Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel

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Aus der Reihe: Die Pferdelords #5
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Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel
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Michael Schenk

Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55 Karte „Pferdelords – Die Völker“

Kapitel 56 Karte „Umbriel, die Insel der Schwärme der See“

Kapitel 57 Personenregister

Kapitel 58 Einige Maßeinheiten und Definitionen

Kapitel 59 Vorschau "Pferdelords 6 – Die Paladine der toten Stadt"

Impressum neobooks

Kapitel 1

Michael H. Schenk

Die Pferdelords 5

- Die Korsaren von Umbriel -

Fantasy-Roman

© Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020

Vorwort

Die Leserschaft der Serie „Die Pferdelords“ wird im ersten Roman eine große Nähe zu den Verfilmungen von „Der-Herr-der-Ringe“ feststellen. Dies war eine Bedingung des damaligen Verlages, meine auf zwölf Bände festgelegte Reihe überhaupt zu veröffentlichen, da man sich dadurch einen größeren Umsatz versprach. Ich stand also vor der Wahl, nicht veröffentlicht zu werden oder mich dieser Forderung zu stellen. Ich entschied mich für meine „Pferdelords“ und nahm einen raschen Genozid an ihren ursprünglich gedachten Feinden, den Walven, vor, um diese durch die Orks zu ersetzen. Man möge mir diesen Eigennutz verzeihen, doch damals war dies der einzige Weg, meine Pferdelords in den Sattel zu heben.

Die Pferdelords bieten detailreiche und spannende Abenteuer, in der die Völker mit ihrer jeweils eigenen Geschichte und Kultur zum Leben erweckt werden. Wem die tatsächlichen oder scheinbaren Wiederholungen von Beschreibungen in den Bänden auffallen, der wird feststellen, dass sie die Entwicklung der Völker und ihrer Siedlungen aufgreifen, denn bei den insgesamt zwölf Bänden handelt es sich um eine Chronologie. Im Lauf der Zeit entsteht aus dem Tauschhandel eine Währung, aus dem schlichten Signalfeuer ein kompliziertes optisches Instrument, man entdeckt das Schießpulver und die Dampfmaschine sowie schließlich sogar das Luftschiff. Man begleitet den Knaben Nedeam, der schon bald als Schwertmann und Reiter und schließlich sogar als Pferdefürst an der Seite seiner Freunde steht. Man begleitet den ehrenhaften Orkkrieger Fangschlag und auch dessen hinterlistigen Gegenspieler Einohr.

Meine Leser begegnen alten und neuen Völkern, doch selbst jenen, die man zu kennen glaubt, gewinne ich manche neue Seite ab.

Es erwartet Sie also eine spannende Saga um mein Pferdevolk und ihre Freunde und Feinde.

Die Pferdelords-Reihe:

Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks

Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge

Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes

Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen

Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel

Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt

Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne

Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen

Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes

Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes

Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak

Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken

Mein Dank gilt dem Verlag WELTBILD, der es mir ermöglichte, die von ihm lektorierten Manuskripte für die weiteren Veröffentlichungen als e-Book zu verwenden und so dazu beitrug, dass diese Serie weiterhin im Handel erhältlich ist.

Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.

Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen

Michael H. Schenk

Hinweis:

Kapitel 55: Karte der Völker, der Pferdelords-Reihe

Kapitel 56: Detailkarte "Umbriel, die Insel der Korsaren"

Kapitel 57: Personenregister

Kapitel 58: Einige Maße und Definitionen

Kapitel 59: Vorschau auf "Die Pferdelords 6 – Die Paladine der toten Stadt"

Zu einer Zeit, die selbst die Elfen nicht benennen konnten, war dies ein

beeindruckender Berg gewesen. Mit seinem hohen Kegel hatte er das Land

 

weit überragt. Dann hatten Beben die Erde erschüttert, und der hohe Berg war

unter einer Wolke aus Feuer und Asche verschwunden. Glühendes Gestein

war seine Flanken hinabgeflossen und das Land war für lange Zeit in

Finsternis versunken, bis irgendwann die Sonne erneut hervorbrach. Aber das

Antlitz der Erde hatte sich gewandelt, und an die Stelle des hohen Bergkegels

war ein großer Krater getreten, dessen Wände steil abfielen und an dessen

Grund sich gelblich-grüne Nässe sammelte. Wieder verging eine lange Zeit,

und die Erosion forderte ihren Tribut. Ein kleiner Teil der Kraterwand gab

nach, stürzte ein und das Wasser des die Ebene durchziehenden großen

Flusses strömte in den Krater und bildete dort einen kristallklaren See. Viele

Menschenalter später gab es den Krater und seinen See noch immer, aber sein

Anblick hatte sich abermals gewandelt.

Wenn man sich dem Berg von weit her näherte, sah er nun wie ein flacher

Kegel aus, dessen Spitze abgetrennt war. Der scharfkantige Fels wies die

verschiedensten Schattierungen von Schwarz über Grau bis Braun auf und

stieg vom Fuß des Berges immer steiler an. Oben, auf dem Rand des Kraters,

erhob sich in strahlendem Weiß das typische glatte Mauerwerk menschlicher

Baukunst: eine hohe und massive Wehrmauer, die sich um den gesamten

Krater herumzog und von achteckigen Türmen mit Plattformen unterbrochen

war, auf denen schwere Katapulte und Dampfkanonen standen. Überragt

wurde diese Anlage von dem gewaltigen Turm, der sich inmitten des

Kratersees auf einer Insel erhob. Aufgrund seiner enormen Höhe wirkte er

trotz seines beachtlichen Durchmessers schlank und filigran; seine Wände

waren durchbrochen von zierlich wirkenden Balkonen und Brüstungen und

seine Spitze endete in einer metallenen Schüssel, in der das Signalfeuer der

Stadt entzündet werden konnte.

Der Turm war umgeben von säulengetragenen Gebäuden und Grünflächen.

Hier wirkten König und Kronrat des Reiches von Alnoa. Geschwungene

Brücken führten über den großen Kratersee hinweg zu dessen Ufern. Dort

lagen die Häuser der Stadt, die dem Verlauf der Kraterwände folgten.

Ringförmig in übereinanderliegenden Terrassen angeordnet, vermittelten sie

den Eindruck, sie seien die Zuschauer in einem riesigen Amphitheater, dessen

Bühne der Königspalast mit dem Signalfeuer bildete. Bei den Gebäuden

dominierte der weiße Stein, den die Bauherren des Reiches bevorzugten,

weshalb man die Stadt auch die »Weiße Stadt« nannte. Sie war die Hauptstadt

des Königreiches von Alnoa und trug den Namen Alneris.

Kein Feind hatte seinen Fuß je in die Stadt setzen können, obwohl man es

versucht hatte. Vor vielen Jahreswenden war eine starke Armee des

Schwarzen Lords auf den Feldern erschienen, die Alneris umgaben. Die

mächtigen Katapulte der Orks hatten den Verteidigungsanlagen Schaden

zugefügt, aber diese hatten standgehalten, bis die Beritte der Pferdelords den

Menschen des Reiches Alnoa zu Hilfe kamen und die Rettung brachten.

Es gab nur einen Zugang zur Stadt, dort, wo einst ein Teil der Kraterwand

eingestürzt war und sich nun der große Fluss in den Kratersee ergoss. Aber

diese Zufahrt zum Hafen von Alneris, der im Innern des Kraters gelegen war,

und die gepflasterte Straße, die daran entlang in die Stadt hineinführte, waren

durch schwere Tore und mächtige Batterien geschützt.

Der Fluss Genda verband die Stadt mit dem offenen Meer, und der träge

wirkende, aber tückische Strom erreichte rasch eine Breite von zwanzig

Tausendlängen. Erst nach rund vierhundertfünfzig Tausendlängen mündete er

in die riesige Bucht von Gendaneris, wo die gleichnamige Hafenstadt die

Zufahrt schützte. Von Alneris aus gesehen erhoben sich am linken Ufer die

massigen Formen des südlichen Gebirges von Hesparat und bildeten eine Art

natürliche Grenze zum verlorenen Reich der alten Könige. Am rechten Ufer

öffnete sich das Land, das zum Königreich Alnoa gehörte.

Es war ein reiches Land, mit riesigen Wäldern und fruchtbaren Ebenen.

Ein Land, das ein Leben im Überfluss ermöglichte. Die Bäume waren groß

und ausladend und hatten eine weiße Rinde, die nur gelegentlich von dunklen

Flecken bedeckt war. Diese Bäume hatten dem Königreich den Beinamen des

»Reiches der weißen Bäume« eingetragen. Ihr Holz war stark und fest, und so

waren auch die Schiffe des Reiches Alnoa stark und fest.

Die »Shanvaar« hatte den Hafen von Alneris vor einer Tageswende

verlassen und fuhr nun den Fluss entlang in Richtung Gendaneris.

Großkapitän Gort ta Mergon stand an der Reling des Brückenaufbaus am

Heck seines Schiffes und wagte es kaum, die hölzerne Einfassung zu

berühren. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab, und Holz und

Metall der Aufbauten hatten sich unangenehm aufgeheizt. Der adlige

Großkapitän beneidete seine Matrosen nicht, die barfüßig über die Planken

des Schiffes hasteten oder an der Takelage in die Masten aufenterten.

Die »Shanvaar« gehörte zu den Neubauten der alnoischen Marine, und dies

war ihre erste Feindfahrt. Gort ta Mergon fieberte dem Aufeinandertreffen mit

dem Gegner ebenso entgegen wie seine Offiziere und die Besatzung und er

war froh, in seinem Ersten Offizier und einigen der Matrosen erfahrene

Seeleute an Bord zu haben. Es war nicht leicht für ihn gewesen, das

Kommando zu erhalten, und viele beneideten ihn nun zu Recht um dieses

Schiff.

Die »Shanvaar« maß fast vierzig Längen von Bug bis Heck und war

knappe sechs Längen breit. Der hölzerne Rumpf bestand aus dicken Planken

des Weißbaums und war unterhalb der Wasserlinie mit Platten aus Gold

beschlagen, die einen Bewuchs des Unterwasserschiffes mit Algen und

Muscheln verhindern sollten. Der Bug war unter Wasser mit einer langen

Ramme, von Metallplatten verstärkt, versehen und nach oben hin sanft

ausgezogen. An seinem Ende zeigte er das Wappen des Reiches Alnoa, drei

weiße Bäume auf grauem Grund. In der Mitte des Schiffes stand der

Hauptmast, der an seinem Ende mit der Querstange für das Hauptsegel und

der Ausguckplattform versehen war. Ein zweiter, wesentlich kleinerer Mast

ragte vor der Brücke am Heck auf. Masten und Segel wirkten für ein

Segelschiff ausgesprochen bescheiden und schienen kaum in der Lage, der

»Shanvaar« Geschwindigkeit zu verleihen. Doch sie waren auch nur für den

Notfall gedacht, denn das Kampfschiff wurde von einem Brennsteinantrieb

bewegt.

Ungefähr in der Mitte des Rumpfes war unter Deck die wuchtige

Konstruktion des Brennsteinkessels verborgen, in dem aus Wasser Dampf

gebildet wurde, welcher das Schiff antrieb und zugleich seine gefährlichste

Waffe bildete. Von der Brennsteinmaschine liefen rechts und links je eine

armdicke Metallwelle zur jeweiligen Seite des Schiffes, um dort in einer

großen metallenen Scheibe zu enden. An einem Außenpunkt der Scheibe war

jeweils eine lange Stange befestigt, die zu den Gegenstücken der Scheiben am

Heck der »Shanvaar« führten. Dort, unter der hinten überstehenden Brücke,

drehte sich das gewaltige Schaufelrad, welches das Wasser des Flusses mahlte

und dabei das Schiff vorwärtsschob.

Der Dampfantrieb durch Brennstein war neu, und nicht jeder Seemann in

Alnoa war davon angetan, denn die Maschine im Bauch des Schiffes stampfte

und dröhnte, strahlte Hitze in den Rumpf und musste stets mit Wasser und

Brennstein versorgt werden.

Auch Halblar, der Erste Offizier der »Shanvaar«, hatte sich mit dem

lärmenden Antrieb noch nicht anfreunden können. Nur seine Freundschaft zu

dem adligen Kapitän hatte ihn bewogen, mit an Bord zu gehen. Als er nun

neben seinen Freund trat und die Hände automatisch auf die Reling der

Brücke legte, stieß er einen halblauten Fluch aus und zog die Finger hastig

zurück. »Verfluchte Hitze. Hier oben ist es auch nicht viel besser als unten im

Rumpf. Dabei dachte ich, die Maschine sei nicht zu überbieten. Ich frage

mich, wie unsere Brennsteinmänner es da unten aushalten.«

»Sie sind es gewöhnt.« Gort ta Mergon nahm den Helm mit den beiden

Federn eines Großkapitäns vom Kopf und wischte sich den Schweiß von der

Stirn. »Und die es nicht gewöhnt sind, werden es bald sein.«

»Wie kann man sich an solchen Lärm und solche Hitze gewöhnen?«

Halblar schüttelte verächtlich den Kopf. »Ich sage dir, Gort, mein Freund, ich

vermisse den erfrischenden Druck des Windes in den Segeln, das leise

Flappen der Leinwand und das Knarren des Tauwerks.«

»Auch wir haben knarrendes Tauwerk«, brummte ta Mergon schmunzelnd

vor sich hin.

»Ja. Aber ansonsten hört man nur dieses Stampfen und Zischen.« Halblar

wies hinter sich zum Heck. »Und das Klatschen des Schaufelrades. Ich kann

nachts ja nicht mehr schlafen.«

»Auch du wirst dich an den Lärm gewöhnen.« Der Großkapitän sah seinen

Freund lächelnd an. »Immerhin macht uns die Brennsteinmaschine

unabhängig vom Wind, mein Freund. Während der Feind fahrtlos in den

Wellen liegt und auf Wind hofft, können wir manövrieren und ihn

vernichten.«

Halblar spuckte ins Wasser. »Doch wenn er Wind hat, fährt er uns davon.«

Er schlug seufzend auf die Reling und verzog erneut das Gesicht. »Jeder wird

uns davonfahren, mein Kapitän. Gegen einen fahrenden Segler kommen wir

nicht an.«

»Wir fahren nur mit halber Kraft«, tröstete ta Mergon. »Warte, bis wir den

Kessel ordentlich geheizt haben, dann wirst du sehen, dass die ›Shanvaar‹ wie

ein elfisches Pfeilschiff über die Wellen fliegt.«

Halblar sah sich kurz nach eventuellen Zuhörern um und gab dann einen

obszönen Laut von sich. »Ich weiß, Gort, du liebst dieses Schiff und hast um

das Kommando gekämpft, aber du hättest einen der schnellen Kampfsegler

wählen sollen. Mit diesem Brennsteinkessel unter unseren Füßen werden wir

den Feind nicht einholen können, und wenn es eng wird, können wir ihm auch

nicht davonfahren.« Er lachte freudlos. »Außer vielleicht bei Windstille.«

Die Worte seines Freundes begannen Gort zu ärgern. »Du verschließt dich

der neuen Zeit, Halblar. Der Brennstein verleiht unserem Schiff besondere

Kraft.« Er wies nach vorne in Richtung Bug. Dort, vor dem vorderen Mast,

stand der runde Turm für die Hauptwaffe des Schiffes. »Und unserer

Dampfkanone vermag kein feindliches Schiff standzuhalten.«

»Wenn sie denn trifft und der Feind lange genug stillhält.«

»Halblar.« Gorts Stimme verriet seinen Unmut und ermahnte den Freund,

nun besser einzulenken. Der Großkapitän wies über den Fluss. »Mit einem

Kampfsegler kannst du bei diesem schwachen Wind kaum manövrieren, doch

die ›Shanvaar‹ schafft dies mühelos. Und wenn wir die Kraft des Dampfes

zum Geschütz leiten, wird sein Geschoss jeden feindlichen Schiffsrumpf

zerschmettern.« Gort sah den Freund eindringlich an. »Auf eine Entfernung,

in der kein feindliches Katapult uns treffen kann.«

Der Dampf aus dem Brennsteinkessel trieb sowohl das mächtige

Schaufelrad als auch das Geschütz an. Man musste am Kessel nur einen

schweren Ventilhebel umlegen, damit der Dampf nicht mehr auf die

Antriebswelle traf, sondern durch die vordere Dampfleitung das Geschütz

erreichte. Dort wurde der Druck in einer Kammer des Geschützrohres

gesammelt, bis er groß genug war, um das schwere Kugelgeschoss aus dem

Geschützlauf zu treiben. Der Vorgang benötigte eine gewisse Zeit, in der man

 

das Ziel im Visier halten musste. Zudem war das Schiff in diesen

Augenblicken ohne Antrieb, aber die Konstrukteure schworen, dass dies nicht

sonderlich ins Gewicht fallen würde. Gort ta Mergon war geneigt, ihnen zu

glauben, denn die schweren Dampfkanonen der Stadtverteidigung hatten sich

bereits bewährt. Aber es behagte ihm nicht, sein Schiff im Gefecht ohne

Antrieb zu sehen, und wenn es auch nur für Augenblicke war. Denn diese

Momente konnten einem Feind genügen, um die »Shanvaar« mit einem Hagel

von Katapultgeschossen einzudecken oder sie sogar zu rammen.

Das Hauptsegel flappte lustlos im Wind. Die Brise war zu schwach, um

das Segel zu füllen, zumal das Schaufelrad das Schiff vorantrieb. Im Grunde

war die Leinwand im Augenblick nutzlos und hemmte vielleicht sogar ihre

Fahrt, aber Gort konnte sich nicht dazu entschließen, die Segel einholen zu

lassen. Immerhin spendeten sie etwas Schatten und brachten Linderung von

der brütenden Sonne.

Einige der Matrosen sangen eine der alten Seefahrerweisen, und Halblar

stimmte leise summend ein. Die Stimmung der Mannschaft war gut. Sie war

froh, endlich der Enge des Hafens entronnen zu sein und sich auf dem großen

Fluss zu bewegen. Vielleicht ergab sich sogar die Gelegenheit, ein Stück aufs

Meer hinauszufahren. Einst war das die Bestimmung der Seeleute von Alnoa

gewesen, als die Schiffe des Königreiches noch Handel mit weit entfernten

Ländern getrieben hatten. Doch diese Zeit war vorbei, denn eines Tages war

die Brut der Schwärme erschienen und hatte begonnen, das Meer mit ihren

schwarzen Schiffen zu bedecken. Zunächst waren es nur wenige Korsaren

gewesen, und die Marine von Alnoa hatte sie noch aufhalten können, aber

dann waren die Schiffe des Feindes immer zahlreicher geworden. Nun

gehörte das Meer den Schwarmschiffen der Korsaren, und die Schiffe der

Menschen befuhren nur noch die küstennahen Gewässer. Nur die Elfen

trauten sich, so sagte man zumindest, gelegentlich noch aufs Meer hinaus.

Aber Gerüchte gab es viele, und Elfen waren nicht weniger verwundbar als

ein Mensch. Nein, die Korsaren beherrschten die Wasser, so wie die Reiche

der Menschen, Elfen und Zwerge das Land beherrschten.

»Wasserwirbel rechtsweisend voraus«, erklang die Stimme des Ausgucks

von der Plattform des Hauptmastes.

Gort blickte unter dem Hauptsegel und über den Geschützturm hinweg

zum Bug. »Das muss die Untiefe von Debun sein. Die Fahrrinne verengt sich

hier, und über der Sandbank bilden sich Wirbel.« Gort wandte sich an den

Steuermann, ohne sich umzudrehen. »Steuer zehn Grad linksweisend,

Maschine auf zweihundert Umdrehungen.« Er legte eine Hand an den Mund.

»Einen Mann mit Lot in den Bug!«

»Steuer zehn Grad linksweisend, Maschine auf zweihundert

Umdrehungen!« Der Matrose am Steuer korrigierte den Kurs, und ein anderer

brüllte die Anweisung des Kapitäns in einen metallenen Schlauch mit Trichter

hinein, der die Worte zum Maschinisten trug.

Die Strömung des Genda war hier recht stark und wirbelte Schlamm und

Schmutz vom Grund auf, sodass an dieser Stelle das Wasser immer getrübt

war. Man musste den Verlauf der Wellen und das Muster von

Verwirbelungen entziffern, sich auf seine Kenntnis des Flusses und auf das

Lot verlassen, damit man an den tückischen Verengungen der Fahrrinne nicht

auflief. Ein Stück weiter den Fluss hinunter verrotteten die Wracks zweier

Korsarenschiffe, die sich den Rumpf an Unterwasserfelsen aufgerissen hatten

und gesunken waren.

Ein Matrose, in der kurzen Jacke und den knielangen Hosen seines

Berufsstandes, rannte an der rechten Seite des Schiffes entlang und führte das

Lot mit sich. Es bestand aus einem metallenen Zylinder, der an einer langen

Leine befestigt und an der Unterseite mit Talg bestrichen war. Als der Mann

den Bug erreichte, beugte er sich weit vor, hielt sich mit einer Hand an der

aufgeheizten Reling fest und warf mit der anderen das Lot aus. Klatschend

tauchte der Zylinder ins Wasser ein, während die Leine an dem langsam

fahrenden Schiff entlangzuschwimmen schien.

»Recht so«, brummte ta Mergon. »Kurs halten!«

»Steuer mittschiffs, Kurs halten«, erwiderte der Steuermann.

»Drei Längen unter dem Rumpf«, rief der Matrose mit dem Lot.

»Zu dicht am Ufer«, brummte Halblar. »Wir sollten mehr zur Mitte der

Fahrrinne.«

»Wir haben Flut, und drei Längen Wasser unter dem Rumpf reichen.«

»Wenn es die Untiefe von Debun ist.«

Ta Mergon seufzte leise. »Welche Farbe hat der Grund?«, rief er nach

vorne. Er sah seinen Freund an. »Es ist Debun. Glaube mir, Halblar, ich

kenne den Fluss.«

Der Matrose am Lot zog den Metallzylinder hoch und betrachtete dessen

Unterseite. Im weichen Talg hatte sich Material vom Grund des Flusses

eingepresst. »Roter Grund, grober Kies, glatt geschliffen«, meldete er und

warf das Lot erneut aus.

»Debun«, stellte ta Mergon fest. »Wie ich es sagte. Ich kenne den Fluss.«

Halblar zuckte die Achseln. »Ich weiß. Aber durch die Strömung wandern

die Untiefen gelegentlich.«

Der Großkapitän stieß ein leises Grunzen aus, das alles Mögliche bedeuten

konnte. »Heute befahren wir nur den Fluss und die küstennahen Gewässer.

Bei den Finsteren Abgründen, es gab andere Zeiten, Halblar, mein Freund.«

»Ja, die gab es.«

Gort seufzte abgrundtief. »Steuermann, auf alten Kurs gehen. Wir sind nun

an Debun vorbei. Fahrt auf hundert Umdrehungen!«

Das Steuer bewegte sich und Kommandos ertönten. »Alter Kurs liegt an,

mittschiffs. Maschine auf hundert Umdrehungen.«

Halblar wandte sich um und beschattete die Augen gegen die Sonne. »Sie

folgen mittschiffs.«

»So besagt es der Befehl des Königs.« Gort ta Mergon machte sich nicht

die Mühe, sich umzuwenden. Natürlich folgten die beiden anderen Schiffe

des kleinen Geschwaders der »Shanvaar«. Die »Aivaar« war baugleich mit

dem Flaggschiff und verfügte somit ebenfalls über Schaufelradantrieb und

Dampfkanone. Die dahinter folgende »Netluaar« hingegen war einer der

klassischen Kampfsegler. Ihr Rumpf war etwas länger und trug drei große

Masten; entlang ihren Längsseiten standen Katapulte und im Geschützdeck

waren die Bolzenwerfer noch hinter den Luken verborgen.

»Sie hat Mühe, uns zu folgen«, knurrte Halblar. »Sie fällt zurück.«

»Die ›Netluaar‹?« Gort lachte leise. »Das wundert mich nicht. Wir haben

kaum Wind. Wie ich dir schon sagte, Halblar, der Brennsteinantrieb hat auch

seinen Vorteil.« Der Großkapitän des Geschwaders wandte sich nun doch um

und musterte die nachfolgenden Schiffe. »Dabei hat ihr Kapitän schon jeden

Fetzen Tuch gesetzt. Nun, ich will ihm die Schande ersparen, sich von der

›Aivaar‹ schleppen zu lassen. Steuermann, die Maschine soll auf fünfzig

Umdrehungen heruntergehen.«

Sie verlangsamten ihre Fahrt, aber der Segler hatte noch immer Mühe, mit

den beiden Dampfschiffen Schritt zu halten. Gort wusste jedoch, dass seine

stille Genugtuung von kurzer Dauer sein würde. Sobald Wind aufkam, würde

ihnen der schnelle Segler mühelos davonfahren können. Der adlige

Großkapitän bedauerte, dass man die Brennsteinantriebe noch nicht

wirkungsvoller machen konnte.

»Rauch, rechtsweisend voraus«, meldete plötzlich der Ausguck.

»Das ist Mintris«, knurrte einer der Matrosen grimmig. »Diese verfluchten

Bestien. Möge die ewige See sie auf ewig verschlingen.«

»Den Gefallen wird sie uns schwerlich tun«, erwiderte Halblar leise.

»Immerhin sind die Bastarde auf ihr zu Hause.«

Gelegentlich segelte ein Schwarm der Korsaren die Küste entlang, um

Siedlungen zu überfallen und zu plündern. Selbst den Fluss waren sie oft

genug heraufgekommen, bis die Hafenstadt Gendaneris die Bucht endlich

sicherte und die Bestien mit ihren Batterien und Wachschiffen fernhielt.

Meistens zumindest, denn ab und zu schlüpften in der Nacht doch ein oder

zwei Korsaren hindurch und wagten sich den Fluss hinauf. So war es auch vor

einigen Tageswenden gewesen, als eine Horde der Bestien über die Stadt

Mintris hergefallen war und dort so lange gemordet und geplündert hatte, bis

zwei Regimenter der Garde sie endlich vertrieben. Ein Teil des Schwarms

hatte sich auf die Schiffe retten können, die sich nun irgendwo zwischen

Mintris und Gendaneris auf dem Fluss befinden mussten. Es war Gort ta

Mergons Aufgabe, diese beiden Korsarenschiffe zu stellen und zu vernichten.

Vielleicht konnten sie sogar ein paar der Bestien fangen, um sie dann zur

Genugtuung der Bürger auf dem großen Platz hinzurichten.

Die Stadt war nur undeutlich zu erkennen, denn obwohl der Überfall der

Korsaren schon einige Tageswenden zurücklag, hing über ihr noch immer

schwerer dunkler Rauch in der Luft.

»Das werden die Kornspeicher sein«, meinte einer der Matrosen. »Die

Häuser haben die Bewohner bestimmt längst gelöscht, aber wenn die Speicher

brennen, dauert es seine Zeit.«

Neben der Stadt war das Zeltlager der alnoischen Truppen zu erkennen.

Dort war Bewegung, und eine Gruppe von Reitern preschte zum Ufer

herüber. Einer der Männer führte eine weiße und eine rote Flagge mit sich,

deren Tuch jeweils eine halbe Länge im Quadrat maß. Er sprang aus dem

Sattel, sah zu den Schiffen herüber und begann die Fahnen in einer

bestimmten Abfolge zu bewegen.

»Zwei Schiffe der Bestien sind entkommen«, las Großkapitän Gort ta

Mergon ab. »Eines von ihnen ist schwer beschädigt. Sie sind flussabwärts

gefahren.«

»Wohin auch sonst?«, brummte Halblar. »Die verfluchten Bastarde haben

ihre Beute gemacht und bringen sie nun in Sicherheit. Ich frage mich, wie sie

überhaupt an Gendaneris vorbeischlüpfen konnten.«

Der Signalwinker der »Shanvaar« bestätigte die Winkmeldung vom Ufer,

und ta Mergon seufzte leise. »Ihre schwarzen Schiffe sind in der Nacht fast

unsichtbar. Zumindest wenn sich Wolken vor die Sterne schieben. Zudem

sind Bucht und Fluss sehr breit. Die Bestien warten nur auf eine Gelegenheit,

an der Hafenfestung mit ihren wenigen Wachschiffen vorbeizuschleichen.

Meist werden sie entdeckt, aber«, er zuckte die Schultern, »gelegentlich

kommen ein paar von ihnen durch.«

»Ja.« Halblar spuckte ins Wasser. »Und dann morden und plündern sie.«

»Diesmal werden sie uns nicht entkommen«, sagte ta Mergon

zuversichtlich. »Zumindest das beschädigte Schiff wird langsam sein. Noch

vor Gendaneris werden wir die Bestien stellen.« Der Großkapitän wandte sich

dem Steuermatrosen zu. »Maschine auf dreihundert Umdrehungen. Ich will

sie zu fassen kriegen.«

»Maschine auf dreihundert Umdrehungen«, bestätigte der Mann am

Steuer.

»Die ›Netluaar‹ wird mit ihren Segeln nicht mithalten können«, warf

Halblar ein.

Ta Mergon erlaubte sich ein schmallippiges Lächeln. »Wie ich erwähnte,

Halblar, mein Freund, die Brennsteinmaschine hat auch ihren Vorteil.«

Das Segelkampfschiff »Netluaar« fiel hinter den beiden

Dampfkanonenschiffen »Shanvaar« und »Aivaar« zurück, aber ta Mergon

wollte keine Zeit verlieren. Der Anblick der geschundenen Stadt Mintris hatte

ihn mit Zorn erfüllt, und er wollte die Verantwortlichen stellen und

vernichten.

Aber es dauerte noch einige Zehnteltage, bis vor ihnen endlich zwei dunkle

Silhouetten auf dem Fluss sichtbar wurden.

»Das sind sie«, knurrte ta Mergon zufrieden, als der Ausguck im Mastkorb

über ihnen die Sichtung meldete. »Wir haben sie.«

Es waren unzweifelhaft die gesuchten Korsaren. Der schnittige Rumpf

ihrer Schiffe war tiefschwarz, und dort, wo die Öffnungen für Ruder oder

Waffen waren, wirkte das Schwarz noch dunkler und drohender.

Die Masten waren so hoch, wie das Schiff lang war, und die Segel, tiefrot

gefärbt, zeigten die jeweiligen Symbole der Korsarenschwärme.

»Könnt Ihr den Schiffstyp erkennen?«, rief ta Mergon zum Mastkorb

hinauf.

Die beiden flüchtenden Schiffe waren nur von hinten zu sehen, und es war