Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes

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Aus der Reihe: Die Pferdelords #9
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Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes
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Michael Schenk

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Vorwort, Hinweis Register und Karten

Kapitel 2 Die Nachtläufer des Todes

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60 Karte „Pferdelords – Die Völker“

Kapitel 61 Karte „Julinaash“

Kapitel 62 Personenregister

Kapitel 63 Einige Maßeinheiten und Definitionen

Kapitel 64 Vorschau auf "Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes"

Impressum neobooks

Kapitel 1 Vorwort, Hinweis Register und Karten

Michael H. Schenk

Die Pferdelords 09

- Die Nachtläufer des Todes -

Fantasy-Roman

© Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020

Die Leserschaft der Serie „Die Pferdelords“ wird im ersten Roman eine große Nähe zu den Verfilmungen von „Der-Herr-der-Ringe“ feststellen. Dies war eine Bedingung des damaligen Verlages, meine auf zwölf Bände festgelegte Reihe überhaupt zu veröffentlichen, da man sich dadurch einen größeren Umsatz versprach. Ich stand also vor der Wahl, nicht veröffentlicht zu werden oder mich dieser Forderung zu stellen. Ich entschied mich für meine „Pferdelords“ und nahm einen raschen Genozid an ihren ursprünglich gedachten Feinden, den Walven, vor, um diese durch die Orks zu ersetzen. Man möge mir diesen Eigennutz verzeihen, doch damals war dies der einzige Weg, meine Pferdelords in den Sattel zu heben.

Die Pferdelords bieten detailreiche und spannende Abenteuer, in der die Völker mit ihrer jeweils eigenen Geschichte und Kultur zum Leben erweckt werden. Wem die tatsächlichen oder scheinbaren Wiederholungen von Beschreibungen in den Bänden auffallen, der wird feststellen, dass sie die Entwicklung der Völker und ihrer Siedlungen aufgreifen, denn bei den insgesamt zwölf Bänden handelt es sich um eine Chronologie. Im Lauf der Zeit entsteht aus dem Tauschhandel eine Währung, aus dem schlichten Signalfeuer ein kompliziertes optisches Instrument, man entdeckt das Schießpulver und die Dampfmaschine sowie schließlich sogar das Luftschiff. Man begleitet den Knaben Nedeam, der schon bald als Schwertmann und Reiter und schließlich sogar als Pferdefürst an der Seite seiner Freunde steht. Man begleitet den ehrenhaften Orkkrieger Fangschlag und auch dessen hinterlistigen Gegenspieler Einohr.

Meine Leser begegnen alten und neuen Völkern, doch selbst jenen, die man zu kennen glaubt, gewinne ich manche neue Seite ab.

Es erwartet Sie also eine spannende Saga um mein Pferdevolk und ihre Freunde und Feinde.

Die Pferdelords-Reihe:

Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks

Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge

Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes

Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen

Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel

Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt

Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne

Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen

Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes

Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes

Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak

Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken

Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.

Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen

Michael H. Schenk

Hinweis:

Kapitel 60: Karte der Völker, der Pferdelords-Reihe

Kapitel 61: Detailkarte "Julinaash"

Kapitel 62: Personenregister

Kapitel 63: Einige Maße und Definitionen

Kapitel 64: Vorschau auf "Die Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes"

 

Kapitel 2 Die Nachtläufer des Todes

Der Fluss spendete Leben.

Er entsprang aus einer kleinen Quelle tief im Süden. Sein Weg führte durch das gewaltige Gebirge des Noren-Brak, von der Hochmark des Pferdevolkes durch das Reich der Zwerge, teilte die nördliche Öde von Rushaan, bis er das Kaltland erreichte. Kein Mensch hatte den Verlauf des Flusses Eten jemals von seinem Ursprung bis zu jener Stelle verfolgt, an dem er in das Kaltmeer mündete. Er war reich an Fischen und stillte den Durst. Entlang seines mächtigen Stroms erblühte das Land. Von seinen Ufern ausgehend schob sich das üppige Grün der Pflanzenwelt tief in das Land hinein. Die Laute der Tiere und das Summen der Insekten erfüllten die Luft.

Der Fluss war die Grenze.

Er teilte das Land in den Westen und den Osten, und er teilte das Volks Julinaashs. Der Fluss war die Grenze. Nur selten wurde er überquert, und Misstrauen und Hass waren dabei die ständigen Begleiter.

Das namenlose Dorf lag im Süden des Landes Julinaash, weit genug entfernt von den Städten Julinaar und Ataraan und dem Hass, der dort herrschte. Es war eine kleine Siedlung, und nie verirrte sich jemand dorthin.

Die Häuser schienen sich an das Ufer des Flusses zu schmiegen. Klein und zweckmäßig, und doch auch in einer verspielt wirkenden Weise erbaut, die große Handwerkskunst offenbarte. Aus Lehm gebrannte Eckpfeiler bildeten die tragenden Stützen für die hölzernen Wände. Farbige Ornamente und Schnitzereien gaben jedem der Bauten eine individuelle Note. Geschwungene Vordächer gingen in pyramidenförmige Dächer über. Irdene Gefäße mit bunten Pflanzen hingen von den Dachkanten herab und verströmten einen betörenden Duft. Die kleinen Fenster waren rund und mit bestem Klarstein versehen, doch die hölzernen Blenden hatte man jetzt, zur Zeit des Tageslichtes, fest verschlossen. Keine Tür stand offen und lud zum Betreten eines Hauses ein. Kein Rauch kräuselte sich aus den Kaminen.

Die Häuser standen entlang des Ufers. In dem klaren Wasser waren Schwärme von Fischen zu erkennen. An einem hölzernen Steg lag ein kleines Boot vertäut. Es wirkte zierlich und war reich mit Schnitzwerk versehen. Ein kurzer Mast ragte empor, doch kein Segel war daran befestigt. Kein Fischer fuhr hinaus, um seinem Tagwerk nachzugehen.

Nicht jetzt, in der Helligkeit des Tages.

Zwischen den Häusern standen mächtige Bäume, deren ausladende Äste Schatten spendeten und einen großen Teil des Dorfes in ewiges Dämmerlicht zu hüllen schienen. Ein Stück von den Gebäuden entfernt erhoben sich sieben gleichförmige Hügel. Dicht bewachsen mit Gras und kleinen Büschen. Pfade waren mit steinernen Platten ausgelegt und führten zu ihnen hinauf. Auf ihren höchsten Punkten erhoben sich steinerne Säulen. Sieben Säulen, die sorgfältig bearbeitet waren. Die feinen Reliefs zeigten die Geschichte eines Volkes, und die Inschriften nannten seine Bestimmung.

Jenseits des namenlosen Dorfes und der sieben Hügel begann der Dschungel, mit all der Vielfalt seines üppigen Lebens.

Nichts schien sich in dem kleinen Ort zu regen.

Bis auf eine Bewegung an einem der Häuser.

Die einsame Gestalt einer Frau trat hervor und schien kurz zu zögern, bevor sie in das Licht des Tages trat. Nur wenig Sonne fiel durch das dichte Blattwerk der Bäume, und die Bewegungen der Äste zauberten irrlichternde Muster auf den Boden.

Langsam, bedächtig trat die Frau hinaus.

Es war eine Frau von unvergleichlicher Schönheit. Die Ebenmäßigkeit ihrer Gesichtszüge und die Proportionen ihres Körpers mussten einen Betrachter unwillkürlich an die Vollkommenheit eines elfischen Wesens erinnern. Das lange Gewand schien ihre Figur zu umschmeicheln, und der kleine Stab, den sie an ihrem Gürtel trug, bewegte sich im Takt ihrer Schritte.

Sie war Gajath, und es spielte keine Rolle, ob dies ihr Name war oder ihren Rang bezeichnete. Sie war die Einzige und Letzte ihrer Art und doch fern jeglicher Einsamkeit. Auch wenn das namenlose Dorf so leblos schien, so war es doch von Leben erfüllt.

Gajath blickte zu den Ästen der Bäume empor. Die Schatten wanderten, und bald würde sich die Nacht über das Land Julinaash senken. Ihr Blick ging zwischen den Bäumen hindurch zu den sieben Hügeln. Die Hügel mit ihren sieben Säulen waren in der Form eines Halbkreises errichtet worden, und die untergehende Sonne tauchte die Säulen in goldenes Licht. Die Schatten der Säulen wurden länger, und je tiefer die Sonne glitt, desto näher kamen sich diese Schatten. Gajath musste sich beeilen, denn wenn sie sich berührten, war die Zeit gekommen.

Sie beschleunigte ihre Schritte und ihre Hand tastete nach dem kurzen Stab, löste ihn vom Gürtel. Unter ihrer Berührung begann er sanft zu schimmern. Ein bläuliches Licht, durchsetzt von schwarzen Schlieren.

Gajath erreichte den Punkt, an dem sich die Schatten der sieben Säulen nun trafen, und hob den Stab in ihrer emporgereckten Hand. „Schewar, deine Dienerin und Gebieterin ruft dich.“

Es war die Zeit des Zwielichts, in der Tag und Nacht sich begegneten. Zu hell, um die Sterne schon erkennen zu können, zu dunkel, um die Konturen der Umgebung noch klar zu sehen.

Von der Spitze des Stabes schien sich eine blaue Wolke zu lösen. Sie wuchs und verdichtete sich. Aus dem Blau wurde Schwarz. Nebel schienen zu wallen.

„Schewar, deine Dienerin und Gebieterin ruft dich“, wiederholte Gajath, und ihre Stimme klang fordernder.

Der wallende Nebel schien einen Körper zu formen. Erst undeutlich, doch dann traten die Konturen zunehmend hervor. Eine Gestalt, einem Menschen ähnlich und doch vollkommen anders, wurde sichtbar. Das Wesen trug keine Kleidung und sein Leib war von kurzem graubraunem Fell bedeckt. Arme und Beine waren zu lang für ein menschliches Wesen und mit Krallen bewehrt. Der Schädel war langgezogen und spitz auslaufend. Scharfe Reißzähne wurden sichtbar, als die Kreatur den lippenlosen Mund öffnete.

„Schewar hört die Dienerin des Volkes und die Gebieterin der Rudel.“ Die Stimme klang weich und freundlich und schien so gar nicht zum Äußeren der Kreatur zu passen. „Ist es an der Zeit?“

Gajath lächelte sanft. „Es ist an der Zeit.“

Schewar schloss für einen Augenblick die Augen. Die seitlichen Nickhäute schoben sich über die waagrechten Schlitzpupillen, die in einem hellen Grün schimmerten. „Endlich ist die Zeit gekommen. Wir haben lange gewartet. Sehr lange, Gajath.“

„Ich habe nicht weniger lange gewartet“, erinnerte die Dienerin und Gebieterin. „Doch der Plan der Alten war gut. Keiner der Menschen erinnert sich noch an das, was vor so vielen Jahrtausendwenden geschah. Wir hingegen, wir haben nichts vergessen. Die Macht der Menschen vergeht, und das Volk der Nachtläufer steht nun vor neuer Blüte.“

„Es ist an der Zeit“, stimmte Schewar zu.

„Ja, es ist an der Zeit.“ Gajath senkte den Stab und steckte ihn wieder an den Gürtel. „Die Rudel der sieben Hügel sind stark. Nun werden sie ihr Land wieder in Besitz nehmen. Dennoch müssen wir vorsichtig sein, Schewar.“

„Kein sterbliches Wesen ist eine Gefahr für die Rudel der Nachtläufer“, erwiderte die Rudelführerin. „Der Tod kann uns nichts mehr anhaben.“

„Die Menschen haben die alten Zeiten vergessen, aber wir haben diesen Fehler nicht begangen.“ Gajaths Blick war mahnend.

„Wir meiden das Licht der Sonne“, erwiderte Schewar leicht verärgert.

„Das meine ich nicht.“ Die Dienerin und Gebieterin deutete mit einer unbestimmten Bewegung um sich. „Noch bestreifen die Menschen unser Land. Einer unserer Kundschafter ist nicht zurückgekehrt. Du weißt, was das bedeuten kann.“

Die Schlitzpupillen Schewars wurden zu kaum wahrnehmbaren Strichen. „Die Kundschafter sind erfahren. Sie meiden das Tageslicht. Und wenn die Menschen einen von ihnen entdeckt hätten, so wären sie getötet worden.“ Das Wesen strich sich in einer menschlich wirkenden Geste über die Schnauze. „Es sei denn …“

„Es ist nur einer, der nicht zurückkam. Aber es könnte bedeuten, dass einer der Menschen sich an die alten Legenden und die Waffen der Vorzeit erinnerte.“ Gajath trat an die Rudelführerin heran und strich zart über deren Schnauze. „Wir dürfen keinen Fehler begehen. Nicht jetzt, da unsere Zeit endlich gekommen ist. Bevor die Rudel der Nachtläufer in der Dunkelheit ausschwärmen, müssen wir die Menschen sorgfältig ausspähen. Wir wissen, was uns zur Gefahr werden kann, und wenn wir es finden, werden wir seine Besitzer töten. Nichts darf uns aufhalten, denn unsere Zeit ist gekommen.“

Schewar schnurrte erfreut unter der sanften Berührung und nickte dann. „Keine Sorge, Dienerin und Gebieterin, nichts wird uns aufhalten.“

Kapitel 3

Rushaan, die nördliche Öde.

Einst eines der sieben mächtigen Menschenreiche, war es vor vielen Jahrtausenden unter den magischen Schlägen der Sonnenfeuer vergangen. Auch sein Wissen und die Macht seiner Flugwagen und Paladine hatten es nicht vor der Magie des Reiches Jalanne schützen können. Die Menschen waren vergangen, und die zerstörten und verfallenden Siedlungen Rushaans kündeten vom einstigen Stolz und Niedergang des Reiches. Doch die schwarz schillernden Krater der Vernichtung wurden zunehmend von der Natur überwuchert, die sich langsam zurückholte, was der Mensch ihr einst genommen hatte. Noch immer gab es weite Landstriche, in denen der Boden steinig und unfruchtbar war. Felsböcke und andere Tiere fristeten dort ein bescheidenes Dasein.

An einigen Stellen erhoben sich die Wachen Rushaans. Mächtige Festungen aus Metall, die aus drei eiförmigen Türmen bestanden, die eine runde Scheibe trugen und aus deren Mitte ein viertes, ungleich größeres Gebilde in Form eines Eis aufragte. Die Mächtigen Lanzen der Festungen hatten jeden körperlichen Feind verbrannt, und die Paladine hatten das Reich bestreift und seine Grenzen geschützt. Die tragischen Wesen hatten ihre Aufgabe auch noch erfüllt, als ihre Herren längst vergangen waren. Im Kampf gegen die Orks hatte das Pferdevolk den Paladinen zur Seite gestanden, und nun, nachdem der Pass zum Reich der Finsternis verschüttet war, hatten die einstigen Herren der Öde endlich ihren Frieden gefunden.

Pferdevolk und Zwerge hatten eine neue Festung am Pass des Eten erbaut und schützten damit die Nordgrenze der freien Reiche. Rushaan war erneut zur Öde und zum Niemandsland geworden. Nur gelegentlich bestreiften kleine Scharen der Pferdelords den südlichen Bereich, um sicherzustellen, dass von dort keine Gefahr drohte.

Doch Rushaan war noch immer reich an Bodenschätzen, und niemand erhob Anspruch auf diesen Reichtum. Niemand, außer einer wagemutigen Gruppe von Zwergen, welche die Einsamkeiten und die Schauergeschichten, die sich noch immer um die Öde rankten, nicht abschrecken konnten.

„Es ist eine unwürdige Arbeit für einen aufrechten Schürfer“, brummte Parnuk verdrießlich und trieb die Hacke in den harten Boden. Einer seiner Bartzöpfe kam ihm dabei in die Quere. Der Zwerg gab erneut einen missmutigen Laut von sich und legte die Manneszierde des Zwergenvolkes über seine Schulter zurück. „Harter Fels, der unter den Schlägen eines Zwergenhammers zerbirst, umgeben von den Tiefen unserer Höhlen … Ha, da liegt die Bestimmung eines echten Zwerges.“ Er lockerte das Erdreich und zog es zur Seite. „Stattdessen buddeln wir hier im Dreck der Öde. Es ist eines Schürfers unwürdig, sage ich.“

Der Zwerg neben ihm nickte zustimmend. „Du hast recht, alter Freund. Wenn es wenigstens um gutes Erz oder kostbare Kristalle ginge. Aber, nein, wir graben nach wertlosem Gold. Ich weiß wirklich nicht, was die Menschen an diesem Zeug finden. Schön, es glänzt ansehnlich und ist witterungsbeständig. Doch man kann kein passables Werkzeug daraus schmieden. Viel zu weich, dieses Gold.“

„Hört auf zu murren.“ Die mahnende Stimme kam von Maratuk. Er war einer der ältesten und erfahrensten Krieger der gelben Kristallstadt. Seine Bartzöpfe trugen die Strähnen hohen Alters. Sorgfältig geflochten hingen sie vor seiner Brust herab. Nur im Kampf wurden die Zöpfe im Nacken verknotet, damit das Blut des Feindes sie nicht beschmutzte oder sie sonst wie Schaden erlitten. Über Maratuks breiten Schultern ragten die Stiele seiner Kampfäxte auf, die auf dem Rücken in Futteralen steckten.

„Du hast gut reden.“ Parnuk richtete sich auf und stützte sich für einen Moment auf seine Hacke. „Als Axtschläger musst du ja auch nicht im Dreck herumwühlen.“

„Jemand muss auf euch achten, wenn ihr im Boden der Öde grabt“, lachte Maratuk auf.

 

„Hier gibt es keine Gefahr“, murmelte der andere Schürfer. „Nur Felsböcke und heftige Stürme, doch gegen die braucht es keine Kampfaxt. Du könntest also ruhig mit anpacken. Umso schneller sind wir fertig.“

Maratuk schüttelte den Kopf. „Dies ist die Öde Rushaans. Mag sein, dass die Gefahr durch die Paladine gebannt ist. Sie brannten ja jeden, der es wagte, in die Öde vorzustoßen. Dennoch ist es meine Pflicht, über eure Sicherheit zu wachen. Dies ist fremdes Land, und wir sind weit weg von der Sicherheit unserer Grenze.“

„Ja“, giftete Parnuk, „und nur, damit wir im Dreck nach wertlosem Gold wühlen.“

„Die Zeiten ändern sich.“ Maratuks Stimme klang ruhig und belehrend. „Selbst für uns Zwerge gewinnt das Gold an Wert. Ihr wisst ganz genau, die Menschen prägen daraus ihre goldenen Schüsselchen und handeln damit. Die Zeiten, in denen wir unsere Kristalle gegen das Brot der Menschen tauschten, sind vorbei. Heute geben die Menschen uns Gold und kaufen unsere Kristalle, damit sie daraus glänzenden Tand für ihre Weiber fertigen können.“

Parnuk spuckte aus. „Ja, und wir nehmen das Gold der Menschen und geben es ihnen wieder zurück, damit wir dafür Brot erhalten.“

„So ist es.“

Der Schürfer seufzte. „Dann können wir ihnen ebenso unsere Kristalle geben, und sie geben uns dafür wieder Brot. So, wie es immer war. Dann bräuchten wir jetzt nicht das Gold aus dem Boden zu kratzen.“

Der Axtschläger wippte leicht auf den Fersen. „Mit Gold lässt sich jede Ware handeln, Schürfer. Das ferne Königreich von Alnoa hat wachsenden Bedarf an goldenen Schüsselchen, doch sie haben nicht so viel Gold in ihrem Boden. Also graben wir es aus und geben es ihnen.“

„Für Brot.“

„Und andere Dinge.“ Maratuk war nun sichtlich genervt.

„Diese Alnoer sind verrückt, wenn du mich fragst.“ Erneut rutschte einer von Parnuks Zöpfen nach vorne, und der Schürfer schlug seine Hacke wütend in den Boden, um sich die Enden seiner Manneszierde endlich auf den Rücken zu knoten. „Wenn man nichts zum Tausch hat, dann kann man nicht handeln. Wenn die Alnoer also nicht genug Gold haben ...“

Maratuk stieß ein leises Grollen aus. „Selbst unsere Freunde vom Pferdevolk fertigen inzwischen eigene goldene Schüsselchen. Hältst du auch sie für verrückt?“

„Alle Menschen sind verrückt.“ Parnuk nahm seine Hacke wieder auf. „Die einen mehr, die anderen weniger. Unsere Freunde mit den grünen Umhängen sind sicherlich weniger verrückt, als die Alnoer. Dennoch …“

„Dennoch wirst du unserem guten König Folgschaft leisten und das Gold Rushaans aus seiner Erde kratzen.“ Maratuk deutete um sich. „Stell dir einfach vor, es sei kostbares Erz oder eine wundervolle Kristallsäule. Dann fällt es dir leichter.“

„Kostbares Erz, wundervolle Kristallsäule.“ Parnuk spuckte abermals aus. „Ich wollte wahrhaftig, es wäre so.“

Der andere Schürfer räusperte sich. Er hatte seine Arbeit ebenfalls unterbrochen, um dem Disput der beiden zu lauschen. „Wir sind weit weg von zu Hause, fern unserer Kristallstadt. Die Einsamkeit der nördlichen Öde zerrt an unseren Bartzöpfen, guter Herr Maratuk. Das macht uns verdrießlich.“

Maratuk nickte bedächtig. „Keinem von uns gefällt es, hier zu sein. Zumal unsere Freunde, die Pferdelords, hiervon nichts wissen dürfen. Ihre Scharen bestreifen den Süden, doch der Rest Rushaans ist Öde, in der niemand etwas verloren hat.“

„Hätte eine Streifschar des Pferdevolkes nicht zufällig dieses große Goldvorkommen gefunden, wären wir ja auch nicht hier“, stellte Parnuk fest.

„Ah, dann sind es jetzt wohl die Pferdelords, die Schuld an deiner ungeliebten Arbeit haben?“ Maratuks Augen verengten sich.

Der andere Schürfer hob beschwichtigend die Hände. „Lasst den Streit, ihr guten Herren. Das ist eines Zwerges nicht würdig. Wie es unser guter König Hendruk Hartschlag schon sagte: Geht hinaus in die Öde, grabt so viel Gold aus, wie eure Lasten tragen können, und kehrt zurück.“

„Und lasst euch nicht erwischen“, fügte Parnuk hinzu. „Die Pferdelords wären nicht begeistert, wenn sie uns hier anträfen. Es verstößt gegen die Unberührbarkeit Rushaans.“

„Die Pferdelords streifen unten im Süden“, beruhigte der andere. „Bis hier herauf kommen sie nicht.“

„Bah, jene Schar, die das Gold fand, kam bis hier herauf.“

Axtschläger Maratuk versuchte, sich zu beherrschen. Parnuk war ein guter Schürfer. Einer der besten der gelben Kristallstadt Nal´t´hanas, die im westlichen Teil des Noren-Brak verborgen lag. Alle Städte der Zwerge lagen gut geschützt im Inneren der Berge, in gewaltigen Höhlen, in denen man die Pyramiden der Städte erbaut hatte. Jede der Städte war von einer Kuppel aus fünfseitigen Kristallelementen umgeben. Sie schützten vor dem Flammenatem der Feuerbestien, die in den Tiefen der Erde lebten und gelegentlich zur Oberfläche vordrangen. Es war eine Eigenheit der Zwerge, dass jede Stadt ihre Kuppel aus andersfarbigen Kristallen errichtete, davon leiteten sich die Bezeichnungen des Zwergenvolkes ab. Doch von den Städten der kleinen Herren waren nur zwei geblieben, und die gelbe Kristallstadt Nal´t´hanas hatte noch immer unter den Folgen einer alten Katastrophe zu leiden. Durch ein Erdbeben war ein Teil der Höhle eingestürzt, hatte die Kuppel teilweise zerschlagen und viele Bewohner getötet. Auch wenn sich die tapferen Zwerge nun langsam von diesem Schicksalsschlag erholten, so litten sie doch manchen Mangel, vor allem da ihre Arbeitskraft auch benötigt wurde, um die nördliche Grenze am Pass des Eten zu schützen. König Hendruk Hartschlag hatte daher die Gelegenheit ergriffen, als er von den leicht zugänglichen Goldvorkommen in der Öde erfuhr. Fünfundzwanzig Zwerge hatte der König nach Norden geschickt, damit sie das Gold heimlich abbauten. Heimlich, damit das Pferdevolk nicht erfuhr, dass die Zwerge nach Rushaan eindrangen. Für König Hartschlag war es eine Frage der Ehre. Das Pferdevolk hätte bereitwillig geholfen, wenn es vom Mangel der Stadt erfuhr, doch die Zwerge waren zu Recht Stolz darauf, ihre Probleme stets aus eigener Kraft zu lösen. So hatte man die fünfundzwanzig Besten entsandt. Eine Zehn an Axtschlägern und fünfzehn Schürfer, die sich nun schon seit drei Monden in der Öde aufhielten. Drei volle Monde. Es war kein Wunder, dass die Männer sich nach den geliebten Bergen und der Nähe ihres Volkes sehnten. So hatte Maratuk durchaus Verständnis für die Nörgeleien des Schürfers Parnuk.

„Wir haben schon viel Gelbmetall aus dem Boden geholt“, sagte der Axtschläger mit versöhnlich klingender Stimme. „Bald sind unsere Traglasten voll, und dann können wir uns auf den Heimweg machen. Zurück zu unseren Frauen, zu schmackhaftem Pilzbrei und feurigem Blor, der uns Seele und Magen wärmen wird.“

„Brot und Hornviehfleisch sind mir lieber“, gestand der andere Schürfer ein. „Doch der Blor … Ah, er würde mir auch jetzt Seele und Magen erwärmen.“

Parnuk trieb seine Hacke wieder in den Boden. „Ja, unser Vorrat an gegorenem Pilzsaft war rasch am Ende.“ Er warf dem anderen einen scharfen Blick zu. „Einige waren ja ein wenig maßlos in seinem Genuss.“

Der Schürfer grinste und schlug Parnuk versöhnlich gegen den Arm. „Dafür hast du auch nicht so starkes Schädelbrummen bekommen. Aber Maratuk hat recht. Ein oder zwei Tageswenden noch, dann haben wir genug und können die Öde endlich verlassen.“

Parnuk hörte am Klang, dass er einen Brocken Gold gefunden hatte. Einen großen Brocken. „Jedenfalls haben wir unser heutiges Tagewerk vollbracht. Mein Magen schleift schon am Boden. Höchste Zeit, dass wir etwas essen.“

Die beiden anderen sahen zu, wie Parnuk das Gold freilegte.

„Würdest du dich nicht so tief bücken, dann würde dein Magen auch nicht am Boden schleifen“, spottete der andere Schürfer. Er sah, wie Parnuks Gesicht sich rötete, und machte rasch eine entschuldigende Geste.

Sie waren alle gereizt, und es war tatsächlich höchste Zeit, die Öde zu verlassen. Im Land eines vergangenen Volkes zu arbeiten, war nicht nach dem Geschmack des kleinen Volkes.

Auch an anderen Stellen wurde gegraben und Gold gefördert. Es lag hier ungewöhnlich dicht unter der Oberfläche, und es war leicht, es zu schürfen. Leichter, als einen Gang durch hartes Felsgestein zu treiben. Dennoch, jeder der Schürfer hätte das tote Land der Öde gerne gegen ein Stück heimatlichen Felsgesteins getauscht.

Vielleicht war dies der Grund, warum man bei der Errichtung des provisorischen Lagers mehr Aufwand betrieben hatte, als erforderlich gewesen wäre. Die Zwerge benötigten vor allem Schutz vor den gefährlichen Eisregen und Stürmen. Ein gut befestigter Unterstand hätte hierzu ausgereicht, doch das hätte dem handwerklichen Geschick und Stolz des kleinen Volkes nicht entsprochen.

Das meiste Material hatte ihnen die Öde selbst geliefert, auch wenn das Gold in einer der unwirtlichen Gegenden lag. Es gab Büsche und sogar einige Bäume, die den Zwergen als Feuerholz dienten, und es gab Steine und Felsen im Übermaß. Niemand beherrschte die Arbeit eines Steinmetzen so gut wie ein Zwerg, und innerhalb kürzester Zeit hatten die fleißigen Wesen ein zweckmäßiges Lager errichtet.

Es besaß die Grundform eines gleichseitigen Fünfecks. Die Zwerge liebten diese Form, und wann immer sie die Möglichkeit hatten, wandten sie diese an. Ob in den Kristallsegmenten ihrer Städtekuppeln, den Säulen, welche die Decken ihrer Höhlen und Stollen stützen, den Gängen oder den Bodenplatten, in allem fand sich das Fünfeck wieder. Selbst ihre Schilde und die Schneiden ihrer Äxte waren fünfseitig.

Das Lager wurde von einer Mauer umgeben, die einem Menschen bis zum Bauchnabel gereicht hätte und es einem Zwerg ermöglichte, gerade noch über die Oberkante hinweg zu sehen. An den Eckpunkten des Fünfecks standen Säulen, auf denen breite Auflagen befestigt waren. Was dann folgte, glich den Kuppeln der Zwergenstädte, auch wenn statt fünfeckiger Kristallplatten Stein verarbeitet worden war. Der Bau wirkte kompakt und stabil, und die Zwerge waren zuversichtlich, dass er vor einem Eisregen schützen würde. Sie unterschätzten diese Gefahr nicht, denn vor einem knappen Jahr war eine Streifschar der Pferdelords von einem solchen Regen überrascht worden. Es hatte zwei Tote und mehre Verletzte gegeben. Wenn die Zwerge schon kein schützendes Höhlendach über sich hatten, so wollten sie doch den bestmöglichen Schutz genießen, und dafür hatten sie gesorgt. Die Steinplatten der Kuppel waren so ineinandergefügt, dass sie sich gegenseitig abstützten und einem Bombardement aus Eisgeschossen standhalten sollten.

Das Innere des Lagers bestand aus einem einzigen Raum. In der Mitte eine große Feuerstelle, außen, entlang der Wände, die Schlafstätten. In der Nähe der Schürfstelle verlief ein kleiner Bach, sodass es genug Trinkwasser gab. Neben dem Eingang des Lagers waren Brennholz und die bisherige Ausbeute der Schürfer gestapelt. Eine Aussichtsplattform erhob sich auf mehreren Streben über die Kuppel und bot den Wachen guten Ausblick über das umgebende Land.

Maratuk blickte zu dieser Plattform hinauf und nickte zufrieden, als er bemerkte, dass der Posten aufmerksam war. Der erfahrene Axtschläger hatte in den vergangenen Monden nichts entdecken können, das für die Zwerge eine Gefahr bedeutet hätte. Die Felsböcke mieden die Nähe des Lagers, nachdem einige von ihnen in den Mägen der kleinen Herren gelandet waren. Dennoch wiegte sich Maratuk nicht in Sicherheit. Es war nur ein unbestimmtes Gefühl einer möglichen Gefahr, doch sein langes Leben hatte ihn gelehrt, auf seine Instinkte zu vertrauen.

Er nickte den Schürfern zu und ging zu dem Turm hinüber.

„Etwas zu sehen?“, rief er hinauf.

Der Axtschläger oben beugte sich ein wenig vor und stütze sich dabei auf eine der hölzernen Streben. „Natürlich. Jede Menge fleißiger Schürfer.“

Maratuk nickte. „Halte dennoch die Augen offen.“

Die Wache zuckte die breiten Schultern. „Dies ist die Öde, Maratuk, da werde ich meine Augen schon offen halten. Kannst du es riechen?“