Pferdesoldaten 07 - Unter zwei Flaggen

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Aus der Reihe: Pferdesoldaten #7
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„Ich grüße meinen Bruder Wide Eyes“, sagte Black Bear und deutete auf einen freien Platz in der Runde. „Wie ich sehe bringst du einen grauen Indianersoldaten und sicher viele Neuigkeiten. Sitz ab und erfrische dich, und berichte, was deine Augen gesehen und deine Ohren gehört haben.“

Wide Eyes warf die Zügel seines Mustangs seinem Freund Bearclaw zu, sprang mit einem eleganten Satz auf den Boden und erwies dann dem Gast, seinem Häuptling und den älteren Kriegern seinen Respekt, bevor er die Einladung Annahm.

Ein Wink eines der Älteren veranlasste die Jüngeren, sich zu erheben und rasch zu entfernen, während die Squaw des Häuptlings und eine seiner Töchter vor das Langhaus traten und frisches Wasser und kleine Knabbereien brachten.

Black Bear warf einen forschenden Blick auf den Gefangenen, während er die Pfeife neu stopfte. „Ein Cherokee des Südens und er ist gekleidet wie ein Soldat des Südens. Wenigstens sagt man, die Soldaten des Südens würden solche graue Jacken tragen.“

Thundering Words neigte das Haupt. „Es heißt, dass nicht alle graue Jacken tragen. Doch dieser hier ist zweifellos ein Soldat des Südens. Ein roter Mann, der für die weißen Männer kämpft und ihre Uniform und ihre Waffen trägt. Ich hörte in Farrington, dass dies geschehen könne und wollte es nicht glauben. Dann war ich beim großen Pow Wow, an dem der große Jäger Kit Carson teilnahm und das Gleiche berichtete. Er berichtete auch, dass sich viele indianische Brüder unter seinem Banner versammelt haben und für die Union der blauen Soldaten kämpfen. So, wie andere Brüder im Süden für die Grauen kämpfen.“ Der berühmte Medizinmann hob den Kopf. „Obwohl ich den Worten Kit Carsons vertraue, so hatte ich doch meine Zweifel. Nun sehe ich einen roten Mann, der in der Uniform des Südens kämpft. Wahrhaftig, meine Brüder, dies sind ungewöhnliche Zeiten.“

Black Bear wartete bis die Pfeife rundging, bevor er sich erneut an Wide Eyes wandte. „Es ist immer eine ernste Sache, Soldaten zum Feind zu haben. Blaue Soldaten oder graue Soldaten… es macht keinen Unterschied. Doch sage uns, Wide Eyes, was führt dazu, dass dieser graue Soldat unser Feind ist? Manche behaupten, die Soldaten des Südens seien wohlwollend gegenüber dem roten Volk.“

„Er ist Cherokee“, antwortete der Späher mit fester Stimme. „Die Cherokee waren nie unsere Freunde. Dieser rote Soldat führt viele andere Soldaten nach Norden. Sehr viele Soldaten und wenn Soldaten marschieren, so tun sie dies niemals in friedvoller Absicht.“

„Graue Soldaten kämpfen gegen blaue Soldaten“, wandte einer der Ältesten ein. „Ihr Krieg geht uns nichts an.“

Black Bear musterte erneut den Gefangenen. „Ich schätze es nicht, zu ihm aufzusehen.“

Ein Tritt von Bearclaw beförderte den Cherokee auf den Boden. Der Mann erhob sich und erwiderte den Blick der anderen. Sein Stolz war nicht zu übersehen und er rechnete nicht mit Gnade. Zu oft waren sich ihre Stämme in Feindschaft begegnet.

„Sage uns, warum trägst du die Uniform der grauen Soldaten?“ Black Bear rechnete nicht mit einer Antwort. Sie wäre ein Zeichen mangelnden Mutes gewesen und kein Gefangener sprach ohne zwingende Not, wollte er sein Gesicht und den Stolz seines Stammes bewahren.

Thundering Words sah die Anwesenden ernst an. „Er wird schweigen. Doch wir müssen erfahren, was er weiß und was die vielen Soldaten des Südens hier oben im Norden wollen.“

Black Bear nickte. „So ist es und so werden wir ihn befragen.“

Bearclaw führte den Gefangenen zu einem abgelegenen Teil des Lagers und begann mit seiner Befragung. Es war jene nachdrückliche Form, die gleichermaßen von Weißen und Roten angewandt wurde und beruhte auf der Erkenntnis, dass Schmerz letztlich jede Zunge löste. Die Befragung währte nicht besonders lange. Manche Weiße behaupteten, Indianer würden keinen Schmerz kennen, doch dies war eine Legende. Ja, es gab Krieger, die starben, bevor sie sprachen. Meist, weil die Mittel der Befragung ein wenig zu nachdrücklich und forsch angewandt wurden. Es war eine besondere Fertigkeit, den Schmerz zu steigern, bis er die Zunge löste, noch bevor der Gequälte das Bewusstsein oder Leben verlor. Bearclaw besaß die erforderlichen Kenntnisse und er hatte nichts dagegen, dass etliche der Krieger und Jugendlichen seinen Handlungen beiwohnten.

Schließlich kehrte Bearclaw zu der kleinen Versammlung vor dem Langhaus des Häuptlings zurück und berichtete, was er in Erfahrung gebracht hatte. Man hörte ihm schweigend zu. Nur gelegentlich war ein leiser Laut der Überraschung zu hören. Als er endete stellten Black Bear und Thundering Words ein paar Fragen, denn was sie gehört hatten, betraf nicht nur den weißen Mann, sondern in erheblichem Umfang auch das rote Volk.

„Langmesser, Marschiereviel und Wagenkanonen und das in großer Zahl“, fasste Thundering Word zusammen. „Sie kommen nach Norden um den Krieg zu den blauen Soldaten zu bringen und sie kommen um Unfrieden unter den indianischen Völkern zu säen.“

„Der Krieg der Blauen und der Grauen geht uns nichts an“, meinte Black Bear nachdenklich, „doch der Unfrieden unter den Stämmen sehr wohl. Der Westmann Kit Carson sagte, dass rote Krieger für ihn kämpfen und nun wissen wir, dass andere rote Krieger für die Feinde der Blauen in den Krieg ziehen. Das scheint uns zunächst nicht zu berühren, doch wir müssen an die Zukunft denken. Besiegen die grauen Soldaten die blauen Soldaten, und haben die Cherokees für sie gekämpft, so kann es sein, dass die grauen Soldaten mit den Cherokees gegen die Völker der Sioux kämpfen. Wir fürchten die Cherokees nicht, doch wenn sie in Zukunft mit den Waffen der Weißen kämpfen und vielleicht sogar ihre Wagenkanonen besitzen, dann könnten wir in Bedrängnis geraten.“ Sein Blick traf Thundering Words. „Sage mir, großer Medizinmann, glaubst du, dass die grauen Soldaten uns besser behandeln würden, als die blauen Soldaten?“

„Es sind dieselben weißen Männer“, erwiderte der Angesprochene. „Sie tragen nur andere Kleider.“

„Ja, das fürchte ich ebenfalls. Die Gier nach unserem Land und die Verachtung für unsere Völker sind bei beiden gleich.“

„Es sind zu viele, um gegen sie zu kämpfen.“ Der Sprecher seufzte missmutig. „Es fehlt unserem Volk nicht an Mut, doch der Kampf gegen Tausende von Langmessern, Marschiereviel und Wagenkanonen, darunter viele Cherokee-Soldaten, ist für uns nicht zu gewinnen.“

„Wir sollten die Weißen in Ruhe gegeneinander kämpfen lassen.“ Der Sprecher, der älteste Krieger des Stammes, lächelte. „Danach werden sie zu schwach sein, um noch in unser Land einzudringen.“

Black Bear nahm die Pfeife entgegen, machte zwei genussvolle Züge und reichte sie dann weiter. „Ja, wir lassen sie gegeneinander kämpfen“, stimmte er zu und lächelte ebenfalls. „So, wie die grauen Weißen es auch vorhaben, wenn die Worte des Cherokee wahr sind.“

„Sie sind wahr“, bekräftigte Bearclaw. „Er ist in Ehre zu seinen Vorfahren gegangen.“

Thundering Words stieß seinen Medizinstab auf den Boden, so dass die Glöckchen erneut leise klingelten. „Ein Stück im Norden bin ich auf meiner Wanderung einem anderen Westmann der Weißen begegnet. Jonessy.“

Wide Eyes hob eine Augenbraue. „Jener Jonessy, den wir True Tongue, gerade Zunge, nennen?“

„Genau dieser“, bestätigte der Medizinmann. „Ein Weißer, den wir kennen und von dem wir wissen, dass man seinem Wort vertrauen kann.“

Die Anwesenden nickten beifällig. „Wild Bill“ Jonessy war einst Trapper gewesen und von den Hunkpapa-Sioux gefangen genommen worden. Man hatte ihm die Chance geboten um sein Leben zu laufen, ihm einen geringen Vorsprung gegeben und dann die besten Krieger zur Verfolgung aufgeboten. Jonessy war ihnen entkommen und die Sioux waren davon ausgegangen, ihn nie wieder zu sehen. Doch nur wenige Wochen später kehrte er in ihr Lager zurück. Alleine und mit zahlreichen Geschenken. Der unbestreitbare Mut des Weißen fand die Anerkennung der Sioux und Jonessy wurde einer der Wenigen, die in den Stamm aufgenommen wurden.

„Bruder, was hat Running Feet mit den grauen Soldaten und Cherokee zu schaffen?“

„Running Feet hat manches Mal zwischen dem roten und dem weißen Mann vermittelt. Er ist ein Freund unseres Volkes und auch ein Freund der Langmessersoldaten. Mancher Frieden wurde durch ihn erhalten.“ Thundering Words stieß den Medizinstab abermals auf den Boden. „Wir sollten ihm sagen, was wir in Erfahrung gebracht haben.“

„Wozu das?“

„Weil er die blauen Soldaten gegen die grauen Soldaten und ihre Cherokees führen wird“, kam die ruhige Erwiderung.

Zustimmendes Gemurmel erhob sich ringsum.

Black Bear erhob sich. „Jonessy und Carson mögen die grauen Soldaten nicht. Wenn Running Feet nicht selbst gegen die Grauen kämpft, so wird Carson dies tun. In jedem Fall wird sich einer von ihnen gegen die Bedrohung durch die Männer des Südens und die Cherokees wenden und der Frieden unseres Volkes bleibt bewahrt.“

„Wer soll Running Feet unsere Worte überbringen?“, erkundigte sich Wide Eyes.

Black Bear lächelte. „Kann es einen Zweifel daran geben, dass dies unser bester Späher sein wird?“

Kapitel 3 Kompanie H

Kompanie H des fünften Regiments der Wisconsin-Freiwilligen-Kavallerie bewegte sich im Eilmarsch. Nach den gültigen Armeevorschriften besagte dies, dass die Abteilung knapp fünfundzwanzig Meilen am Tag zurücklegen durfte, damit Mann und Pferd nicht zu sehr beansprucht wurden. Die Kompanie war vor über zwei Wochen aufgebrochen, hatte den Norden des Staates Iowa durchquert und bewegte sich inzwischen in Nebraska, entlang des Niobrarah River. Weitere zweihundert Meilen lagen vor den Soldaten, deren Ziel Fort Laramie war.

Man befand sich im Gebiet der Sioux, doch die Männer verließen sich auf eine Übereinkunft, die man vor wenigen Wochen mit ihnen geschlossen hatte und die den Kavalleristen freie Passage gewährte. Dennoch hatte Captain Sam Larner Kriegsmarsch befohlen. Kompanie H ritt in der üblichen Viererkolonne, doch mit Flankenschutz, Vorhut und Nachhut.

 

Eigentlich hatte Sam Larner das Alter für den aktiven Dienst längst überschritten. Ein grauer Vollbart umrahmte das faltige Gesicht, aus dem die grauen Augen oft genug sorgenvoll blickten. Larner hatte drei Söhne und einer von ihnen diente in der Rebellenarmee. Der Captain war daher erleichtert seinen Dienst im Indianergebiet zu versehen und nicht befürchten zu müssen, vielleicht gegen den eigenen Sohn kämpfen zu müssen.

Mit insgesamt siebenundsechzig Soldaten war die Kompanie deutlich unter ihrer Sollstärke, doch im Spätsommer des Jahres 1863 galt dies für die meisten Einheiten des Nordens und des Südens. Larner war froh das seine Männer inzwischen über einige Kampferfahrung verfügten und verhältnismäßig gut ausgerüstet waren. Jeder Kavallerist verfügte über seinen Säbel, Modell 1860, und einen Coltrevolver, Modell Navy. Lediglich mit den Karabinern war man nicht sehr glücklich. Obgleich die Schussleistung und Reichweite der Smith-Karabiner nicht hinter vergleichbaren Waffen zurücklag, erforderten die Waffen jedoch spezielle Patronen, die nur von der Firma Smith geliefert wurden. Die Hülsen dieser Patronen waren aus einer Gummimischung. Sie dehnten sich durch die Hitze des Abschusses aus und sorgten so für einen besonders dichten Gasverschluss und höhere Leistung, hatten gleichzeitig jedoch den Nachteil, dass sie immer wieder im Verschluss verklebten und umständlich entfernt werden mussten. In einem Gefecht, in dem es möglicherweise auf schnelles Feuern ankam, konnte sich das als entscheidender Nachteil erweisen.

Strikt nach Vorschrift ritt der Captain in Höhe der Mitte der rechten Flanke der Kolonne, dort, wo sich auch einer der Hornisten und der Wimpelträger aufhielten. Diese Formation sollte das Feldzeichen schützen, wenn Spitze oder Nachhut angegriffen wurden und brachte den Captain, seinen Trompeter und das Feldzeichen automatisch in die Mitte der Formation, wenn die Kompanie zum Gefecht einschwenkte. Die Reiter waren stolz auf den schwalbenschwanzförmigen Wimpel, der deutlich tiefer eingeschnitten war, als die vorherigen rot-weißen Feldzeichen. Er war dem Sternenbanner nachempfunden, allerdings waren die Sterne im blauen Feld, dem Union, in zwei konzentrischen Kreisen angeordnet. Vier von ihnen nahmen die Ecken ein. In der Mitte der Kreise war der Buchstabe „H“ aufgemalt, auf dem weißen Streifen unter dem Mittleren, der einfach zu wenig Platz dafür geboten hätte, der Schriftzug „5th Regt. Wisc. Vol. Cav.“. Sterne und Schriftzeichen waren in glänzender Goldfarbe aufgemalt.

An der rechten Flanke der Spitze der Kolonne ritt der zweite Offizier. Eigentlich sollte Kompanie H über vier Offiziere verfügen, aber der Mangel an Offizieren war noch weit gravierender, als der an Mannschaften. Der Second-Lieutenant, der offiziell den zweiten Zug befehligte, war eine Besonderheit, denn Mark Dunhill war mit seinen sechzehn Jahren wohl der jüngste Offizier in der Kavallerie der Union. Es gab zwei Gründe, warum er diesen Rang in so jungen Jahren innehatte: Eine Tat besonderer Tapferkeit und der Umstand, dass die Union Helden benötigte, um weitere Rekruten für den Ruf zu den Fahnen zu begeistern. Es gab einige Skepsis ob der junge Dunhill seiner Aufgabe gerecht werden würde. Immerhin stammte er aus einer alten Soldatenfamilie. Sein Vater Matt diente bei der regulären fünften U.S.-Kavallerie und war Träger der Ehrenmedaille des Kongresses.

Sam Larner zog die bauchige Taschenuhr aus seiner Weste hervor und ließ den Deckel aufspringen. „Cardigan, Zeit für die Rast.“

Trompeter Cardigan setzte sein C-Horn an und das Signal „Halt“ wurde hörbar. Hier, mitten im Indianergebiet, ließ Larner es mit voller Absicht blasen, denn es gab keinen Grund, sich zu verstecken. Für den Captain war es ein Vertrauensbeweis, denn auch wenn man einen Friedensvertrag mit den Sioux hatte, würden diese die Kompanie sehr genau im Auge behalten.

Mark Dunhill warf einen kurzen Blick auf den neben ihm reitenden zweiten Trompeter, seinen Freund Luigi Carelani, schüttelte kurz den Kopf, dass eine Wiederholung des Signals nicht erforderlich sei und hob den Arm, um den Halt zu befehlen. Von hinten tönte jetzt der „Watering Call“ und wies darauf hin, dass Larner eine längere Tränkepause einlegen wollte. Da die Kompanie dem Verlauf des Flusses folgte, war die Gelegenheit günstig. Rufe gingen die Truppe entlang. „Eine Stunde Rast, Männer! Eine Stunde! Versorgt die Pferde und lasst sie grasen, dann kümmert euch um euch selbst!“

Man würde die Pferde mit kurzen Leinen zwischen ihren Vorderläufen binden, so dass sie kleine Schritte machen und sich ihr Futter suchen konnten. Das schonte die mitgeführten Vorräte in den Futtersäcken.

„Absitzen“, befahl Mark. „Erst die Pferde tränken und denkt daran, ihnen das Zaumzeug abzunehmen.“

Bei der Kavallerie kamen die Pferde stets zuerst, doch es gab Reiter, die diesen Grundsatz nicht immer beachteten. Die Sergeants waren angehalten jeden Verstoß sofort zu ahnden.

Mark ließ sich aus dem Sattel gleiten und machte sich daran, seinem Braunen die Trense abzunehmen. Neben ihm ertönte Hufschlag. Captain Larner kam mit Hornist Cardigan und Corporal Tanner heran, der den Wimpel führte. Als die Gruppe absaß, rammte der Corporal die Lanze fest in den Boden, damit der wehende Wimpel die Position des Kompanieführers anzeigte.

„Luigi, besorgst du uns Kaffee?“, bat Mark den Italiener.

„Naturlich, Commandante“, antwortete der lächelnd.

Mark war mit Fünfzehn heimlich von zu Hause ausgerückt, um, wie sein Vater, für die Union zu kämpfen. Trommler, Pfeifer und Hornisten wurden schon mit zwölf Jahren in den Dienst genommen und Mark hatte sich mit einigen Männern angefreundet, die gemeinsam mit ihm rekrutiert worden waren.

Neben Trompeter Luigi Carelani waren dies Patrick „Paddy“ Donelson, ein schlanker Rothaariger aus Irland, der nur unwesentlich älter als Mark war, dann der stämmige Bill Jefferson, der aus Brooklyn stammte und wohl eine Vergangenheit in einer der zahlreichen Straßengangs aufwies sowie Hermann, ein Deutscher aus Baden, der mit dreißig Jahren der Älteste der Freunde war. Sie alle freuten sich über Marks unerwartete Beförderung und gelegentlich fiel es ihnen schwer, die vorgeschriebene Distanz zwischen einem Offizier und einfachen Mannschaften aufrecht zu erhalten. Andererseits waren die Umgangsformen in den Freiwilligen-Einheiten oft weniger steif, als in den regulären U.S.-Regimentern.

Ringsum wurde Zaumzeug abgenommen, Sattelgurte gelockert und die Pferde ans nahe Flussufer geführt. Die ersten Männer begannen Knüppelholz zu sammeln, um rasch kleine Kochfeuer anzulegen, damit man den starken Kaffee brühen konnte. In Marks unmittelbarer Nähe sammelten sich seine Freunde. Hermann füllte Kaffeebohnen in einen Stoffbeutel und zerdrückte sie mit dem Kolben seines Karabiners. Patrick würde ein großes Stück Zucker beisteuern. Von den Verschlussriemen der schwarz geteerten Brotbeutel, der Haversacks, wurden die einfachen Metallbecher gelöst. Jene Männer, die als Wachen postiert waren, würden bald abgelöst werden, damit sie ebenfalls Pferde und sich selbst versorgen konnten.

Sam Larner trat zu Mark. Er öffnete die braune Lederhülse in der sich die Militärkarte befand. Sie gab die geografischen Gegebenheiten recht genau wieder, wobei jeder Offizier angehalten war, sie durch eigene Beobachtungen zu ergänzen. Die Karte verzeichnete auch die Stammesgebiete, doch in diesem Punkt war Vorsicht geboten, denn die Grenzen konnten sich, durch Rivalitäten der einzelnen Völker und Stämme untereinander, rasch verschieben.

Der alte Captain, der für Mark längst zu einem väterlichen Freund geworden war, entrollte die Karte und zog einen kleinen Kompass hervor. Ein erneuter Blick auf die Uhr und den Stand der Sonne, und Larner steckte die dickbauchige Taschenuhr zurück. Stattdessen zog er nun Tabaksbeutel und Pfeife hervor, stopfte sie und zündete sie mit einem Schwefelholz an. Das alles geschah schweigend und der Captain paffte genüsslich ein paar Züge, während Mark neben ihm saß und geduldig wartete.

Sie beide kannten sich nun ein gutes Jahr und hatten sich gegenseitig schätzen gelernt. Trotz seiner Jugend genoss Mark das Vertrauen des Älteren. Wo dem Sechzehnjährigen die Erfahrung fehlte war First-Sergeant Heller, ein ehemaliger Trapper, zur Stelle, um darauf zu achten dass Mark keine gefährlichen Fehler unterliefen. Es war ein übliches Verfahren, dass erfahrene Sergeants jungen Offizieren zur Seite standen. Jene Lieutenants, die auf ihre Sergeants hörten, hatten gute Chancen zu ausgezeichneten Offizieren zu werden.

„Iste heiß und stark, Capitan“, radebrechte Luigi und reichte Larner einen gefüllten Becher.

Der dankte mit einem freundlichen Lächeln und nippte vorsichtig, um sich nicht zu verbrühen. Etliche Männer saßen jetzt an den Kochstellen, tranken Kaffee und nahmen einen kurzen Imbiss zu sich, der aus Hardtacks und Hartwurst bestand. Die Hardtacks, der berühmte und berüchtigte „Zwieback“ der Armee, bestand aus fingerdickem, luftgetrockneten Teig aus Wasser, Mehl und etwas Salz. Nach einiger Zeit war er so hart, dass man ihn brechen oder einweichen musste und es gab Männer die felsenfest behaupteten, er wäre in der Lage feindliche Kugeln aufzuhalten.

„Schätze, noch gute zweihundert Meilen bis Laramie“, meinte Sam Larner. „Ich bin gespannt was uns dort erwartet. Was ist Ihre Einschätzung, Mark?“

Sam Larner wollte keine Untergebenen die nur stur ihren Befehlen folgten. Er teilte sein Wissen mit seinen Offizieren und Unteroffizieren und stellte sie in die Verantwortung, sich eigene Gedanken zu machen. So lernte man sich gegenseitig kennen und wusste, dass man sich aufeinander verlassen konnte.

„Wir sind weit von unserem Regiment entfernt“, antwortete Mark nach kurzem Zögern. „Eigentlich ist es ungewöhnlich, dass man einzelne Kompanien von ihrem Stammregiment trennt und so weit hinaus schickt. Also, jedenfalls bei Freiwilligenregimentern und während eines Krieges, da die Teilung von Einheiten immer auch eine Schwächung bedeutet.“

Larner nickte. „Nun, von Ihrem Vater wissen Sie ja, dass reguläre Truppen durchaus weit verstreut ihren Dienst versehen müssen. Aber ich wollte wissen, was Sie vermuten.“

„Was ich vermute, Sam? Dass Jemand dabei ist möglichst schnell eine Truppe zusammenzukratzen. Ich würde mal schätzen, dass es irgendwo brennt und man nicht die Reserven verfügbar hat, um komplette Regimenter aufzubieten. Also behilft man sich mit Flickwerk.“

Larner lachte. „Yeah, ich schätze auch, dass wir Bestandteil einer bunten Patchwork-Truppe werden. Was vermuten Sie, Mark? Probleme mit Rebellen an der Westküste?“

„Nein, Sir. Bis wir uns durch die Wildnis gequält haben, hätte man längst Truppen auf dem Seeweg verschiffen können.“

„Hm, mag sein. Aber ich befürchte eher, dass es irgendwo wieder ein Indianerproblem gibt. Dabei müssten die Roten doch inzwischen begriffen haben, dass der Abzug der U.S.-Truppen aus den Forts ihnen keinen Vorteil geboten hat. Inzwischen sind dort längst Volunteers eingerückt und meist sind deren Einheiten noch wesentlich stärker, als die alte Garnison.“

„Und sie sind rücksichtsloser“, murmelte Mark. „Mein Vater Matt hat immer wieder gesagt, die regulären Truppen hätten ein Interesse daran, den Frieden zu bewahren, während Freiwillige oft jede Gelegenheit nutzen, um sich mit den Indianern anzulegen.“

„Freiwillige dienen meist in den Regionen, in denen sie auch als Zivilisten leben. Da hat sich im Verlauf der Jahre so Einiges gegen die Indianer angestaut.“

„Reiter aus Westen nähert sich!“, wurde ein Ruf hörbar, der von anderen Männern aufgenommen und weitergeleitet wurde. Einige der Kavalleristen erhoben sich und sahen dem Unbekannten neugierig entgegen.

Corporal Tanner zog die Wimpellanze aus dem Boden und hob das Feldzeichen ein wenig an, damit der fremde Reiter es besser erkennen konnte.

„Einer von uns“, kommentierte Bill Jefferson, der für die Schärfe seiner Augen bekannt war.

Es gehörte eine Menge Mut dazu, alleine zu reiten. Ein Pferd konnte stürzen, es gab Banditen, gefährliches Raubwild und es gab immer wieder Indianer, die sich, trotz bestehender Verträge, vielleicht als Krieger bewähren wollten.

Der Reiter hatte ein Reservepferd dabei, trug Lederkleidung, aber einen schwarzen Militärhut mit der gelben Quastenschnur der Kavallerie. Er erkannte den Wimpel und trabte nun auf diesen zu.

 

„Logan“, stellte er sich vor. „Zivilscout. Ist das hier die fünfte Wisconsin?“

„Zumindest ihre H-Kompanie“, bestätigte Larner und reichte Logan die Hand.

Der Scout nahm dankbar einen Becher Kaffee entgegen und langte dann in seine große braune Umhängetasche. „Wusste nicht, ob ich Sie noch abfangen kann. Musste vorher noch eine andere Einheit suchen. Habe Befehle für Sie, Captain.“

„Nun, Sie werden wohl schwerlich zum reinen Vergnügen durch das Indianergebiet reiten, Mister Logan. Aber jetzt stärken Sie sich erst einmal.“ Larner deutete auf einen freien Platz und öffnete den versiegelten Umschlag, den Logan ihm überreicht hatte. Er entfaltete das Schreiben, las es, las es erneut und ließ es dann sinken. „Cardigan, blasen Sie den Offiziers-Ruf.“

Eigentlich galt das Signal nur Offizieren, doch in diesem Fall versammelte es die Sergeants der Kompanie bei ihrem Captain. Larner wartete, bis Heller und die anderen vier Sergeants eingetroffen waren, bevor er ihnen allen mitteilte, was die neuen Befehle besagten.

„Nun, Gentlemen, die neuen Orders besagen, dass wir nicht bis Laramie marschieren müssen. Stattdessen geht es noch gute zwanzig Meilen den Niobrarah entlang. An der Einmündung des Snake River sollen wir mit weiteren Unionstruppen zusammentreffen, die sich dort unter dem Kommando von Brigade-General Jonessy versammeln.“

„Jonessy?“ Die Frage kam von First-Sergeant Heller, dem ehemaligen Trapper. „Reden Sie hier von „Wild Bill“ Jonessy, Sir?“

„Nun, hier steht nichts von einem „Wild Bill“, aber der Mann soll William Jonessy heißen“, antwortete Larner.

Heller nickte. „Dann ist es Wild Bill.“

„Sie kennen ihn, Jim?“

„Ein verdammt guter Westmann und Fallensteller, Sir“, meinte der First-Sergeant. „War mal zusammen mit ihm und einer Jagdgruppe in den Black Hills. Er mag nicht so bekannt wie Bill Hickock sein oder dieser Buffalo Bill Cody, aber es gibt kaum einen besseren Westmann. Wusste nicht, dass er jetzt bei der Armee gelandet ist.“

„Nun, das geht wohl einigen so“, kommentierte Mark. Heller grinste breit, da er die Anspielung verstanden hatte.

„Sagen Sie, Mister Logan, wissen Sie zufällig warum Jonessy eine Truppe versammelt? So weit entfernt von jeder Garnison? In den Befehlen steht nichts darüber.“

Logan schlürfte von seinem Kaffee. „Es heißt dass die Rebellen sich mit einigen Indianern verbündet haben und vom Süden in den Norden vorstoßen.“

„Verdammt“, knurrte Larner. „Genau das, was wir schon vor Monaten befürchtet haben. Sagen Sie, Mister Logan, haben Sie unterwegs irgendwelche Anzeichen für Unruhe unter den Sioux beobachten können?“

„Ein paar Jagdtrupps, aber nichts was auf Kriegsvorbereitungen hindeutet.“ Logan zuckte mit den Schultern. „Allerdings bemerkt man das bei den Roten häufig erst dann, wenn es zu spät ist.“

Sam Larner breitete erneut die Karte aus. „Wenn wir uns an der Einmündung des Snake versammeln sollen, dann kommen die Rebellen nicht aus Missouri, denn dann hätte man uns befohlen, uns weiter im Südosten zu treffen. Ich vermute also, dass die Konföderierten und ihre indianischen Verbündeten von Kansas herauf kommen. Möglicherweise sogar aus Texas. Nebraska ist keine schlechte Wahl für sie. Es gibt nur wenige größere Unionsgarnisonen. Buchanan und Grattan sind die beiden größten. Die liegen am Platte River. Wir sind hier am Niobrarah River, oben im Norden von Nebraska. In der Mitte liegen die ausgedehnten Sand Hills und im Süden unten der Platte River. Wenn die Rebellen ihn erreichen, dann können sie sich westlich gegen Grattan oder östlich gegen Buchanan wenden. Verdammt, sie können auch weiter nach Norden zu den Sand Hills marschieren.“ Larner fuhr mit dem Finger ein paar Stellen entlang. „Im Osten könnten sie Nebraska City oder Omaha City zum Ziel nehmen und im Westen bis nach Laramie vorstoßen. Auf jeden Fall könnten sie Versorgungswege, Eisenbahn und Telegrafenverbindungen der Union empfindlich stören.“ Der Captain seufzte. „Ganz abgesehen davon, welchen Unfrieden sie unter den indianischen Stämmen auslösen würden.“

„Was möglicherweise ihre hauptsächliche Absicht ist“, stimmte Mark missmutig zu. „Äh, Mister Logan, woher weiß man von diesem Vorstoß der Konföderierten?“

„Eine gute Frage.“ Sam Larner nickte. „Das würde mich auch interessieren? Eine Vermutung, Mister Logan?“

„Ich bin nur ein einfacher Zivilscout und überbringe gelegentlich Meldungen und Befehle. In militärische Geheimnisse werde ich nicht eingeweiht.“ Der Scout lächelte erneut. „Aber es heißt, die Information sei über den Telegrafen aus Washington gekommen.“

„Aus Washington?“ Mark Dunhill schüttelte ungläubig den Kopf. „Woher wollen die das erfahren haben?“

Jim Heller räusperte sich. „Wir haben unsere Agenten im Süden und der Süden hat seine Agenten bei uns. Von den verschiedenen Sympathisanten abgesehen, die ihre Beobachtungen melden.“

Sam Larner schwenkte seinen Becher und kippte den Sud aus. „Wie immer man auch davon erfahren haben will… Wenn die Informationen zutreffen, dann ist es eine gefährliche Situation. Da Jonessy eine Truppe an der Einmündung des Snake sammelt, will er sich offensichtlich verschiedene Optionen offen halten. Von dort kann er nach Westen, Süden oder Osten gehen. Wahrhaftig, ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Es wird verdammt viel davon abhängen, die Rebellen aufzuspüren und sich ihnen rechtzeitig entgegen zu stellen.“ Larner klopfte seine geliebte Pfeife aus. „Nun, wir sollten zusehen, dass wir möglichst bald zu Jonessy stoßen. Mark, wir brechen auf. Mister Logan, was ist mit Ihnen?“

„Meine Befehle lauten ebenfalls mich Jonessy anzuschließen. Wenn Sie also nichts dagegen haben, dann begleite ich Sie, Captain.“

„Nichts dagegen? Verdammt, Mister, ich bin über jeden erfahrenen Scout froh, den ich bekommen kann. Fühlen Sie sich herzlich eingeladen, mit uns zu reiten.“