Überwältigende Begegnung im Schlafwagen

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Überwältigende Begegnung im Schlafwagen
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Nadine Berger

Überwältigende Begegnung im Schlafwagen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Fremde in meinem Abteil

Was für ein heißes Mädchen...!

Impressum neobooks

Der Fremde in meinem Abteil

„Liebling, beeil dich! Du verpasst sonst noch den Zug.“

Als ob ich das nicht selbst wüsste! Hastig beuge ich mich noch einmal zur Fahrerseite, drücke Greg einen Kuss auf die stoppelige Wange und schnappe meine Tasche vom Rücksitz. Einmal noch streiche ich mit den Fingern verführerisch über die Innenseite seiner Schenkel, ziehe sie jedoch rasch wieder seufzend zurück. Ich weiß, die Zeit drängt...! Statt ihn weiter zu streicheln, öffne ich die Tür und springe aus dem Wagen, laufe die Stufen zum Eingang des Bahnhofs hinauf. Oben drehe ich mich um, winke meinem Freund zum Abschied noch einmal zu. Umsonst, denn er hat seine Aufmerksamkeit bereits wieder seinem iPhone zugewendet, auf dessen Display er heftig herumwischt. Komisch, sonst hat er mir und meinem Hintern mehr Beachtung geschenkt...

Beleidigt ziehe ich die Mundwinkel nach unten, laufe dann weiter. Im Rennen werfe ich einen Blick auf die große Anzeigetafel, suche nach dem Gleis, auf dem mein Nachtzug nach Paris bereitsteht. Es ist die Fünfzehn und das Ergebnis des Blicks auf die Uhr bohrt sich wie ein Dolch in meinen Magen. Zehn vor acht, eine Minute vor Abfahrt des Zuges und ich stehe an Gleis eins; muss also einmal quer durch den Bahnhof laufen. Mit starr geradeaus gerichtetem Blick hetze ich durch die Halle, renne so schnell ich kann und erreiche atemlos das Gleis, wo gerade die Ansage zur Abfahrt ertönt. Noch einmal beschleunige ich, rase die letzten zwanzig Meter auf die offen stehende Tür zu. Und tatsächlich, mit dem Pfiff erreiche sie, springe die Stufen hinauf und sehe, wie sie sich direkt hinter mir automatisch schließt. Erschöpft lehne ich mich gegen die Wand, schließe die Augen und verharre mit klopfendem Herzen reglos, als sich der Zug in Bewegung setzt. Geschafft!

Nachdem ich wieder zu Atem gekommen bin, ziehe ich den Beleg mit der Abteil-Reservierung aus der Tasche, mache mich dann auf den Weg durch die Waggons. Zur meiner Erleichterung ist der Zug ziemlich leer; auch mein 4-Bett-Abteil finde ich verwaist vor. Mit einem Seufzer lasse ich mich in eine der unteren Kojen fallen, während der Zug im Schein der tiefstehenden Sonne rumpelnd die Vororte passiert.

Eine Weile verharre ich reglos ausgestreckt mit geschlossenen Augen auf der überraschend bequemen Liege, lasse meine Gedanken um Greg kreisen. Was für ein sonderbarer Abschied. So lieblos. Und dann seine ganze iPhonerei, kaum das ich aus dem Wagen war. Mit wem er wohl da gemailt hat... Wieder eine Neue auf seiner schier endlosen Liste? Dabei hatte er mir doch versprochen, sich zu ändern; dass es mir Sophie wirklich das letzte Mal passiert war. Pah, wie oft hat er mir das schon erzählt? Gebettelt und Gefleht, dass ich ihm verzeihe? Und ich? Ich blöde Kuh tue ihm den Gefallen. Immer, immer wieder! Aber jetzt ist endgültig Schluss! Ich hoffe nur, dass ich den Entschluss durchhalte, wenn ich aus Paris zurück bin. Eine Mischung aus Wut und Eifersucht versetzt mir einen Stich zwischen die Rippen. Lass das, denk an die vor dir liegenden Tage!, rufe ich mich zur Ordnung. Und tatsächlich, in Verbindung mit dem sonoren Rattern der Räder wandern meine Gedanken in ruhigere Gefilde und schon nach kurzer Zeit werde ich schläfrig, sinke in einen leichten Schlummer.

RUMMS! Laut krachend fällt eine schwere Tasche in das Bett über mir. Erschrocken reiße ich die Augen auf.

„N’Abend,“ tönt es mir von oben entgegen. Benommen schaue ich auf, sehe einen Schatten neben mir stehen. Das heißt, eher nur die in einer dunkelblauen Anzughose steckenden Beine des Neuankömmlings, der über mir in der Tasche wühlt. Dann tritt der Mann zurück und verlässt ohne ein weiteres Wort das Abteil.

„Auch guten Abend,“ flüstere ich hinterher, enttäuscht, das Abteil doch nicht für mich allein zu haben. Wäre auch zu schön gewesen, denke ich, als ich mich aufrichte, in meine Sneakers schlüpfe und aufstehe. Zeit, eine Kleinigkeit zu essen. So verlasse auch ich das Abteil und mache mich auf die Suche nach dem Speisewagen. Dort setze mich an einen der frisch eingedeckten Tische und studiere die Karte. Auf überbackenen Fisch oder Pasta habe ich keinen Hunger, deshalb stehe ich auf und gehe zur Theke, wo ich mir ein belegtes Baguette und einen Sauvignon bestelle. Während ich am Tresen warte, überkommt mich mit einem Mal ein ganz eigenartiges Gefühl. Mir ist, als würde mich jemand verstohlen beobachten. Unruhig schaue ich zu, wie der Kellner die Sachen auf ein Tablett legt, gehe dann rasch zu meinem Tisch zurück. Dabei fällt mir ein Mann in der hinteren Ecke des Waggons auf, der mich unverhohlen anstarrt. Groß, breitschultrig sitzt er da allein an seinem Platz, vor sich ein Teller Pasta und ein Glas Rotwein. Sein kantiges Gesicht wird eingefasst von dunklen, schulterlangen Haaren, die ihm bis auf das knapp sitzende Business-Hemd fallen. Auf die Entfernung würde ich ihn so auf Mitte, Ende vierzig schätzen. Ganz adrett eigentlich, schießt es mir durch den Kopf. Wenn nur nicht dieser stechende Blick wäre. Ich tue so, als ob ich ihn nicht bemerke und setze mich wieder. Aber das Gefühl bleibt, bis ich mich aufraffe und in seine Richtung schaue - direkt in seine forschenden Augen. Um seine Lippen spielt dabei ein vieldeutiges Lächeln. Unvermittelt muss ich schlucken, denn mit einem beklemmenden Gefühl stelle ich fest, dass weit mehr in ihnen liegt, als nur unschuldige Neugier...

Beschämt blicke ich zu Boden, nehme einen Schluck von meinem Wein. Zum Glück erhebt sich der Mann nach kurzer Zeit und geht an mir vorbei in Richtung Ausgang. Aus den Augenwinkeln verfolge ich seinen Gang; sehe seine dunkelblaue Baumwollhose. Die kenne ich doch... Soll das etwa mein Abteilnachbar sein? Hastig nehme ich einen weiteren Schluck, zähle bis zehn, stehe dann ebenfalls auf und verschwinde in entgegengesetzter Richtung aus dem Wagen zurück ins Abteil. Dort ist von meinem unbekannten Mitreisendem nichts zu sehen. Umso besser, denke ich, während ich mich aufs Bett setze, einen Bissen vom Baguette nehme und in die hereinbrechende Dunkelheit schaue.

Auch nachdem ich das Essen längst beendet habe und meine Sachen für die Nacht auspacke, bin ich weiterhin allein. Rasch flitze ich ins freie Bad, tausche den Rock gegen eine knielange, flauschige Sporthose aus Nikkistoff, die Greg mir zum letzten Geburtstag geschenkt hat. Bei dem Gedanken an ihn krame ich spontan mein Telefon hervor und rufe ihn an. Mailbox. Ratlos lasse ich das Handy sinken. Komisch, er wollte doch zu Hause sein. Vielleicht ist er doch...? Energisch den Kopf schüttelnd unterdrücke ich die aufkeimenden Befürchtungen, schlüpfe in ein knappes Baumwolltop und mache mich auf den Rückweg.

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