Controllingorientiertes Finanz- und Rechnungswesen

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3.1.1 Grundsätze nach HGB/EStG

Der unter dem Primat des Gläubigerschutzes wohl wichtigste Bewertungsgrundsatz verdeutlicht als das in § 252 Abs. 1, Nr. 4 HGB gefasste Vorsichtsprinzip die Gestaltungsabsicht der handelsrechtlichen Rechnungslegung. In der Ausprägung des Realisationsprinzips werden am Abschlussstichtag – Stichtagsprinzip – nur diejenigen Gewinne ausgewiesen, die auch tatsächlich realisiert worden sind. Das gilt insb., wenn entsprechende Markt- oder Börsenwerte einen höheren Wert realisieren ließen. Demnach ist in einem handelsrechtlichen Einzelabschluss nicht möglich, in der Gewinn- und Verlustrechung Gewinn erhöhende Erträge zu buchen.

Umgekehrt entsteht aber aus der Interpretation des Imparitätsprinzips die Pflicht eines Verlustansatzes mittels Aufwandsbildung in Form von Abschreibungen (Aktivseite) und Rückstellungen (Passivseite), auch wenn sich der Verlust aufgrund niedriger Markt- oder Börsenpreise nur androht. Eine tatsächliche Realisierung des Verlustes muss nicht eingetreten sein, ein drohender reicht schon aus. Grundsätzlich anders ist der Sachverhalt im Zusammenhang mit den internationalen Ansatzvorschriften des Sachanlagevermögens nach IFRS, bei einer Folgebewertung. Bei entsprechend höheren Marktpreisen ist der Ansatz eines höheren Wertes möglich, was als „Fair Value“ charakterisiert wird.

Abgeleitet von dem Grundsatz der Vorsicht ist die Erfolgswirkung handelsrechtlicher Bewertungsansätze im Interesse der Gläubiger, die primär an der Rückzahlung ihres Kapitals interessiert sind. Dies wird ermöglicht durch die, im Vergleich zu den Abschlüssen nach EStG oder IFRS, tendenziell großzügigere Gestaltung zur Verlustbildung in Form vielfältiger Inanspruchnahme von Wahlrechten, welche über die Aufwandsbildung den Jahresüberschuss senkt. Die Folgewirkung ist eine verminderte Ausschüttungsmöglichkeit an die Anteilseigner. Für das Management bedeutet die nicht abgeflossene Liquidität, die Wahrnehmung eines größeren Handlungsspielraumes und dementsprechend Investitionen in renditeträchtige Objekte vornehmen zu können.

Auch langfristig agierende Investoren werden daran Gefallen finden, wenn die vorhandene Liquidität nicht ausgeschüttet wird. Sinnvolle Erweiterungsinvestitionen und eine solide Assetallokation (Zusammensetzung der Aktiva zur Renditeerzielung) tragen langfristig zu einer Steigerung des Unternehmenswertes bei. Pro Geschäftsperiode wird in Summe vielleicht weniger ausgeschüttet, aber die Gewährleistung einer stabilen Gewinnbeteiligung, verbunden mit der Gewinnmitnahme bei der Veräußerung der Anteile, die dann über eine Wertsteigerung der Kapitalanteile erreicht wird, wird die Beteiligung interessant erscheinen lassen. Diese Überlegung ist natürlich im Wesentlichen nur für börsennotierte Unternehmen interessant, da die Anteile aufgrund ihrer Fungibilität und des Vorhandenseins eines organisierten Marktplatzes problemlos erworben und veräußert werden können.

Weitere Bewertungsgrundsätze sind in den §§ 252 Abs. 1 Nr. 1 ff. HGB festgelegt. Der Grundsatz der Bilanzidentität verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahres, die mit der Schlussbilanz des Vorjahres übereinstimmen muss. In den obigen Kapiteln wurde diesem Sachverhalt buchhalterisch mit den relevanten Eröffnungsbilanzbuchungen über das Eröffnungsbilanzkonto begegnet, um die entsprechenden Bestandskonten mit den neuen Daten der aktuellen Geschäftsperiode belegen zu können.

Unter dem Going-Concern-Prinzip bzw. unter dem Grundsatz der Unternehmensfortführung wird bei der Bewertung der einzelnen Bestandspositionen von der Fortführung des Unternehmens ausgegangen, außer wenn tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen. Am Abschlussstichtag sind die Vermögensgegenstände und Schulden einzeln zu bewerten (Grundsatz der Einzelbewertung). Nach § 256 HGB sind für die Bewertung des Umlaufvermögens Bewertungsvereinfachungsverfahren im Sinne von Verbrauchsfolgeverfahren (bspw. Fifo- und Lifo-Verfahren) oder Durchschnittswerten zulässig, die teilweise auch steuerrechtlich zum Ansatz gebracht werden können, wenn es um den Werteansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens geht.

Das Prinzip der periodengerechten Abgrenzung weist auf die für Bilanzierende charakteristische Erfassung von Aufwendungen und Erträgen des Geschäftsjahres hin, die unabhängig vom Zeitpunkt der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen sind. In den Kapiteln zur Finanzbuchhaltung wird darauf hingewiesen und dementsprechend Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bereits in der Phase der Ausstellung der Rechnung erfolgswirksam in der GuV verbucht. Dass die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden beibehalten werden, wird mit dem Prinzip der Bilanzkontinuität zum Ausdruck gebracht.

Im Zusammenhang mit der Gewinnermittlung zur Bemessung der Besteuerung wird der handelsrechtliche Jahresabschluss (als der „eigentliche“ maßgebliche Jahresabschluss) als Basis genommen. Nach dem Maßgeblichkeitsprinzip nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind zunächst die Wertansätze nach dem Handelsgesetzbuch zu übernehmen, die daraufhin in die steuerliche Bilanz bzw. Gewinnermittlung übernommen werden, außer das Steuerrecht schreibt einen anderen Wertansatz vor. Für Kapitalgesellschaften wie die AG, die KG a. A., die GmbH, deren Jahresabschlüsse einer Veröffentlichungspflicht5) unterliegen, wird dem möglichen unterschiedlichen Wertansatz mit einer Überleitungsrechnung begegnet.

Die Steuerbemessungsfunktion wird demnach mit einer „Steuerbilanz“ nach den Vorschriften des EStG adaptierte Handelsbilanz erreicht. Der handelsrechtliche Abschluss behält über die Ausschüttungsfunktion die Rolle der ausschüttungsfähigen Gewinnermittlung für die Kapitaleigentümer. Bei Personengesellschaften, sofern diese nicht publizitätspflichtig sind, wird für die Gewinnermittlung von den Unternehmen keine formale Trennung von Handels- und Steuerbilanz vorgenommen, sondern der eigentliche Jahresabschluss anhand der Bewertungsvorschriften des EStG durchgeführt.

3.1.2 Grundsätze nach IFRS

Die einheitliche Verwendung der Rechnungslegungsstandards nach IFRS soll es den Adressaten wie Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, Gläubiger, Kunden, Regierung, Öffentlichkeit erleichtern, wirtschaftliche Entscheidungen treffen zu können (vgl. IASB, R.9). Erreicht werden sollen, den Kauf und Verkauf von Kapitalanteilen einzuschätzen, ausschüttbare Gewinne und Dividenden zu bestimmen (Eigentümerperspektive), die Sicherheit der dem Unternehmen geliehene Beträge zu beurteilen (Gläubigerperspektive) oder auch generell das Handeln des Managements zu beurteilen (Controlling-Perspektive).

Auch nach IFRS wird ein Rechnungslegungsmodell auf der Grundlage historischer Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie dem Primat der nominalen Kapitalerhaltung aufgestellt (IASB, R.Vorwort). Grundsätzlich gilt, dass die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie Art, Volumen und wesentliche vertragliche Vereinbarungen transparent gemacht werden müssen. Die Aktiva wird unterteilt in langfristiges (Fixed assets) und kurzfristiges Vermögen (Current assets), die Passiva in Eigenkapital (Equity) und Schulden (Liabilities). Die relevanten „Standards“ sind in Abbildung 15 wie folgt gegliedert. Das IASB Rahmenkonzept/Framework (IASB, R) legt die Konzeption dar, ist aber selbst kein Standard (IASB, R.2).

ABB. 15: Die Richtlinien IAS bzw. IFRS




Nach IAS 1.9 ist ein Abschluss eine strukturierte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Cashflows eines Unternehmens. Es werden Informationen über Vermögenswerte, Schulden, Eigenkapital, Erträge und Aufwendungen (einschließlich Gewinne und Verluste), sonstige Änderungen des Eigenkapitals und Cashflows eines Unternehmens zu Verfügung gestellt. Ein vollständiger Abschluss besteht aus Bilanz, Darstellung von Gewinn oder Verlust und sonstigem Ergebnis, Eigenkapitalveränderungsrechnung, Kapitalflussrechnung, Anhang mit den maßgeblichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie einem Lagebericht (IAS 1.10). Im IASB Rahmenkonzept (IASB R) und IAS 1 sind grundlegende bzw. allgemeine Grundsätze in Bezug auf den Ansatz und die Bewertung formuliert, die mit den „Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung“ nach § 252 Abs. 1 HGB durchaus vergleichbar sind.

ABB. 16: Die grundlegenden Vorschriften HGB und IFRS


Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass der Jahresabschluss nach IFRS im Wesentlichen den Anspruch eines Informationsmediums für wirtschaftliche Entscheidungen hat und nicht wie beim handelsrechtlichen Abschluss die Bestimmung der Ausschüttungsgröße für die Kapitaleigner im Vordergrund steht. IAS 1.118 greift die für die Adressaten relevanten Bewertungsgrößen auf, wie historische Anschaffungs- und Herstellungskosten (IASB, R.100a), Tageswert (IASB, R.100b), Netto-Veräußerungswert (IASB, R.100c), Barwert (IASB, R.100d), beizulegender Zeitwert (IFRS 13.9f) oder erzielbarer Betrag. Der Markt- oder Verkehrswert wird sehr häufig als der beizulegende Wert bezeichnet. Die Vermögens- und Finanzbestände müssen in der „wirtschaftlichen Verfügungsmacht“ des Unternehmens stehen (IASB, R.15). Im Sinne einer umfassenden Informationsgewinnung für die Adressaten sind nach IAS 1 in der Bilanz die folgenden Positionen zu erfassen, wenn der Wert des entsprechenden Sachverhaltes verlässlich ermittelt werden kann.

 

ABB. 17: Die Bilanzpositionen nach IFRS



Informationen, dargestellt in der Bilanz oder im Anhang (IAS 1.78):


- Untergliederung der Sachanlagen (IAS 16),


- Untergliederung der Forderungen,


- Untergliederung der Vorräte (IAS 2) nach Handelswaren, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse und Fertigerzeugnisse,


- Untergliederung der Rückstellungen für Personalaufwand und sonstige Rückstellungen,


- Untergliederung des Eigenkapitals in gezeichnetes Kapital (davon eingezahlt) sowie Kapital- und Gewinnrücklagen.

Um die nach IFRS relevanten Ansatz- und Bewertungsvorschriften verstehen und anwenden zu können, sollen im Folgenden die Begriffe Vermögen, Schulden, Eigenkapital und Erfolge präzisiert werden:


Vermögen (IASB, R.49, 53 f.)


- Verfügungsmacht über eine Ressource,


- Erwartung des Zuflusses eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens,


- Eingesetzt, um Güter oder Dienstleistungen zu erzeugen, mit denen die Wünsche oder Bedürfnisse der Kunden befriedigt werden können,


- Ansatzmöglichkeit über die Anschaffungs- und Herstellungskosten hinaus,


- Keine Bildung stiller Reserven,


- Ansatzpflicht von selbst erstellten Vermögensgegenständen,


- Keine Bilanzierungshilfen,


- Keine Rechnungsabgrenzungsposten.


Eigenkapital (IASB, R.49, 65, 81)


- Restbetrag aus der Gegenüberstellung der Vermögenswerte und Schulden,


- Kapitalerhaltungsanpassungen, Gewinnrücklagen, Neubewertungsrücklagen sowie Dividenden rechte.


Schulden (IASB, R.49, 60 f.)


- Gegenwärtige Verpflichtung, nicht nur eine mögliche Verpflichtung,


- Rückstellungen für Garantie- und Pensionsverpflichtungen,


- Zukünftig Vermögensgegenstände zu erwerben führt nicht zu einer gegenwärtigen Verpflichtung,


- Keine Aufwandsrückstellung.


Erfolge (IASB, R.69 f., 74, 78, 85)


- Gewinn als Verzinsung des eingesetzten Kapitals oder als Ergebnis je Aktie,


- Zunahme (Erträge) bzw. Abnahme (Aufwand) des wirtschaftlichen Nutzens,


- Erfassung von Erfolgsbeiträgen, die im oder außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfal len und nicht auf Leistungen an und von den Gesellschaftern beruhen,


- Erfolgsneutrale Neubewertung von Vermögens- und Schuldenpositionen,


- Realisierungswahrscheinlichkeit eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens.

Nicht erfasst werden nach IFRS gegenüber dem HGB Positionen wie „Rechnungsabgrenzungsposten“ und „Bilanzierungshilfen“ in der Bilanz sowie das „außerordentliche Ergebnis“ in der Gewinn- und Verlustrechnung.

3.1.3 Grundsätzliche Änderungen BilMoG

Das am 29. Mai 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) soll sich stärker an die für börsennotierte Unternehmen verpflichtenden IFRS anlehnen sowie trotzdem für eigentümergeführte Unternehmen ein relativ kostengünstiges und auch bewährtes Rechnungslegungswerk beibehalten können. Mittelständische Einzelkaufleute, die nur einen kleinen Geschäftsbetrieb bis 500 T€ Umsatzerlöse unterhalten, werden von der handelsrechtlichen Bilanzierungspflicht befreit. Eine Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG reicht bei diesen zur Ermittlung der Steuerschuld zukünftig aus. Für Kapitalgesellschaften besteht der Jahresabschluss künftig aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang, Kapitalflussrechnung sowie Eigenkapitalspiegel und ist in den ersten 3 Monaten des neuen Geschäftsjahres aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB).

Ganze Vorschriftenteile wie die Bewertungsvorschriften der §§ 279 bis 283 HGB sind komplett weggefallen bzw. anderen Vorschriften angegliedert. Umfangreiche Ergänzungen wurden auch bei den Pflichtangaben im Anhang nach §§ 284 und 285 HGB vollzogen und den IFRS an Transparenz angepasst. In Bezug auf den Einzelabschluss können die wichtigsten grundlegenden Änderungen zusammengefasst werden:

Aktiva


Eine Anlehnung an die IFRS wird mit dem Wahlrecht (Pflichtansatz nach IFRS) zum Ausdruck gebracht (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB), selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgestände des Anlagevermögens (bisher auch steuerrechtlich nach § 5 Abs. 2 EStG ein Aktivierungsverbot) zu aktivieren (vgl. IAS 38.1). Auf der Basis einer bestehenden Kostenrechnung erfolgt die Ermittlung der Herstellungskosten für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter (steuerrechtlich bleibt das Ansatzverbot nach § 5 Abs. 2 EStG).


Die Aktivierung eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts (derivativer Firmenwert) ist verpflichtend (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB). Die Abschreibung erfolgt im Gegensatz zur IFRS (vgl. IFRS 3.55) grundsätzlich planmäßig. Ein niedrigerer Werteansatz ist beizubehalten (§ 253 Abs. 5 Satz 2 HGB; vgl. IAS 36.124), was ein Wertaufholungsverbot zum Ausdruck bringt. Mit der geforderten planmäßigen Abschreibung wird der in Deutschland mehrheitlich vertretenen Auffassung, dass es sich auch beim Firmenwert um einen abnutzbaren Gegenstand des Anlagevermögens handelt, Rechnung getragen. Im IFRS-Abschluss gilt ausschließlich eine jährliche Werthaltigkeitsprüfung (Impairment of Assets) mit der Folge einer möglichen außerplanmäßigen Abschreibung. Auch steuerrechtlich wird eine Ansatzpflicht (§ 5 Abs. 2 EStG) zum Ausdruck gebracht, allerdings mit einer linearen Abschreibung über 15 Jahre und nicht 5 Jahre wie im Handelsrecht.


Aufwendungen für Entwicklungsleistungen werden als Wahlrecht berücksichtigt.


Erträge, die im Zusammenhang mit der Bewertung von zu Handelszwecken erworbenen Finanzinstrumenten oder Vermögensgegenstände zum beizulegenden Zeitwert entstanden sind, dürfen ausgeschüttet werden, wenn entsprechend frei verfügbare Rücklagen gebucht worden sind (§ 268 Abs. 8 HGB).


Als Herstellungskosten sind die Materialeinzelkosten, Fertigungseinzelkosten, Sondereinzelkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten verpflichtend zu aktivieren. Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Aufwendungen dürfen zum Ansatz gebracht werden. Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht angesetzt werden (§ 255 Abs. 2 Satz 2 HGB; vgl. IAS 16.16 ff.).


Zuschreibungspflicht (auch für Personengesellschaften) gilt für das Anlage- und Umlaufvermögen (§ 253 Abs. 5 Satz 1 HGB).


Wahlrecht zum Ansatz für aktive latente Steuern, bei dem steuerliche Verlustvorträge zu berücksichtigen sind, sofern diese zukünftig nutzbar sind. Es besteht eine Ausschüttungssperre für Gewinne aus der Aktivierung aktiver latenter Steuern.


Keine Aktivierung mehr für „Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs“ (§ 269 HGB wurde aufgehoben).

Passiva


Bei der Bewertung von Rückstellungen werden zukünftig Preis- und Kostensteigerungen berücksichtigt. Für Pensionsrückstellungen werden neben dem Einbeziehen künftiger Gehalts- und Rentensteigerungen der anzuwendende Abzinsungszinssatz von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ermittelt und monatlich bekannt gegeben (§ 253 Abs. 2 HGB). Da im Vergleich zu früheren handelsrechtlichen Bewertungsansätzen deutlich höhere Rückstellungen erwartet wurden, gewährt die Rechnungslegung nach dem BilMoG die Möglichkeit, diese Mehrzuführung auf insgesamt 15 Jahre zu verteilen. Jedoch sollen die geänderten Vorschriften zur Rückstellungsbewertung nicht in die steuerliche Gewinnermittlung übernommen werden.


Ansatzpflicht für passive latente Steuern (§ 274 Abs. 1 Satz 1 HGB).


Mit der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit werden Sonderabschreibungen des EStG und „Sonderposten mit Rücklageanteil“ wie bspw. § 6b EStG – Rücklage (§ 273 HGB wurde aufgehoben) nicht mehr im handelsrechtlichen Abschluss angesetzt. Zusammen mit der starken Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips werden die handels- und steuerrechtlichen Ansätze sehr stark voneinander abweichen. Eine sog. Einheitsbilanz ist seit dem in Kraft treten des BilMoG nur noch sehr eingeschränkt möglich.

3.2 Bilanzierung auf der Aktivseite

In den obigen Kapiteln haben wir die Aktivseite der Bilanz als die Vermögensseite kennen gelernt. Die darin enthaltenen Vermögensgegenstände dienen der Aufrechterhaltung der betrieblichen Leistungserstellung, mit dem Ziel der Rentabilitäts- und auch Liquiditätssicherung. Die Dokumentation der real im Unternehmen vorhandenen Vermögensgegenstände zeigt dem Bilanzleser, welche Gegenstände die Infrastruktur (aktiviert als Anlagevermögen) und welche den Prozess (aktiviert als Umlaufvermögen) generieren. Eine Aktivierung hat aufgrund der geringeren Aufwandsbildung in der aktuellen Gewinn- und Verlustrechnung, im Gegensatz zu einer Nichtaktivierung, immer die zeitliche Verlagerung von Verlusten zur Folge. Bilanzpolitik betreiben bzw. bilanzpolitische Spielräume auszunutzen, heißt immer, von den Wahlrechten Gebrauch zu machen, die dem Bilanzierenden neben den Pflichtansätzen und Ansatzverboten eingeräumt werden.

 

ABB. 18: Die Aktivierungsmöglichkeiten




Um die Wirkungsweise des Aufbaus der Aktivpositionen zu verstehen, sollen in den folgenden Kapiteln die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des HGB und auch die der internationalen Rechnungslegung nach IFRS betrachtet und gegenübergestellt werden.

3.2.1 Anlagevermögen

Als Anlagevermögen sind die Gegenstände auszuweisen, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB). Für große bzw. kapitalmarktorientierte sowie mittlere Kapitalgesellschaften ab 50 Mitarbeiter (§ 267 Abs. 2 HGB) ist nach § 266 Abs. 2 HGB der Aufbau wie folgt verpflichtend. Für kleinere können Vereinfachungen vorgenommen werden.

ABB. 19: Der Aufbau des Anlagevermögens


Bei der Zugangsbewertung im Sinne einer erstmaligen Aktivierung werden Vermögensgegenstände mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten, vermindert um die Abschreibungen angesetzt (§ 253 Abs. 1 HGB). Nach dem § 255 Abs. 1 HGB sind Anschaffungskosten

„Aufwendungen, die geleistet werden müssen, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen.“

Aktiviert werden der Anschaffungspreis (Nettokaufpreis abzüglich Anschaffungspreisminderungen wie bspw. Rabatte und Skonti), Anschaffungsnebenkosten (Vertrags-, Verpackungs-, Notar- und Transport- sowie Transportversicherungskosten), Kosten für die Herstellung der Betriebsbereitschaft (bspw. Montage- und Fundamentierungskosten) sowie mögliche nachträgliche Anschaffungskosten (wie bspw. nachträgliche Erschließungskosten). Nach den Regelungen des EStG ist dieser Ansatz auch für die steuerliche Bilanz durchzuführen. Wird der Vermögensgegen­stand nicht erworben, sondern selbst hergestellt, wird die zu aktivierende Größe über den Ansatz der Herstellungskosten ermittelt.

Beispiel: Ein Unternehmen kauft eine Klimaanlage. Aus der Finanzbuchhaltung müssen die richtigen Kosten zugeordnet werden:


- Preis der Klimaanlage: 120 T€


- Anteilige Kosten der Einkaufsabteilung: 4,1 T€


- Montagekosten für das Aufstellen der Anlage: 12 T€


- Frachtversicherung: 3 T€

Welche Kosten werden als Anschaffungskosten aktiviert?

Lösung: Als Anschaffungskosten werden der Preis der Klimaanlage mit 120 T€ sowie die Montagekosten mit 12 T€ und die Frachtversicherung mit 3 T€, die entstanden sind, um den Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu bringen. Die anteiligen Kosten der Einkaufsabteilung mit 4.100 € bleiben unberücksichtigt.

Nach § 255 Abs. 2 HGB sind Herstellungskosten

„… die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.“

Ausgehend von dem Kalkulationsschema der aus der Vollkostenrechnung stammenden Zuschlagskalkulation gibt es einen Pflichtansatz für die Material- und Fertigungseinzelkosten, für die Material- und Fertigungsgemeinkosten (inklusive der Abschreibungen) sowie für die Verwaltungsgemeinkosten. Für die Forschungs- und Vertriebskosten6) gilt ein Aktivierungsverbot.

ABB. 20: Die Zuschlagskalkulation der Vollkostenrechnung


Die Notwendigkeit der Aktivierung wird besonders im Zusammenhang mit der Erfassung der Herstellungskosten deutlich. Ein Verbleiben bzw. die Erfassung dieser als entsprechender Aufwand (Zweckaufwand im Sinne aufwandsgleicher Kosten) in der GuV-Rechnung würde im Jahr der Entstehung mit einem sehr großen Verlust einhergehen. Über die Aktivierung und die sukzessive Abschreibung in den Folgeperioden wird der Aufwand (Verlust) über die Nutzungsjahre verteilt. Die korrekte Erfassung bedingt aber ein funktionierendes Kostenrechnungssystem, welches im Kontext der Vollkostenrechnung eine Unterteilung in Einzel- und Gemeinkosten zulässt (Vgl. hierzu Kap. E.2.1 Vollkostenrechnung).

Der Charakter von Einzelkosten wird über die direkte Zurechnungsmöglichkeit auf einen bestimmten Kostenträger (Produkt) bestimmt. Kann das nicht gewährleistet werden, fallen also Materialkosten oder auch Lohnkosten der Fertigung für mehrere Produkte an bzw. ist eine Zuordnung auf ein Produkt nicht gewährleistet, werden diese als Gemeinkosten erfasst. Wie in den obigen Kapiteln ausgeführt, wird der Begriff „Kosten“ der internen Rechnungslegung (Kostenrechnung) subsumiert, während die externe Rechnungslegung (Jahresabschluss) den Begriff „Aufwand“ verwendet. Möglicherweise wären die Begriffe Anschaffungs- und Herstellungsaufwand die für die externe Rechnungslegung treffenderen, obwohl die anzusetzenden Größen als Kosten aus der Kosten- und Leistungsrechnung bzw. dem Controlling entnommen werden müssen.

Für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nach § 248 Abs. 2 HGB ein Ansatzwahlrecht haben, sind jetzt die Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2a HGB

„… die bei dessen Entwicklung anfallenden Aufwendungen nach Absatz 2.

Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. Können Forschung und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung ausgeschlossen.“

relevant.

Fremdkapitalzinsen sind nach § 255 Abs. 3 HGB grundsätzlich nicht den Herstellungskosten zu subsumieren, außer im Zusammenhang mit

„Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstandes verwendet wird, dürfen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen“

als Wahlrecht. Somit sieht das HGB neuerdings einen erweiterten Mindestansatz der Herstellungskosten mit der Bewertung der zu aktivierenden Größe anhand der Einzelkosten sowie der Material- und Fertigungsgemeinkosten vor. Mit der Addition der Verwaltungsgemeinkosten zuzüglich anteiliger Fremdkapitalkosten wird der zu aktivierende Höchstansatz gebildet. Innerhalb dieser Grenzwerte ergeben sich für das Unternehmen gemäß HGB geringere bilanzpolitische Gestaltungsspielräume, die sich im Jahr der Aktivierung Gewinn erhöhend auswirken und über die Abschreibung als Aufwand über die Folgeperioden verteilen.

Der § 255 Abs. 4 HGB, der den Wahlansatz eines derivativen Firmenwertes (käuflicher Erwerb eines Geschäfts- oder Firmenwertes) als Bilanzierungshilfe formulierte, ist 2009 in seiner ursprünglichen Form weggefallen. Mit der Neuformulierung nach dem BilMoG entspricht der beizulegende Zeitwert jetzt

„… dem Marktpreis. Soweit kein aktiver Markt besteht, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsverfahren zu bestimmen. Lässt sich der beizulegende Zeitwert weder nach Satz 1 noch nach Satz 2 bestimmen, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 253 Abs. 4 fortzuführen. Der zuletzt nach Satz 1 oder 2 ermittelte beizulegende Zeitwert gilt als Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinn des Satzes 3.“

Der derivative Firmenwert wird im § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB ausgelegt als:

„Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert), gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand.“

Eine Annäherung an die IFRS ist nur bedingt gegeben, da das HGB weiterhin eine planmäßige Abschreibung über die Nutzungszeit vorsieht, während die IFRS seit 2004 eine jährliche Werthaltigkeitsprüfung mit einem möglichen Wertminderungsaufwand (außerplanmäßigen Abschreibung) zur Pflicht macht. Demzufolge rücken auch im Bilanzrecht die einzelnen Verfahren der Unternehmensbewertung, wie bspw. die Discounted Cashflow-Methode, die im Kapitel F. „Wertmanagement“ besprochen wird, auch in den Fokus der Ansatz- und Bewertungsvorschriften.