Im Auto um die Erde

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Im Auto um die Erde
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MAX REISCH

IM AUTO UM DIE ERDE

PIONIERFAHRT DURCH BURMA,

THAILAND, LAOS, VIETNAM UND CHINA

Mit 10 Landkarten, 4 Briefen und 207 Bildern

Den Förderern in der Heimat und den Freunden in der Ferne

ENNSTHALER VERLAG STEYR

Bildnachweis:

Übersichtskarte Vor- und Nachsatz: Christoph Ennsthaler, Steyr

Fotos Farbbildteil: Gerda Eichholzer, Innsbruck

Alle übrigen Abbildungen stammen aus dem Orient-Archiv von Prof. Dr. Max Reisch

www.ennsthaler.at

1. Auflage 2013

eISBN 978-3-7095-0011-8 (EPUB)

eISBN 978-3-7095-0027-9 (MOBI)

Alle Rechte vorbehalten

Max Reisch · Im Auto um die Erde

Alle Rechte vorbehalten

Copyright ©1984 by Ennsthaler Verlag, Steyr

Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich

Satz: Ennsthaler Verlag Steyr

Umschlaggestaltung: Christoph Ennsthaler, unter Verwendung einer Illustration von Walter Gotschke, Stuttgart

Landkarten

Durch die syrische Wüste

Durch Iran

Durch Afghanistan

Durch Indien

Durch Hinterindien

Durch China

Durch Japan

Übersicht über die gesamte Asienroute

Durch Nordamerika

Vorwort zum 100. Geburtstag von Max Reisch


Dr. Max Reisch, Fernreise-Pionier, Schriftsteller und Verkehrsgeograph, * 2.Oktober 1912

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Das Leben von Max Reisch war geprägt durch Reisen.

Nordafrika, der Orient, der Nahe Osten Arabiens und der Ferne Osten Asiens waren seine Spezialgebiete.

Die motorisierten Expeditionen auf dem Motorrad und mit dem Automobil wurden schon zu seinen Lebzeiten legendär, denn der Erfolg seiner Fernreisen begann bereits 1932, als er 19-jährig seine Nordafrika-Fahrt unternahm.

Die Erkenntnisse seiner Forschungsfahrten hat Max Reisch in zahlreichen Büchern veröffentlicht, seine beiden erfolgreichsten Bücher sind reich bebildert und seit Jahrzehnten in den Buchhandlungen zu finden.

Das Buch »Transasien« ist seit 1939 im Handel, mit vielen Bildern versehen und überarbeitet unter dem Titel »Im Auto um die Erde«.

Die Reisebeschreibung »Indien – lockende Ferne« steht seit 1949 ununterbrochen im Verkauf, heute im Verlag Ennsthaler unter ISBN 978-3-85068-131-5.

Nicht nur als Buchautor, sondern auch als gewandter Redner zog Max Reisch sein Publikum in seinen Bann.

Etliche Film-Produktionen hatten als Thema die Reisen des bekannten österreichischen Reise-Pioniers: »Auf den Spuren von Sven Hedin«, »Bis ans Ende der Welt«, »Ein Leben im Reisefieber« und »Max Reisch – Autopionier«.

Die Lebensreise von Max Reisch ging 1985 zu Ende, doch sein einzigartiger Schreibstil fasziniert noch immer die Generationen, die mit ihm in die Ferne fahren.

Peter H. Reisch, Juli 2012

Bittere Pillen und ein neuer Plan

Prüfungssorgen • Ein Exposé •

Zwischen Furcht und Hoffnung • Der Herr Generaldirektor lässt bitten

Jetzt war man wer. Man war in der Sahara gewesen und das Jahr darauf in Indien – auf den Spuren Alexander des Großen – als Erster mit einem Motorrad. Eine verkehrsgeographische Pioniertat hatte die Presse vermerkt und Professor Bruno Dietrich, Ordinarius für Verkehrs- und Wirtschaftskunde, war mit den Ergebnissen der beiden Kundfahrten zufrieden.

Der Pedell der Hochschule grüßte sehr freundlich und gab mir so manchen guten Tipp: »Der Professor X ist gut aufgelegt, treten Sie heute an. Diesmal kann es nicht schiefgehen!«

Ja, es ging. Mit Ach und Weh schaffte ich die eine und die andere Prüfung. Eben Glück gehabt. Aber das Glück bleibt auf die Dauer nur dem Tüchtigen treu. Das merkte ich bald.

Was hatte man davon, wenn der Pedell gute Tipps gab, wenn die Mädchen sich bemühten, dem »berühmten Kollegen« einzusagen – aber das Wissen doch so kümmerlich war, dass man trotz aller Hilfen durchfiel …

Ein paar schwere Versager brachten mich aus dem indischen Himmel auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Und besonders ein Erlebnis zeigte mir, wie schwer es ist, zwei Herren zu dienen. In der Welt herumfahren und kein Semester verlieren wollen – das vertrug sich nicht.

Die »Warenkunde« war mir besonders unsympathisch und ich hatte kaum jemals eine Vorlesung besucht. Mein bescheidenes Wissen in diesem Fach hatte ich mir beim »Einpauker« im »Cafe Hochschule« erworben. Damit ausgerüstet, meldete ich mich zur Prüfung. Im Vorzimmer des Institutes für Warenkunde stand ein Mann im Arbeitsmantel und ordnete Bücher in einem Regal. Offenbar der Institutsdiener.

»Kann ich bitte den Herrn Professor sprechen?«

»Ja, was wollen Sie?«

»Ich möchte mich zur Prüfung anmelden.«

»So, wie heißen Sie?«

Ich nannte meinen Namen. Mit einem gewissen Selbstbewusstsein, denn man war ja schließlich in der Sahara und Indien gewesen. Und auch mit einem gewissen Ärger, denn was hatte der Diener viel zu fragen. Ich wollte den Professor sprechen.

»So, so, zur Prüfung wollen Sie sich anmelden? Ich will Ihnen was sagen, werter Herr Reisch: Wenn Sie bei mir ein ganzes Semester gehört haben wollen und mich nicht einmal kennen, kann ich Ihnen nur dringend raten, in frühestens einem halben Jahr wiederzukommen.«

Das war ein trauriges Erlebnis. In die Faschingszeitung der Hochschule kam es auch. Alle haben furchtbar gelacht. Nur mir war nicht danach zumute. Um mein seelisches Gleichgewicht wieder herzustellen, beschäftigte ich mich mit einem neuen Reiseprojekt: »Auf dem Motorrad nach China.« Eigentlich ganz naheliegend: Auf der großen Karawanen-Route durch Asien, die südlich des Himalajas vom Mittelmeer zum Chinesischen Meer läuft, hatte ich bisher die Hälfte zurückgelegt: am Landweg nach Indien. Nun war der zweite Teil fällig – von Indien nach China. Professor Dietrich, der meine bisherigen Pläne aus seiner wissenschaftlichen Sicht gefördert hatte, sagte: »Ein verkehrsgeographisch interessantes Projekt! Es gilt, den langen Seeweg um Singapore herum zu vermeiden und stattdessen am Landweg an der Wurzel von Hinterindien eine Verbindung zwischen Vorderindien und China zu suchen.«

Solchermaßen angeregt, arbeitete ich aufgrund der vorhandenen Unterlagen im Institut ein Exposé aus, um der Industrie, die ja das Geld liefern sollte, das Projekt schmackhaft zu machen. Es war eine hübsch gebundene Broschüre mit Landkarten, Diagrammen, Zeit- und Kostenberechnungen. Es galt die Direktoren zu begeistern.

Gerne hätte ich das Projekt persönlich vorgelegt und erläutert. Aber das Sekretariat ließ mich wissen, der Direktor sei verreist, ich möge doch bitte alles schriftlich einreichen. Das schätzte ich gar nicht, denn da kam dann vielleicht ein kurzer, unpersönlicher Brief, man bedaure usw. Das war tatsächlich eine Gefahr, denn es herrschte eine große Wirtschaftskrise just in jener Zeit.

Aber es blieb mir nichts anderes übrig. Ich reichte schriftlich ein. Vorher schrieb ich das ganze Expose noch einmal um. Präziser, schärfer, selbstbewusster und die Kosten setzte ich höher an. Dann wartete ich, ziemlich lange und ich war mit mir, Gott und der Welt, allen Professoren und Direktoren in höchstem Maße unzufrieden. Und mein Gewissen wurde immer schlechter: Hatte ich in den Lichtbildvorträgen oder in einem Zeitungs-Interview etwas Dummes gesagt? Es war mir schon nahegelegt worden, in meinen Stegreifvorträgen vorsichtiger zu sein. Über den Sekretär des Konsulats in Bagdad zum Beispiel hatte ich eine bissige Bemerkung gemacht und der persische Schah hatte durch seine Wiener Gesandtschaft Protest gegen ein Bild eingelegt: eine Kamelkarawane vor dem persischen Justizministerium in Teheran. Welche Unverschämtheit! Wo doch Persien so modern ist und es in den Straßen der persischen Metropole keine Kamele gibt … Hatte ich über meine treue »Indien-Puch« etwas Unrechtes gesagt? Ja, die Speichen waren gerissen, die Sattelfeder gebrochen, das habe ich gesagt! Ein Vierganggetriebe und eine Federung des Hinterrades hatte ich energisch gefordert. Hatte ich sonst noch etwas gesagt, das österreichische Werkmannsarbeit geschmäht haben konnte?

Ich war mir keiner Schuld bewusst. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen.

Schließlich kam die Antwort. Nicht vom Herrn Direktor. Nanu? Ich musste zweimal lesen, bis ich erfasste: »Der Herr Generaldirektor erwartet Sie am 2. Oktober um 15 Uhr zu einer Besprechung.« Das war ein schicksalsschwerer Brief: Sollte ich mich freuen? Oder würde mir von allerhöchster Stelle eine Strafpredigt gehalten werden? Mein Gewissen war infolge der langen Wartezeit immer schlechter geworden.

 

15.10 Uhr. »Der Herr Generaldirektor lässt bitten.« Wie furchtbar das klang!

Der Weg war endlos lang. Ich glaube, nach China ist er kürzer. Man hat von Diktatoren gelesen, dass sie über ein Arbeitszimmer verfügen, dessen Durchschreitung einem Canossagang gleichkommt. Mir ging es ähnlich. Ich wurde klein und immer kleiner. Ich dachte: Du hättest die Reisekosten nicht erhöhen sollen. Verringern hättest du sie sollen, du Tor!

Dann hörte ich wie aus weiter Ferne eine Stimme: »Die Ergebnisse Ihrer Indienreise haben uns recht befriedigt.«

Ich verbeugte mich stumm.

»Aber nun haben wir genug Werbung für unser Motorrad gehabt.« Der Herr Generaldirektor machte eine Kunstpause, (während der mir das Herz endgültig in die Hose rutschte) und dann fuhr er fort: »Muss es unbedingt ein Motorrad sein? Warum wollen Sie eigentlich keinen Wagen nehmen?«

Das »Eigentlich« des Generaldirektors half mir.

Ja, warum eigentlich nicht? Ich riss mich zusammen und sagte: »Das wäre ein großartiger Plan, kühner als ich ihn je geträumt habe.«

Der Generaldirektor lächelte. »Wir sehen das Problem aus einer größeren Perspektive. Unser neues Modell Steyr 100 liegt uns am Herzen. Es soll sich in der Welt bewähren. Trauen Sie sich zu, unser neues Modell durch China zu steuern?«

»Ja, Herr Generaldirektor.«

»Die von Ihnen genannten Kosten würden sich natürlich für den Wagen entsprechend erhöhen.«

»Ja, Herr Generaldirektor.« (Es war wie im Märchen.)

»Sagen wir das Doppelte des Vorschlages von Ihrem Exposé?«

»Ja, Herr Generaldirektor.« (So etwas kommt eigentlich nur im Kino vor.)

»Wir legen aber größten Wert auf Serienmäßigkeit. Nichts darf mechanisch verändert werden! ›Herr Jedermann‹ muss das Gefühl haben, auch er könne mit einem Steyr 100 nach China fahren.«

»Ja, Herr Generaldirektor.«

»Wann wollen Sie fahren?«

»Im Mai«, sagte ich aufs Geratewohl. Jetzt nur keine Unsicherheit zeigen.

»Gut. Bis dahin erhalten Sie eine Limousine unserer neuen Type, damit Sie sich mit dem Wagen vertraut machen können. Alles Weitere besprechen Sie mit Direktor X, Direktor Y und Ingenieur Z. Viel Glück!«

Die Unterredung hatte etwa zehn Minuten gedauert. Ich wankte aus dem Saal hinaus. Im Kopf schwirrte es: im Auto nach China, Reisekosten zuerst schon erhöht, dann nochmal verdoppelt, Limousine zum Privatgebrauch …

Im Auto vom Mittelmeer zum Gelben Meer!

Ist das leichter oder schwerer als mit dem Motorrad? Ich wusste es selbst nicht.

Auf vier Rädern

Die prächtige Limousine • Wer fährt mit? • Der richtige Partner • Helmuth

Hahmann, Chefingenieur und Kameramann • Karosserie nach eigenen Ideen •

Expeditionsgepäck in Hülle und Fülle • Aber die Erleuchtung kam zu spät

Ich war noch wie betäubt und wusste nicht, ob ich mich freuen sollte. Im Resselpark, hinter dem Verwaltungsgebäude der Steyr-Daimler-Puch AG, stürmten die Gedanken auf mich ein. Lach ein bissl, drängten sie. Jetzt wirst du dir nicht mehr die Knie zerschinden und die Waden verbrennen am heißen Auspuff und Gepäck kannst du mitnehmen, soviel du willst! Sogar den Tennisschläger! Du bist ein Schuft, mahnten sie dann gleich darauf; hat dich dein Motorrad nicht treu und brav bis nach Indien gebracht? War es nicht dein guter Freund? Und jetzt lässt du es im Stich! Dieser Gedanke war mir schmerzlich. Denn ich war verliebt in mein Motorrad, in die vielen gemeinsamen Erinnerungen und auch in seine kraftvolle Sprache. Ob dem Motor zu heiß war oder zu kalt, ob er freudig arbeitete oder widerwillig, ob das Benzin gut war oder schlecht, ob ihn ein geheimnisvolles Leiden zu quälen begann, das alles sagte mir sein Klang. Und nun sollte ich mein sprechendes Motorrad mit einem lautlosen Automobil vertauschen. Das war mir neu und fast unheimlich. Außerdem konnte ich nicht Autofahren.

Das Motorrad beherrschte ich, das Auto war ein großes Fragezeichen und in ein paar Monaten sollte ich damit nach China fahren …

Der Generaldirektor musste ein beachtliches Vertrauen haben. Er dachte sich wohl: Auto oder Motorrad ist im Grunde dasselbe. Viele Leser dieses Buches werden ähnlicher Auffassung sein.

Ich war es von allem Anfang nicht und versuchte mich umzustellen. Trotzdem beging ich einige prinzipielle Fehler, die mir auf der Reise zu schaffen machten. Das wird sich im Näheren noch zeigen.

Während ich so durch den herbstlichen Resselpark wanderte und der Zweifel an mir nagte, sah ich die Vision des Expeditionswagens in der Wüste, im Dschungel, in China und schließlich eine glückliche Heimkehr. Hatte ich nicht immer einen guten Stern gehabt? Meine Mutter behauptete es. Und war es nicht mehr als ein Zufall, dass ich gerade heute, am 2. Oktober, zum Generaldirektor bestellt worden war? An meinem Geburtstag!

In den folgenden Monaten hatte ich reichlich zu tun. Wie durch ein Wunder war mir der »Knopf zum Studium« aufgegangen und ich legte eine Prüfung nach der anderen ab. Ich machte schnell den Führerschein und übte fleißig. Urkomisch eigentlich: Jemand wird mit einer Auto-Expedition betraut und kann nicht Autofahren …

Die Limousine, die der Herr Generaldirektor »zum Üben« bereitstellen ließ, war der letzte Schrei der Automobil-Technik: ein robuster Motor, Vier-Zylinder, 1360 ccm, 32 PS, in einem sehr soliden Rahmen mit Schwingachsen an allen Rädern, Öldruck-Bremsen und Zentralschmierung. Der Druck auf ein Pedal genügte und alle Gelenke wurden gleichzeitig mit Öl versorgt. Die Karosserie war die erste serienmäßige Stromlinien-Karosserie der Welt und die beiden Türen auf jeder Seite wurden durch keinen Mittelpfosten eingeengt. Der »Hunderter Steyr« war genial. Konstruktion des Porsche-Schülers Ing. Jentschke in den Steyr-Werken.

Für die Expedition hatte ich mir vom Werk nur das Chassis erbeten. Bezüglich des Aufbaues wollte ich meine eigenen Ideen verwirklichen: Auf die damals üblichen Trittbretter, die den Fahrgastraum in seiner Breite einschränken, verzichtete ich und nützte die ganze Breite, um drei Sitze nebeneinander unterzubringen. Fast nebeneinander, muss ich verbessern, denn der mittlere Sitz war um etwa einen Viertel Meter zurückgesetzt. Das gab für alle drei mehr Schulterraum und außerdem war trotz Schalt- und Bremshebel in der Mitte genügend Platz für die Beine des Mittelsitzers. Diese Anordnung ergab ferner, dass hinter den beiden Außensitzenden zwei sehr praktische Kästen für Kleinkram angeordnet werden konnten. – Auf Türen verzichtete ich zur Gänze. Zwei, wie mir schien, sehr elegante Ausnehmungen in den Seitenwänden, an deren »Schwung« ich lange und mit Liebe gezeichnet hatte, ermöglichten einen erträglich bequemen Einstieg. Das Ganze sah, wie später festgestellt wurde, einem Jeep recht ähnlich. Freilich, der Jeep ist erst 5 Jahre später erfunden worden.

Warum drei Sitze: um dann und wann einen Begleiter oder Dolmetscher mitnehmen zu können. Eine Zeit lang fuhr sogar ein amerikanischer Arzt mit uns.

Im hinteren Teil des Wagens war viel Platz für Wassertanks, Benzinkanister, Ersatzteile und persönliches Gepäck. Es war sogar zu viel Platz vorhanden! Dadurch wurde ich verleitet, nach der Kargheit auf den beiden Motorradreisen, nun den Maßstab zu verlieren und manchen Luxus an Bord zu nehmen, den ich jetzt glaubte, mir leisten zu können. Das gab Schwierigkeiten! Der Wagen war nun mit Ersatzteilen und persönlichem Kram schwer überladen. Dieser entscheidende Fehler hätte die Expedition fast zum Scheitern gebracht.

Doch nochmals zurück zur schönen Limousine und meinen Fahrübungen. Ich wagte es nicht, mit diesem Luxuswagen vor der Universität aufzukreuzen; ich ließ ihn in der Nähe in einer Seitengasse stehen und ging brav zu Fuß die letzten paar hundert Meter. Denn ich wollte nicht den Neid oder zumindest die Missgunst der Dozenten und Professoren erregen. Das Auto kostete damals öS 7.000,- und nur Schwerverdiener konnten es sich leisten. Mit der Straßenbahn fuhr man um 12 Groschen und ein Mittagessen in der Mensa kostete 90 g. Ich erinnere mich genau, dass kein einziger Professor ein Auto besaß. Ich war der Einzige und begreiflicherweise ließ ich es niemanden wissen. Außer natürlich meinen Reisebegleiter, Helmuth Hahmann, der ein sehr geschickter Techniker war. Er hatte sich auch der Mühe unterzogen, einen Spezialkurs bei den Steyr-Werken zu machen. Das haben wir dann auch dringend gebraucht, denn nicht weniger als dreimal brach das Differenzial. Einmal schon in Arabien, dann im Dschungel von Thailand und das dritte Mal in Mexiko. Diese bei einem Schwingachswagen sehr schwierigen Reparaturen und die ganze laufende Pflege des Fahrzeugs hat Helmuth Hahmann in mustergültiger Weise gemeistert. Dafür bin ich ihm dankbar, ebenso für die gewissenhafte Führung des Bordbuches und die Überlassung seiner Tagebücher, die mir viele Einzelheiten wieder nahegebracht und den vorliegenden Bericht bereichert haben. Auch hat er mir seine Filme überlassen, sodass schließlich im Jahre 1983 aus unseren beiden Filmen vom ÖAMTC der neue Tonfilm »Auf den Spuren Sven Hedins« geschaffen werden konnte.

Sven Hedin. – Ja, wir fuhren am ersten Teil der Reise auf den Spuren des großen schwedischen Geographen, der mir immer Vorbild gewesen war. Er und natürlich auch mein Lehrer für Verkehrs- und Wirtschaftsgeographie, Prof. Bruno Dietrich, haben meine Reisen inspiriert und ihnen zum Start verholfen.

Wie lautete der Auftrag, was hatte Generaldirektor Götzl gesagt: Nehmen Sie doch unsere neue Type 100, fahren Sie damit quer durch Asien, vom Mittelmeer zum Gelben Meer.

Dass daraus ab Shanghai eine Reise rund um die Erde werden sollte, stand noch in den Sternen. Die »Transasien-Expedition« von Haifa bis Shanghai mit einer Länge von ca. 23.000 km hatte ich mit 9 Monaten berechnet, es wurden 14 Monate daraus und die ganze Reise um die Welt hat schließlich 19 Monate gedauert, genau vom 23. April 1935 bis 7. Dezember 1936.

Es ist gut, dass wir diesmal noch vieles nicht wussten, besonders, dass wir allein für Hinterindien ein halbes Jahr brauchen würden. Es war allerdings auch die absolut erste Durchquerung von Burma und den Shansaaten (Goldenes Dreieck), Thailand, Laos und heutigem Vietnam.

Bildteil 1


Die »Seidenstraße« und die »Südroute« vermittelten im Altertum und Mittelalter den Austausch materieller und geistiger Güter zwischen dem Abendland und dem Fernen Osten.

Diese berühmten Karawanenstraßen werden nun dem motorisierten Verkehr erschlossen.


1933: Erstes Motorrad am Landweg nach Indien. Die berühmte »Indien-Puch« wurde auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Ein neues Projekt sollte nun die Strecke von Indien nach China unter die Räder nehmen. Aber der Generaldirektor fragte: Warum schon wieder mit dem Motorrad? Nehmen Sie doch unseren neuen Wagen und fahren Sie damit auf der Südroute quer durch ganz Asien …


»Vom Mittelmeer zum Gelben Meer« lautete der Auftrag. Und dann weiter, rund um die Erde. Der funkelnagelneue A2020 ahnt noch nicht, wie viele Sorgen wir auf dem 40.000 km langen Weg miteinander haben würden. Technische Daten: Vierzylinder-Motor, 1385 ccm 6/32 PS, Vierganggetriebe. Schwingachsen vorne und hinten, Fahrgestell und Motor vollständig serienmäßig; das war eine strikte Bedingung der Fabrik. »Jedermann sollte mit dieser neuen Konstruktion quer durch Asien fahren können.« Die Karosserie war eine Spezialanfertigung, die sich als zu schwer erwies und in Bagdad geändert wurde. Der Wagen verfügte über drei Sitze; der mittlere war zurückgesetzt, sodass für alle drei bequem Platz war. Hinter den beiden Außensitzen befanden sich Staukästen. Im rückwärtigen Laderaum waren Behälter für Wasser, Benzin und Öl, Ersatzteile, Konserven, Feldbetten und das persönliche Gepäck untergebracht.


Tel Aviv. In der neu gebauten Stadt verkehrten mehr Kamele als Automobile.



Palästina 1935 – Schon damals die großen Gegensätze zwischen orthodoxen Juden und modernen Arabern. Ist es heute etwa umgekehrt?

 


Vorbereitungen: Jeder der 14 Staaten stellte über Antrag des österreichischen Außenministeriums allerbeste Empfehlungsschreiben zur Verfügung und informierte auch die diplomatischen Vertretungen in den einzelnen Ländern, sodass wir überall angemeldet waren. – Interessant ist der Hinweis auf die Waffenlosigkeit der Expedition. Weitere Vorbereitungen betrafen die Einrichtung von Reifen-, Ersatzteil- und Benzindepots in einzelnen Stützpunkten.


Englische Luftaufnahme aus dem Jahr 1935 von der großen Oasenstadt Kerbela, nach Nedjef das zweitgrößte schiitische Heiligtum im Irak.


Die Menschen der Wüste sind immer hilfsbereit. Im Unterbewusstsein wissen sie, dass auch sie vielleicht schon morgen Hilfe brauchen werden. – Ausschaufeln des Wagens am Weg in die heilige schiitische Wüstenstadt Nedjef.


Sandsturm in der syrischen Wüste zwischen Damaskus und Bagdad. Die Luft ist mit Elektrizität geladen, Mensch und Tier sind nervös. Plötzlich wälzt sich mit hoher Geschwindigkeit die unheimliche Sandwand heran. Die Kamele kauern sich eng zusammen, die Karawanenleute legen sich, in ihre Burnusse gehüllt, im Windschatten der Warenballen unter ihre Decken. Der Autofahrer stellt den Wagen in die Richtung des Sturmes und wartet … es sei denn, die nächste Oase ist nahe.


Diesen Wüsten-Waran, das »Landkrokodil Herodots«, erlegte Helmuth Hahmann am Weg zwischen Bagdad und En Nedjef.


Die riesigen Schöpfräder am Tigris heben das Wasser in kleinen Tonkrügen nach oben. Über Aquädukte fließt es den Gärten zu.


Im Sommer war es in Bagdad üblich, mit dem Motorboot flussauf zu fahren und sich dann den relativ kühlen Fluten anzuvertrauen. Dabei geschah das Unglück, das durch die Presse – einigermaßen übertrieben – zuhause bekannt wurde und für die Expedition ein zweites Unglück war. Denn die Förderer waren der Ansicht, dass ich mich auf ein so unnötiges Abenteuer nicht hätte einlassen dürfen.


Die Altstadt von Bagdad. Hier ging schon Harun al Raschid in Verkleidung, um sein Volk zu belauschen.


Die Pferdebahn von Bagdad nach Kadimain war bis zum Jahre 1946 in Betrieb.


Die Anfänge des Autoverkehrs. Die kleinen Ford Lastwagen, Modell T, wurden maßlos überladen.

Aber für ein paar »Passagiere« war immer noch Platz.


Begräbnistürme im »Tal des Todes« der arabischen Wüstenstadt Tadmor (Palmyra), einst beherrscht von der Königin Zenobia.


Unser Grammophon in der Wüste. Ein winziges zusammenklappbares Grammophon, das Normalplatten tragen konnte, erfreute unsere arabischen Freunde in der Wüste.


Karawanenführer in der syrischen Wüste.

Noch beherrschen die Kamelkarawanen mit ihren selbstbewussten Führern das Bild der Wüste.