KISHOU III

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Copyright: © 2017 Michael Kornas-Danisch

KISHOU III

Und so EINS nicht sein kann

Und so eins nicht kann SEIN

So war ZWEI

Von Anbeginn

So war GETRENNT

So war GESCHIEDEN

Das EINE

Von dem EINEN

Von Anbeginn

Und wo ZWEI ist

Wo da ist GETRENNT

Das EINE von dem EINEN

Da ist KEIN HALTEN

Da ist

VERHALTEN

Da ist ein WEG

Da ist BEWEGUNG

Des EINEN zum ANDEREN

Und wo da BEWEGUNG ist

Da ist KRAFT

… schon von Anbeginn

Das Drom der Asimielen
Die Zollstelle und der Heilige Dom des allseitigen Verhaltens
Tolsmoi Rhodes

Rhodes betrachtete enttäuscht die dicke, schwere Wolkendecke über sich. Es war wohl unverkennbar, das der Tag anbrechen wollte – doch das grelle Aufblitzen der Sonne, wenn sie sich nun endlich anschicken wollte auf den schnurgeraden Horizont zu kriechen, würden sie wohl keine Chance haben zu erblicken. Er verzog den Mund, strich sich mit der Hand über das alte, vernarbte Gesicht, und schüttelte den Kopf ...

„Tolsmoi?“, fragte eine befehlserwartende Stimme neben ihm.

Seinen Blick nicht von den Wolken lösend, nickte der Angesprochene langsam ... „Ja! – ja, schickt sie los!“

Der Gefragt hatte, erhob sich neben ihm, und verschwand nach hinten in die Dämmerung – seinen Weg suchend, zwischen dem am Boden kauernden Trupp seiner Kampfgenossen.

Rhodes senkte endlich den Kopf, und ließ sein Blick über die endlose Singala wandern – jenen verwunschenen Ort, in den sie sich anschickten, einzudringen. Mehr und mehr begann sie sich in all ihrer nichtssagenden Öde aus dem trüben Licht heraus zu schälen.

Es war verabredet mit den Tolsmois der Oasen Flin und Goozl, gleichzeitig in die Singala einzudringen, sobald die Sonne den ersten Lichtstrahl über den Horizont warf. Eine solche Wolkendecke war nicht gerade die Regel dieses Droms – aber natürlich musste sie ausgerechnet heute den Himmel verschließen.

Er schüttelte erneut verärgert den Kopf, wenngleich man auf solcherlei Unpässlichkeiten vorbereitet war.

Das nahe, heftige flattern kleiner Flügel lenkte seine Aufmerksamkeit wieder in den Himmel. Zwei Vögel erhoben sich dort in diesem Moment, und gewannen schnell an Höhe. Seine Augen wendeten sich wieder der Singala zu. Es würde eine kleine Zeit dauern, bis die fliegenden Boten die beiden anderen Trupps erreicht hatten. Bis es so weit war, musste er sich in Geduld üben – und Geduld gehörte eher nicht zu den Tugenden der Asimielenen. Er nutzte diese Zeit, über die Hyndriden der Singala nachzusinnen, und wie man ihnen begegnen könnte – wenn es diese dort draußen überhaupt gab.

Für einen Moment suchte er, wie schon oft, nach einer Erklärung, warum bereits seit einigen Dekaden keine Hyndriden mehr im Drom gesichtet wurden. Der Erklärungsmöglichkeiten waren viele, aber keine fand bislang eine Bestätigung. Es hatte aber einen wichtigen Grund, dessen war er sich sicher. Irgend etwas lag in der Luft. Und irgend etwas sagte ihm, dass die Ruhe vor den Hyndriden in der Singala ihr Ende finden würde ... Für diese Art Voraussicht brauchte es nicht einmal die Erfahrungen seines für einen Asimielenen ungewöhnlich hohen Alters. Und nicht zuletzt dachte er natürlich auch an jene angeblichen ,Wächter der heiligen Tafel’, die es dort draußen geben sollte. …

Doch wie immer, blieb alles nur ein Spiel mit den Gedanken. Niemand unter ihnen hatte bisher auch nur eines dieser Geschöpfe Suäl Graals in der Singala gesehen – auch wenn viele es immer wieder behaupteten. Tatsächlich hätte niemand von ihnen auch nur hundert Schritte in der Singala zurücklegen können. Allein das verriet schon, dass diese Kreaturen nur in ihrer Phantasie auch in der Singala beheimatet waren – und Phantasien von den Hyndriden der Singala fanden sich wohl in den Köpfen eines jeden Asimielenen.

Im Drom wusste man über die Zeiten, wie man ihnen begegnen konnte – aber Hyndriden waren sehr wandelbar ... und die in der Singala – wenn es sie denn überhaupt dort gab – kannte ja niemand wirklich.

Der Versuch, dort einzudringen, war verrückt – vollkommen verrückt. Aber könnte es etwas Anstrebenswerteres geben, als das Undenkbare? – zumal es das erste Mal in der langen Geschichte der Asimielenen mehr versprach, als nun den Tod. ...

Der schmale Mund Rhodes verzog sich zu einem kleinen Lächeln ...

~*~

Tolsmoi Bork

Tolsmoi!“, rief einer der am Boden Kauernden, und sein Arm streckte sich aufgeregt in den Himmel. Es begann sich langsam eine gewisse Unruhe unter der wartenden Meute zu verbreiten. Die Sonne sollte den Horizont längst erreicht haben ...

Die spiegelnde Glatze des kleinen, etwas rundlichen Mannes, dem der Anruf galt, kippte nach hinten, und seine Augen folgten dem Arm des Rufenden. Zwei kleine schwarze Punkte hoben sich dort deutlich vom Grau der schweren Wolken ab – und ihre Flugbahnen begannen sich in diesem Moment zu teilen. Vögel gab es viele in diesem Drom. Diese hier, zu dieser Zeit und unter diesen Umständen, konnten aber nur das alternativ verabredete Zeichen bedeuten.

Ruhig folgten die Augen Borks, des Tolsmoi der Oase Flin, dem steten Anwachsen eines der beiden Punkte – während der andere erwartungsgemäß seine Flugbahn einhielt, und wohl jeden Moment über sie hinweg ziehen würde.

Nur kurze Zeit später hockte das Tier bereits auf dem Landeholz – ein in den Boden gesteckter Stab, mit einem T-Stück obenauf. Das Nachrichtenkörbchen an eines seiner hochstelzigen, dünnen Beine war leer. Seine Ankunft war Nachricht genug.

Der Tolsmoi Bork steckte sich einen frischen Kaustab zwischen die Zähne, und seine Augen wanderten musternd über die am Boden sitzenden Gefolgsleute, die, ihrer Ruhe nun endgültig beraubt, anstalten machten, sich zu erheben ... „Nein – nein! Wir warten noch eine verdammte Zeit!“, rief er in die Menge – und während seine Hände beschwichtigend zur Ruhe aufforderten, wendeten sich Bart, Gesicht, und Kaustab wieder dem Himmel zu.

Der Zweite Vogel hatte sie inzwischen überquert und verlor sich langsam im fernen Zwielicht.

Auch der Tolsmoi Bork schätze eine Zeit, die es wohl brauchen würde, bis der andere Vogel ebenfalls sein Ziel erreicht hatte – erst dann wollte auch er zum Aufbruch rufen.

Vorzubereiten gab es nichts mehr, es war alles längst getan. Alle Besonderen Apparate, die denkbar waren, um sich gegen mutmaßliche Hyndriden, und jenen ,Wächtern der Heiligen Tafel‘ zu verteidigen, standen versorgt auf ihren Plätzen.

Wie beiläufig zog er sein Krypt aus dem Wams – ein kleines Büchlein, das jeder Asimielene mit sich trug, um zu jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit seine Gedanken und sonstige Neuigkeiten darin festzuhalten – und begann mit einem Stift, der nicht weniger zerkaut war, wie jener, den er in seinem Munde mit den Zähnen malträtierte, darin herum zu kritzeln ...

~*~

Tolsmoi Kilak

Kilaks Augen waren das Unruhigste, das man sich nur denken konnte. Eigentlich war kein Moment vorstellbar, wo sie nicht in Bewegung waren – der jetzige jedoch war ein Solcher.

Seine hagere Gestalt, mit viel zu großem, mantelartigen Umhang, stand wie angewurzelt – und ebenso fixiert starrten seine großen, etwas hervorquellenden Augäpfel in eine bestimmte Richtung des wolkenschwangeren Himmels. Von dort musste die Botschaft zum Aufbruch kommen, dessen eigentlich vorgesehenes Zeichen der Himmel an diesem Morgen verweigerte. Seine ohnehin großen Augen weiteten sich noch einmal, als er endlich meinte, sie zu erblicken.

Er wartete nicht, bis sich der vermeintliche Vogel am Himmel zu einem Tatsächlichen aus der Dämmerung herausschälte. Kilak galt als verwegen und rücksichtslos neugierig – wohl der Grund, warum die Bewohner Goozls ihm in dieser Dekade die Funktion des Tolsmoi zuwiesen hatten. Für ihn konnte es keinen trefflicheren Zeitpunkt für seine Wahl geben. Das Erkunden der Singala war ein Traum der Asimielenen seit die Großen Wasser nicht mehr flossen und sie aus dem ehemaligen riesigen See hervorgegangen war.

Es waren nicht die zu erwartenden Gefahren, die sie bislang von einer Erkundung der Singala abgehalten hatte – nicht die Kreaturen Suäl Graals, die ja nach Meinung eines jeden Asimielenen mit Sicherheit auch an diesem Ort ihr Unwesen trieben. Es war vielmehr die unendliche Öde dieses Ortes, die ihnen bis zu dieser Zeit unüberwindlich erschien. Die Singala verweigerte jede Art der Orientierung – kannte keinen Punkt, dass dem Auge eine Abwechslung, und dem Geist einen neuen Gedanken bot. Die Öde des Äußeren hätte sich augenblicklich in ihr Innerstes hineinfressen und jeden Gedanken darin ausgelöscht. Eine Gefahr, die selbstverständlich nach wie vor bestand.

Nun aber war es das Wagnis wert, einen Weg dort hinein zu finden. Es war eine Zeit angebrochen, die bislang nicht gedacht werden konnte – eine Neue und besondere Zeit, die von Habadam, dem Chemuren und Regenten dieses Droms einem Samen gleich in ihre Köpfe gepflanzt, jedes Wagnis rechtfertigte. Eine solche Zeit – ein solcher Samen – kreiert neue Gedanken und damit neue Möglichkeiten. So hatten sie endlich eine Vorstellung davon, wie sie es wagen konnten.

Kilak holte ausgiebig Luft, bevor er lauthals über die Menge schrie. „Die Karren und Wagen in die Mitte – verhaltet euch angemessen zu euren Positionen ... .Und das niemand von euch aus der Reihe tanzt!“

 

~*~

Geschöpfe Suäl Graals

Die Luft vibrierte, und die obere Schicht des feinen Sandes auf dem Boden führte einen hektischen Tanz auf – dirigiert von den starken Schwingungen eines abgrundtiefen Tones, der die Atmosphäre erfüllte. Obwohl kein Ohr seine Herkunft zu bestimmen im Stande wäre, war seine Ursache doch offenbar.

Ein großes, pyramidenförmiges Gebilde, schwärzer als die dunkelste Nacht – glatt und matt seine Flächen, das selbst die scharfen Kanten in seinen Winkeln vom gleißenden Licht der hohen Sonne für das suchende Auge nur gerade erahnbar waren, musste seine Ursache sein.

In respektvollem Abstand vor dieser Erscheinung saß eine bizarre Gestalt auf seinem gepanzerten Reittier. Seine mächtiges Äußeres – gehüllt in zerschlissene, farblose und weite Tücher, die aus den Überresten einer Rüstung hervorquollen wie die losen Hautfetzen eines gemarterten Körpers, hielt eine Lanze, unter dessen Spitze, zwischen einigen dort befestigten Bändern, verblichene Schädel hingen. Ihre wenigen verbliebenen Haare wurden vom leichten Wind bewegt – einem Wind, der hier in den Weiten der Singala ebenso außergewöhnlich war, wie der alles erschütternde dunkle Ton, der nun über der Öde lag.

Das breite, grau-fahle Gesicht der mächtigen Gestalt mit seinen pupillenlosen roten Augen war unbewegt auf die alles beherrschende Pyramide ausgerichtet.

Ebenso bewegungslos stand unweit hinter ihm ein Meer von Reitern, deren Äußeres sich von der ersteren Gestalt kaum unterschied. Ihnen fehlte die Rüstung – wenn man denn die vereinzelten und notdürftig zusammengehaltenen Metallplatten am Körper des Ersteren als eine solche bezeichnen wollte. Er erschien vielleicht noch um einiges größer und furchterregender als seine Artgenossen – aber das konnte auch nur die Suggestion seiner Haltung sein, die diesen Eindruck erweckte. Es war auf jeden Fall unverkennbar, das er der Führer dieses Heeres war ...

„Und als das große Wasser

In dem das Geschöpf Gala erkannte,

Versunken,

Und nicht mehr Gala war,

Da war Singala an seiner Stellen!“

Die sich mehrstimmig überlagernde Stimme, die in diesem Augenblick den tiefen Dauerton unterbrach, als würde sie sich aus ihm heraus formen, um nach dem Ende jeden Satzes wieder in ihn zurückzukehren, war so wenig in seiner Herkunft zu bestimmen, wie der dunkle Dauerton, der sofort wieder jede Pause der Stimme füllte ...

„So hat die Zeit

Das in ihr Verborgene

Offenbart,

Wie alles Verborgene offenbart sein muss

In der Zeit.

Denn so spricht Suäl Graal,

Und so ist es entschieden!

In jener Zeit nun,

Da Gala nicht,

Und Singala war,

Da schuf ich den Hyndriden –

Euch!

Um zu wachen

Über das nun nicht mehr Verborgene.

Um zu wachen

Über das nun nicht mehr Verborgene

In den kommenden Zeiten.

Ausgestattet mit der List der Wandlung

Und der Kraft des Verachtenden,

Ist nun die Zeit, das Offenbarte –

Ist nun die Zeit, die Heilige Tafel

Zu bewahren.

Zu bewahren vor jener Macht,

Die der ewigen Dunkelheit entwich,

Die Große Ordnung Suäl Graals zu stören.

Schon hat sie Gedanken erschaffen

In den Geschöpfen dieses Droms.

Gedanken wider der Ordnung.

Gedanken wider der Furcht meiner Macht.

Gedanken, beseelt zu forschen

Nach dem Entschleierten,

Um es sich dienbar zu machen

Wider der Ordnung Suäl Graals.

Es ist nun eine Zeit,

Da das Unbeugsame,

Unterschieden in Zeit und Ort,

Einzudringen wagt

In die Singala.

So ist nun die Zeit

Zu bewahren,

Was Suäl Graals ist.

Wie es euch bestimmt war von Anbeginn!“

„Wer ist die Macht, die es wagen kann, dir zu begegnen?“ Die gewaltige Stimme des Anführers des Heeres zerriss die vibrierende Luft.

„Hyndride! Du bist nicht gemacht, Fragen zu stellen!“

Eine unüberhörbare Drohung lag in den Worten, die die mächtige Stimme des Hyndriden überlagerte und für einen Moment zum verstummen brachte.

„So gib uns mehr Augenlicht, damit wir auch in der Nacht deinen Feind erkennen!“, hob er erneut an.

„Nein!“, donnerte der Himmel.

„Die Nacht bewahrt,

Das unerkannt sein muss

Für Deinesgleichen!

Denn das Dunkel ist die Mutter der Zeit,

Deren Sohn nach dem Erkennen strebt.

Du bist nicht gemacht

Zu erkennen!

Geschaffen habe ich dich,

Was der Dunkelheit entrissen

Zu bewahren -

oder zu zerstören

Wo es sich gegen mich erhebt.

Denn ich bin das Dunkel,

Bewahrend darin

Das nach dem Lichte strebt –

Trachtend,

Das Geordnete zu stören.

So spricht Suäl Graal!

Sucht und vernichtet also

Die es wagen

Die Singala zu stören.

Die es wagen

Ihr zu nehmen,

Was ich, Suäl Graal

ihr bestimmt habe!“

Ohne jede Ankündigung endete plötzlich das tiefe, und alles beherrschende Summen.

Für einen Augenblick noch stand die dunkle Pyramide still und unangepasst, als ein bizarrer Fremdkörper in der Öden Weite – dann war auch sie in der Zeit eines Wimpernschlages verschwunden.

Erst jetzt begann sich die zerschlissene Gestalt etwas zu Bewegen. Sein Kopf drehte sich langsam, und seine pupillenlosen, roten Augen schienen die Weite der Singala zu durchwandern – als suchte er in ihr etwas.

Das Heer würde sich aufteilen müssen, um in ihr nach dem zu suchen, was es zu finden galt ...

~*~

Das neue Land

Das Erste, dass Kishou bemerkte, bevor sich noch all ihre Sinne dem neuen Land zuwenden konnten, war so allerweltsnormal, das sie eigentlich meinen wollte, es nie vermisst zu haben – wäre da nicht die große Überraschung über dieses vermeintlich Gewöhnliche: Wind!

Sie waren schon ein Stück weit ins Land hineingegangen, aber Kishou war noch immer mit ihren Gedanken zu sehr verhaftet im Zweiten Tal der Zweiten Ebene des Zweiten Droms, und seinem erst kürzlich entronnenen ,Tal der Fügung’ – und natürlich nicht zuletzt bei dem zurückgelassenen treuen Kurluk – um das Neue in sich aufzunehmen.

Ungläubig breite sie nun die Arme aus, und ließ den seichten Zug des Windes durch ihre gespreizten Finger gleiten ... Sie war stehen geblieben und schaute mit staunenden Augen zu Mo hinauf. „Wind!?“, sagte sie mit großer Verwunderung in der Stimme.

„So ist es entschieden!“, nickte Mo.

„Boorh entscheidet: Der Atem des Großen Belfellands verdrängt an diesem Ort von nun an in alle Zeit das Allsein!“

„Stimmt!“, erinnerte sich Kishou an Boorhs einstigen Worten. „Du hast ja mal sowas gesagt!“ Fasziniert drehte sie sich langsam mit weit geöffneten Armen im Kreise. Wie sie sich so drehte, bemerkte sie nun auch endlich die neue und fremdartige Umgebung. Alles hier schien zerrissen, unstet und willkürlich. Der Boden war mit großen und kleinen Steinen übersät – teilweise unter Sanddünen begraben – wie auch die unübersehbaren unzähligen Reste einer ehemaliger Vegetation.

Kräftiges Wurzelwerk ragte überall wie versteinert aus dem Sande, und dazwischen stachelige Klumpen, die einst Grasnarben gewesen sein mochten. Säulenartige Gebilde ragten vereinzelt oder in Gruppen aus dem Boden, einseitig geschliffen vom scharfen Sand, den der Wind wohl gegen sie schlug. Nur weil einige von ihnen Verästelungen aufwiesen, die offenbar stark genug waren, der bewegten Luft in der Zeit zu widerstehen, durfte man annehmen, dass es sich hier um die skurrilen Zeugen einer lange vergangenen Vegetation handelte – um die kläglichen Reste eines ehemaligen, ausgedehnten Waldes.

„Nicht sonderlich gemütlich!“, entfuhr es Kishou sinnend, wie sie nun nach und nach das neue Land in sich aufnahm.

„Tatsächlich! – Sehr unangenehm!“, wurde sie vom Unteren Squatsch unterstützt. Auch der musterte zweifelnd die Umgebung. “... habe lange nicht mehr an diesem Ort das Allsein verdrängt – keine angenehme Zeit bemesse ich hier!“ Er wiegte seinen viel zu großen Kopf auf dem kaum erahnbaren Hals. „Nein, keine angenehme Zeit!“

„Habt ihr eine Ahnung, wie’s jetzt weitergeht – also ich meine, wo wir hin müssen!?“, unterbrach ihn Kishou.

„Boorh entscheidet: Kishou bemisst nun den Pfad zum ,Heiligen Dom des allseitigen Verhaltens’!“

„,Heiliger Dom des allseitigen Verhaltens’?“, horchte Kishou auf. „Was is‘ das denn?“

„Boorh entscheidet: ...”

„In ihm verdrängt der Ort das Allsein ...”, wurde er vom Unteren Squatsch unterbrochen, “... der euch Einlass gewährt in das Dritte Tal der Dritten Ebene des Dritten Droms!“

„Was ist ein ,Heiliger Dom’?“, wollte Kishou wissen.

„Nun – ein ... Dom eben ... ein Dom ...!" Das Untere Squatsch spitzte nachdenklich die Lippen ...

„Ein großes Bauwerk ist in ihm vom Allsein verdrängt!“, sagte Mo ruhig. „In ihm bemessen ist eine große Bedeutung für das Volk der Asimielen, den er bewahrt all ihre Gedanken!“

„So verdrängt es das Allsein!“, fand das Untere Squatsch nun wieder seine Worte. “... eine große Bedeutung. Deshalb bemessen sie in ihm auch eine Heiligkeit ... .sehr heilig!“, unterstrich er bedeutungsvoll.

„Und ihr wisst, wo wir ihn finden?“, fragte Kishou zweifelnd, die verwirrende Landschaft um sich herum musternd.

„So ist es entschieden!“, bestätigte Mo.

“... und so verdrängt es das Allsein!“, ergänzte Boorh.

„Kein Problem – kein Problem!“, mischte sich auch gleich das Untere Squatsch wieder mit wichtiger Mine in die Bestätigungen ein. „Nein – kein wirkliches Problem. Es dürfte etwa ... nun – so ungefähr ...” Seine Augen suchten in eine bestimmte Richtung die Landschaft ab ...

„Dort ist der Ort des Heiligen Doms entschieden und vom Allsein verdrängt!“ sagte Mo, und ihr Arm streckte sich etwas zur linken der Richtung des Ortes, wo sich die Sonne vom Horizont erhoben hatte.

Kishou hielt sich schützend die Hand über die Augen, um die nahe Sonne in Blickrichtung abzuschirmen. ... „Und wie weit?“, fragte sie.

„Sehr viele Male wird das Licht der Sonne neu entschieden sein!“, antwortete Mo.

„Puh ...”, stöhnte Kishou. “... klingt nicht gerade nach einem Spaziergang. T’ja – wenn Kurluk noch hier wäre ... Und ... wo finden wir diesen ... Habadam? – So hieß doch der von eurer Sippe, der hier der Herrscher ist – oder?“

„Habadam?“, rief das Untere Squatsch, während sich seine Augen erschrocken weiteten.

„Hieß der nicht so?“, fragte Kishou, und dachte wohl, ob der Reaktion des Unteren Squatsch, sich im Namen geirrt zu haben.

„Oh ja – oh doch!“, rollte der mit den Augen, und gestikulierte mit seinen kurzen Ärmchen abwehrend in der Luft herum. „In diesem Namen will tatsächlich der erkannt werden, den ihr bemesst. Eine sehr unangenehme Verdrängung vom Allsein – sehr unangenehm!“ Er war sichtlich beunruhigt, und sein ganzer kleiner Körper geriet in Bewegung ... „Ihr habt ihn noch nicht vom Allsein verdrängt – Ihr kennt ihn nicht – sehr unangenehm ... .wie das ganze Land hier. Sehr unangenehm!“

„Boorh entscheidet: Habadam: Boorh ,will nicht’! – also Habadam ,Böse’! Boorh entscheidet: Kishou, die Bezwingern Suäl Graals und Befreierin der Großen Wasser braucht Habadam nicht, um ...”

„Du weißt, dass Trautel Melanchful gesagt hat, dass wir es nur zusammen schaffen können – … hab’ ich dir jedenfalls schon mal gesagt!“, reagierte die etwas genervt. „Keine Ahnung, warum ihr euch so anstellt, aber er muss dabei sein ... sonst hätte es Trautel Melanchful nicht ausdrücklich gesagt!“

Es war wohl einer der höchst seltenen Momente, in denen sich das Untere Squatsch und Boorh einig waren, und so herrschte auch Einigkeit in der betretenen Stille, die nun eintrat.

 

„Also wo finden wir ihn?“, fragte Kishou mit Bestimmtheit in die Ruhe hinein.

„Hier – wenn ihr erlaubt!“

Alle Köpfe flogen herum ...

~*~