Kampf der Ehre

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Aus der Reihe: Ring der Zauberei #4
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KAPITEL ZEHN

Der Tag brach an, und sanftes Licht schien durch die kleinen Fenster von Illepras Haus und fiel auf Gwendolyns geschlossene Augenlider. Langsam erwachte sie.

Die erste Sonne in ihrem gedämpften Orange streichelte sie, und weckte sie sanft in der Stille des ersten Morgenlichts. Sie blinzelte mehrmals, zuerst verwirrt, und fragte sich wo sie war. Und dann fiel es ihr ein:

Godfrey!

Gwen war auf dem Boden der Behausung eingeschlafen und lag auf einem Lager aus Stroh in der Nähe seines Bettes. Illepra schlief direkt neben Godfrey, und es war eine lange Nacht für alle drei gewesen. Godfrey hatte die ganze Nacht lang gestöhnt und sich unruhig im Schlaf hin und hergeworfen, und Illepra war ununterbrochen für ihn da gewesen. Gwen hatte geholfen, so gut sie nur konnte, legte feuchte Tücher auf Godfrey’s Stirn und gab Illepra die Kräuter und Salben nach denen sie unaufhörlich forderte. Die Nacht schien endlos. Godfrey hatte aufgeschrien und sie war sich sicher er würde sterben. Mehr als einmal hatte er nach ihrem Vater gerufen, und jedes Mal jagte es Gwen einen Schauer über den Rücken.

Sie konnte die Anwesenheit ihres Vaters spüren. Sie wusste nicht ob ihr Vater wollte, dass sein Sohn lebte oder starb – ihre Beziehung war immer angespannt gewesen.

Gwen hatte auch in der Hütte geschlafen, denn sie wusste nicht, wo sie sonst hätte hingehen sollen. Sie fühlte sich nicht sicher bei dem Gedanken, ins Schloss zurückzukehren und unter demselben Dach mit ihrem Bruder zu sein; doch hier fühlte sie sich sicher. Unter Illepras Fürsorge, während Akorth und Fulton vor der Türe Wache standen.

Sie war sich fast sicher, dass niemand wusste wo sie war, und sie wollte, dass es auch so blieb. Außerdem hatte sie Godfrey in den letzten Tagen lieb gewonnen, hatte den Bruder, den sie nie richtig gekannt hatte, entdeckt, und es schmerzte sie, daran zu denken, dass er sterben könnte.

Gwen rappelte sich auf und eilte an Godfrey’s Seite. Ihr Herz klopfte und sie fragte sich ob er noch am Leben war. Ein Teil von ihr war sich sicher, dass er, wenn er heute aufwachen sollte, überleben würde. Würde er nicht aufwachen, wäre alles vorbei. Illepra richtete sich langsam auf. Sie musste irgendwann im Laufe der Nacht eingeschlafen sein. Gwen konnte es ihr nicht verübeln.

Die beiden knieten neben Godfrey, während sich das kleine Haus langsam mit Licht füllte.

Gwen legte eine Hand auf seinen Arm und schüttelte ihn sanft, während Illepra eine Hand auf seine Stirn legte. Sie schloss die Augen und atmete ruhig und plötzlich schlug Godfrey die Augen auf. Illepra zog überrascht ihre Hand zurück.

Auch Gwen war überrascht. Sie hatte nicht erwartet, dass er seine Augen öffnen würde. Er drehte seinen Kopf und sah sie an.

„Godfrey?“, fragte sie.

Er blinzelte, schloss die Augen und öffnete sie wieder; dann, sehr zu ihrer Verwunderung stützte er sich auf einen Ellenbogen und schaute sie an.

„Wie spät ist es?“, wollte er wissen. „Und wo bin ich?“

Seine Stimme klang hellwach und gesund und Gwen fühlte eine unglaubliche Erleichterung. Sie lächelte Illepra an und sie lächelte zurück.

Gwen sprang auf, umarmte ihren Bruder und richtete sich wieder auf.

„Du lebst!“, rief sie verzückt.

„Natürlich.”, antwortete er. „Warum sollte ich nicht am Leben sein? Und wer ist sie?“, wollte er mit einem Nicken in Illepras Richtung wissen.

„Das ist die Frau, die dein Leben gerettet hat.“, entgegnete Gwen.

„Mein Leben gerettet?“, echote er.

Illepra senkte den Blick.

„Ich habe nur ein Wenig geholfen“, sagte sie demütig.

„Was ist passiert? Was war mit mir?“, fragte er aufgeregt. „Das letzte, woran ich mich erinnern kann ist, dass ich in der Taverne getrunken habe, und dann...“

„Man hat versucht, dich zu vergiften.“, erklärte Illepra. „Mit einem sehr starken und seltenen Gift. Es ist mir jahrelang nicht begegnet. Du hast Glück, dass du am Leben bist. In der Tat bist du der einzige, der es je überlebt hat. Jemand muss eine schützenden Hand über dich gehalten haben.“

Und als sie die Worte hörte, wusste Gwen, dass sie Recht hatte. Sofort musste sie an ihren Vater denken. Die Sonne schien in die Fenster, stärker nun, und sie fühlte die Präsenz des Vaters. Er wollte, dass Godfrey lebte.

“Geschieht dir ganz Recht”, sagte Gwen mit einem Lächeln. „Du hattest versprochen, nicht mehr zu trinken. Nun schau, was passiert ist.“

Er wandte sich ihr zu und lächelte sie an. Als sie sah, dass das Leben in sein Gesicht zurückgekehrte, war sie unglaublich erleichtert. Godfrey war wieder bei ihr.

„Du hast mein Leben gerettet.“, sagte er ernst.

Er wandte sich an Illepra.

„Ihr beide.“, fügte er hinzu. „Ich weiß nicht, wie ich es je wieder gutmachen kann.“

Als er Illepra ansah, bemerkte Gwen etwas – etwas in seinem Blick. Etwas das über Dankbarkeit hinausging. Sie sah Illepra an und bemerkte, wie sie sanft errötete und ihren Blick senkte. Sie mochten sich.

Illepra wandte sich schnell um und ging zur anderen Seite des Raumes, um einen Trank zu mischen.

Godfrey sah Gwen an.

„Gareth?“, fragte er, plötzlich sehr ernst.

Gwen nickte. Sie wusste was er meinte.

„Du hast Glück, dass du am Leben bist.“, sagte sie. „Firth ist tot.“

„Firth?“ Godfrey’s Stimme klang überrascht. “Tot? Aber wie?”

“Er hat ihn hängen lassen.”, sagte sie. „Und du solltest der nächste sein.“

„Was ist mit dir?“, wollte Godfrey wissen.

Gwen zuckte die Schultern.

„Er will mich verheiraten. Hat mich an die Nevaruns verschachert. Angeblich sind sie schon auf dem Weg hierher.“

Godfrey setzte sich auf, außer sich.

„Ich werde das niemals zulassen!“ rief er aus.

„Ich auch nicht“, sagte sie fest. “ Ich werde einen Weg finden.“

„Doch ohne Firth haben wir keine Beweise.“, sagte er. „Ohne ihn können wir Gareth nicht zu Fall bringen. Er wird frei sein.“

„Wir werden einen Weg finden“, entgegnete sie. “Wir werden –“

Plötzlich war der Raum taghell als Akorth und Fulton die Tür öffneten und eintraten.

„Mylady“, begann Akorth, und dann sah er Godfrey.

„Du alter Hurensohn!“, entglitt es Akorth vor Freude. „Ich wusste es! Du hast alles was geht im Leben über den Tisch gezogen, und jetzt hast du auch noch den Tod betrogen!“

“Ich wusste, dass ein Krug Bier dich nicht umbringen würde!”, fügte Fulton hinzu.

Akorth und Fulton gingen zu ihm hinüber, und Godfrey sprang auf um sie zu umarmen.

Dann wandte sich Akorth ernst Gwen zu.

„Mylady. Es tut mir Leid Euch zu stören, doch wir haben Soldaten am Horizont gesehen. Sie kommen in unsere Richtung.”

Gwen sah sie alarmiert an und rannte nach draußen. Die anderen folgten ihr und sie hob ihren Arm, um ihre Augen vor der starken Sonne zu schützen.

Sie standen vor dem Haus, Gwen blickte in Richtung des Horizonts, und sah wie eine kleine Gruppe von Silver auf das Haus zugeritten kam. Ein halbes Dutzend Männer ritten mit vollem Tempo auf Illepras Haus zu, und ohne Zweifel kamen sie wegen Gwen.

Godfrey griff nach seinem Schwert, aber Gwen legte beruhigend ihre Hand auf seine.

„Das sind nicht Gareths Männer. Sie gehören zu Kendrick. Ich bin mir sicher, dass sie in Frieden kommen.“

Die Soldaten erreichten das Haus und sprangen von ihren Pferden. Sie knieten vor Gwendolyn nieder.

„Mylady.”, sagte ihr Anführer. “Wir bringen gute Nachrichten. Wir haben die McClouds in die Flucht geschlagen. Euer Bruder Kendrick ist in Sicherheit, und er hat uns geschickt, um Euch diese Nachricht zu bringen: Thor geht es gut.“

Gwen brach in Tränen aus über die Nachricht. Überwältigt von Dankbarkeit und Erleichterung umarmte sie Godfrey. Sie fühlte sich, als ob das Leben auch in sie zurückkehrt wäre.

„Sie werden heute noch zurückkehren.“, fuhr der Bote fort. „Und es wird ein großes Fest in King’s Court geben!“

„Das sind wahrliche gute Nachrichten!“, rief Gwen.

„Mylady.“, hörte sie eine andere Stimme sagen und Gwen sah Srog. einen Lord und wohl bekannten Krieger. Srog war gekleidet im markanten Rot des Westens. Er war ein Mann, den sie von Kindheit an kannte, und von dem sie wusste, dass er ihrem Vater nahe gestanden hatte. Auch er kniete vor ihr nieder, und sie schämte sich.

„Bitte Sir“, bat sie „bitte kniet nicht vor mir nieder.“

Er war ein berühmter Mann, ein mächtiger Lord, dem tausende von Soldaten folgten, und er herrschte über seine eigene Stadt, Silesia, das Bollwerk im Westen, eine ungewöhnliche Stadt.

Sie war auf einem Kliff erbaut worden, direkt am Rande des Canyon, und war nahezu uneinnehmbar. Er war einer der wenigen, denen ihr Vater immer vertraut hatte.

„Ich bin mit den Männern hierher geritten, denn ich habe von großen Umbrüchen in King’s Court gehört.“, sprach er wissend. „Der Thron ist unsicher. Ein neuer Herrscher – ein starker Herrscher – muss Gareth ersetzen. Ich habe gehört, dass Euer Vater Euch ausgewählt hat, über das Reich zu herrschen. Euer Vater war wie ein Bruder zu mir, und ich bin an sein Wort gebunden. Wenn dies sein Wunsch ist, dann ist es auch meiner. Ich bin gekommen, um Euch wissen zu lassen, dass Ihr Euch meiner Treue und der Treue meiner Männer sicher sein könnt, wenn Ihr herrscht. Ich bitte Euch, handelt bald! Die Ereignisse des heutigen Tages haben bewiesen, dass King’s Court einen neuen Herrscher braucht.“

 

Gwen stand da, verblüfft, und wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie fühlte tiefste Demut, und ein Gefühl von Stolz breitete sich in ihr aus. Doch sie fühlte sich auch überwältigt. Die Dinge schienen ihr über den Kopf zu wachsen.

„Ich danke Euch, Sir“ sagte sie. „Ich bin dankbar für Eure Worte und Euer Angebot. Ich werde darüber nachdenken. Doch jetzt möchte ich nur meinen Bruder zu Hause willkommen heißen – und Thor.“

Srog verneigte sich, und ein Horn schallte vom Horizont herüber. Gwen blickte auf und sah die Staubwolke, die die Ankunft der Armee ankündigte. Sie hob eine Hand, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen, und ihr Herz machte einen Sprung. Selbst von hier aus wusste sie, dass sie es waren. Die Silver, die Männer des Königs.

Und allen voran ritt Thor.

.

KAPITEL ELF

Thor ritt mit der Armee. Tausende Krieger ritten gemeinsam zurück in Richtung King’s Court. Er war siegestrunken.

Er hatte immer noch nicht ganz verarbeitet, was geschehen war. Er war stolz darauf, was er getan hatte, stolz darauf, dass er sich nicht der Angst ergeben hatte, als er auf dem Tiefpunkt angekommen war, sondern geblieben war, und sich den feindlichen Kriegern gestellt hatte. Und in gewisser Weise war er schockiert, dass er überhaupt überlebt hatte.

Die gesamte Schlacht erschien ihm surreal, und er war so dankbar, dass er seine Kräfte hatte heraufbeschwören können. Doch er war auch verwirrt, denn seine Kräfte waren nicht immer von Wirkung gewesen. Er verstand sie nicht, und viel schlimmer: er wusste nicht, woher sie kamen oder wie er sie rufen konnte. Es machte ihm mehr denn je bewusst, dass er lernen musste, sich auch auf seine menschlichen Fertigkeiten zu verlassen – der beste Kämpfer zu sein – der beste Krieger, der er sein konnte. Er begann zu erkennen dass er, um der beste Krieger, der er sein konnte zu werden, beide Seiten brauchte – den Kämpfer und den Zauberer, wenn er überhaupt einer war.

Sie waren die ganze Nacht geritten um nach King’s Court zurückzukehren, und Thor war mehr als erschöpft, aber er war auch froh. Die Sonne begann über den Horizont zu steigen und die Weite des Himmels öffnete sich vor ihm in zartem Gelb und Rose, und er fühlte sich als würde er die Welt zum ersten Mal sehen.

Er hatte sich noch nie so lebendig gefühlt. Er war umgeben von seinen Freunden Reece, O'Connor, Elden, und den Zwillingen; von Kendrick, Kolk und Brom; und von hunderten Angehörigen der Legion, den Silver, und der Armee des Königs. Doch anstatt am Rande zu reiten, war er jetzt in ihrer Mitte, anerkannt von allen. Tatsächlich schienen ihn alle anders anzusehen seit der Schlacht.

Nun sah er eine Bewunderung in den Augen nicht nur seiner Waffenbrüder aus der Legion, sondern auch in den Augen der echten, ausgewachsenen Krieger. Er hatte sich mit nur einer Handvoll Gefährten der gesamten Armee der McClouds gestellt, und damit das Blatt für den gesamten Krieg gewendet

Thor war einfach froh, dass er seine Brüder aus der Legion nicht enttäuscht hatte. Er war froh, dass seine Freunde nahezu unverletzt entkommen waren, doch er bedauerte auch die, die in der Schlacht den Tod gefunden hatten. Er hatte sie nicht gekannt, doch er hätte sie so gerne auch gerettet. Es war eine blutige, unerbittliche Schlacht gewesen, und selbst jetzt noch, während er ritt, blitzten vor seinem inneren Auge Bilder der Kämpfe auf, von den verschiedenen Waffen und Kriegern die ihn angegriffen hatten.

Die McClouds waren Wilde, und er hatte Glück gehabt; wer weiß ob er wieder so viel Glück haben würde, wenn er noch einmal auf sie treffen würde? Wer konnte schließlich wissen, ob er seine Kräfte wieder heraufbeschwören können würde. Er wusste es nicht.

Thor brauchte Antworten. Und er musste seine Mutter finden. Er musste herausfinden, wer er wirklich war. Er musste zu Argon gehen.

Krohn winselte hinter ihm und Thor lehnte sich zurück, um seinen Kopf zu streicheln, während Krohn seine Handfläche leckte. Thor war erleichtert, dass es Krohn besser ging. Er hatte ihn vom Schlachtfeld getragen und ihn hinter sich quer über sein Pferd gelegt; Krohn schien in der Lage zu sein zu gehen, aber Thor wollte, dass er sich ausruhte und auf dem langen Rückweg erholen konnte. Der Schlag, den Krohn abbekommen hatte, war gewaltig und es sah aus, als wäre eine Rippe gebrochen.

Thor konnte seiner Dankbarkeit gegenüber Krohn kaum genug Ausdruck verleihen. Krohn war mehr wie ein Bruder für ihn als ein tierischer Gefährte, und er hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Als sie einen Hügel erklommen hatten und, sie das Reich am Fuße des Hügels ausgebreitet sahen, kam auch die weitläufige, ruhmreiche Stadt King’s Court in den Blick. Mit ihren Dutzenden von Türmen und Turmspitzen, mit ihren alten Steinmauern und der massiven Zugbrücke, den Torbogen und den hunderten von Kriegern, die auf den Zinnen Wache standen, und durch die Straßen patrouillierten, dem hügeligen Ackerland, das sie umgibt und natürlich dem Schloss des Königs in ihrer Mitte.

Thor dachte sofort von Gwen. Sie hatte ihn in der Schlacht aufrechterhalten, sie hatte ihm einen Grund zu leben gegeben. Sie hatte gewusst, dass er da draußen in eine Falle geführt worden war. Mit einem Mal fürchtete Thor auch um ihr Schicksal. Er hoffte, dass es ihr gut ging und dass, wer auch immer für den Verrat an ihm verantwortlich war, sie unangetastet gelassen hatte.

In der Ferne konnte Thor Jubel hören und sah etwas im Licht schimmern. Als er seine Augen zusammenkniff erkannte er, dass sich eine Menschenmenge am Horizont vor den Toren von King’s Cour versammelt hatte, und die Straße mit wehenden Fahnen säumte. Die Bürger waren gekommen, um sie zu begrüßen.

Jemand hatte ein Horn erklingen lassen und Thor erkannte, dass man sie zu Hause willkommen hieß. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich nicht als Außenseiter.

„Diese Hörner klingen für dich“, sagte Reece, der neben ihm ritt, klopfte ihm auf den Rücken und sah ihn voll von neuem Respekt an. „Du bist der Held dieser Schlacht. Du bist jetzt der Held unseres Volkes.”

“Stell dir vor, einer von uns, ein Mitglied der Legion, hat sich gegen die ganze Armee der McClouds gestellt.”, fügte O’Connor stolz hinzu.

„Du hast der gesamten Legion große Ehre bereitet.“, sagte Elden. „Nun werden sie uns alle viel ernster nehmen müssen.“

„Ganz zu schweigen davon, dass du unser aller Leben gerettet hast.“, entgegnete Conval.

Thor zuckte mit den Schultern, mit Stolz erfüllt, aber fest auch entschlossen, sich all das nicht zu Kopf steigen zu lassen. Er wusste, er war menschlich, schwach und verletzlich wie jeder von ihnen; und dass die Schlacht auch anders hätte verlaufen können.

“Ich habe nur getan, wozu ich ausgebildet worden bin.”, erklärte Thor. „Wozu wir alle ausgebildet worden sind. Ich bin nicht besser als jeder andere. Ich habe einfach nur Glück gehabt.“

„Ich würde sagen, das war mehr als nur Glück.“, erwiderte Reece.

Sie bewegten sich in einem langsamen Trab weiter, der Hauptstraße Richtung King’s Court folgend, als die Straße begann, sich aus allen Richtungen mit Menschen zu füllen, die jubelten und mit den königsblauen und gelben Bannern der MacGils wedelten. Thor wurde klar, dass dies eine ausgewachsene Parade war. Der gesamte Hof war herausgekommen, um sie zu feiern, und er konnte die Erleichterung und Freude in ihren Gesichtern sehen. Und er verstand auch warum: wenn die Armee der McClouds auch nur ein wenig näher an die Stadt herangekommen wäre, hätten sie all dies hier zerstört.

Thor ritt mit den anderen durch die Scharen von Menschen über die hölzerne Zugbrücke. Die Hufe ihrer Pferde klapperten fröhlich. Sie passierten das große steinerne Tor und die Unterführung und wurden auf der anderen Seite schon von einer jubelnden Menge erwartet.

Sie schwenkten bunte Fahnen und warfen Naschereien, und Musiker begannen zu spielen. Becken klangen, Trommeln schlugen und die Menschen tanzten in den Straßen.

Thor stieg mit den anderen vom Pferd, als das Gedränge zu dicht wurde um weiterzureiten und, half auch Krohn von Pferd. Er beobachtete wie Krohn zunächst humpelte, und dann vorsichtig lief; zumindest im Augenblick schien er laufen zu können. Thor war erleichtert. Krohn drehte sich um, und leckte ein paarmal seine Hand.

Die Gruppe lief über den Königsplatz und Thor wurde von allen Seiten die Hände geschüttelt, er wurde gedrückt und umarmt von Menschen die er gar nicht einmal kannte.

Ein älterer Mann rief: “Ihr habt uns gerettet! Ihr habt unser Reich befreit!“

Thor wollte antworten, doch seine Stimme wurde vom Lärm von hunderten von Menschen, die um ihn herum jubelten und schrien verschluckt.

Bald wurden Fässer mit Bier herbeigerollt, und die Bürger begannen zu trinken, zu singen und zu lachen.

Doch Thor hatte nur eines im Sinn: Gwendolyn. Er musste sie sehen. Er suchte sie in den vorbeitanzenden Gesichtern, versuchte verzweifelt einen Blick von ihr zu erhaschen. Er war sich sicher, dass sie hier sein musste - doch er war unendlich enttäuscht, dass er sie nicht finden konnte.

Dann spürte er, wie jemand ihm auf die Schulter tippte.

Es war Reece „Ich glaube, das Mädchen, das du suchst, ist dort drüben.“ Reece wies in die entgegengesetzte Richtung.

Thor drehte sich um und seine Augen begannen zu leuchten.

Da war sie: Gwendolyn. Sie kam ihm schnellen Schrittes entgegen. Sie sah sehr müde aus, doch sie hatte ein glückliches, erleichtertes Lächeln auf dem Gesicht.

Sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte, und sie rannte los und warf sich Thor direkt in die Arme. Sie sprang hoch und umarmte ihn, und er drückte sie fest an sich während er sich herumwirbelte. Sie hielt ihn fest und wollte gar nicht mehr loslassen, und er konnte spüren, wie ihre Tränen seinen Nacken hinunterliefen. Er spürte ihre Liebe und erwiderte das Gefühl.

„Gott sei Dank bist du noch am Leben!“, rief sie überglücklich aus.

„Ich habe die ganze Zeit an nichts anderes als an Dich gedacht“, gab Thor zurück, und drückte sie noch fester an sich. Während er sie festhielt, fühlte sich alles so unglaublich richtig an.

Langsam ließ er sie los, und sie sah ihn liebevoll an, bevor sie sich zum Kuss vorbeugte. Sie küssten sich und die Zeit blieb stehen, während um sie herum die quirligen Massen lautstark feierten.

„Gwendolyn!“, rief Reece voller Freude.

Sie wandte sich ihm zu und umarmte auch ihn, und dann trat Godfrey vor und auch er umarmte Thor und dann seinen Bruder Reece. Es war wie ein großes Familientreffen und Thor fühlte sich als Teil davon, als ob dies schon seine Familie wäre. Die gemeinsame Liebe für das Königreich der MacGils vereinte sie – und der gemeinsame Hass auf Gareth.

Krohn kam vor und sprang Gwendolyn an, und sie lehnte sich mit einem fröhlichen Jauchzen zurück, als er ihr das Gesicht lecken wollte.

„Du wirst auch mit jedem Tag grösser mein Lieber!“, rief sie aus. „Wie kann ich dir nur dafür danken, dass Du Thor beschützt hast?“

Krohn sprang an ihr hoch, immer wieder, bis, bis sie ihn sanft von sich schob und streichelte.

„Lass uns gehen“, sagte Gwen zu Thor, während sie von allen Seiten geschoben und gedrückt wurde. Sie griff nach seiner Hand.

Thor wollte ihr gerade folgen, als plötzlich mehrere Silver hinter ihnen auftauchten. Sie hoben ihn hoch in die Luft und setzten ihn auf ihre Schultern. Als sie ihn hochhoben, wurde das Geschrei der Menge noch lauter als zuvor.

„THORGRIN!“, jubelten sie.

Er wurde herumgewirbelt, und jemand drückte ihm einen Bierkrug in eine Hand. Er setzte ihn an und trank, und die Menge jubelte wie wild.

Thor wurde unsanft wieder abgesetzt, und stolperte, lachend, als die Menge ihn umgab.

„Wir gehen zur Siegesfeier“ schrie ihm einer der Silver ins Ohr und schlug ihm freundschaftlich mit der flachen Hand auf den Rücken. Er kannte ihn nicht, aber das schien egal. „Es ist ein Festmahl für die Krieger. Nur Männer. Du musst mit uns kommen, wir haben dir einen Platz an unserem Tisch freigehalten. Und du, und du auch!“ erklärte er und wandte sich dabei Reece und O’Connor zu. „Ihr seid nun auch Männer. Kommt mit!“

 

Freudenrufe stiegen auf, und die Silver schleifte sie mit sich. Thor löste sich für einen Moment aus ihrem Griff und sah Gwen an. Er fühlte sich schuldig, und wollte sie nicht alleine lassen.

„Na los, geh schon mit ihnen“, sagte sie verständnisvoll lächelnd. „Es ist wichtig. Geh und feiere mit deinen Waffenbrüdern. Das ist so Tradition bei den Silver, und du darfst das nicht verpassen. Triff mich später heute Nacht an der Hintertür der Waffenhalle. Dann können wir zusammen sein.“ Sie lehnte sich ihm noch einmal für einen Kuss entgegen und er hielt sie so lange er konnte fest, bis ihn die anderen Krieger mit sich zogen.

„Ich liebe dich“, sagte sie.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte er, und war sich dessen sicherer, als sie es jemals hätte erahnen können.

Als sie ihn mit sich zogen und er diese wunderschönen Augen sah, die so voller Liebe für ihn waren, konnte er nur an eines denken. Er wollte um ihre Hand anhalten, mehr als alles andere. Jetzt war nicht der rechte Augenblick, doch bald, sagte er zu sich selbst.

Vielleicht schon heute Nacht.

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