WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN

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WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN
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Martin Selle

WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN

Aktualisierte Auflage 2016. Autorisierte US-Lizenzausgabe. Erscheinungs-Titel 2015: Wie Sie Ihr erstes Buch schreiben.

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen

Helden sind die Story

Das Geheimnis spannender Figuren

Spezialtechniken zur Figurenerschaffung

Die Königswege zur Bestsellerfigur

Die Profi-Methoden zur Blitzcharakterisierung

Die Meisterformen der Figurenpräsentation

Weitere Insider-Geheimnisse

Tipps zum Fehler vermeiden

Nützliche Fragen, Merkhilfen

Kontrollliste Figurenerschaffung

Ein Held wird geboren

Sie erschaffen Helden

Sie (er)finden Ihre Geschichte

Was ist eine Geschichte?

Das Geheimnis, wie Sie Geschichten (er)finden

So erkennen Sie, ob Ihre Idee die richtige ist

Ihre Story wird geboren

Wer erzählt Ihre Story?

Die drei Königs-Techniken

Profi-Tipps zum Finden der besten Perspektive

Den Erzähler finden

Der Weg zum Ziel

Das Geheimnis des Handlungsaufbaus

Die Erfolgs-Formeln Handlung und Plot

Nebenhandlung

16 Profi-Plots für Ihre Story

Kontrollliste Handlungsaufbau

Den Weg zum Ziel festlegen

Bilder mit Worten malen

So schreiben Sie mit allen 7 Sinnen

Wie Sie mit Worten Gefühle und Bilder malen

So beschreiben Sie Gedanken und Gefühle

Die Meister-Techniken des Erzählens

Königs-Disziplin: die Szene

Die Wichtigkeit des Erzählrhythmus

Das Geheimnis der Erzählzeit

Wie lang soll Ihr Roman sein?

Das Geheimnis von Räumen, Orten und Schauplätzen

Beschreibungs-Fallen

Da Szene, dort Zusammenfassung

Wie Sie fesselnde Spannung erzeugen

19 Profi-Techniken, die packende Spannung erzeugen

Kontrollliste ›Ist Spannung im Text?‹

Sie bringen Spannung in Ihre Story

Reden ist Silber, Dialog ist Gold!

Das Geheimnis des professionellen Dialogs

Merkmale von mangelhaftem Dialog

Die Meister-Methoden

Die Königsdisziplin ›Indirekter Dialog‹

Kontrollliste Dialog

Ihre Figuren sprechen in Rätseln

Anfang gut, alles gut

Damit der erste Satz nicht der letzte Satz ist

9 Profi-Techniken, wie Sie packende Roman-Anfänge schreiben

Kontrollliste Roman-Anfang

Das Geheimnis erfolgreicher Titel

Das Roman-Ende

Sie schreiben Ihre Story

Auf dem Weg zum Welterfolg

Die Urfassung – alles, was zählt

Geheimwaffe Zeit – 6 Erfolgs-Formeln

Der 28-Schritte-Plan der Profis

Ihre Zweitfassung entsteht

Lektorat, Sprache, Stil

17 Erfolgs-Geheimnisse zum sprachlichen Feinschliff

Sprachtechniken: Meisterschule

Die Sprache abrunden, Ihren Text stärken

Impressum neobooks

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen

Schreiben ist erlernbares Handwerk, nicht Talent. Ich weiß, es fällt Ihnen vermutlich schwer, diese Auffassung zu teilen. Da sind Sie keine Ausnahme. Dennoch ist es so. Es geht um solides Handwerk, wie wir im Laufe des Buches sehen werden.

Ein gut fundierter Schreibprozess von der ersten Idee bis zum fertigen Manuskript umfasst drei Arbeitsschritte:

Die Vorarbeiten

Das Schreiben des Manuskripts

Das Überarbeiten des Textes

Anhand dieser grundlegenden Gliederung der schriftstellerischen Arbeit sehen wir schon, dass es notwendig ist, das Schreiben eines guten Buches sorgfältig zu planen. Den Überblick im Ozean der Ideen zu behalten und organisiert zu arbeiten, darin liegt der Schlüssel zum Erfolg.

WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN zeigt Ihnen, wie Sie Schritt für Schritt vorgehen können, um am Ende ein professionelles Manuskript vorliegen zu haben. Was Sie mitbringen müssen, ist Leidenschaft, Disziplin und Durchhaltevermögen - nichts weiter.

Sie werden erfahren, wie durch kreative Ideenfindung, sorgfältige Ausarbeitung, gründliches Entwickeln der Handlung, Entwerfen, Planen und Feinschleifen ein wirklich spannendes Buch entsteht. Sie lernen, eine Geschichte zu (er)finden, Spannungstechniken bewusst einzusetzen, packende Anfänge zu schreiben und überraschende Wendungen zu kreieren. Dieses Praxisbuch ist eine Anleitung, Ihr Routenplaner, wie Sie Wort für Wort ein überzeugend gutes Buch schreiben. Ob Thriller, Krimi, Abenteuer, Fantasy, Science-Fiction ... spielt dabei keine Rolle.

Sie werden damit anfangen, Ihre Story zu finden, unvergessliche, faszinierende Figuren und Helden erschaffen. Sie werden einen fesselnden Plot entwerfen, voll von Geheimnissen und Rätseln, Gefahren, Spannung, stürmischer Konflikte und feuriger Streitigkeiten.

 

Zudem werden Sie erfahren, wie man fesselnde Szenen entwirft und spannend schreibt. Ein 28-Schritte-Plan von Bestseller-Autoren zeigt Ihnen, wie man ein Manuskript strafft, den guten Text noch stärker macht, poliert, feinschleift.

Der Ehrlichkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, das Buch kann Ihnen keine Garantie dafür geben, dass Sie einen Bestseller schreiben werden. Leider. Warum? Dafür hängt zu viel von Ihnen selbst ab, worauf die hierin ausgeführten Techniken keinen Einfluss nehmen können. Doch wenn Sie die Arbeitstechniken dieses Buches beherzigen, sie sorgfältig umsetzen und anwenden, wenn Sie schreiben, überarbeiten, schreiben, überarbeiten, bis Ihre Geschichte lebendig ist, dann können Sie wahrhaft enormen Erfolg haben! Viele Autoren haben bei null begonnen und stehen heute in den Bücherregalen rund um den Globus.

Bei Büchern ist es wie bei Sensationsnachrichten: Das Publikum ist unersättlich, damit versorgt zu werden. Es gibt also einen riesigen Markt für gute Bücher, der bedient werden möchte. Sind Sie in der Lage, dieses Material zu liefern, dann wird es in der Regel auch gekauft. Sie sehen, Ihre Chancen, ein Buch zu verkaufen stehen tatsächlich gut. Voraussetzung ist, das Buch ist professionell geschrieben. Das wiederum setzt voraus, dass Sie das Handwerk des Schriftstellers erlernt haben. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Noch ein Wort zum Talent. ›Ich würde gerne schreiben, habe aber kein Talent dazu.‹, diesen Satz kennt jeder. Er ist nichts weiter, als ein fataler Irrglaube. Warum? Weil Sie unter Talent verstehen, dass jemand ohne das Handwerk zu lernen, gut schreiben kann. Ich versichere Ihnen: Ohne solides Handwerk ist noch niemals ein veröffentlichungsreifer Text entstanden.

Verbannen Sie bitte den Begriff Talent aus Ihrem Gedächtnis. Er demotiviert.

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen.

Ersetzen Sie den Begriff Talent durch Inhalte, die auf Sie sicher zutreffen. Dann verliert das Gespenst Talent schnell seine einschüchternde Ausstrahlung. Diese Begriffe sind: Leidenschaft und Bauchgefühl. Schreiben Sie einen Satz, der nicht ›funktioniert‹, dann wird sich in Ihrer Bauchgegend etwas regen, das Ihnen sagt ›So nicht‹. Das nenne ich natürliches Gespür, nicht Talent. Und jeder Mensch verfügt über dieses natürliche Gespür! Im Laufe unserer Erziehung verkümmert es nur immer mehr. Aber es ist in Ihnen da. Sie werden noch sehen.

Ebenfalls wichtig: Haben Sie keine Scheu davor, klar zu definieren, warum Sie schreiben wollen. Ihr Motiv ist wichtig, denn nur so sind Sie sich selbst sicher, dass Sie an dem arbeiten, was Ihnen Spaß macht. Einem Autor muss der kreative Prozess einfach Spaß machen. Ohne Ziel gibt es keine Motivation. Und ohne Motivation kein Ergebnis. Ich nenne Ihnen hier die häufigsten Gründe, warum Menschen schreiben wollen (sie stammen aus meinen Schreibkursen, in denen ich diese Frage immer stelle):

Streben nach finanzieller Unabhängigkeit.

Sich selbst verwirklichen.

Sehnsucht nach Besonderheit.

Bedürfnis, etwas mitzuteilen.

Anders sein wollen als die Anderen.

Ich habe in diesem Buch in sorgfältiger Arbeit, mit mehr als 50 international renommierten Autoren-Kollegen, das Fachwissen, die Meister-Techniken und Erfolgs-Geheimnisse des Creative Writing-Handwerks für Sie zusammenzutragen und zu einem Praxis-Kurs aufbereitet. Das Arbeitsbuch ist in zehn Teilen (Arbeitsschritten) aufgebaut. Jedes Modul gliedert sich in drei Teilbereiche:

a) Handwerkliche Techniken der Profis lesen (lernen).

b) Ihren Lieblingsroman hinsichtlich der Techniken dieses Moduls untersuchen, zergliedern und entwirren (üben). Um diesen Teil der Ausbildung zu erleichtern, bringe ich Ihnen immer wieder Beispiele aus Welterfolgen, die deutlich veranschaulichen, wie Profis die einzelnen Techniken in ihren Romanen gebrauchen. Auch meinen Thriller ›Die Wahrheit über Derek Foster‹ ziehe ich heran, um gewisse Kniffe zu verdeutlichen.

c) Das neue Können auf Ihre Story anwenden (schreiben).

Auf diese Weise entsteht nicht nur Ihr eigener Roman, Sie sparen auch die enormen Kosten einer teuren Schreibschule und viel Zeit.

Bevor wir unser Abenteuer mit Teil 1 beginnen, noch ein paar Worte darüber, wie Sie dieses Buch geschickt anwenden. Das Schreiben der Geschichte selbst ist lediglich ein Teil der Arbeit, die wir Schriftsteller auf dem Weg von der Idee bis zum fertigen Manuskript zu leisten haben. Ich spreche in diesem Zusammenhang von der 80-20-Formel. 80 Prozent der Tätigkeit eines Autors betreffen die Vor- und Nacharbeiten wie Recherche, Figuren entwickeln, Handlung bauen, überarbeiten, lektorieren. 20 Prozent sind der eigentliche Schreibprozess, das Worte-auf-Papier-bringen.

Die einzelnen Teile sind vom Inhalt her so angeordnet, wie viele Schriftsteller ihren Arbeitsprozess gliedern. Insgesamt sind es zehn Teilbereiche. Gehen Sie beim Erlernen der Reihe nach vor! Ansonsten versinken Sie leicht im Chaos Ihrer vielen Ideen, verlieren den Überblick und in weiterer Folge Ihre Schreiblust.

Zuerst lesen Sie ein Kapitel und erwerben dadurch die nötigen Werkzeuge des einzelnen Schreibbereichs. Lesen Sie ein Kapitel mehrmals, wenn nötig. So lange, bis Sie das Gefühl haben, den Inhalt im Griff zu haben. Sie sollten die handwerklichen Techniken grundsätzlich im Kopf haben. Im praktischen Teil festigen und vertiefen Sie diese dann automatisch.

Nach der Lektüre folgt der praktische Teil zum jeweiligen Kapitel. Sie setzen das erworbene Wissen in beschriebene Papierseiten um, erfinden Figuren, suchen Namen, bauen Handlung auf, erfinden Szenen, suchen Schauplätze, erfinden Probleme und mehr.

Ein paar hilfreiche Schreibwerkzeuge erleichtern Ihnen die Arbeit ungemein:

Textliner (möglichst viele verschiedene Farben). Haben Sie zu wenige Farben, verwenden Sie zusätzlich Buntstifte.

Karteikarten. Format ca. 10,5 x 7,5 cm. Besorgen Sie sich auch hier verschiedene Farben.

Ein dickes liniertes Heft für die Analysen an ›Die Wahrheit über Derek Foster‹.

Den Thriller ›Die Wahrheit über Derek Foster‹. Ein Exemplar, in das Sie Notizen und Farbmarkierungen machen werden. ISBN 978-3-944729-63-3, Amrun Verlag.

Nehmen Sie sich ausreichend Zeit. Schreiben ist Geduld, ein kreativer Prozess. Und da geht nichts auf Kommando. Ehe es nun losgeht, noch zwei konkrete Ratschläge, die Ihnen in jedem Fall äußerst hilfreich sein werden:

1) Lesen Sie wie ein Schriftsteller

Lesen Sie und analysieren Sie dabei. Untersuchen Sie, wie der Schriftsteller Personen, Orte, Handlungen, Gedanken und Gefühle beschreibt. Stoppen Sie an jeder Stelle, an der Ihre Aufmerksamkeit erregt wird. Finden Sie heraus, wie und warum es dem Autor gelungen ist, Spannung zu erzeugen. Wodurch hat er Sie gefesselt? Filtern Sie heraus, wie die Handlung aufgebaut ist. Wie sieht die Szenenabfolge aus? Was geschieht nacheinander? Zwischen welchen Handlungssträngen pendelt der Autor hin und her? Wie findet der Schriftsteller die Auflösung? Wie lösen sich die geschaffenen Probleme auf?

2) Beobachten und speichern Sie

Hören Sie anderen Leuten zu. Wie reden sie miteinander? Merken Sie sich Geräusche, Gerüche, Milieusprachen und leiten Sie daraus Hintergründe in Bezug auf Orte und Menschen ab. Zum Beispiel der Kaffeeduft in einem Tchibo-Laden. Beobachten Sie Menschen, deren Mimik, Gestik. Speichern Sie diese Bewegungen. Sie können später nützlich sein.

Die wohl wichtigste Fähigkeit des Schriftstellers ist sein bildliches Vorstellungsvermögen – ein Handwerkszeug des Schreibens. Und das in Verbindung mit allen anderen Sinnen. Trainieren Sie Ihre Sinne durch das Beobachten und Speichern aller Sinneseindrücke. Dann können Sie später im Kopf Ihrer Leser lebendige Geschichten heraufbeschwören.

Los geht’s!

Teil 1

Helden sind die Story

Figur-Typen und deren Bedeutung

Wir beginnen nicht mit dem Thema?, werden Sie verwundert fragen. Nicht damit, woher ein Schriftsteller seine Ideen bekommt? Und auch nicht damit, wie ein Autor mit seinen Ideen umgeht, diese weiter entwickelt? Dazu kommen wir später. Zuerst müssen Sie verstehen, dass eine Geschichte aus den Figuren besteht. Sie sind es, die handeln und somit die Story entstehen lassen. Diese Erkenntnis ist ungemein wichtig. Nur durch sie können Sie Ihren Ideen Leben einhauchen. Denken Sie an einen Ihrer Lieblingsfilme, an einen Ihrer Lieblingsromane, an eines Ihrer Lieblingstheaterstücke. Immer werden es die Personen, die darin vorkommen sein, an die Sie sich erinnern. Das liegt daran, dass Ereignisse bedeutsamer werden, wenn wir die Menschen kennen, die von ihnen betroffen sind. Stellen Sie sich bloß folgende Zeitungsmeldung vor:

Der Schüler erlag noch an der Unfallstelle seinen inneren Verletzungen.

Das ist wirklich tragisch, berührt Sie aber nur am Rande. Sie kennen den Schüler ja nicht näher. Nun stellen Sie sich vor, die Meldung erreicht Sie per Telefon:

Der Schüler erlag noch an der Unfallstelle seinen inneren Verletzungen. Es ist Ihr Sohn Jan.

Gut werden Sie sagen, ich habe (Gott sei Dank) keinen Sohn Jan. Aber Sie wissen, was ich meine. Je näher Sie eine Person kennen, desto tiefer berührt sie deren Schicksal, weil die Katastrophe ein menschliches Gesicht, ein Leben bekommt. Wenn Ihr Leser Tragödien auf menschliche Weise erlebt, weil er sie mit wirklichen, ihm vertrauten Personen verbindet, die die Katastrophe überlebt haben oder durch sie gestorben sind, prägen sich diese Ereignisse unauslöschlich in seinem Bewusstsein ein. Und genau darauf kommt es Ihnen als Schriftsteller an.

Wenn Sie beginnen, Ihr Buch zu schreiben, dann fangen Sie bei den Figuren an. Wenn es Ihnen gelingt, unsterbliche Helden zu erschaffen, die sich dem Leser unauslöschlich einprägen, dann wir er Ihren Roman nicht mehr aus der Hand legen – und ein Verleger und Lektor ebenso wenig. Sehen wir uns deshalb an, wie Sie es anstellen, derart lebendige Figuren zu erfinden.

Es gibt Meister-Techniken, mit deren Hilfe Sie vermeiden, unrealistische, fehlerlose Götter zu erschaffen. Es geht darum, echte Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen zu kreieren, denn Menschen sind nicht perfekt. Und die Figuren in Ihrem Roman dürfen das auch nicht sein, sonst berühren Sie den Leser nicht tief in seinem Inneren. Eine Romanfigur, die in einem Bereich perfekt ist, sollte in einem anderen unvollkommen sein. So könnte der clevere Detektiv auf der anderen Seite spielsüchtig sein. Sehen wir uns nun an, wie Sie derartige Figuren erschaffen.

Die Bedeutung der Figur im Allgemeinen

Wie bereits erwähnt: Keinem anderen Teil Ihres Werkes kommt so viel Bedeutung zu wie dem Charakter, der Figur. Wenn es dem Schriftsteller nicht gelingt, einen lebendigen, lebensechten Charakter zu entwerfen, mit dem sich der Leser identifiziert, mit dem er lacht, weint, Angst hat und leidet, dann wird sein Roman kaum auf Platz 1 der Bestsellerlisten stehen. Kurz gesagt: Es muss Ihnen gelingen, eine Figur zu zeichnen, die den Leser restlos in ihren Bann zieht. Und das von der ersten Seite Ihres Werkes an.

Wie erschaffe ich unsterbliche Figuren? Was ist das Geheimnis unvergesslicher Helden? Es gibt Techniken, um Charaktere zu zeichnen, die der Leser in sein Herz schließt, die ihn regelrecht vereinnahmen? Autoren bedienen sich ganz bestimmter Arbeitstechniken, die einzigartige Figuren entstehen lassen. Wir reden von speziellen Insider-Methoden, die Sie umgehend in die Lage versetzen, Romanhelden zu erfinden, die der Leser ein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Bevor wir uns dieses Know-how aneignen, machen wir jedoch ein interessantes Experiment. Und zwar mit Ihnen:

Denken Sie jetzt bitte an einen Roman, der Sie restlos fasziniert hat, an ein Buch, von dem Sie gewollt haben, es würde niemals enden. Und nun fragen Sie sich: Erinnere ich mich an eine Figur aus dieser Geschichte? Oder ist es die Handlung, die mir im Gedächtnis haften geblieben ist?

Machen Sie das Gleiche nun mit einem Film, der Sie stark aufgewühlt hat. Erinnern Sie sich an eine Person oder an die Handlung?

 

In beiden Fällen wird es die Figur sein, an die Sie sich vordergründig erinnern, der Held, der Protagonist. Uns bleiben fast immer die Personen stärker im Gedächtnis als die Handlung, die Geschichte, weil es die Figuren sind, welche durch ihr Handeln die Story machen. Figuren sind, was sie tun. Charakter drückt sich durch Aktion aus, nicht durch Behaupten. Wenn Sie Ihre Figuren mit Leben erfüllen, entsteht aus dem, was sie tun, die Handlung Ihrer Story. Halten wir also fest:

Der Leser interessiert sich zuerst für die Hauptpersonen. Sie sind es, woran er sich in erster Linie erinnert.

Sie erahnen also, wie wichtig es ist, großes Augenmerk auf die Figuren zu legen. So weit, so gut. Ehe wir uns nun den Erfolgs-Formeln der Weltbestseller-Autoren zuwenden und ich Ihnen zusätzlich ein paar geheime Profi-Tricks nenne, um unsterbliche Helden zu kreieren, müssen wir jedoch zum klaren Verständnis der Figurenmaterie ein paar Begriffe klären.

Figuren-Typen und deren spezifische Tragweite

Im wirklichen Leben werden wir alle von Selbstzweifeln geplagt. Deshalb wünschen wir uns auch in der Literatur Figuren, die sich irren, die Fehler begehen und sich ab und zu schwach fühlen. Wir hören immer wieder von Hauptfiguren und Nebenfiguren und dergleichen. Sind mit Figuren nur Menschen gemeint? Derartige Fragen sollten klar beantwortet werden, ehe Sie mit dem Erschaffen Ihrer Helden beginnen. Sehen wir uns deshalb die verschiedenen Typen von Figuren an, mit denen Sie als Schriftsteller arbeiten:

1. Die Figur als Oberbegriff

Mit Figur bezeichnen wir in erster Linie Personen in einem literarischen Werk, aber auch andere handelnde Helden wie Tiere und Gegenstände. Denken Sie nur an Kindergeschichten.

2. Die Hauptfigur (auch Held, Protagonist genannt)

Die Hauptfigur ist jene Figur, die entscheidet, was getan wird. Der Held hat das letzte Wort, er steht im Mittelpunkt des Geschehens, ist aktiv, er überrascht und ist glaubwürdig. Ihr Held darf niemals vorhersehbar reagieren, dann ist er für den Leser langweilig. Wir sind es gewöhnt, die Welt um uns herum aus einem ganz bestimmten Blickwinkel (unserem ›Ich‹) heraus zu betrachten. In einer Geschichte benötigen wir eine Figur, die uns mit der Welt der Story verbindet – die Hauptfigur. Die Hauptfigur unterscheidet sich von allen anderen Figuren in zwei wesentlichen Punkten:

1: Wir erzählen die Geschichte aus Sicht der Hauptfigur, sehen die Story durch ihre Augen.

2: Die Hauptfigur ist jene Figur, durch deren Tun die Handlung entsteht. Zum Beispiel ›Raumschiff Enterprise‹: Es gibt mehrere wichtige Figuren – Mr. Spock, den Ingenieur Scotty, den Arzt ›Pille‹ McCoy – aber die Hauptfigur ist eindeutig Captain James T. Kirk. Er entscheidet letztendlich, was getan wird. Oder betrachten wir die Personenstruktur im Thriller ›Die Wahrheit über Derek Foster‹: Dereks Freundin Saskia ist zweifellos eine präsente, eingenständig handelnde Figur. Ebenso Dereks Gegenspieler Kenneth Kowalski. Und doch ist es Derek, der die Handlung durch seine Entscheidungen vorantreibt. Er entscheidet aktiv, alle anderen reagieren auf seine Entscheidungen. Derek ist klar die Hauptfigur.

Der Held ist der Motor Ihrer Geschichte. Durch sein Handeln passiert, was passiert. Keine Figur hat stärkeren Einfluss auf die Geschichte als die Hauptfigur, der Held.

Der Held handelt. Er ist aktiv.

Achten Sie penibel darauf, dass Ihr Held immer agiert und nicht wie ein Spielball auf das Tun und Sagen der Nebenfiguren reagiert. Dann hätten Sie einen farblosen Helden, den der Leser als schwach empfindet und mit dem er sich nicht identifiziert.

Es kann mehrere ›wichtige‹ Figuren geben (siehe Beispiel ›Raumschiff Enterprise‹, ›Die Wahrheit über Derek Foster‹), aber nur eine Hauptfigur. Auf einen Begriff werden Sie beim Schreiben immer wieder stoßen: der Protagonist (griech. protagonistes = Wortführer, im altgriechischen Theater, erster Schauspieler). Der Protagonist ist schlicht Ihr Held, der aktiv handelt. Werden Sie sich klar darüber, wessen Geschichte Sie erzählen. Manchmal drängen sich mehrere Figuren auf, die sich als Held anbieten. Immer aber eignet sich nur eine ganz bestimmte Figur am besten als Held – jene, die im direkten Gegensatz, im Wettstreit zum Gegner steht.

Insider-Trick: Wenn Sie sich nicht sicher sind, welche Figur die Hauptfigur ist, dann schreiben Sie für jede infrage kommende Figur eine Zusammenfassung der Geschichte - nur zwei oder drei Seiten lang. Das hilft Ihnen zu erkennen, welche der Figuren im Vordergrund steht, wer sich als Hauptfigur am besten eignet. Es wird jene Figur sein, welche die Handlung am stärksten vorantreibt und beeinflusst.

Es ist äußerst wichtig, dass der Leser von Beginn an deutlich erkennt, wer der Held, die Schlüsselfigur, ist. Nur so ist eine klare Identifikation des Lesers mit dem Helden möglich, nur so kann sich der Leser auf die Seite des Helden schlagen, sich mit ihm emotional verbünden und an seiner Seite mitstreiten. Der Leser muss den Charakter, das einzigartige Wesen, des Helden möglichst genau kennenlernen, um an seinem Schicksal emotional Anteil zu nehmen. Dazu sind ein klares Ziel und eine starke Motivation nötig. Bestimmen und zeigen Sie dem Leser so früh wie möglich, wer die Hauptfigur ist. So ermöglichen Sie dem Leser schnelle Identifikation.

Wie machen Sie das?

Indem Sie die Geschichte vor allem zu Beginn vom Standpunkt des Helden aus schildern. Der Leser sieht, was der Held sieht, beide erhalten dieselben Informationen. Hat sich der Leser mit dem Helden identifiziert, kann er Dinge erfahren, von denen die Hauptfigur nichts weiß.

Insider-Tipp: Sie erleichtern dem Leser die Identifikation, indem Sie den Helden, wenn er zum ersten Mal auftritt, in einer Situation zeigen, die dazu einlädt, sich mit ihm zu verbünden. Zum Beispiel könnte der Held an einen Tatort zu Hilfe eilen und von der Polizei unverschuldet als verdächtiger Mörder festgenommen werden. Es ist das Wechselbad der Gefühle, das Leser und Helden zu einem unzertrennlichen ›Team‹ verschmelzen lässt. Sehen wir uns ein Beispiel an:

Ich beging meinen Geburtstag mit einer kleinen, sehr exklusiven, sehr festlichen und fröhlichen Party in der Fifth Street, genauso, wie ich es haben wollte.

Als besondere Überraschung war Damon aus dem Internat in Massachusetts nach Hause gekommen. Nana hatte die Verantwortung für die Feierlichkeiten übernommen und war allgegenwärtig, genau wie meine beiden Babys Jannie und Ali. Sampson und seine Familie waren da und natürlich auch Bree …

… Ich hielt sogar eine kleine Rede, die ich zum größten Teil sofort wieder vergessen habe, abgesehen von den einleitenden Worten. »Ich, Alex Cross«, fing ich an, …

… Das Telefon im Flur klingelte. Das war der Festnetzanschluss. Bei der Arbeit wussten alle, dass sie mich nur auf dem Handy anrufen sollten. Außerdem hatte ich noch einen Pager auf die Kommode gelegt, wo ich ihn auf jeden Fall hören konnte. Also konnte ich ohne allzu großes Risiko den Hörer abnehmen. Vielleicht war es ja sogar eine wohlmeinende Seele, die mir alles Gute zum Geburtstag wünschen wollte, oder im schlimmsten Fall irgendjemand, der mir eine Satellitenschüssel andrehen wollte.

Ob ich es jemals begreifen werde? In diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr.

»Alex, hier Davies. Tut mir leid, dass ich Sie zu Hause belästigen muss.« Ramon Davies war Superintendant bei der Metropolitan Police und gleichzeitig mein Chef.

›Heute ist mein Geburtstag. Wer ist denn das Todesopfer?‹, sagte ich. Ich war verärgert, hauptsächlich über mich selbst, weil ich überhaupt ans Telefon gegangen war.

»Caroline Cross«, sagte er, und mir wäre beinahe das Herz stehen geblieben. …

Insider-Tipp: Schreiben Sie eine Geschichte, in welcher der Held am Ende verliert, sein Ziel nicht erreicht und am inneren und äußeren Konflikt zerbricht, dann haben Sie einen tragischen Helden erschaffen. Sorgen Sie in diesem Fall dafür, dass sich der Leser am Ende der Story vom Helden, mit dem er leiden musste, lösen kann. Das machen Sie, indem Sie gegen Ende der Geschichte langsam beginnen, das Geschehen aus der Sicht einer anderen Figur zu schildern. Auf diese Weise geben Sie Ihrem Leser die Möglichkeit, zum Helden auf Distanz zu gehen und nicht mit ihm untergehen zu müssen. Letzteres wirkt für den Leser unbefriedigend, denn er kann der ausweglosen Situation des Untergangs nicht entkommen.

3. Der Gegenspieler

Der Gegner wird auch Antagonist, Antiheld, Widersacher genannt. Der Gegner des Helden ist jene Figur, die dem Helden in die Quere kommt (griech. anti = gegen). Bei der gegnerischen Kraft muss es sich nicht immer um eine Person handeln. Auch eine Naturgewalt (Orkan, Tsunami, Erdbeben), politische Verhältnisse, gesellschaftliche Spannungen oder ein negativer Wesenszug des Helden können Kräfte sein, die dem Helden das Leben schwer machen. Sie bekommen Ihre Geschichte aber leichter in den Griff, wenn Sie den Gegenspieler personifizieren.

Stellen Sie Ihrem Helden mehrere Gegner gegenüber, dann müssen Sie von Beginn weg klar darstellen, wer der Hauptgegenspieler ist, ansonsten reagiert der Leser verwirrt. Der Hauptgegner sollte bis zum Schluss der Geschichte, bis zur großen Entscheidung, im Spiel bleiben. Fehlt der Gegner im entscheidenden ›Schlusskampf‹, ist der Leser unbefriedigt. Wir erwarten nichts mehr, als dass der Bösewicht am Ende auch seine verdiente Strafe erhält. Auch bei der Entwicklung des Gegenspielers müssen Sie sich als Schriftsteller fragen:

a) Wer ist der Gegner des Helden?

b) Welches Ziel verfolgt er (in der Regel ein gegenteiliges zum Helden)?

c) Was ist seine Motivation (emotional und materiell)?

Sowohl beim Helden als auch beim Gegenspieler sollte die Motivation, der Grund, weshalb sie ihre Ziele erreichen müssen, gefühlsmäßig begründet sein.

Machen Sie sich zudem bewusst, dass der Held nur so stark ist wie sein Gegenspieler. Diese beiden Figuren puschen sich gegenseitig zu Höchstleistungen auf. Schildern Sie beide Figuren immer als menschliche, lebendige Wesen. Zeigen Sie also auch deren Gefühle, Hoffnungen, Ängste und Verletzlichkeit. Tun Sie das nicht, erschaffen Sie unrealistische Engel und Teufel. - Personen, mit denen sich der Leser schwer identifizieren kann.

4. Der Charakter

Mit Charakter bezeichnen wir einen Menschen samt seinen einzigartigen Eigenschaften, die ihn unverwechselbar machen (griech. character, urspr. ›das Eingeprägte‹, dann ›Eigenart, Gepräge‹). Dies trifft natürlich auch auf Tiere und Gegenstände zu (zum Beispiel in der Fabel). Verstehen Sie Charakter als eine Einheit von Figur und deren Charakterzügen. Es ist die Gesamtheit von Körperlichkeit und Seele, die die Wesensart einer Figur ausmacht.

Der Leser beurteilt den Charakter einer Figur ausschließlich aufgrund ihrer Taten, Handlungen. Eine Figur ist, was sie tut, nicht, was sie sagt! Tut eine Figur etwas anderes, als sie sagt, dann hält sich der Leser immer an das, was getan wird. Zu Beginn Ihrer Geschichte sind die Figuren mehr oder weniger leblose Namen. Doch je besser wir sie kennenlernen im Verlauf der Geschichte - durch das, was sie tun -, desto mehr verwandeln Sie die bloßen Figuren für den Leser in einzigartige, unverwechselbare Originale.

Insider-Tipp: Fragen Sie sich immer: Habe ich meine Figur so einzigartig gezeichnet, dass der Leser sie in einer Gruppe von 20 Personen sofort eindeutig erkennen würde? So sollte es sein. Welche Techniken die Profis anwenden, um das zu erreichen, das zeige ich Ihnen gleich.

5. Die Nebenfigur

Die Nebenfiguren erfüllen bestimmte Eigenschaften:

Sie veranschaulichen die Rolle des Helden und seine Bedeutung.

Sie vermitteln das Thema der Geschichte.

Sie treiben die Geschichte voran, indem sie den Helden zum Handeln motivieren.