Buch lesen: «Arbeitsrecht für Handwerksbetriebe in Frage und Antwort»
Mina Bettinghausen
Arbeitsrecht für Handwerksbetriebe in Frage & Antwort
Mit vielen Fallbeispielen und den wichtigsten Entscheidungen aus der Rechtsprechung
1. Auflage 2018
© 2018 by Holzmann Medien GmbH & Co. KG, 86825 Bad Wörishofen
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Lektorat: Achim Sacher, Holzmann Medien | Buchverlag
Layout und Satz: Markus Kratofil, Holzmann Medien | Buchverlag
Bildquelle Umschlag: ©Kzenon/stock.adobe.com
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018
ISBN (Print): | 978-3-7783-1280-3 | Artikel-Nr. 1553.01 |
ISBN (E-Book): | 978-3-7783-1281-0 | Artikel-Nr. 1553.99 |
Vorwort der Autorin
Das vorliegende Werk soll Handwerksbetrieben einen verständlichen und schnellen Überblick über zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen geben – beginnend von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses bis hin zu seiner Beendigung. Aufgrund meiner mehrjährigen rechtlichen Beratungstätigkeit von Handwerksbetrieben haben sich im Laufe der Zeit vor allem diejenigen Fragen wiederholt, die für die Betriebe von größtem Interesse sind. Da viele Arbeitsrechtsbücher in der Regel für Juristen ausgelegt sind, kam die Idee auf, ein Arbeitsrechtsbuch für Praktiker zu schreiben, das auch für einen Nichtjuristen verständlich sein sollte.
Das Buch beinhaltet im Wesentlichen die häufigsten Anfragen, die in der Praxis bei Handwerksbetrieben aufkommen. Das Konzept, das Buch in Frage-und-Antwort-Form aufzubauen, soll dabei die Verständlichkeit erhöhen. Auch die Fallbeispiele, die an vielen Stellen zu finden sind, sollen die Ausführungen nochmals veranschaulichen. Die Fragestellungen sind ebenso wie die Antworten möglichst kurz und überschaubar gehalten, um den Leser nicht mit eventuell bestehenden juristischen Meinungsverschiedenheiten zu belasten. Diese sind letztlich vielleicht für einen Juristen, nicht aber für Handwerksbetriebe von Relevanz und Interesse.
Das Buch ist auf dem Rechtsstand März 2018 und bezieht sich in seinen Antworten auf die gesetzlichen Vorschriften, als auch auf die Rechtsprechung. Denn viele Fragen im Arbeitsrecht sind gesetzlich nicht geregelt, sondern werden erst durch die Rechtsprechung entschieden. Hierbei wurde insbesondere darauf geachtet, im Buch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wiederzugeben, sofern das BAG zu einem konkreten Fall auch entschieden hatte. Denn in der Praxis und vor allem bei Rechtstreitigkeiten vor Arbeitsgerichten sind vor allem die Entscheidungen des BAG maßgeblich. Durch die Angabe der Paragrafen und die Wiedergabe wichtiger arbeitsgerichtlicher Urteile soll der Leser daher auch genau nachvollziehen können, woraus sich das Geschriebene ergibt.
Ich hoffe, dass das Buch Handwerksbetrieben bei der täglichen Personalarbeit ein wichtiges Hilfsmittel sein kann.
Frankfurt am Main, im Mai 2018
Mina Bettinghausen und
Holzmann Medien | Buchverlag
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Vorwort der Autorin
Inhaltsverzeichnis
A. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses
I. Der Arbeitsvertrag
1. Abschluss des Arbeitsvertrages
2. Vereinbarung einer Probezeit
3. Überstundenregelungen
II. Die Befristung von Arbeitsverträgen
1. Welche Formen von befristeten Arbeitsverträgen gibt es?
2. Was ist bei befristeten Arbeitsverträgen zu beachten?
3. Müssen befristete Arbeitsverträge schriftlich abgeschlossen werden?
4. Wann endet ein befristetes Arbeitsverhältnis?
5. Kann ein befristeter Arbeitsvertrag ordentlich gekündigt werden?
6. Was sind die Rechtsfolgen einer unwirksamen Befristung?
B. Inhalt des Arbeitsverhältnisses
I. Der Vergütungsanspruch
1. Der gesetzliche Mindestlohn
2. Vertragliche Vereinbarung
II. Die Arbeitszeiten
1. Wie lang ist die höchstzulässige Dauer der Arbeitszeit?
2. Welche Zeiten gelten als „Arbeitszeit“?
3. Welche Ruhepausen und Ruhezeiten stehen dem Arbeitnehmer zu?
4. Was gilt bei Nachtarbeit?
5. Was gilt bei Arbeiten an Sonn- und Feiertagen?
6. Was sind die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz?
III. Arbeitsunfähigkeit und Entgeltfortzahlung
1. Pflichten des Arbeitnehmers bei Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit
2. Welche Rechte hat der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer seinen Pflichten nicht nachkommt?
3. Was gilt bei Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit?
4. Was gilt bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus dem Ausland?
5. Muss der Arbeitgeber im Krankheitsfall das Entgelt fortzahlen?
6. Wann entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
7. Wie berechnet sich die sechswöchige Entgeltfortzahlung?
8. Was gilt bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit?
IV. Der Urlaubsanspruch
1. Dauer und Entstehungszeitpunkt
2. Urlaubsgewährung und Widerruf
3. Übertragbarkeit und Krankheit
4. Urlaubsabgeltung und Arbeitsplatzwechsel
5. Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer
V. Mutterschutz und Elternzeit
1. Der Mutterschutz
2. Die Elternzeit
C. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
I. Die ordentliche Kündigung
1. Wann kommt das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung?
2. Wann ist die Kündigung sozial gerechtfertigt?
3. Die Kündigungsschutzklage
4. Die Kündigung außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes
5. Welche Formalien sind bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu beachten?
6. Welche Kündigungsfrist gilt für das Arbeitsverhältnis?
7. Häufige Irrtümer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
II. Die außerordentliche Kündigung
1. Welche Voraussetzungen müssen für eine außerordentliche Kündigung erfüllt sein?
2. Innerhalb welcher Frist muss die außerordentliche Kündigung erfolgen?
3. Muss der Kündigungsgrund angegeben werden?
4. Was sind die Folgen, wenn eine außerordentliche Kündigung unwirksam ist?
III. Der Aufhebungsvertrag
1. Was ist ein Aufhebungsvertrag?
2. Worin liegen die Vorteile eines Aufhebungsvertrages?
3. Welche Formalien sind zu beachten?
4. Anfechtung und Widerruf
IV. Der besondere Kündigungsschutz
1. Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit
2. Schwerbehinderte Arbeitnehmer
V. Das Arbeitszeugnis
1. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?
2. Was ist der Unterschied zwischen einem „einfachen“ und einem „qualifiziertem“ Zeugnis?
3. Muss das Zeugnis schriftlich erfolgen?
4. Wer ist befugt, das Arbeitszeugnis zu erstellen?
5. Inhalt des Arbeitszeugnisses
6. Wer hat bei Wunsch nach einer besseren Note die Darlegungs- und Beweislast vor Gericht?
7. Ist der Arbeitnehmer zur Abholung des Zeugnisses verpflichtet?
8. Welche Folgen hat ein Verstoß gegen die Zeugniserteilung?
Die Autorin
Stichwortverzeichnis
A. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses
I. Der Arbeitsvertrag
1. Abschluss des Arbeitsvertrages
a.) Ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag erforderlich?
Formfreiheit
Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitsverträge lediglich mündlich abgeschlossen werden und erst bei Unstimmigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Frage aufgeworfen wird, ob der mündlich geschlossene Arbeitsvertrag überhaupt wirksam zustande gekommen ist.
Arbeitsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich nicht der Schriftform. Es gilt hierbei der Grundsatz der Formfreiheit (Ausnahme: befristete Arbeitsverträge, siehe Seite 19 ff.). Ein Arbeitsvertrag kann daher auch bereits durch eine mündliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zustande kommen. Auch ein mündlich abgeschlossener Arbeitsvertrag ist von Anfang an wirksam und bildet die rechtliche Grundlage für die daraus resultierenden Rechte und Pflichten der Parteien (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 30. April 2008 – 18 Sa 1500/07).
[!]
Hinweis
Wird ein Arbeitsvertrag lediglich mündlich abgeschlossen, ohne dass der Vertragsinhalt von den Parteien abschließend geklärt wurde, z. B. die Höhe des Urlaubsanspruchs, dann gelten insoweit (sofern kein Tarifvertrag Anwendung findet) die gesetzlichen Regelungen.
b.) Welche Anforderungen bestehen nach dem Nachweisgesetz?
Nachweisgesetz
Auch wenn ein Arbeitsvertrag grundsätzlich mündlich abgeschlossen werden kann, so obliegt dem Arbeitgeber dennoch eine Nachweispflicht. Der Arbeitgeber hat gemäß dem Nachweisgesetz (§ 2 Abs. 1 NachwG)
• spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses,
• die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen,
• die Niederschrift zu unterzeichnen und
• dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
Das Nachweisgesetz gilt dabei für alle Arbeitnehmer, es sei denn, dass sie nur zur vorübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt werden, § 1 NachwG.
c.) Welche Vertragsbedingungen sind festzuhalten?
Vertragsbedingungen
In die Niederschrift hat der Arbeitgeber mindestens folgende Punkte aufzunehmen:
1.den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien,
2.den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
3.bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
4.den Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, einen Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann,
5.eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
6.die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,
7.die vereinbarte Arbeitszeit,
8.die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
9.die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
10.ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
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Hinweis
Ist dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden, so entfällt die Verpflichtung nach dem Nachweisgesetz, soweit der schriftliche Arbeitsvertrag die nach dem Nachweisgesetz wesentlichen Vertragsbedingungen enthält, § 2 Abs. 4 NachwG.
d.) Welche Rechtsfolgen hat ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz?
Rechtsfolgen bei Verstoß gegen NachwG
Dem Arbeitnehmer kann ein Schadensersatzanspruch zustehen, wenn der Arbeitgeber mit der Erfüllung seiner Verpflichtung nach dem Nachweisgesetz in Verzug kommt. Entsteht dem Arbeitnehmer hierdurch ein Schaden, ist dieser durch den Arbeitgeber zu ersetzen. Ein solcher Schaden kann etwa dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer durch den fehlenden schriftlichen Hinweis auf einen geltenden Tarifvertrag Ausschlussfristen verpasst und dies zum Erlöschen seiner Vergütungsansprüche führt. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden, als sei sein Vergütungsanspruch nicht untergegangen (vgl. BAG, Urteil vom 17. April 2002 – 5 AZR 89/01).
[B]
Beispiel
Arbeitnehmer A wird zum 01.03.2017 im Betrieb des B als Maler und Lackierer eingestellt. Im Maler- und Lackiererhandwerk gilt ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag, wo unter anderem geregelt ist, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten seit Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
Es wird weder ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen, noch händigt B dem A die wesentlichen Informationen nach dem Nachweisgesetz aus. A weiß somit nicht, dass für ihn der Tarifvertrag gilt und dieser die Ausschlussfrist enthält.
A kündigt das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2017. Seinen Lohn für den Monat August erhält A nicht. Erst drei Monate später, im November 2017, macht A seine Lohnrückstände gegenüber B geltend. Aufgrund des für A geltenden Tarifvertrags kann er seinen Lohn für August aufgrund der Ausschlussfrist, welches zwei Monate nach Fälligkeit vorsieht, nicht mehr geltend machen. Sein Vergütungsanspruch ist somit erloschen. Da es B jedoch in diesem Fall versäumt hat, A auf den für ihn geltenden Tarifvertrag schriftlich hinzuweisen und damit auch auf die Ausschlussfrist, kann A seinen erloschenen Vergütungsanspruch für August als Schaden von B ersetzt verlangen.
[!]
Hinweis
Nach dem BAG ist grundsätzlich zugunsten des Arbeitnehmers davon auszugehen, dass er die Ausschlussfrist auch beachtet hätte, wenn er auf die Geltung des Tarifvertrages ordnungsgemäß hingewiesen worden wäre. Der Arbeitnehmer könne, so das BAG, im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt jedoch die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (vgl. BAG, Urteil vom 17. April 2002 – 5 AZR 89/01; BAG, Urteil vom 05. November 2003 – 5 AZR 676/02).
Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz kann zudem im Streitfall vor Gericht zu Beweiserleichterungen zugunsten des Arbeitnehmers führen.
[B]
Fallbeispiel aus der Rechtsprechung(vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 18. Januar 2010 – 5 SaGa 23/09)
Arbeitnehmer A wurde im Garten- und Landschaftsbaubetrieb des Arbeitgebers B als Fahrer eingestellt. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag gab es nicht. Die schriftliche Niederlegung der Vertragsbedingungen gemäß dem Nachweisgesetz erfolgte ebenfalls nicht. Nachdem B das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, stritten die Parten über die Höhe der Vergütung und A klagte vor dem Arbeitsgericht.
A führte vor Gericht aus, dass er mit B einen Nettolohn von 10,– Euro pro Stunde vereinbart habe, B hingegen gab an, dass ein Bruttolohn von 10,– Euro pro Stunde vereinbart gewesen sei.
Nachdem B vor dem Arbeitsgericht unterlag, wies letztlich auch das LAG Köln seine Berufung als unbegründet zurück. Der Rechtsverstoß gegen das Nachweisgesetz und die daraus resultierenden Verpflichtungen, dem Arbeitnehmer einen schriftlichen Arbeitsnachweis u. a. über die Höhe des vereinbarten Entgelts auszuhändigen, führe, so das LAG, zu Nachteilen, die der Arbeitgeber als derjenige, der gegen das Nachweisgesetz verstoßen hat, zu tragen habe. Eine Nettolohnvereinbarung, so die weitere Begründung, sei zwar im Arbeits- und Wirtschaftsleben nicht die Regel, sondern die Ausnahme, dennoch sei sie nicht unzulässig. Aus den Beweiserleichterungen, die zugunsten des Arbeitnehmers (A) aus dem Verstoß gegen das Nachweisgesetz folge, sei daher von einer Nettolohnvereinbarung von 10,– Euro pro Stunde auszugehen.
2. Vereinbarung einer Probezeit
a.) Was sind die Vorteile einer Probezeitvereinbarung?
Probezeit
Eine Probezeit kann stets im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Der Vorteil einer Probezeit besteht vor allem darin, dass einerseits der Arbeitgeber die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers prüfen kann, aber auch, ob der Arbeitnehmer z. B. zuverlässig ist oder in den Betrieb passt. Aber auch der Arbeitnehmer kann innerhalb der Probezeit prüfen, ob ihm die Arbeit und auch der Betrieb zusagen. Ein weiterer Vorteil besteht insbesondere darin, dass innerhalb einer vereinbarten Probezeit das Arbeitsverhältnis sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer mit der gesetzlich verkürzten Kündigungsfrist von zwei Wochen beendet werden kann (siehe Seite 89).
b.) Wie lange kann eine Probezeit wirksam vereinbart werden?
Dauer der Probezeit
Die Vereinbarung einer Probezeit ist längstens für die Dauer von 6 Monaten zulässig, § 622 Abs. 3 BGB. Eine Vereinbarung bzw. die Verlängerung der Probezeit über die Höchstdauer von 6 Monaten ist unwirksam.
[B]
Beispiel 1
Arbeitnehmer A und Arbeitgeber B schließen einen Arbeitsvertrag und vereinbaren darin eine Probezeit von 8 Monaten.
Beispiel 2
Arbeitnehmer A und Arbeitgeber B schließen einen Arbeitsvertrag und vereinbaren eine Probezeit von 6 Monaten. Vor Ablauf der Probezeit vereinbaren A und B, dass die Probezeit um weitere 3 Monate verlängert wird.
In beiden Fällen ist die Probezeitvereinbarung unwirksam, auch wenn dies einvernehmlich erfolgte, da die sechsmonatige Höchstdauer überschritten wurde.
Eine Verlängerung der Probezeit kommt dagegen in Betracht, wenn zunächst eine kürzere Probezeit als 6 Monate vereinbart wurde und die Verlängerungsvereinbarung die zulässige Höchstdauer von 6 Monaten nicht überschreitet (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Januar 1999 – 2 (4) Sa 1139/98).
[B]
Beispiel
Arbeitnehmer A wird im Betrieb des B als Maßschneider eingestellt und eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart. Vor Ablauf der dreimonatigen Probezeit vereinbaren A und B die Verlängerung der Probezeit auf weitere 3 Monate.
Eine solche Verlängerung der Probezeit ist zulässig, da die Höchstdauer von 6 Monaten nicht überschritten wurde.
c.) Was sind die Rechtsfolgen einer unwirksamen Probezeitvereinbarung?
Unwirksame Vereinbarung Probezeit
Wurde die Höchstdauer der Probezeitvereinbarung überschritten, so ist der Arbeitsvertrag zwar nicht unwirksam, allerdings können die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis nach Überschreitung der zulässigen Höchstdauer von 6 Monaten nicht mit der verkürzten gesetzlichen Kündigungsfrist von 2 Wochen kündigen. Vielmehr muss dann die reguläre Kündigungsfrist eingehalten werden.
3. Überstundenregelungen
Grundsätzlich schuldet ein Arbeitnehmer nur die aufgrund eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder eines Arbeitsvertrages festgelegte Arbeitszeit. Darüber hinausgehend geleistete Arbeiten gelten als Überstunden (vgl. BAG, Urteil vom 08. November 1989 – 5 AZR 642/88). Eine gesetzliche Regelung, wonach sich eine Verpflichtung zu Überstunden ergibt, gibt es nicht.
[B]
Beispiel
Laut Arbeitsvertrag soll Arbeitnehmerin A 30 Stunden die Woche im Betrieb des B als Büroangestellte arbeiten. Arbeitet A nun wöchentlich mehr als die vertraglich vereinbarten 30 Stunden, gilt das als Überstunden.
a.) Wann müssen Arbeitnehmer Überstunden leisten?
Überstunden
Eine solche Verpflichtung ergibt sich in der Regel nur aufgrund eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder aus dem Arbeitsvertrag. Ohne eine entsprechende Regelung ist der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten. Nur ausnahmsweise ist ein Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht gehalten, Überstunden zu leisten, wenn sich der Arbeitgeber in einer Notlage befindet, der anders nicht begegnet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 1981 – 2 AZR 1162/78).
b.) Sind Überstunden in jedem Fall zu vergüten?
Vergütung bei Überstunden
Der Arbeitnehmer hat nach ständiger Rechtsprechung des BAG nur dann einen Anspruch auf Überstundenvergütung, wenn die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein mussten (vgl. BAG, Urteil vom 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01). Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen. Die Billigung von Überstunden setzt dabei voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt. Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist (vgl. BAG, Urteil vom 10. April 2013 – 5 AZR 122/12).
c.) Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast?
Darlegungs- und Beweislast
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer (vgl. BAG, Urteil vom 18. April 2012 – 5 AZR 248/11). Er muss im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Er muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht, dass er tatsächlich gearbeitet und welche Tätigkeiten er ausgeführt hat (vgl. BAG, Urteil vom 3. November 2004 – 5 AZR 648/03). Die pauschale Behauptung, der Arbeitgeber habe Überstunden angeordnet oder gebilligt, ist dabei nicht ausreichend. Vielmehr muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet oder wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben hat, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein. Wurden die Überstunden vom Arbeitgeber gebilligt, muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn das feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat. Bei konkludenter Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs begründet noch keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (vgl. BAG, Urteil vom 10. April 2013 – 5 AZR 122/12).
[!]
Hinweis
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung die „rigide“ Entscheidung des BAG hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers angezweifelt. In der Entscheidung des LAG heißt es, dass es wenig nachvollziehbar sei, warum es nicht ausreiche, dass der Arbeitnehmer im ersten Prüfungsschritt die Leistung der Überstunden darlege. Überwiegend werden Überstundenklagen, so das LAG weiter, deswegen abgewiesen, weil der Arbeitnehmer bezogen auf den zweiten Prüfungsschritt insbesondere die Duldung von Überstunden nicht darlegen könne. Das BAG begründet die Notwendigkeit für diesen weiteren Prüfungspunkt damit, dass die geleisteten Überstunden dem Arbeitgeber zuzurechnen sein müssten. Dieser müsse sich nach Auffassung des BAG Überstunden nicht aufdrängen lassen. Das LAG führt jedoch aus, dass der Arbeitgeber „Herr im eigenen Betrieb“ sei. Sehe man von Alternativbetrieben ab, in denen eventuell jeder mache, was er wolle, so das LAG weiter, könne ein Arbeitgeber mithilfe seiner Betriebshierarchie „aufgedrängte“ Überstunden schon einfach dadurch vermeiden, dass nach Ableistung der regulären Arbeitszeit die Arbeitnehmer nach Hause geschickt werden. Setze ein Arbeitgeber seine Betriebsorganisation hierfür nicht ein, dann gebe er damit zu erkennen, dass ihm die Leistung weiterer Stunden egal ist. Dann sei es allein deswegen konsequent, die geleisteten Stunden dem Arbeitgeber auch zuzurechnen (vgl. LArbG Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 28. Juni 2017 – 15 Sa 66/17).
Ob das BAG von seiner Entscheidung abrücken und sich der Auffassung des LAG anschließen wird, bleibt allerdings abzuwarten.