicht. Natürlich spürt sie meine heftige Reaktion und drückt hemmungslos dagegen. Auch Margarethe und Julia lassen mich sie spüren.

Ich merke, wie sie eine Hand unter ihren Rock schickt. Postwendend kommt ein feuchter Finger und lässt mich daran schmecken.

Die Musik ist beim zweiten Moody Blues Titel angekommen. Take a look at me but slowly the candle of life …

Ich habe den Geschmack ihrer erregten Yoni im Mund, ihre Hand auf meinem Po und Margarethe und Julia schmiegen sich lüstern an meinen Brustkorb. Mein Bauch krampft und schmerzt.

„Wollen wir es uns ein wenig auf dem Kanapee gemütlich machen?“, flüstert sie mir ins Ohr.

Ich setze mich. Sie knöpft meine Hose auf und zieht sie mir von den Beinen. Meine verbeulte Unterhose bleibt nicht unkommentiert.

„Junger Mann, un peu de contenance!“

Sie setzt sich daneben, und zwar so, dass der Saum ihres Kleides eine freie Sicht auf ihre Muschi gestattet.

Nicht ein bisschen schüchtern nimmt sie sich meine rechte Hand und führt sie eben dort hin. Sie landet unterhalb ihres Kleides. Dort ist es eher heiß, als nur warm und auf dem Weg zu einer Überschwemmung.

Mit immensem Vergnügen lassen es ihr meine Fingerspitzen gut gehen. Doch ich bin süchtig nach dem Geschmack, den sie mir eben geschenkt hat. Möchte ihn noch mal. Sie merkt das natürlich und schaut mich fragend an.

„Köstlich!“ Mehr bringe ich verbal nicht zu Stande. Es schmeckt nach einem sehr frischen Joghurt mit Studentenblumenaroma.

Zu Question, natürlich auch von den Moody Blues, findet meine Aufregung endlich wieder Einlass. I’m looking for someone to change my life, I’m looking for a miracle in my life …

Als habe sie mich Jahre lang vermisst, werde ich verwöhnt, dass es mir schwarz vor Augen wird. Ihre Lippen bilden einen samtenen Ring, der ihn ansaugt. Das Ganze wandert der Länge nach von vorne bis hinten und wieder zurück. Und dann auch noch die Zunge, die sich nicht zurückhalten kann.

Der Deltadrachen hat uns wieder. Es geht enorm hoch und höher. Zum Mont Blanc? Und dann, Flammen oben, Feuer unten. Zurück zum Monte Bianco. Dann Schussfahrt ins Nichts. Regenbögen verkehrt herum, Wasserfälle, die vom Boden in den Himmel rauschen, Sonnenblumen, die in Sekunden aus dem Boden schießen und Tagetesgeruch überall.

Bevor wir zu unserem Spaziergang aufgebrochen sind, habe ich Lara ihr goldenes Geschirr angelegt. Ich habe so im Gefühl, dass sie das glücklich macht. Sie verbindet Spaziergänge und Entdeckungen damit.

„Chéri, hast du alles?“ Liane steht an der Einfahrt zur Villa. Es ist stickig warm heute und sie tat gut daran, sich nur ein seidenes, weißes, indisches Hemd übergezogen zu haben. Mein T-Shirt und die Kaki-Shorts kommen mir da schon viel zu aufwendig vor. Der Weg in Richtung Tal ist holprig und voller Ausspülungen vom letzten großen Regen. Neulich haben wir in fünf Minuten Entfernung vom Ortseingang einen Höhleneingang entdeckt. Das hat neugierig gemacht und so haben wir zwei Taschenlampen mitgenommen.

Ich lasse Lara an der langen Leine. Alles Mögliche interessiert sie. Sie nimmt Witterungen auf, die wir mit unseren Nasen nie wahrnehmen könnten.

„Meinst du, wir könnten sie jetzt an die Schleppleine nehmen?“ Liane krault Lara hinter den Ohren. Sie liebt das. Ihr markiges Schnurren hat einen ziemlichen Gänsehautfaktor.

„Warum eigentlich nicht. Ich habe bislang noch kein Schafsgeblöke vernommen.“ Ich lege ihr die zehn Meter lange Leine ans Geschirr. Das scheint sie nicht im Geringsten zu interessieren. Im Gegenteil! Sie köpfelt mich beständig am Knie.

 

Am Höhleneingang gibt es eine Überraschung. Ein ockerfarbener

VW-Bulli mit Westberliner Kennzeichen steht seitlich an einer kolossalen Pinie und verdeckt das Hinweisschild.

Ich nehme Lara wieder an die kurze Leine.

„Das ist ja ein dolles Ding! Kannst du mit Lara hier kurz warten? Ich schaue mal, ob ich da drinnen den Berliner treffe.“

„Aber geh‘ nicht alleine zu tief da rein. Ich möchte dich heute schon noch wieder sehen. Wir wollen heute Abend noch unsere Chopinaufnahmen fortsetzen.“ Liane setzt sich auf einen platten Felsenvorsprung und Lara nimmt neben ihr wie eine afrikanische Statue Platz.

In der Höhle ist es sofort merklich kühler. Eine Art Weg schlängelt sich relativ stetig abwärts. Meine Taschenlampe offenbart frische, derbe Schuhabdrücke. Jemand muss vor Kurzem hier hineingegangen sein.

Der Weg biegt rechts ab. Eine natürliche Treppe führt steil bergab. Nach zirka dreißig stufenähnlichen Felsplatten stehe ich in einem riesigen Saal. Rechts von mir, um die fünfzig Meter entfernt, bewegt sich ein grelles Licht. Es wird links davon durch eine große Wasseroberfläche reflektiert. Ein unterirdischer See!

„Hallo! Was machen Sie hier?“ Die Stimme kommt vom Licht her.

„Das könnte ich Sie auch fragen“, töne ich zurück.

„Moment mal. Ich komme zu Ihnen!“ Das Licht bewegt sich auf mich zu.

Ich erkenne alsbald einen schlanken Mann so um die Mitte dreißig.

Eine Stirnlampe ziert seinen voluminösen Kopf, der von kinnlangen, dunkelblonden Locken bewachsen ist. Er zieht den Unterarm, der in einem rotblauen Holzfällerhemd steckt, genüsslich an seiner Nasenöffnung oberhalb seines breiten Schnauzbartes entlang.

Er scheint seine Manieren an die Zeiten der Höhlenmalerei angepasst zu haben.

„Das ist kein Ort fürs Höhlentrekking, junger Freund.“

„Das empfiehlt wer?“

„Ich bin kein Speläologe, falls du diesem Irrtum aufgesessen sein solltest. Mein Name ist Leo Wächter, Doktor Leo Wächter,

Ingenieur für Verfahrenstechnik. Die hiesige Administration hat mich beauftragt, die Wasserqualität dieses Gewässers zu begutachten. Und was machst du hier?“ Jetzt wandert der andere Arm an seinem Schnäuzer entlang.

„Hubert Schenck, Sir!“, antworte ich etwas keck wie der Held von Uhrwerk Orange.

„Wir haben unser Anwesen oben am Rande des Dorfes.“ Da er mich duzt, mache ich es ihm gleich.

„Du bist den ganzen Weg von Berlin mit dem Bulli hierher gekommen, um das unterirdische Wasser zu begutachten? Ist das nicht verdammt aufwendig?“ Er sieht mich an, als ob etwas in ihm nach einer Lösung sucht.

„Verdammt! Hubert Schenck! Den Namen kenne ich doch! Bloß woher? Hast du etwas mit Musik zu tun?“ Er ist schnell auf der richtigen Fährte.

„Nicht schlecht, Herr Doktor. In der Tat, ick mache in Mussick, wie die Berliner sagen würden. Tabula Raza, schon mal gehört?“

„Natürlich, ja! Ich mag euer Zeug sogar sehr. Iss ja ´n Ding. Da muss ick inne Höhle in‘ Pyrenäen rumlatschen, um Hubert Schenck zu treffen!“, berlinert er etwas aufgesetzt. Der ist mit Sicherheit kein gebürtiger Preuße!

„Ich habe heute schon gesehen, was ich wollte. Meinen Bericht werde ich in der Pension schreiben. Von mir aus könn‘ wir wieder ans Tageslicht.“ Er schreitet voran und ich folge ihm. Zuerst also wieder die dreißig Stufen nach oben. Plötzlich spüre ich, wie alles um uns herum vibriert. Zwei faustgroße Steine poltern kurz vor mir und kurz hinter ihm von der Decke.

„Sehr unvernünftig, dass wir keine Helme hier tragen. Man hat mir aber auch nicht gesagt, dass die Erde hier beben kann.“

Wir erhöhen unser Schritttempo. Irgendwie ist es mir nun unheimlich. Wieder bebt alles und noch viel stärker. Zehn Meter vor uns kracht es gewaltig. Wir nähern uns der Stelle. Ein etwa fünf Meter großer Spalt ist entstanden, zu breit um da

hinüberzuspringen!

„Und nun?“ Meine Stimme klingt sicher nicht sehr hoffnungsfroh.

„Ich habe ein Seil dabei. Im Berg brauchst du ein ähnliches Equipment wie ein Bergsteiger. Also beruhige dich. Wir werden da schon rüberkommen. Ich frage mich nur, was du gemacht hättest, wenn ich nicht auch hier gewesen wäre?“ Wieder wandert ein Ärmel an seiner Nase entlang.

„Hilfreich wäre aber jetzt noch ein dritter Mann. Bist du alleine hierher gekommen?“

„Nein, meine Frau wartet am Eingang.“

Doktor Leo Wächter schnallt seinen Rucksack ab und holt ein solides Seil, einen Hammer und dicke Nägel heraus.

„Vielleicht versuchst du, sie mal zu rufen. Sie könnte da drüben das Seil befestigen.“

„L i a n e !“, schreie ich so laut ich kann. Von unten, vom unterirdischen See kommt ein gurgelndes Echo. Ich komme mir vor wie in einem Edgar-Wallace-Film, fehlt nur noch Klaus Kinski mit seinem diabolischen Grinsen. Herr Wächter hat nicht dieses Kaliber.

„Komm, wir setzen uns hier auf den Vorsprung. Vielleicht hat sie es ja gehört. Wenn nicht, wird sie doch sicher bald unruhig und kommt nachschauen?“

„Sicher!“, beruhige ich mich wohl eher selbst.

„Habe neulich gelesen, dass euer Lichtsinnlich dehnbarer Traum

live aufgeführt werden soll?“, versucht er von der misslichen Situation abzulenken.

„Richtig, das wird ein utopisch, geiles Projekt. Wir planen oben an der französisch-spanischen Grenze, auf dem Grat der Pyrenäen sozusagen, eine gigantische Bühne aufzubauen, und zwar direkt auf der Brèche de Roland. Das ist eine riesige Kerbe, die der Sage nach der Neffe von Karl dem Großen beim Kampf gegen die Sarazenen in den Berg geschlagen haben soll.“

Ich merke, wie Leo plötzlich wie gebannt über den Spalt im Weg starrt.

Ein glühendes Augenpaar hat uns im Visier. Ein paar Meter dahinter taucht der Strahl einer Taschenlampe auf.

„Liane, du bist unsere Rettung!“

„Hubert, was ist das?“, flüstert Leo neben mir.

„Beruhige dich, das ist doch nur Lara!“

„Chéri, was ist denn los?“

„Liane, vorsichtig. Es gab ein kleines Beben und zirka fünf Meter des Weges sind versackt. Wir werfen dir ein Seil rüber und du müsstest es dann dort irgendwo befestigen.“ Ich versuche meine Atmung zu beruhigen.

„Das ist Doktor Leo Wächter. Er kümmert sich hier im Berg um die Wasserqualität.“

„Was ist Lara?“ Leo erlebt wohl gerade einen Alptraum.

„In zwei Sekunden auf freier Strecke sechzig Kilometer schnell. Ihre Flecken sind zu Längsstreifen verschmolzen. Gewicht an die vierzig Kilo!“

Als wir unsere missliche Situation dank des Seiles und mit Lianes Hilfe gemeistert haben und wieder am Tageslicht angekommen sind, setzt sich Lara neben dem Höhleneingang vor Herrn Doktor Wächter in Positur.

„Ein Gepard, oder?“

„Fast“, verbessert ihn Liane. „Eine Königsgepardin!“

Unsere Panoramastube ist angereichert mit den Gerüchen einer ausgezeichneten Paella. Zum Dessert gibt es Crème brulé maison. Paul kümmert sich schon seit geraumer Zeit um unser kulinarisches Wohlergehen. Er ist um die fünfzig, war früher in der Legion und hat somit schon viel von der Welt gesehen. Seine Wiege stand in Marseille, weshalb sein Französisch den typischen Singsang des Südens zelebriert. Irgendwer aus seiner Verwandtschaft kam aus Frankfurt/Oder. Seltsame Zusammenstellung, Marseille und Frankfurt an der Oder. Auf jeden Fall könnte er als Bruder Alain Delons durchgehen. Sagen wir mal mit konstantem Dreitagebart. Sein Deutsch ist gewöhnungsbedürftig. Sein Wortschatz ziemlich groß, doch hat er die Angewohnheit, die französische Satzstellung ins Deutsche zu transferieren.

„Ich Sie bringe noch ein Bier?“ Paul blickt auf Leos leeres Glas.

„Ja, mach mal. Hätte gerne noch so’n Töpfchen.“ Leos Blick ist schon etwas glasig.

„Für Eusch? Alles ist Ordnung? Liane, du willst noch ein Mousseux? Hubert und für disch?“

„Okay, okay, Paul. Alles bestens. Wir bedienen uns selbst.“ Liane steht auf und stellt sich in seitlich wippenden Bewegungen vors gigantische Fenster. Gegen die sich verabschiedende Sonne sieht sie in ihrem schwarzen, trägerlosen Chiffonkleid wie ein lebensgroßer Scherenschnitt aus. Die Musik wechselt von Gerry Raffertys Baker Street zu Eric Claptons Lay Down Sally.