Buch lesen: «Oma Mari und der Flaschengeist»
Oma Mari und der Flaschengeist
Marion Philipp
Kinderbuch
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www.net-verlag.de Erste Auflage 2020 © Text: Marion Philipp © net-Verlag, 09125 Chemnitz © Coverbild: 123RF Illustrationen: 123RF + pixabay Covergestaltung, Lektorat und Layout: net-Verlag ISBN 978-3-95720-287-1 eISBN 978-3-95720-288-8
Vorwort
Während ich dieses Buch schrieb, habe ich stets an meinen kleinen Freund Matti gedacht, und darum wurde er meine Hauptfigur. Außerdem haben Matti und ich vieles gemeinsam. Wir sind zum Beispiel beide Linkshänder und finden sehr oft etwas. Einmal haben wir uns sogar verabredet, um gemeinsam auf die Suche zu gehen, und was soll ich sagen: Matti fand einen kleinen Kompass. Mein Fund war dagegen eher bescheiden, denn ich fand lediglich zwanzig Cent. Jedes Mal, wenn wir uns sehen, kommen wir erneut über den tollen Tag ins Schwärmen.
Inhaltsverzeichnis
Salem aleikum
Fischalarm im Schwimmbad
Der gute Geist des Hauses
Sven, der Basketballer
Überraschung
Abgestürzt
Eine Fahrt Richtung Himmel
Ich mache alles mit links
Der Ausbruch
Adam aus Afrika
Sonne, Mond und Sterne
Supermans tolle Idee
Mattis Geheimsprache
Wundersame Seifenblasen
Abschied
Über die Autorin
Salem aleikum
Ausgerechnet zu seiner Einschulung lag ich mit Fieber im Bett. Ich war traurig, doch Matti meinte tröstend am Telefon: »Sei nicht traurig, Oma Mari, ich komme dich in meinen ersten Ferien besuchen.«
Heute war es schließlich so weit, die Herbstferien hatten begonnen. Seine Mutter brachte ihn gegen Mittag. Sie hatte es eilig. Während sie mir das Wichtigste erklärte, rannte sie wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her.
Ich war schon ein bisschen aufgeregt. Matti hatte noch nie länger als eine Nacht bei mir geschlafen, und diesmal sollten es eventuell sogar die gesamten Ferien sein. Er wollte so lange bleiben, bis er keine Lust mehr hatte.
Matti ist gern bei mir, denn hier ist alles anders. Auch wenn es nicht weit von der Großstadt entfernt ist, gibt es hier Wiesen, Kühe, Pferde und Schafe. Riesengroße Felder, auf denen Getreide oder Gemüse wächst. Einen Wald, in dem wir ab und zu Rehe sehen. Wenn wir Glück haben, entdecken wir sogar am Wegesrand eine Kreuzotter. Kreuzottern lieben die Wärme der Mittagssonne.
Nach dem Mittagessen setzten wir uns aufs Sofa. Er kuschelte sich in meinen Arm und sagte: »So, Oma Mari, jetzt werde ich dir von meiner Einschulung erzählen. Ich fand das auch doof, dass du nicht dabei sein konntest.
An meiner Schule gibt es drei erste Klassen. Ich bin in der 1a. Die Kinder aus der dritten Klasse haben etwas vorgeführt. Ich weiß gar nicht mehr, was es war, denn ich war so aufgeregt. Nach der Aufführung ging unsere Lehrerin, Frau Bauer, nach vorn und rief alle, die in ihre Klasse sollten, mit Namen auf, und man musste zu ihr kommen. Sie schenkte jedem eine große Sonnenblume, weil für uns immer die Sonne scheinen soll. Selbst wenn wir mal traurig sind, das hat sie damals gesagt. Von Mama und Papa habe ich eine große Schultüte mit Süßigkeiten bekommen. Oma Lotte und Opa Willi haben mir den Schulranzen geschenkt. Den durfte ich mir aussuchen. Auf dem Ranzen ist ein riesengroßer Drachen, der Feuer spuckt. Mama sagt, ich habe den coolsten Ranzen der ganzen Klasse. Schade, dass ich ihn nicht mitgebracht habe, aber den findest du bestimmt auch cool. Das weiß ich.
Wir lernen jede Woche einen Buchstaben. Ich kann sogar schon Auto, Mama, Papa, Matti, Oma und Opa schreiben. Bis ich alle Buchstaben kann, dauert es aber noch ganz lange. Schreiben macht mir Riesenspaß. Rechnen nicht. Und, Oma Mari, stell dir vor, wir haben sogar Englisch. My name is Matti, heißt: Mein Name ist Matti.«
Ich fragte Matti: »Ist denn dein Freund Hannes auch in deiner Klasse? Und sitzt er neben dir?«
»Nein, leider nicht, der ist in der 1c. Neben mir sitzt ein Mädchen. Leila heißt sie. Die kommt aus Syrien. Andauernd fragt die mich was. Die kann nämlich noch nicht richtig Deutsch. Wenn sie kommt, sagt sie immer Salem aleikum. Hört sich irgendwie schön an, finde ich. Aber irgendwie auch witzig. Wie findest du das, Oma?«
»Ich finde es auch schön. Und ich weiß sogar, was es auf Deutsch heißt. Es heißt: Friede sei mit euch.
Ich kenne viele Ausländer, die sich so begrüßen, und einer von ihnen hat es mir mal erklärt.«
Nach einer längeren Pause fragte ich: »Was will Leila denn alles von dir wissen?«
»Ach«, meinte Matti gelangweilt, »das sind so blöde Fragen wie: ›Kannst du schwimmen?‹ Was denkt die eigentlich von mir? Na klar kann ich schwimmen. Aber ich glaube, sie kann nicht schwimmen. Ein anderes Mal fragte sie: ›Darf ich dich mal besuchen kommen?‹«
»Und was hast du geantwortet?«, fragte ich rasch nach.
»Ne, das geht nicht.«
»Und warum geht das nicht?«
»Weil dann Hannes denkt, dass sie meine Freundin ist, und ich will sie nicht als Freundin haben.«
»Ist sie denn nicht hübsch?«
»Doch, sehr sogar. Sie hat schwarze Locken und braune Augen, die funkeln. Und sie hat immer ein Kleid an. Ich will gar keine Freundin haben, ich bin lieber mit den anderen Jungs zusammen, aber am liebsten mit Hannes. Mädchen klettern nicht auf Bäume, kämpfen nicht und haben Angst vor Spinnen.«
»Ja, so sind Mädchen. Dann kann ich dich verstehen.«
»Oma, ich habe eine Idee! Können wir morgen ins Hallenbad gehen? Ich habe sogar schon Silber gemacht. Ich weiß ja, dass du auch gerne schwimmst, und jetzt, da ich Silber habe, brauchst du nicht mehr auf mich aufzupassen. Wir können ja mal Wettschwimmen und Wetttauchen machen. Und ich wette, ich kann einen besseren Köpper als du. Wetten?«
»Die Wette gilt!«, rief ich. »Da bin ich ja mal gespannt, denn du weißt, dass ich auch gut schwimmen kann. Wenn du noch Lust hast, kannst du bis zum Abendbrot zu Ulli rübergehen. Ich rufe dich, wenn alles fertig ist.«
»Tolle Idee, Oma!« Und schon rannte er los.
Fischalarm im Schwimmbad
Wie versprochen fuhren wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück ins Hallenbad. Ulli, der Nachbarsjunge, kam auch mit. Matti und Ulli waren gleich alt. Sicherlich hatten sie sich viel zu erzählen, denn Ulli wurde ebenfalls eingeschult. Ich war gespannt, was Matti alles im Wasser dazugelernt hatte, denn Ulrike, seine Mutter, war Schwimmtrainerin. Übrigens, eine sehr gute. Das sage ich nicht, weil sie meine Tochter ist, das sage ich, weil ich schon vielen Trainern zugesehen habe, und sie macht es mit Abstand am besten. Mir hatte sie sogar noch mit sechzig Jahren das Kraulen beigebracht. Mittlerweile kraule ich richtig gut.
Im Brustschwimmen habe ich mich, dank Ulrike, auch noch verbessert.
Die Jungs hatten keine Lust auf die Familienkabine. »Wir sind doch keine Babys«, meinten sie erbost, »wir ziehen uns allein um.« Und schon steuerten sie auf die Männerkabine zu.
»Dann treffen wir uns im Bad!«, rief ich ihnen nach.
»Jupp«, hallte es zurück.
Es war ziemlich voll. Kein Wunder, wir hatten ja Ferien. Die Jungs warteten bereits auf mich.
»Oma«, bombardierte mich Matti, »wir gehen erst mal rutschen und nach draußen.«
»Gut, dann schwimme ich ein paar Runden. Und nachher machen wir Wettschwimmen und Kopfsprung. Und guckt mal, was ich mitgenommen habe!«
»Flossen!«, rief Matti, »Mann, du bist klasse! Wir gehen jetzt aber erst einmal rutschen. Tschüss, bis nachher!«
Toll wäre, wenn ich dreißig Bahnen schaffe, schoss es mir durch den Kopf, aber zwanzig wären auch okay.
Ich setzte mich an den Beckenrand, ließ mich ins Wasser gleiten und stieß mich heftig mit den Füßen ab. Durch die Schwimmbrille, die ich trug, konnte ich unter Wasser alles wunderbar beobachten. Ich wollte gerade mit der zwanzigsten Runde beginnen, als ich Matti schreien hörte: »Hilfe, da sind Riesenfische im Wasser! Macht doch was! Warum macht denn keiner was?«
Dann sah ich es auch. Vier oder fünf riesengroße Fischschwanzflossen. Sie blieben dicht beieinander. Es sah nach einer Familie aus. Ein sehr großer, also der Vater, dann etwas kleiner die Mutter und die drei noch kleineren Kinder. Sie spielten miteinander. Tauchten auf den Grund des Beckens, schossen pfeilartig wieder nach oben, prusteten Unmengen von Wasser durch die Gegend und gaben merkwürdige Töne von sich.
Am Beckenrand hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die alle ins Wasser starrten. Es war verdammt still in der Halle. Die Kinder klammerten sich an ihre Eltern oder wollten auf den Arm. Sie hatten Angst. Auch Matti rief nach mir. »Oma Mari!«, rief er immer und immer wieder. Seine Stimme klang ebenfalls verängstigt.
»Ja, ich komme!«, schrie ich zurück. »Gleich bin ich bei dir, du brauchst keine Angst zu haben.« Ich stieg aus dem Wasser, rannte zu ihm und schloss ihn in die Arme.
Auch Ulli suchte Schutz bei mir. Mehrere Bademeister waren herbeigeeilt. Einer rief: »Ruhe, bitte bleiben Sie ruhig, hier gibt es keine Fische, selbst wenn es zurzeit so aussieht. Das klärt sich gleich alles.«
Der Fischschwarm war gerade von Neuem dabei aufzutauchen, als ein Bademeister einen Kopfsprung ins Wasser machte. Er trieb sämtliche Fische an den Beckenrand.
In dem Augenblick erkannte ich, dass es Nixen waren. Die trugen Anzüge mit einer Schwanzflosse. Wer sich in so einem Anzug schnell im Wasser bewegt, sieht im ersten Moment, und vor allem, wenn man nicht genau hinsieht, wie ein Fisch aus. Matti war auf diese Nixenanzüge hereingefallen.
»Seht ihr«, sagte einer der Bademeister, »es sind keine Fische.«
Ein anderer zog eine Nixe nach der anderen aus dem Wasser, und sie mussten ihre Anzüge ausziehen. Es waren alles Mädchen.
Eine davon war die große Schwester von Ulli. Sie kam auf ihren kleinen Bruder zu und meinte: »Du kennst doch meinen Anzug, hast du mich nicht erkannt?«
»Nein«, flüsterte Ulli mit hochrotem Kopf, »und außerdem warst du nicht allein.«
»Ne, heute war ich mal mit meinen Freundinnen hier, aber die kennst du doch.«
Ich muss dem armen Ulli helfen, dachte ich. Darum zog ich die Jungs zur nächsten Bank. Während ich mich setzte, zwinkerte ich der Schwester zu. Laut sagte ich: »Wie gut, dass es keine echten Fische waren. Was haltet ihr davon, wenn ihr zwei jetzt um die Wette schwimmt?«
»Au ja!«
Gemeinsam gingen wir zum tiefen Becken. Sie sprangen ins Wasser, hielten sich am Beckenrand fest, und ich sollte – Auf die Plätze fertig los – sagen. Ich war der Schiedsrichter.
Es wurde ein fairer Wettkampf. Mal lag Matti vorn, dann wieder Ulli. Am Ende schlug Matti doch als Erster an.
Als die beiden wieder neben mir standen, sagte ich: »Nun möchte ich noch euren Kopfsprung sehen.«
»Ich kann noch keinen«, erwiderte Ulli mit gesenktem Kopf.
»Dafür kann ich es umso besser«, rief Matti.
»Angeber!«
»Ach nee, Jungs, nicht streiten. Mattis Mutter ist Schwimmtrainerin, da wäre es eher merkwürdig, wenn er keinen Köpper könnte.« Zu Matti gewandt meinte ich: »Jetzt zeig mal, was du kannst!«
Was ich dann zu sehen bekam, war beinahe perfekt. Ich klatschte vor lauter Begeisterung Beifall.
»Oma«, kam es zaghaft von Matti, »ich bin auf einmal ziemlich müde. Können wir nach Hause fahren? Ich will mit dir kein Wettschwimmen mehr machen, auch wenn ich das gestern gesagt habe.«
»Ja, kommt, ihr zwei, zu Hause wartet ein leckeres Mittagessen auf uns. Ulli, wenn du willst, kannst du mit uns essen.«
»Was gibt es denn?«
»Gemüseeintopf, magst du das?«
»Ja, sehr sogar.«
»Na, dann los, wir treffen uns am Eingang.«
Diesmal war ich die Erste. Die Jungs staunten, und einer meinte: »Du hast wohl nur die Hälfte angezogen?« Dabei warf er einen Blick in meine Tasche.
Nach dem Mittagessen machte ich ein kleines Nickerchen. Die zwei legten sich im Garten auf eine Decke.
Gegen 15:00 Uhr weckten sie mich mit den Worten: »Wir haben Durst.«
Ich kochte für alle Kakao, und dazu gab es selbstgebackenen Kuchen.
Dann fragte Matti: »Oma Mari, was ist eigentlich alles auf deinem Dachboden? Darf ich morgen da mal ein bisschen rumschnüffeln? Bei uns kenn ich schon alles. Das Meiste ist alt oder kaputt. Da bringt das Gucken keinen Spaß mehr. Bei dir war ich aber noch nie oben.«
»Meinetwegen. Aber so spannend ist es da auch nicht. Ach, warte mal, mir fällt da gerade was ein. Es gibt da oben sogar etwas sehr Spannendes. Wenn du das findest … Ich bin gespannt, was du dazu sagst. Jetzt geht noch ein bisschen raus, und heute Abend spielen wir beide Mensch, ärgere dich nicht, mal sehen, wer da gewinnt.«
Der kostenlose Auszug ist beendet.