Kostenlos

Arena Eins: Die Sklaventreiber

Text
Aus der Reihe: Trilogie Des Überlebens #1
Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

FÜNFZEHN

Unsere Zellentür öffnet sich knarrend und Licht dringt aus dem Flur herein. Ich schütze meine Augen mit meiner Hand und sehe die Silhouette eines Sklaventreibers. Ich erwarte, dass er zu mir herüberkommt und mich mitnimmt, aber stattdessen beugt er sich herunter, lässt etwas Hartes aus Plastik auf den Boden fallen und stößt es mit dem Fuß zu mir. Das Etwas knirscht über den Boden, bis es von meinem Fuß gebremst wird.

„Deine letzte Mahlzeit“, kündigt er mit dunkler Stimme an.

Dann marschiert er hinaus, knallt die Tür zu und verschließt sie.

Ich kann das Essen schon riechen, und mein Magen reagiert prompt mit einem stechenden Hungergefühl. Ich beuge mich hinüber und hebe vorsichtig die Plastikverpackung hoch, obwohl ich sie in dem dämmrigen Licht kaum sehen kann: Sie ist lang und flach, oben mit einer Folie beklebt. Ich ziehe die Folie zurück und kann sofort das Essen riechen – richtiges, gekochtes Essen, was ich seit Jahren nicht hatte. Der Geruch schwemmt über mich hinweg. Es riecht nach Steak. Und Huhn. Und Kartoffeln. Ich sehe genauer hin: Da sind ein riesiges, saftiges Steak, zwei Hühnerbeine, Kartoffelbrei und Gemüse. Das ist das Beste, was ich je gerochen habe. Ich fühle mich schuldig, weil Bree nicht hier ist und das mit mir teilen kann.

Ich frage mich, warum sie mir so eine extravagante Mahlzeit haben zukommen lassen und dann wird mir klar, dass das kein Akt der Freundlichkeit ist, sondern reiner Eigennutz: Sie wollen, dass ich stark bin in der Arena. Vielleicht wollen sie mich auch ein letztes Mal in Versuchung führen, mir einen Vorgeschmack auf das Leben geben, wie es wäre, wenn ich ihr Angebot akzeptieren würde. Echte Mahlzeiten. Warmes Essen. Ein Luxusleben.

Während der Geruch in jede Pore meines Körpers eindringt, wird ihr Angebot verlockender. Ich habe seit Jahren kein echtes Essen gerochen. Plötzlich wird mir klar, wie hungrig ich bin, wie unterernährt, und ich frage mich ernsthaft, ob ich ohne diese Mahlzeit jemals die Kraft hätte, zu kämpfen.

Ben setzt sich auf und sieht zu mir. Natürlich. Plötzlich fühle ich mich egoistisch, weil ich nicht an ihn gedacht habe. Er muss genauso hungrig sein wie ich, und ich bin sicher, dass der Geruch, der den Raum erfüllt, ihn verrückt macht.“

„Teil es mit mir“, sage ich in die Dunkelheit hinein. Ich brauche all meine Willenskraft, um dieses Angebot machen zu können – aber ich tue das Richtige.

Er schüttelt seinen Kopf.

„Nein“, sagt er. „Sie haben gesagt, das ist für Dich. Iss es. Wenn sie kommen, um mich zu holen, werden sie mir auch eine Mahlzeit geben. Du brauchst das jetzt. Du bist diejenige, die jetzt kämpfen soll.“

Er hat Recht. Ich brauche das jetzt. Besonders, weil ich nicht nur vorhabe, zu kämpfen – sondern zu gewinnen.

Ich brauche keine weiteren Überredungskünste. Der Geruch des Essens überwältigt mich, und ich greife mir ein Hühnerbein und verschlinge es innerhalb von Sekunden. Ich nehme Bissen um Bissen, mache kaum eine Pause, um zu schlucken. Das ist das Köstlichste, was ich je gegessen habe. Aber ich zwinge mich, das andere Hühnerbein zur Seite zu legen, es für Ben aufzuheben. Vielleicht bekommt Ben seine eigene Mahlzeit – vielleicht auch nicht. So oder so, nach allem, was wir durchgemacht haben, habe ich das Gefühl, es ist nur recht und billig, mit ihm zu teilen.

Ich wende mich dem Kartoffelbrei zu, stopfe ihn mir mit den Fingern in den Mund. Mein Magen schmerzt, und mir wird klar, wie sehr ich diese Mahlzeit brauche, mehr als jede andere, die ich jemals hatte. Mein Körper schreit nach dem nächsten Bissen und nach dem nächsten. Ich esse viel zu schnell, schon nach wenigen Momenten habe ich mehr als die Hälfte gegessen. Ich zwinge mich, den Rest für Ben aufzuheben.

Ich hebe das Steak mit meinen Fingern hoch und nehme große Bissen, kaue aber langsam, versuche, jeden zu schmecken. Das ist das Beste, was ich je gegessen habe. Wenn das wirklich meine letzte Mahlzeit sein sollte, bin ich zufrieden. Ich hebe die Hälfte vom Steak auf und mache mit dem Gemüse weiter, esse aber auch davon nur die Hälfte. Innerhalb von wenigen Momenten bin ich fertig – und doch habe ich nicht das Gefühl, satt zu sein. Ich sehe mir an, was ich für Ben aufgehoben habe, und will es bis zum letzten Bissen verschlingen. Aber ich nehme meine Willenskraft zusammen, erhebe mich langsam, gehe durch den Raum und halte ihm das Tablett hin.

Er sitzt da, den Kopf auf den Knien, und sieht nicht einmal hoch. Ich habe noch niemanden gesehen, der so verzweifelt wirkt. Wenn ich dort gesessen hätte, hätte ich mir bei jedem Bissen zugesehen und mir vorgestellt, wie es wohl schmeckte. Aber es scheint, dass er einfach keinen Lebenswillen mehr übrig hat.

Er muss riechen, wie nah das Essen ist, denn schließlich hebt er seinen Kopf. Er sieht zu mir hoch, die Augen weit geöffnet vor Überraschung. Ich lächle.

„Du hast nicht wirklich gedacht, dass ich das alleine esse, oder?“, frage ich.

Er lächelt, aber er schüttelt trotzdem den Kopf und lässt ihn wieder auf seine Knie fallen. „Ich kann nicht“, sagt er. „Es ist Deins.“

„Jetzt ist es Deins“, sage ich, und schiebe ihm das Tablett in die Hände. Er hat keine andere Wahl, als es zu nehmen.

„Aber das ist nicht fair –“, beginnt er.

„Ich hatte genug“, lüge ich. „Außerdem muss ich leicht bleiben, für den Kampf. Mit vollem Bauch kann ich mich schlecht bewegen, oder?“

Meine Lüge ist nicht sehr überzeugend, und ich merke, dass er mir das nicht wirklich abnimmt. Aber ich kann auch sehen, welche Wirkung der Geruch des Essens auf ihn ausübt, wie sein Überlebensinstinkt einsetzt. Es ist derselbe Impuls, den ich vor nur wenigen Minuten empfunden habe.

Er beugt sich hinunter und verschlingt es. Er schließt die Augen, lehnt sich zurück und atmet schwer, während er isst, er scheint jeden Bissen zu genießen. Ich sehe ihm zu, wie er aufisst, und ich kann sehen, wie dringend er das gebraucht hat.

Anstatt zurück in meine Seite des Raums zu gehen, setze ich mich an die Wand neben ihn. Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich noch habe, bis sie mich holen kommen, und aus irgendeinem Grund möchte ich ihm in unseren letzten paar Minuten näher sein.

Wir sitzen da, schweigend, nebeneinander, ich weiß nicht, wie lange. Ich bin angespannt, lausche auf irgendein Geräusch, frage mich die ganze Zeit, ob sie kommen. Ich denke darüber nach, was vor mir liegt, mein Herz beginnt, schneller zu schlagen, und ich versuche, meine Gedanken auf etwas anderes zu richten.

Ich hatte angenommen, dass sie uns zusammen in die Arena bringen würden, und bin überrascht, dass sie uns trennen. Das bringt mich dazu, mich zu fragen, was für Überraschungen sie noch auf Lager haben. Ich versuche, nicht über sie nachzudenken.

Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob das das letzte Mal ist, dass ich Ben sehe. Ich kannte ihn nicht lang, und es sollte mir wirklich egal sein. Ich weiß, dass ich jetzt einen klaren Kopf behalten sollte, mich nicht um Gefühle kümmern sollte, sondern mich einfach auf den vor mir liegenden Kampf konzentrieren.

Aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht aufhören, an ihn zu denken. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie fühle ich mich ihm verbunden. Ich werde ihn vermissen. Es macht überhaupt keinen Sinn, und ich ärgere mich selbst, dass ich so denke. Ich kenne ihn kaum. Es ärgert mich, dass es mich mitnehmen wird – mehr, als es sollte –, dass ich mich von ihm werde verabschieden müssen.

Wir sitzen dort in einem entspannten Schweigen, einem Schweigen zwischen Freunden. Es ist nicht mehr unangenehm. Wir sprechen nicht, aber ich spüre, dass er mich auch in diesem Schweigen hört, dass er hört, wie ich mich von ihm verabschiede. Und ich spüre, dass auch er sich verabschiedet.

Ich warte darauf, dass er etwas zu mir sagt – irgendetwas. Nach einigen Minuten beginnt ein Teil von mir, sich zu fragen, ob es einen Grund hat, dass er nichts sagt, ob es ihm vielleicht nicht so geht wie mir. Vielleicht bin ich ihm ganz egal; vielleicht nimmt er mir sogar übel, dass ich ihn in diese Sache mit reinzogen habe. Plötzlich zweifle ich an mir selbst. Ich muss es wissen.

„Ben?“, flüstere ich in die Stille hinein.

Ich warte, aber alles, was ich höre, ist sein Armen, durch die gebrochene Nase. Ich schaue hinüber und sehe, dass er tief schläft. Das erklärt sein Schweigen.

Ich sehe mir sein Gesicht genau an, und sogar, so verletzt, wie es ist, ist es wunderschön. Ich hasse die Vorstellung, dass sie uns trennen werden. Und dass er sterben wird. Er ist zu jung, um zu sterben. Ich bin es auch.

Aber auch mich macht die Mahlzeit müde, und ich merke, wie mir in der Dunkelheit die Augen zufallen. Ich bekomme gerade noch mit, wie ich an der Wand ein Stück tiefer hinunterrutsche und mein Kopf zur Seite fällt, auf Bens Schultern. Ich weiß, dass ich wach bleiben sollte, und wachsam, mich auf die Arena vorbereiten.

Aber obwohl ich mir Mühe gebe, bin ich schon nach wenigen Momenten fest eingeschlafen.

*

Ich werde vom Widerhall von Stiefeln geweckt, die den Gang heruntermarschieren. Zuerst denke ich, es ist nur ein Alptraum – aber dann wird mir klar, dass es das nicht ist. Ich weiß nicht, wie viele Stunden vergangen sind. Mein Körper fühlt sich allerdings erholt an, und das verrät mir, dass ich eine ganze Weile geschlafen haben muss.

Die Stiefel werden lauter und halten bald an meiner Tür an. Schlüssel rasseln, und ich setze mich gerade auf, mein Herz pocht in meiner Brust. Sie sind gekommen, mich zu holen.

Ich weiß nicht, wie ich mich von Ben verabschieden soll, und ich weiß noch nicht einmal, ob er das will. Stattdessen stehe ich also einfach nur da und bereite mich darauf vor, zu gehen. Noch immer tut mir jeder Muskel weh.

Plötzlich spüre ich eine Hand auf meinem Handgelenk. Sie ist überraschend stark, und die Intensität des Griffs geht mir durch und durch.

 

Ich habe Angst davor, zu ihm hinunterzuschauen, ihm in die Augen zu sehen – aber ich habe keine Wahl. Er sieht mich direkt an. Sein Blick strahlt Sorge aus, und in dem Moment kann ich sehen, wie wichtig ich ihm bin. Die Intensität seines Blicks macht mir Angst.

„Du hast das gut hinbekommen“, sagt er, „dass wir überhaupt so weit gekommen sind. Wir hätten nicht so lange am Leben bleiben sollen.“

Ich starre zurück, weil ich nicht weiß, was ich antworten soll. Ich will ihm sagen, dass mir all das hier Leid tut. Ich will ihm auch sagen, dass er mir wichtig ist. Dass ich hoffe, dass er überlebt. Dass ich überlebe. Dass ich ihn wiedersehe. Das wir unsere Geschwister finden. Dass wir es nach Hause schaffen.

Aber ich spüre, dass er das schon weiß. Also sage ich im Ende überhaupt nichts.

Die Tür schwingt auf, und die Sklaventreiber marschieren hinein. Ich drehe mich um, aber Ben greift noch einmal nach meinem Handgelenk, zwingt mich, mich ihm wieder zuzuwenden.

„Überlebe“, sagt er, mit der Intensität eines sterbenden Mannes.

Ich schaue ihn an.

„Überlebe. Für mich. Für Deine Schwester. Für meinen Bruder. Überlebe.“

Seine Worte hängen in der Luft wie ein Auftrag, es fühlt sich an, als kämen sie von Papa, wären nur durch Ben kanalisiert. Mir läuft ein Schauer den Rücken hinunter. Vorher war ich entschlossen, zu überleben. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich gar keine andere Wahl habe.

Die Sklaventreiber marschieren herüber und stehen hinter mir.

Ben lässt los und ich drehe mich um, stehe dort stolz vor ihnen. Ich fühle mich durch die Mahlzeit und den Schlaf gestärkt und blicke sie herausfordernd an.

Einer von ihnen hält einen Schlüssel in der Hand. Zuerst verstehe ich nicht, warum – aber dann erinnere ich mich: meine Handschellen. Ich habe sie schon so lange an, dass ich sie vergessen habe.

Ich halte ihm meine Hände hin, und er schließt sie auf. Eine riesige Anspannung fällt von mir ab, als das Metall sich öffnet. Ich reibe meine Handgelenke, dort, wo die Handschellen ihre Spuren hinterlassen haben.

Ich marschiere aus dem Zimmer, bevor sie mich schieben können, will den Vorteil. Ich weiß, dass Ben mich beobachtet, aber ich könnte es nicht ertragen, mich noch einmal umzudrehen. Ich muss stark sein.

Ich muss überleben.

SECHSZEHN

Ich werde von den Sklaventreibern den Flur heruntergeführt, und während ich die endlosen, schmalen Gänge hinuntergehe, höre ich ein schwaches Grollen. Zuerst ist es kaum zu hören. Aber als ich näherkomme, beginnt es, sich wie der Lärm einer Menschenmenge anzuhören. Eine jubelnde Menge, die schreit und johlt.

Wir biegen in einen weiteren Gang ab und das Geräusch wird immer deutlicher. Da ist ein riesiges Getöse, gefolgt von einem weiteren Grollen, wie bei einem Erdbeben. Der Korridor wackelt. Es fühlt sich an wie die Vibration von hunderttausend trampelnden Menschen.

Ich werde nach rechts geschoben, einen weiteren Gang hinunter. Ich verabscheue es, von diesen Sklaventreibern hin- und hergeschubst zu werden, besonders, wo sie mich ohnehin in den Tod bringen wollen, und ich würde nichts lieber machen, als mich umzudrehen und einen von ihnen anzugreifen. Aber ich bin unbewaffnet, und sie sind größer und stärker, da könnte ich nur verlieren. Außerdem muss ich meine Kräfte schonen.

Ein letztes Mal werde ich geschubst, dann wird der Gang breiter. In der Ferne scheint ein helles Licht, wie ein Flutlicht, und der Lärm der Menge wird unglaublich laut, wie etwas Lebendiges. Der Gang wird zu einem breiten und hohen Tunnel. Das Licht wird heller und heller, und einen Moment lang frage ich mich, ob ich ans Tageslicht komme.

Aber die Temperatur hat sich nicht verändert. Ich bin immer noch unter der Erde, es wirkt wie ein Eingangstunnel. In die Arena. Ich denke an das eine Mal, als Papa mich zu einem Baseballspiel mitgenommen hat, als wir zu unseren Sitzen wollten und ins Stadion hineingingen – als wir auch so einen Tunnel entlanggingen und sich das Stadion plötzlich vor uns eröffnete. Als ich dieses Mal diese Rampe hinuntergehe, fühlt es sich genauso an. Nur mit dem Unterschied, dass ich der Star der Show bin. Ich bleibe ehrfürchtig stehen.

Vor mir liegt ein gigantisches Stadion, voll mit tausenden und abertausenden von Menschen. In der Mitte steht ein Ring, in einer achteckigen Form. Er ähnelt einem Boxring, nur, dass er nicht von Seilen umschlossen wird, sondern von einem Metallkäfig. Der Käfig erhebt sich hoch in die Luft, etwa fünfzehn Fuß, er umschließt komplett den Ring, außer, dass das Dach offen ist. Er erinnert mich an einen Ring, den ich mal bei der Ultimate Fighting Championship gesehen habe, nur größer. Und dieser Ring, über und über voller Blutspuren, mit Eisenspitzen innen, die alle etwa zehn Fuß herausragen, ist ganz eindeutig nicht für Sport gedacht – sondern für den Tod.

Metall kracht. Zwei Leute kämpfen im Ring. Einer von ihnen wurde gerade gegen eine Käfigwand geworfen. Sein Körper schlägt gegen das Metall, knapp an einer Eisenspitze vorbei, und die Menge jubelt.

Er ist kleiner, schon vollkommen mit Blut bedeckt, sein Körper prallt von der Käfigwand zurück, er ist desorientiert. Der größere sieht aus wie ein Sumoringer. Er ist Asiate und muss mindestens fünfhundert Pfund wiegen. Nachdem er den kleinen, drahtigen Mann geworfen hat, setzt er erneut an, hebt ihn mit beiden Händen hoch, über seinen Kopf, als wäre er eine Puppe. Er geht langsam mit ihm im Kreis und die Menge jubelt wild.

Er wirft den Mann wieder komplett gegen den Ring, der Mann prallt wieder gegen die Wand, wieder knapp an einer Eisenspitze vorbei. Er landet auf dem harten Boden und bewegt sich nicht mehr.

Die ganze Menge grölt und trampelt, sie brüllt.

„MACH IHN FERTIG“, schreit jemand noch lauter als die anderen.

„TÖTE IHN!“, brüllt ein anderer.

„ZERQUETSCH IHN“

Tausende von Leuten schreiben, trampeln mit ihren Stiefeln auf den Metallboden, und der Lärm wird ohrenbetäubend. Der Sumoringer streckt seine Arme hoch, nimmt das alles auf, geht langsam im Kreis herum und genießt den Moment. Das Jubeln wird noch lauter.

Der Sumoringer durchschreitet langsam den Ring, auf den bewusstlosen Mann zu, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liegt. Dann lässt er sich plötzlich mit seinem ganzen Gewicht auf ein Knie fallen – direkt auf den Rücken des kleinen Mannes. Es gibt ein entsetzliches, knackendes Geräusch, als seine 500 Pfund auf das Rückgrat des kleinen Mannes auftreffen und es zermalmen. Die Menge stöhnt, als klar ist, dass er dem kleinen Mann die Wirbelsäule gebrochen hat.

Ich wende mich ab, ich will nicht hinsehen, der kleine und hilflose Mann tut mir entsetzlich leid. Ich frage mich, warum sie nicht aufhören. Ganz offensichtlich hat der Wrestler gewonnen.

Aber sie haben anscheinend nicht vor, aufzuhören – der Sumoringer ist noch nicht fertig. Er greift den schlaffen Körper des Mannes mit beiden Händen, hebt ihn wieder hoch, und wirft ihn, mit dem Gesicht voran, wieder durch den Ring. Der Mann knallt wieder in den Metallkäfig und landet wieder hilflos auf dem Boden. Die Menge grölt. Sein Körper landet in einer unnatürlichen Position und ich kann nicht sagen, ob er tot oder lebendig ist.

Der Wrestler ist immer noch nicht zufrieden. Er hebt seinen Arm, geht wieder langsam im Kreis, während die Menge ihm zujubelt.

„SU-MO!  SU-MO!  SU-MO!“

Das Grölen erreicht eine ohrenbetäubende Lautstärke, dann durchquert der Sumoringer ein letztes Mal den Ring, hebt einen Fuß und stellt ihn auf die Kehle des hilflosen Mannes. Dann steht er mit beiden Füßen auf der Kehle des Mannes und zerquetscht sie. Die Augen des Mannes öffnen sich weit, er hebt beide Hände, versucht, die Füße von seinem Hals wegzuschieben. Aber es ist sinnlos, und schon nach wenigen Sekunden des Kampfes ist es vorbei. Seine Hände fallen schlaff neben seinen Körper. Er ist tot.

Die Menge trampelt und grölt noch lauter.

Der Sumoringer hebt die Leiche auf, hebt sie hoch über seinen Kopf und wirbelt sie durch den Ring. Dieses Mal zielt er auf eine der Eisenspitzen und spießt die Leiche daran auf. Der tote Körper bleibt an der Seite des Käfigs hängen, eine Eisenspitze ragt durch seinen Bauch hervor, Blut tropft herunter.

Die Menge grölt noch lauter.

Ich werde von hinten geschoben, und ich stolpere in das helle Licht hinein, die Rampe hinunter, in das offene Stadion. Als ich es betrete, wird mir endlich klar, wo ich bin: Das war einmal der Madison Square Garden. Nur, dass das Stadion jetzt verfallen ist, das Dach eingedrückt, Sonnenlicht und Wasser dringen ein, die Tribünen sind verrostet.

Offensichtlich hat die Menge mich schon entdeckt, denn sie wenden sich mir zu und jubeln vor Vorfreude. Ich sehe mir ihre brüllenden und jubelnden Gesichter genau an und sehe, dass sie alle Bioopfer sind. Ihre Gesichter sind deformiert, weggeschmolzen. Die meisten sind dünn wie Skelette, ausgemergelt. Das sind die sadistischsten Typen, die ich je gesehen habe, und es sind unendlich viele.

Ich werde die Rampe heruntergeführt, auf den Ring zu, und als ich ihn erreiche, kann ich fühlen, dass ich aus tausenden von Augenpaaren angestarrt werde. Es gibt Häme und Buh-Rufe. Offenbar mögen sie keine neuen. Oder vielleicht mögen sie mich einfach nicht.

Ich werde zur Seite des Rings geschoben und auf eine kleine Metallleiter geschubst. Ich sehe zu dem Sumoringer hinauf, der von innerhalb des Rings auf mich herabschaut. Ich schaue zu dem toten Körper hinüber, der immer noch im Käfig aufgespießt ist. Ich zögere: Ich will diesen Ring nicht betreten.

Aber ich werde mit einem Gewehrlauf in meinen Rücken geschubst und habe keine andere Wahl, als die erste Stufe der Leiter zu nehmen. Dann noch eine, und noch eine. Die Menge jubelt, meine Knie werden weich.

Ein Sklaventreiber öffnet die Käfigtür, und ich trete hinein. Er knallt sie hinter mir zu und ich kann nicht anders, als zu zusammenzuzucken. Die Menge jubelt wieder.

Ich drehe mich um und überblicke das Stadion, suche nach einem Zeichen von Bree, von Ben, von seinem Bruder – irgendeinem freundlichen Gesicht. Aber da ist keins. Ich zwinge mich, mich auf den Ring zu konzentrieren, meinen Gegner. Der Sumoringer steht doch und sieht auf mich herab. Er lächelt und bricht bei meinem Anblick in Lachen aus. Ich bin mir sicher, dass er denkt, es wird leicht, mich zu töten. Das kann ich ihm nicht verübeln.

Der Sumoringer wendet mir seinen Rücken zu und hebt seine Arme hoch, dreht sich der Menge zu, ist begierig nach ihrer Bewunderung. Um mich macht er sich ganz offensichtlich keine Gedanken, er denkt, der Kampf wäre schon vorüber. Er feiert schon seinen anstehenden Sieg.

Da habe ich Papas Stimme plötzlich wieder im Kopf:

Sei immer diejenige, die den Kampf beginnt. Zögere nie. Die Überraschung ist Deine beste Waffe. Ein Kampf beginnt dann, wenn DU ihn anfängst. Wenn Du wartest, dass Dein Gegner anfängt, hast Du schon verloren. Die ersten drei Sekunden eines Kampfes entscheiden schon über seinen Ausgang. Los. LOS!

Papas Stimme brüllt in seinem Kopf, und ich lasse sie brüllen. Ich denke nicht darüber nach, wie verrückt das ist, wie viel schlechtere Chancen ich habe. Alles, was ich weiß, ist: Wenn ich nichts tue, werde ich sterben.

Ich lasse mich von Papas Stimme tragen, und es ist, als würde mein Körper von jemand anderem gesteuert. Ich setze an, konzentriere mich auf den Sumoringer. Er steht immer noch mit dem Rücken zu mir, noch immer streckt er seine Arme aus, er genießt das Spektakel. Und jetzt, zumindest in diesem Moment, hat er keine Deckung.

Ich renne durch den Ring, jede Sekunde fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Ich konzentriere mich auf die Tatsache, dass ich immer noch diese Springerstiefel trage, mit den Stahlkappen an den Zehen. Ich mache drei riesige Schritte, und bevor der Sumoringer reagieren kann, springe ich in die Luft. Ich fliege durch die Luft, lasse mich von meinem Schwung tragen, und ziele sorgfältig, direkt auf die Rückseite seines linken Knies.

Je größer sie sind, desto härter fallen sie, höre ich Papa sagen.

Ich bete, dass er Recht hat.

Ich habe nur einen Versuch.

Ich trete ihm mit aller Kraft in die Kniekehle. Ich spüre, wie die Stahlkappe auf meinem Zeh in sein weiches Fleisch eindringt, und ich bete, dass es funktioniert.

Zu meinem Erstaunen gibt sein Knie tatsächlich unter ihm nach, und er landet auf einem Knie auf dem Boden des Rings, sein Gewicht erschüttert ihn.

Die Menge grölt vor Begeisterung und Überraschung, das hat sie offenbar nicht erwartet.

Der größte Fehler, den Du in einem Kampf machen kannst, ist es, jemanden zu treffen und dann wegzugehen. Du gewinnst einen Kampf nicht mit einem einzigen Schlag oder einem einzigen Tritt. Du gewinnst ihn mit Kombinationen. Wenn Du ihn getreten hast, tritt ihn wieder. Und wieder. Und wieder. Mach so lange weiter, bis er nicht mehr aufstehen kann.

 

Der Sumoringer wendet sich mir zu, sein Gesicht zeigt Schock. Ich warte nicht.

Ich schwinge herum und trete ihm, perfekt gezielt, in den Nacken. Er fällt, mit dem Gesicht zuerst, hart auf den Boden und erschüttert ihn mit seinem Gewicht. Die Menge grölt.

Wieder warte ich nicht. Ich springe hoch für einen Dropkick und grabe den Absatz meines Stiefels in sein Steißbein. Dann, ohne Pause, hole ich wieder Schwung und trete ihm mit der Stahlkappe auf seine Schläfe. Die schwache Stelle. Ich trete wieder und wieder und wieder. Bald ist er ganz mit Blut bedeckt und versucht, seinen Kopf mit den Händen zu schützen.

Die Menge wird verrückt. Sie springen wieder auf ihre Füße und brüllen.

„TÖTE IHN!“, brüllen sie. „MACH IHN FERTIG!“

Aber ich zögere. Wie er da liegt, schlapp, führt dazu, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme. Ich weiß, das sollte ich nicht – er ist ein gnadenloser Killer – aber dennoch kann ich mich nicht überwinden, den letzten Schritt zu gehen.

Und das ist mein großer Fehler.

Der Sumoringer nutzt mein Zögern aus. Bevor ich reagieren kann, greift er nach meinem Knöchel. Seine Hand ist riesig, unvorstellbar groß, er wickelt sie um mein Bein, als wäre er ein Zweig. Mit einer einfachen Bewegung zieht er an meinem Bein, dreht mich und schleudert mich durch den Ring.

Ich schlage gegen den Metallkäfig, nur einen Zoll an einer der scharfen Eisenspitzen vorbei, und gehe zu Boden.

Die Menge jubelt. Ich sehe auf, wie betäubt, mir ist schwindlig. Der Sumoringer steht schon auf und setzt an. Blut tropft von seinem Gesicht herunter. Ich kann nicht glauben, dass ich das geschafft habe. Ich kann nicht glauben, dass er auch nur verwundbar ist. Und jetzt muss er wirklich wütend sein.

Ich bin schockiert, wie schnell er ist. In einem Augenblick ist er fast über mir, spring in die Luft, will auf mir landen. Wenn ich nicht schnell aus dem Weg komme, werde ich zerquetscht.

In letzter Sekunde rolle ich mich zur Seite und entkomme ihm gerade noch, er schlägt neben mir auf und erschüttert den Boden so heftig, dass er sich bewegt und ich wieder vom Boden abpralle.

Ich rolle mich weg, immer weiter, bis ich auf der anderen Seite des Rings bin. Schnell stehe ich auf, auch der Sumoringer steht auf. Wir stehen an den einander entgegengesetzten Seiten des Rings, sehen einander an und atmen beide schwer. Die Menge wird verrückt. Ich kann nicht glauben, dass ich es geschafft habe, so lange am Leben zu bleiben.

Aber jetzt setzt er an, und mir wird klar, dass ich keine Optionen mehr habe. In diesem Ring kann man nicht gerade an viele Orte ausweichen, vor allem nicht vor einem Mann dieser Größe. Eine falsche Bewegung, und es ist vorbei mit mir. Ich hatte Glück, dass ich ihn überraschen konnte. Aber jetzt muss ich kämpfen.

Plötzlich fällt etwas aus der Luft. Etwas wurde durch das offene Dach in den Käfig fallen gelassen. Knallend landet es auf dem Boden zwischen uns. Es ist eine Waffe. Eine riesige Kampfangst. Das habe ich nicht erwartet. Ich nehme an, das ist ihre Methode, die Spiele spannend zu halten, die Unterhaltung zu auszudehnen. Die Axt landet in der Mitte zwischen uns, jeweils etwa zehn Fuß von uns entfernt.

Ich zögere nicht. Ich renne darauf zu und bin erleichtert zu sehen, dass ich schneller bin als er. Ich bin zuerst dort.

Aber dennoch ist er schneller, als ich vermutet habe, und in dem Moment, als ich die Axt aufhebe, fühle ich, wie er mit seinen riesigen Händen meinen Rippenkäfig umschließt, als würde mich ein riesiger Bär von hinten umarmen. Er hebt mich hoch, mühelos, als wäre ich ein Insekt. Die Menge grölt.

Er drückt fester und fester zu, und ich fühle, wie die Luft aus mir herausgepresst wird, fühle mich, als würde jede einzelne meiner Rippen brechen. Ich schaffe es, die Axt festzuhalten – aber das hilft wenig. Ich kann nicht einmal meine Schultern bewegen.

Er wirbelt mich herum, er spielt mit mir. Die Menge brüllt vor Spaß. Wenn ich nur meine Arme frei bekäme, könnte ich die Axt benutzen.

Aber es geht nicht. Ich spüre, wie alle Luft meinen Körper verlässt. In ein oder zwei Augenblicken werde ich erstickt sein.

Mein Glück hat mich schlussendlich verlassen.