Kampf der Ehre

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Aus der Reihe: Ring der Zauberei #4
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KAPITEL ACHT

Thor lag inmitten des Schlachtfeldes und wurde von McCloud’s Kriegern zu Boden gedrückt, hilflos. Er konnte das Klirren der Schwerter hören, das Wiehern der Pferde, die Schreie sterbender Männer um ihn herum. Die untergehende Sonne und der aufgehende Mond – ein Vollmond, voller als jeder Vollmond, den er in seinem Leben jemals gesehen hatte – wurden plötzlich von einem riesigen Soldaten verdeckt, der mit erhobenem Dreizack auf ihn zutrat. Thor wusste, dass seine Zeit gekommen war.

Er schloss die Augen, um sich auf den Tod vorzubereiten. Er fühlte keine Angst. Nur Reue. Er wollte mehr Zeit zu leben; er wollte herausfinden, wer er war, welches Schicksal ihm bestimmt war, und vor allem wollte er mehr Zeit mit Gwen.

Thor hatte das Gefühl, dass es einfach nicht fair war, auf diese Weise zu sterben. Nicht auf diese Weise. Nicht an diesem Tag. Es war noch nicht seine Zeit, und er konnte es fühlen. Er war noch nicht bereit zu gehen.

Auf einmal spürte Thor etwas in sich aufsteigen: eine Wildheit, eine Stärke, anders als alles, was er bisher gekannt hatte. Sein ganzer Körper prickelte und wurde heiß, als ihn ein neues Gefühl durchströmte. Von den Sohlen seiner Füße hinauf durch seine Beine, seinen Rumpf und seine Arme hindurch bis in die Fingerspitzen. Er brannte von einer Energie, die er sich nicht erklären konnte. Thor erschrak vor seinem eigen wilden Gebrüll, das klang, als wollte ein Drache aus den Tiefen der Erde emporsteigen.

Er spürte die Kraft von zehn Männern durch seinen Körper pulsieren, als er sich aus dem Griff der feindlichen Krieger befreite und auf die Füße sprang.

Noch bevor der Krieger mit dem Dreizack seine Waffe auf ihn herabsausen lassen konnte sprang Thor nach vorn, griff ihn beim Helm, und versetzte ihm einen Stoß, der ihm die Nase brach. Dann trat er ihn so hart, dass er wie von einer Kanonenkugel getroffen nach hinten umfiel und dabei zehn andere Männer mit umriss.

Thor schrie mit einer neu entdeckten Wut, als er einen anderen Krieger packte. Er hob ihn hoch und warf ihn in die Menge, wobei ein weiteres Dutzend Krieger zu Boden ging. Thor riss dann einem anderen Krieger einen Morgenstern mit einer drei Meter langen Kette aus den Händen schwang ihn über seinem Kopf, wieder und wieder, bis sich Schreie um ihn herum erhoben, und mähte alle Krieger in Reichweite der Kette um. Dutzende von ihnen.

Thor spürte, wie seine Kraft weiter anwuchs und ließ sich von ihr leiten. Während einige Männer auf ihn zustürmten, streckte er seinen Arm nach hoch über seinen Kopf, und fühlte wie seine Handfläche anfing zu prickeln und ein kühler Nebel aus ihr hervortrat. Seine Angreifer blieben plötzlich stehen, bedeckt von einer dicken Eisschicht. Sie standen erstarrt, zu Eis gefroren.

Thor streckte seine Hände in jede Richtung, und rings um ihn herum gefroren die Krieger zu Eis. Es sah aus als hätte es riesige Eisblöcke geregnet.

Thor wandte sich seinen Waffenbrüdern zu und sah, wie mehrere Krieger zu tödlichen Schlägen auf Reece, O’Connor, Elden und die Zwillinge ausholten. Er hob seine Hand und deutete auf die Angreifer. Auch sie froren sofort zu Eis. Seine Freunde drehten sich zu ihm um und sahen ihn an. Erleichterung und Dankbarkeit in ihren Blicken.

Die Krieger in McClouds Armee bemerkten, was vor sich ging, und versuchten nicht weiter, Thor Nahe zu kommen. Sie begannen, einen sicheren Abstand zwischen Thor und sich zu bringen. Zu verängstigt, sich auch nur zu nähern, nachdem sie gesehen hatten, wie dutzende ihrer Kameraden auf dem Schlachtfeld zu Eis gefroren waren.

Doch dann erhob sich ein wildes Getöse und ein Riese trat vor, fünfmal so groß wie alle anderen. Er musste vier Meter groß gewesen sein, und trug ein Schwert, das grösser war als jedes das Thor bisher gesehen hatte. Thor erhob seine Hand um auch ihn einzufrieren – doch es schien bei ihm nicht zu wirken. Er schien dem Strom, der von Thors Hand ausging wie lästige Insekten wegzuschlagen, und stürmte weiter auf ihn zu. Thor begann zu erkennen, dass seine neue Kraft unvollkommen war. Er war überrascht und konnte nicht verstehen, warum er diesen Mann nicht aufhalten konnte.

Der Riese erreichte Thor in drei langen Schritten und schlug ihn mit seinem Handrücken nieder. Thor war überrascht von seiner Geschwindigkeit. Thor schlug hart auf dem Boden auf, und bevor er sich aufrappeln konnte war der Riese schon wieder über ihm und hob ihn hoch über seinen Kopf. Er warf ihn weit von sich und die Krieger um ihn herum schrien triumphierend als Thor durch die Luft flog. Er flog fast zehn Meter, schlug hart auf und rollte noch ein Stück weiter, bis er endlich liegen blieb. Thor fühlte sich, als ob alle seine Rippen gebrochen waren. Er blickte auf und sah wie sich der Riese auf ihn stürzte. Dieses Mal gab es nichts mehr, was er tun konnte. Was auch immer diese Kraft war, die in ihm aufgestiegen war, war erschöpft.

Er schloss die Augen.

Bitte Gott, hilf mir.

Als sich der Riese auf ihn stürzte, hörte Thor plötzlich ein gedämpftes Surren in seinem Kopf, das anschwoll und mit einem Mal von außen, vom Universum zu kommen schien. Er fühlte etwas, was er noch nie zuvor gefühlt hatte. Er fühlte sich im Einklang mit der Materie der Luft, dem Wiegen der Bäum, der Bewegung der Grashalme. Er fühlte ein Pulsieren aus der Mitte kommen, und als er eine Hand hob, schien sich dieses Pulsieren aus allen Enden des Universums in ihr zu sammeln und ihm zu Willen zu sein.

Thor öffnete seine Augen und hörte ein enormes Summen über sich, und überrascht beobachtete er, wie sich ein gigantischer Bienenschwarm am Himmel materialisierte. Sie kamen aus allen Richtungen, und als er seine Hände hob, wusste er, dass er sie lenkte. Er wusste nicht wie, aber er wusste, dass sie seinem Befehl folgten.

Thor bewegte seine Hände in Richtung des Riesen, und während er es tat, sah er, wie der Bienenschwarm, den Himmel über ihm verdunkelte. Der Schwarm tauchte herab und umhüllte den Riesen. Er hob die Hände und schlug um sich, und schrie, während sie ihn hunderte, nein tausende Male stachen, bis er auf die Knie sank und vornüber fiel. Er war tot. Die Erde bebte von seinem Sturz.

Thor richtete seine Hand in Richtung von McClouds Armee, die auf ihren Pferden sitzend auf ihn herabstarrten und schockiert die Szene mitangesehen hatten. Sie rissen ihre Pferde herum und begannen zu fliehen – aber sie waren nicht schnell genug. Thor wies in ihre Richtung und der Schwarm ließ vom Riesen ab um die Krieger anzugreifen.

Angstschreie ertönten, und noch während sie ihre Pferde herumrissen wurden sie unzählige Male von den Bienen gestochen. Bald war das Schlachtfeld leer, denn die verbliebenen Krieger verließen es, so schnell sie nur konnten. Einige hatten nicht schnell genug geschafft, das Weite zu suchen, und einer nach dem anderen fiel. Das Schlachtfeld war übersät mit Leichen.

Während die Überlebenden davonritten, jagte sie der Schwarm über die Ebene zum Horizont, und das Summen des Schwarms mischte sich mit dem Schlagen der Hufe der Pferde und den Angstschreien der Männer.

Thor war erstaunt: innerhalb weniger Minuten war das Schlachtfeld leer und Stille breitete sich aus. Alles was blieb, war das Stöhnen der verwundeten McClouds, die in Haufen vor ihm lagen.

Thor sah sich um und sah seine Freunde – erschöpft und schwer atmend. Sie waren grün und blau geschlagen, doch bis auf ein paar leichtere Wunden schienen sie in Ordnung zu sein. Abgesehen von den drei Jungen aus der Legion, die er nicht kannte, und deren Tod er zuvor hatte mit ansehen müssen.

Er hörte ein Grollen am Horizont und als Thor sich umdrehte, sah er, wie die Armee des Königs über den Hügel auf sie zu stürmte. Allen voran Kendrick

Sie ritten auf sie zu und binnen Augenblicken hatten sie Thor und seine Freunde erreicht. Die einzigen Überlebenden auf einem blutigen Schlachtfeld.

Thor stand da, im Schock und starrte sie an, als Kendrick, Kolk, Brom und die anderen von ihren Pferden stiegen und langsam auf ihn zukamen. Sie wurden begleitet von dutzenden von Silver, alles große Krieger der königlichen Armee. Sie sahen, wie Thor und die anderen alleine dastanden, siegreich auf einem blutigen Schlachtfeld, umgeben von hunderten von toten McClouds. Er konnte die Verwunderung in ihren Blicken sehen, den Respekt und die Ehrfurcht. Er konnte es in ihren Augen sehen. Es war das, was er sich sein ganzes Leben lang gewünscht hatte.

Er war ein Held.

KAPITEL NEUN

Erec galoppierte auf seinem Pferd schneller denn je die Südliche Straße herunter, und versuchte dabei so gut wie im Dunkel der Nacht möglich den Schlaglöchern auszuweichen. Er war ununterbrochen geritten, seitdem er die Nachricht von Alistair’s Entführung und ihrem Verkauf in die Sklaverei nach Baluster gehört hatte. Er konnte nicht aufhören, sich selbst dafür zu schelten. Er war so dumm und naiv gewesen, dem Gastwirt zu vertrauen, anzunehmen, dass er zu seinem Wort stehen würde und sich an seinen Teil der Abmachung halten würde und nach dem Turnier Alistair freilassen würde. Erec’s Wort war seine Ehre, und er war davon ausgegangen, dass auch anderen ihr Wort heilig war. Ein dummer Fehler. Und Alistair hatte den Preis dafür zahlen müssen.

Erec’s Herz brach beim Gedanken an sie, und er gab seinem Pferd die Sporen. So eine schöne und feine Lady. Zuerst musste sie die Demütigung über sich ergehen lassen, für den Gastwirt zu arbeiten – und nun war sie in die Sklaverei verkauft worden, in den Handel mit sexuellen Diensten. Der Gedanke machte ihn wütend und er konnte nicht umhin sich schuldig zu fühlen: wäre er niemals in ihr Leben getreten, hätte er ihr niemals angeboten sie mitzunehmen, vielleicht hätte der Gastwirt es niemals in Betracht gezogen.

 

Erec stürmte durch die Nacht zum stets präsenten Klang der Hufe und dem Atems seines Pferdes. Das Pferd war erschöpft und Erec befürchtete, dass er es zu Tode reiten könnte. Er war gleich nach dem Tournier zum Gastwirt gegangen, hatte keine Pause gemacht und war so müde und erschöpft, dass er fürchtete, einfach den Halt zu verlieren und vom Pferd zu fallen. Doch er zwang sich, seine Augen offenzuhalten während er unter den letzten Spuren des Vollmonds in Richtung Süden nach Baluster ritt.

Auch wenn er noch nie dort gewesen war, hatte er doch sein ganzes Leben lang Geschichten von Baluster gehört: es war berüchtigt für Glücksspiel, Opium, Sex und jedes erdenkliche Laster im Königreich. Dorthin kamen die Unzufriedenen aus allen vier Ecken des Rings um aus jeder noch so dunklen Lustbarkeit Kapital zu schlagen. Dieser Ort stellte das genaue Gegenteil von allem dar, was ihn ausmachte. Er hatte noch nie gespielt und trank selten. Er bevorzugte es, sich in seiner freien Zeit in den Waffenkünsten zu üben und seine Fähigkeiten zu schärfen.

Er konnte nicht verstehen, welche Art von Menschen sich der Trägheit und wüsten Gelagen hingeben konnten, wie es die Stammgäste in Baluster taten.

Hierher zu kommen, verhieß nichts Gutes. Der schiere Gedanke an einen solchen Ort ließ sein Herz sinken. Er wusste, dass er sie bald retten und schnell weit von hier weg bringen musste, bevor ihr Leid zugefügt werden konnte.

Als der Mond am Himmel sank wurde die Straße breiter und besser, und Erec konnte einen ersten Blick auf die Stadt erhaschen: eine Unzahl von Fackeln beleuchteten ihre Mauern und ließen sie wie ein Signalfeuer die Nacht erleuchten. Erec war nicht überrascht – Gerüchten zufolge sollten die Bewohner die ganze Nacht lang wach sein.

Erec ritt schneller und die Stadt kam näher. Endlich ritt er über eine kleine hölzerne Brücke mit Fackeln auf beiden Seiten und einer schläfrigen Wache, die an ihrem Fuße vor sich hin döste. Der Wachmann sprang auf, als Erec vorbei stürmte und rief ihm hinterher: „HEY!“

Doch Erec hielt nicht an. Wenn der Mann soviel Mut aufbringen konnte, Erec hinterherzujagen – was dieser sehr bezweifelte – würde Erec dafür sorgen, dass es das letzte war, was er tat.

Erec ritt durch den großen, offenen Zugang zur Stadt, die quadratisch ausgelegt und von niedrigen alten Steinmauern umgeben war. Als er hinein ritt, folgte er engen Gassen die von Fackeln gesäumt hell erleuchtet waren. Die Gebäude standen nahe beieinander, ließen die Stadt eng erscheinen und hinterließen ein klaustrophobisches Gefühl. Die Straßen waren voller Menschen, und fast alle erschienen betrunken, stolperten hin und her, schrien sich an, oder drängelten aneinander vorbei. Es war wie ein rauschendes Fest. Und jedes zweite Haus war eine Taverne oder eine Spielhölle. Erec wusste, er war am richtigen Ort. Er konnte Alistair’s Anwesenheit spüren. Sie war hier irgendwo. Er schluckte schwer und hoffte, dass er nicht zu spät kam.

Er ritt auf eine besonders große Taverne im Zentrum der Stadt mit Scharen von Menschen vor dem Eingang zu, und dachte, dies wäre ein guter Ort um seine Suche zu starten.

Erec stieg ab und eilte hinein. Er musste sich seinen Weg zum Gastwirt vorbei an einer Menge Betrunkener bahnen. Dieser stand in der Mitte des Raumes und schrieb die Namen der Gäste auf, nahm ihre Münzen entgegen, und wies ihnen den Weg zu ihren Zimmern. Er war ein schmierig aussehender Bursche mit einem falschen Lächeln, der sich schwitzend die Hände rieb, während er die Münzen zählte. Er sah Eric mit seinem falschen Lächeln an.

“Ein Zimmer, Sir?”, fragte er. „Oder sucht Ihr die Gesellschaft einer Frau?“

Erec schüttelte den Kopf und näherte sich dem Mann, um sich über dem Lärm hörbar zu machen.

„Ich bin auf der Suche nach einem Händler“, sagte Erec. „Ein Sklavenhändler. Er kam vor ein oder zwei Tagen aus Savaria hier an. Er führte wertvolle Fracht mit sich. Menschliche Fracht.“

Der Mann leckte sich die Lippen.

„Was Ihr sucht, sind wertvolle Informationen“, sagte er. „Ich kann Euch die genauso bieten, wie ich ein Zimmer anbieten kann.“

Der Mann rieb seine Finger und hielt Erec seine geöffnete Handfläche entgegen. Er sah ihn an und lächelte. Auf seiner Oberlippe stand Schweiß.

Erec war angewidert von diesem Mann, aber er brauchte Informationen, und hatte keine Zeit zu verlieren. Also griff er in seinen Beutel und legte eine große Goldmünze in die Hand des Mannes.

Seine Augen weiteten sich, als er sie untersuchte.

„Gold des Königs“, bemerkte er, sichtliche beeindruckt.

Er betrachtete Erec mit einem Blick voll Respekt und Verwunderung.

„Seid ihr den ganzen Weg von King’s Court hierher geritten?“, fragte er.

„Genug.“, entgegnete Erec. „Ich bin derjenige, der die Fragen stellt. Ich habe dich bezahlt. Nun sag mir: Wo ist der Händler?”

Der Mann leckte sich mehrmals die Lippen und beugte sich zu Erec hinüber.

„Der Mann, den Ihr sucht, ist Erbot. Er zieht einmal pro Woche mit einer neuen Ladung von Huren hier durch und verkauft sie an den Meistbietenden. Ihr werdet ihn wahrscheinlich in seinem Lager finden. Folgt der Straße bis ans Ende. Sein Haus ist dort. Aber wenn das Mädchen, das Ihr sucht etwas Wert ist, ist sie wahrscheinlich schon fort. Seine Huren bleiben nicht lange.“

Erec wandte sich zu gehen, als er spürte, wie eine warme, feuchte Hand sein Handgelenk umfasste. Er drehte sich um und war überrascht zu sehen, dass der Gastwirt ihn festhielt.

„Wenn Ihr eine Hure sucht, warum probiert Ihr dann nicht eine von meinen? Sie sind genauso gut wie seine und kosten nur die Hälfte.“

Erec blickte ihn spöttisch an, angewidert. Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, hätte er ihn wahrscheinlich getötet, einfach nur, um die Welt von solch einem Widerling zu befreien. Aber er entschied, dass er die Mühe nicht Wert war.

Erec schüttelte seine Hand ab und beugte sich ganz nah zu ihm hin.

„Wage es noch ein einziges Mal, deine Hand an mich zu legen“, warnte Erec. „und du wirst wünschen, du hättest es nicht getan. Nun tritt einen Schritt zurück bevor ich eine Verwendung für den Dolch in meiner Hand finde.“

Der Wirt sah nach unten, riss vor Schreck die Augen weit auf und tat mehrere Schritte zurück.

Erec drehte sich um und stürmte aus dem Raum. Er schob und schubste die Gäste aus dem Weg, um durch die Doppeltür ins Freie zu gelangen.

Er hatte sich noch nie so sehr vor der Menschheit geekelt.

Erec bestieg sein Pferd, das tänzelte und einige betrunkene Passanten anschnaubte, die es betrachteten. Kein Zweifel, sie wollten es stehlen. Er fragte sich, ob sie es tatsächlich versuchten hätten, wäre er nicht in dem Moment zurückgekehrt, und vermerkte sich, sein Pferd am nächsten Ort sicherer anzubinden. Er staunte über die Laster dieser Stadt. Wie auch immer, sein Pferd Warkfin war ein abgehärtetes Streitross, und wenn jemand versuchen würde es zu stehlen, würde es denjenigen zu Tode trampeln.

Erec gab Warkfin die Sporen, und sie ritten die schmale Straße hinunter. Er tat sein Bestes, den Scharen von Menschen auszuweichen. Es war spät in der Nacht, doch die Straßen schienen sich immer mehr mit Menschen zu füllen. Menschen aller Rassen und Herkunft.

Einige betrunkene Gäste schrien ihm nach, als er zu schnell an ihnen vorbeiritt, doch sie waren ihm egal. Er konnte spüren, dass Alistair in greifbarer Nähe war, und nichts würde ihn aufhalten.

Die Straße endete an einer steinerneren Mauer und das letzte Gebäude auf der rechten Seite war eine Taverne, mit weißen Lehmwänden und einem Strohdach das aussah, als hätte es schon bessere Tage gesehen. Dem Aussehen der Menschen nach zu urteilen, die hier ein und ausgingen, wusste Erec, dass er am richtigen Ort war.

Erec stieg ab, band sein Pferd an einem Pfosten fest und stürmte durch die Tür. Er hielt überrascht inne.

Das Innere des Hauses war schwach beleuchtet. Ein großer Raum mit ein paar flackernden Fackeln an den Wänden und einem sterbenden Feuer im Kamin in der Ecke. Überall waren Teppiche ausgebreitet auf denen Frauen verteilt lagen, alle nur spärlich bekleidet und mit dicken Seilen aneinander und an den Wänden festgebunden.

Sie schienen alle unter Drogen zu sein – Erec konnte das Opium in der Luft riechen und sah, wie eine Pfeife herumgereicht wurde. Ein paar gut gekleidete Männer gingen durch den Raum, traten und stießen hier und da die Füße der Frauen, als ob sie die Ware, die sie im Begriff waren zu kaufen, testen wollten.

In der hinteren Ecke des Raumes saß ein einzelner Mann in Seide gewandet auf einem kleinen roten Samtstuhl, Frauen zu beiden Seiten angekettet. Hinter ihm standen große, muskelbepackte Männer, die Gesichter mit Narben bedeckt. Grösser und breiter noch als Erec sahen sie aus, als würden sie nur auf eine Gelegenheit warten, jemanden umzubringen.

Erec nahm die Szene auf, und erkannte genau, was vor sich ging. Das hier war eine Sex-Höhle. Die Dienstleistungen dieser Frauen standen zum Verkauf, und der Mann in der Ecke war der Verantwortliche. Der Mann, der Alistair gekauft hatte, so wie er wahrscheinlich alle anderen Frauen in diesem Haus erworben hatte. Auch Alistair konnte hier sein, erkannte Erec.

Hektisch eilte er an den Lagern der Frauen vorbei und studierte jedes einzelne Gesicht auf der Suche nach dem einen Gesicht Alistairs. Es gab mehrere Dutzend Frauen in dem Raum, einige schienen zu schlafen oder ohnmächtig zu sein, und der Raum war zu dunkel um sie schnell finden zu können. Er sah von Gesicht zu Gesicht, als ihn plötzlich eine große Hand auf die Brust schlug.

„Schon bezahlt?“, sagte eine Stimme in barschem Ton.

Erec blickte auf und sah einen großen Mann, der mit finsterer Miene auf ihn herabsah.

„Wenn du dir die Frauen ansehen willst, musst du zahlen“, sagte er und seine tiefe Stimme dröhnte. „Das sind die Regeln“

Erec sah den Mann abschätzend an, und Hass stieg in ihm auf. Und er schlug, noch bevor der andere auch nur blinzeln konnte, die Kante seiner Hand gegen die Kehle.

Der Mann schnappte nach Luft und riss die Augen auf, während er auf die Knie fiel und sich den Hals hielt. Erec schlug seinen Ellbogen gegen die Schläfe und der Mann fiel nach vorn auf sein Gesicht. Erec schritt schnell durch die Lager, verzweifelt auf der Suche nach Alistair’s Gesicht. Doch er konnte sie nirgends finden. Sie war nicht hier.

Erec’s Herz schlug bis zum Hals und er durchquerte den Raum in Richtung des Mannes in der Seidenrobe, der über alles wachte.

„Habt Ihr etwas gefunden, das Euch gefällt?“, fragte der Mann. „Etwas worauf Ihr bieten wollt?“

„Ich suche nach einer Frau.“, begann Erec mit kalter Stimme, und versuchte ruhig zu bleiben. „Und ich werde es nur ein einziges Mal sagen. Sie ist groß, mit langem blonden Haar und grün-blauen Augen. Ihr Name ist Alistair. Sie wurde vor ein oder zwei Tagen aus Savaria hierher gebracht. Man hat mir gesagt, sie wäre hier. Stimmt das?“

Der Mann schüttelte langsam den Kopf und grinste.

„Die Ware die Ihr sucht, ist leider schon verkauft.“, sagte der Mann. „Ein feines Exemplar. Ihr habt einen guten Geschmack. Wählt eine andere, und ich werde Euch einen guten Preis machen.”

Erec blickte finster, und fühlte eine nie gekannte Wut in sich brodeln.

“Wer hat sie mitgenommen?”, wollte Erec wissen.

Der Mann grinste.

„Du meine Güte, Ihr scheint großen Gefallen an dieser einen Sklavin gefunden zu haben.“

„Sie ist keine Sklavin“ knurrte Erec. „Sie ist meine Gemahlin.“

Der Mann sah ihn entsetzt an – und dann warf er plötzlich den Kopf in den Nacken und lachte schallend.

„Eure Gemahlin! Das ist gut. Nicht mehr, mein Freund, nicht mehr! Jetzt ist sie das Spielzeug eines anderen.” Dann verdunkelte sich sein Gesicht zu einer bösen Fratze, und er bedeutete seinen Wächtern. „Und nun schafft mir diesen Abschaum aus den Augen.“

Die Muskelmänner traten vor, und mit einer Geschwindigkeit, die Erec überraschte, sprangen sie beide auf ihn zu und versuchten, ihn zu greifen.

Doch ihnen war nicht bewusst, wen sie da gerade angriffen. Erec war schneller als die beiden und wich aus, griff das Handgelenk des einen, bog es nach hinten bis dieser flach auf dem Rücken lag, und versetzte ihm einen Schlag, der ihn bewusstlos lies. Gleichzeitig versetzte er dem anderen mit dem Ellbogen einen Schlag gegen den Hals. Er zerschmetterte den Kehlkopf und auch der zweite Muskelmann ging zu Boden.

 

Die beiden Männer lagen wie tot da, und Erec schritt über sie hinweg auf den Wirt zu, der nun bebend und mit vor Angst weit aufgerissenen Augen auf seinem Stuhl saß.

Erec packte den Mann bei den Haaren, riss seinen Kopf nach hinten und hielt seinen Dolch an seinen Hals.

„Sag mir wo sie ist, und ich lasse dich vielleicht am Leben“, knurrte Erec.

Der Mann stammelte.

„Ich werde es Euch sagen, aber Ihr verschwendet Eure Zeit“, antwortete er. „Ein Lord hat sie gekauft. Er hat seine eigenen Ritter und lebt in einer Festung. Er ist ein mächtiger Mann. Seine Festung ist noch nie eingenommen worden. Und selbst wenn, ihm steht eine ganze Armee zur Verfügung. Er ist unermesslich reich – und eine Armee von Söldnern steht ihm in Augenblicken zu Befehl.

„Die Mädchen die er kauft, behält er auch. Er wird sie niemals hergeben. Geht dahin zurück, wo Ihr hergekommen seid. Sie ist fort.“

Erec drückte das Messer härter gegen den Hals des Alten bis sich der Stahl in das Fleisch grub, und Blut zu tropfen begann. Er wimmerte.

„Wo ist dieser Lord?“ Erec knurrte. Langsam verlor er die Geduld.

„Seine Festung liegt im Westen der Stadt. Nehmt das West Tor und folgt der Straße bis ihr auf die Festung stoßt. Aber Ihr verschwendet Eure Zeit. Er hat gutes Geld für sie gezahlt – mehr als sie Wert ist.“

Erec hatte genug. Ohne Zögern schlitzte er die Kehle des Sklavenhändlers auf. Blut schoss aus der Wunde und der Alte gab noch ein paar gurgelnde Laute von sich, bevor er tot vornüber fiel.

Erec blickte auf den Toten und seine Muskelmänner herab, und war einfach nur angewidert von diesem Ort. Er wollte nicht glauben, dass so etwas existierte.

Erec ging quer durch den Raum, und begann die Seile, die die Frauen aneinander fesselten durchzuschneiden, und eine nach der anderen zu befreien. Einige sprangen sofort auf und liefen zur Tür. Bald waren alle befreit und stürmten ins Freie. Einige waren zu sehr berauscht, um aufzustehen, doch die anderen halfen ihnen.

„Wer auch immer Ihr seid“, sagte eine der Frauen zu Erec, als er an der Türe kurz stehenblieb, „Gott schütze Euch. Und wo immer Ihr auch hingeht – möge Gott mit Euch sein.“ Erec wusste die Dankbarkeit und ihren Segen zu schätzen, und hatte das ungute Gefühl, dass er ihn brauchen würde.