Auf dem Weg zur grünen Weltmacht?

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Auf dem Weg zur grünen Weltmacht?
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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Entwicklung und Ausmaß der chinesischen Umweltproblematik

2.1 Ökonomische Entwicklung

2.2 Ökologische Entwicklung

2.3 Urbane Herausforderungen

2.4 Ländliche Herausforderungen

2.5 Energie und Energieeffizienz

3. Akteure in der chinesischen Umweltpolitik

3.1 Die Zentralregierung

3.2 Die Lokalregierungen

3.3 Die Unternehmen

3.4 Die Zivilgesellschaft

3.5 Die Medien

3.6 Internationale Zusammenarbeit in Klima- und Umweltschutzfragen

4. Umweltpolitik in China

4.1 Politische Motive für oder gegen Umweltschutz

4.2 Erfolgreiche Gesetzesinitiativen und innovative Projekte

4.3 Schwierigkeiten der Implementierung von Umweltpolitik

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

7. Fußnoten

1. Einführung

In den letzten Jahrzehnten kam kaum eine Auseinandersetzung, die sich mit geopolitischer Machtverschiebung beschäftigte, ohne Verweis auf den beeindruckenden ökonomischen Aufstieg des Reichs der Mitte seit den 1980er Jahren und seine schon heute prägende Rolle in der globalisierten Weltwirtschaft aus. Im Angesicht verlockender Gewinnmöglichkeiten durch Outsourcing und Offshoring, wurde häufig ignoriert, dass China für seine Hochgeschwindigkeits-Industrialisierung eine katastrophale Umweltverschmutzung in Kauf nahm. Seit einigen Jahren jedoch sind die ökologischen Folgen, die das grenzenlos erscheinende Wirtschaftswachstum verursacht hat, unübersehbar und zu einer Bedrohung für die Gesundheit vieler der 1,4 Milliarden Chinesen geworden. Die Erkenntnis „(that) human society is embedded in, and completely depend(s) upon the earth's natural system“[1] hat weltweit und somit auch in China zu einem Bewusstseinswandel geführt: „Environment protection is one of the major issues facing the world today.“[2] Die Frage ist heute nicht mehr ob, sondern wie lange die großen Wirtschaftsmächte ihren bisher wenig nachhaltigen Entwicklungsweg fortsetzen können. Die chinesische Umwelt-Debatte besitzt daher globalen Charakter.

Diese Arbeit geht der Frage nach, wie die chinesische Führung heute mit ökologischen Herausforderung umgeht. Gibt es eine Neuausrichtung in der Umweltpolitik? Und wenn ja, in wie fern und auf welche Widerstände trifft sie dabei? Hierzu wird zunächst die ökonomische und ökologische Entwicklung nachgezeichnet und die Problemfelder ausführlich dargestellt. Im Anschluss werden die wichtigsten umweltpolitischen Akteure in China hierarchisch eingeordnet und im Hinblick auf ihre bisherige Rolle genauer analysiert. Im letzten Kapitel werden die wesentlichen politischen Beweggründe für oder gegen einen stärkeren Umweltschutz in China benannt und Erfolge sowie bestehende Schwierigkeiten aufgezeigt. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst, die Forschungsfragen so weit wie möglich beantwortet und ein Ausblick gewagt.

Deutschsprachige Literatur zum Thema ist bisher kaum vorhanden. Als Einführungsliteratur empfehlen sich Michael Bohnets Diskussionspapier „Chinas langer Marsch zur Umweltrevolution” und Peter Zabielskis Aufsatz „Environmental Problems in China: Issues and Prospects”.

2. Entwicklung und Ausmaß der chinesischen Umweltproblematik
2.1 Ökonomische Entwicklung

Von Beginn der Öffnungspolitik der Volksrepublik 1979 bis 2011 wuchs das dortige Bruttoinlandsprodukt um rund zehn Prozent jährlich und China wurde zur „Fabrik der Welt“.[3] Chinas starker Außenhandel und ausländische Direktinvestitionen befreiten eine halbe Milliarde Menschen aus der Armut und ließen eine Mittelklasse heranwachsen, deren Konsum China schon heute zum größten Absatzmarkt z.B. für Autos, Kohle, Bier und Wein gemacht hat.[4] Außerdem wird seine steigende Zahl an Dollar-Millionären und -Milliardären China in naher Zukunft zum weltgrößten Markt für Luxusartikel machen.[5] Präsident Xi Jinping spricht in diesem Zusammenhang vom „chinesischen Traum“ oder der „neuen Normalität“.[6]

Zwar leben nach Angaben der chinesischen Regierung immer noch 200 Millionen Menschen in Armut und das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen erreicht nur ein Fünftel des Einkommens westlicher Industrienationen, doch zum 100jährigen Jubiläum der Kommunistischen Partei im Jahr 2021 will China eine „moderate Wohlstandsgesellschaft“, zum 100jährigen Jubiläum der Staatsgründung 2049 sogar eine voll entwickelte Industrienation sein.[7] Für das Jahr 2016 hat Premierminister Li Keqiang ein Wachstum von circa sieben Prozent ausgegeben und ein nachhaltigeres Wachstumsmodell angemahnt.[8] Einzig die Rüstungsausgaben wachsen weiter zweistellig.[9] Trotz eines sich verlangsamenden Wachstums ist China bereits heute die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Erde und will 2030 auch die USA überholen. „Wirtschaftswachstum bleibt (also) die zentrale Priorität des Landes.“[10]

Die Verbesserung der sozialen Situation gilt als Herrschaftslegitimation der politischen Führung und ist elementarer Bestandteil des übergeordneten Staatsziels, eine „harmonische sozialistische Gesellschaft“ zu errichten.[11] Um dieses Ziel zu erreichen, dürfte die sozio-ökonomische Entwicklung allein jedoch kaum ausreichen. Dafür muss der ökologischen Entwicklung ebenso Rechnung getragen werden.[12]

2.2 Ökologische Entwicklung

Seit einigen Jahren ist es unübersehbar, dass Chinas langjährige Slogans à la „everything should service rice and steel“[13] während des „großen Sprungs nach vorn“ oder die „develop first and clean up later“[14] Attitüde nicht länger haltbar sind, was, zumindest auf dem Papier, zu einem Bewusstseinswandel geführt hat. Die Umweltprobleme, die sich in nur 20 Jahren herausgebildet haben, setzen sich aus der unheilvollen Kombination aus Knappheit wichtiger Ressourcen, nicht zuletzt an Süßwasser und fruchtbarem Land, einer ineffizienten Ressourcenverschwendung, besonders in der Landwirtschaft, Chinas großer Bevölkerung und deren Konsumverhalten und Produktionsweise, anwachsender Urbanisierung und Industrialisierung, nicht sachgemäßer Entsorgung von Giftmüll, einem unzureichenden Umweltmanagement und veralteter Infrastruktur zusammen.[15] Potenziert mit den Effekten des Klimawandels sind Luft- und Wasserverschmutzung, Bodendegradierung, Erosion, Versteppung, Staub- und Sandstürme, Gletscherschmelze, Überflutungen sowie ein Verlust an Biodiversität das Resultat.[16]

Durch eine effektivere Umweltpolitik erhofft sich Umweltminister Li Ganjie eine nachhaltigere sozio-ökonomische Entwicklung, was auch der Rhetorik von Präsident Xi Jinping entspricht, der im März verkündete: „We are going to punish, with an iron hand, any violators who destroy(s) ecology or environment, with no exeptions“[17]. Diese Äußerungen zeigen, dass die angebliche Gleichgültigkeit der chinesischen Führung gegenüber ihrer Umwelt ein Mythos ist und sie im Gegenteil sogar zahlreiche Maßnahmen zur Reduzierung der Umweltverschmutzung ergreift.[18] Im letzten Jahr meldete das chinesische Umweltministerium 471 Fälle von schwerer Umweltverschmutzung, immerhin 241 weniger als im vorherigen Jahr.[19]

Diese Entwicklung kann mithilfe ökologischer Modernisierungstheorien erklärt werden. Diese argumentieren, dass ökonomischer Fortschritt, der ökologische Herausforderungen darstellt, zu Veränderungen in den politischen Institutionen, dem Marktverhalten und den sozialen Praktiken führe. Sich modernisierende Gesellschaften durchliefen eine wachsende ökologische Institutionalisierung, die, angetrieben von einem wachsenden Umweltbewusstsein, letztlich einen permanenten Status erreiche und eine nachhaltige Entwicklung vorantreibe.[20]

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