2025: Wenn das Licht erfriert

Text
Aus der Reihe: MAD-MIX #7
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
2025: Wenn das Licht erfriert
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

MARI MÄRZ

2025:

Wenn das Licht erfriert

MAD-MIX#7

Kurzgeschichte

Inspiriert von wahren Begebenheiten.

Die Handlung ist frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt. Marken- und Künstlernamen sowie Warenzeichen, Zitate und Titel werden in diesem Buch in einem ausschließlich fiktiven Zusammenhang verwendet.

2025:

Wenn das Licht erfriert

Kurzgeschichte

1. Auflage

Copyright © 2019

Mari März

DIE TEXTWERKSTATT "korrekt getippt"

Covergrafik: Pixabay

Alle Rechte vorbehalten.

MAD-MIX#7

www.mari-märz.de

Besucht mich in den sozialen Netzwerken:

Facebook: https://www.facebook.com/marimaerz

Instagram: https://www.instagram.com/mari_maerz

Twitter: https://twitter.com/mari_maerz

Zum Buch

Am liebsten würde ich abhauen, meine Kinder schnappen und fliehen aus diesem Land, das nicht mehr meine Heimat ist. Aber es ist zu spät. Vor sechs Jahren begann jene Eiszeit, die nichts mit dem Wetter zu tun hat. Je mehr die eigene Existenz bedroht ist, desto lauter schreit ein Volk nach seinem Führer.

Den hat es jetzt.

Einen Despoten samt Polizeistaat.

Dennoch herrscht die Angst.

Mehr als je zuvor.

Sicherheit ist eine Illusion. Auf den Straßen herrscht Krieg, Gewalt und Hunger.

Das einzige, was mich diese Eiszeit ertragen lässt, sind meine Kinder und die Hoffnung, dass ihre Generation es besser macht als wir. Diese Hoffnung ist alles, was mich daran hindert durchzudrehen. Sie wärmt mein Herz.

Denn es ist kalt.

Eiskalt.

Nicht nur draußen.

Das Licht erfriert.

Zur Autorin

Mari März schreibt authentisch, bizarr, schnörkelfrei, vielfältig. Diese Autorin passt in keine Schublade. Sie schreibt Bücher fürs Regal.

Ihre Geschichten berühren, bewegen, begeistern.

Ihre Charaktere sind kantig, polarisierend – wie sie.

Ihr Stil ist ...

»Zukunft, die unter die Haut geht. Mari März ist eine Meisterin der Dystopie.«

(Georg Adamah)

Lesevielfalt hat einen Namen: MAD-MIX ist ein buntes Potpourri unterhaltsamer Erzählkunst, Tragik, Komödie, Realität, Mythologie, Historik und Religion. Freut euch auf insgesamt zehn Kurzgeschichten, die einzeln als E-Book und gesammelt als Taschenbuch erscheinen werden.

Inhalt

Zum Buch

Zur Autorin

Inhalt

2025: Wenn das Licht erfriert

Anmerkung

LESEPROBE

Der Tänzer

MAD-MIX

EREIGNISHORIZONT

2025: Wenn das Licht erfriert

Hallo Deutschland, es ist 15:45 Uhr und das war RADIO NATIONAL mit dem Wetterbericht. Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie dabei, denn Hören macht frei! ...

Ich hasse den Winter.

Früher fand ich ihn einfach nur unangenehm, aber jetzt ist diese eisige Kälte mehr als nur ein mieses Gefühl. 2019, als die Zeichen kaum noch zu übersehen waren, stellte ich mir vor, wie es denn wäre, in einer Welt zu leben – mit Grenzen so hoch wie nie zuvor, mit den Auswirkungen des Klimawandels und der Angst vor einem neuen, vielleicht letzten Krieg.

Heute, nur sechs Jahre später, ist diese Angst real. Die Hoffnung stirbt. Jeden Tag ein bisschen mehr. Das Licht erfriert – in diesem Horrorszenario, das wir Leben nennen.

Seit nunmehr vier Monaten ist Deutschland von der Ostsee bis zu den Alpen unter einer dicken Schneeschicht begraben. Halb Europa versinkt unter der weißen Pracht.

Hallo Deutschland, es ist 15:56 Uhr und Sie hören RADIO NATIONAL. Bis zu den Nachrichten spielen wir für Sie den Winterschlager des Jahres 2025, Marianne Schulz mit ›Ich bin ein deutsches Madel‹.

Bleiben Sie dabei, denn Hören macht frei! ...

Gott, wie ich den Winter hasse! Und diesen Radiosender! Aber solange kein Strom da ist, gibt es auch kein Internet – das Tor zur Welt.

Und diese Marianne Schulz geht mir gehörig auf die Nerven mit ihrem frohsinnigen Tralala!

Ich bin ein deutsches Madel.

Hören macht frei!

So weit ist es also schon gekommen.

Genervt stelle ich das Transistorradio ab, ich muss mit den Batterien sparsam sein. Die Meteorologen versprechen sowieso keine Wetterbesserung, das reicht mir an Information. Die Nachrichten höre ich nur noch einmal am Tag. Mehr ertrage ich nicht. Sind doch eh immer nur dieselben Parolen und Fakenews. Und das von ebenjenen Leuten, die noch vor einigen Jahren Journalisten wie mich als Lakaien der Lügenpresse beschimpft haben.

Ein Witz ist das, nur kann ich leider nicht darüber lachen.

Jetzt stehe ich hier und beobachte, wie mein Sohn mit seinen Freunden im Schnee spielt. Sie haben Spaß dabei, als würde es ein ganz normaler Winter sein. Sogar Josh ist dabei, der Sohn des Ortsgruppenführers. Und Lela, die Tochter syrischer Einwanderer. Das war nicht immer so und ist bei weitem kein realistisches Beispiel für Deutschland und die Welt.

Am liebsten würde ich abhauen, meine Kinder schnappen und fliehen aus diesem Land, das nicht mehr meine Heimat ist. Aber es ist zu spät. Vor sechs Jahren hätte ich gehen sollen, als das Chaos begann. Na ja, eigentlich fing alles sehr viel früher an – jene Eiszeit, die nichts mit dem Wetter zu tun hat. Die Klimakatastrophe kommt noch on top dazu, vielleicht hängt auch alles zusammen. Je mehr die eigene Existenz bedroht ist, desto lauter schreit ein Volk nach seinem Führer.

Den hat es jetzt.

Einen Despoten samt Polizeistaat.

Dennoch herrscht die Angst.

Mehr als je zuvor.

Sicherheit ist eine Illusion. Es gibt sie nicht mehr – genau wie die Freiheit sowie den Glauben an ein friedliches und geeintes Europa. Auf den Straßen herrscht Krieg, Gewalt und Hunger.

Das einzige, was mich diese Eiszeit ertragen lässt, sind meine Kinder und die Hoffnung, dass ihre Generation es besser macht als wir. Diese Hoffnung ist alles, was mich daran hindert durchzudrehen. Sie wärmt mein Herz.

Denn es ist kalt.

Eiskalt.

Nicht nur draußen.

Alles in mir schreit danach, mich unter eine dicke Decke zu kuscheln und zu schlafen, bis dieser Albtraum vorbei ist.

Wenn es nur so einfach wäre ...

***

»Mama, wo ist mein Ladekabel?«

Ich grinse ob dieser banalen Frage, wenngleich sie vor dem Hintergrund der Ereignisse im Grunde alles andere als einfach zu beantworten ist.

»Wir haben keinen Strom, Schatz«, antworte ich meiner Tochter, die schmollend das Gesicht verzieht.

»Kann ich dein Handy haben?«

»Wozu brauchst du jetzt ein Handy, Mia?«

Meine Tochter steht auf der Treppe, die ins Obergeschoss unseres Hauses führt. Sie wirkt traurig und ich kann sie verstehen. Mit fünfzehn ist das Leben sowieso schon nicht leicht. Pubertät und so. Und nun müssen wir dieser Generation, die in der digitalen Welt großgeworden ist, brutal den Stecker ziehen.

»Ich wollte mit Emily ein Video drehen. Sie hat da diese App gefunden. Tik Tok oder so.«

»Und was ist das für eine App?«, frage ich nicht ohne Grund. Mia stöhnt, hat sie doch selbstverständlich keine Lust, mir Rede und Antwort zu stehen. Sie ist eben fünfzehn und entdeckt gerade die weite Welt. Aber es ist wichtig, dass ich ihr diese Frage stelle.

»Also, was ist das für eine App?«, hake ich deshalb nach.

Wieder stöhnt Mia. Dieses Mal lauter. Ich weiß, dass ich sie reize.

»Die kommt aus China.«

Mehr sagt sie nicht.

Mehr muss sie auch nicht sagen.

»Du weiß, dass das verboten ist!«, antworte ich. Mein Ton ist zu streng, doch ich will sie nur schützen. Uns alle! In diesem neuen Deutschland ist so Vieles verboten, vor allem internationale Medien.

Big Brother is watching you!

»Aber Mama! Die können doch nicht jeden bespitzeln. Es ist nur ein Tool, mit dem man Videoclips aufnehmen und bearbeiten kann. Wir laden auch nichts hoch. Versprochen!«, gängelt meine Tochter, aber ich bleibe hart und schüttle energisch den Kopf.

 

»Geh doch lieber nach draußen zu den anderen, die Sonne scheint so schön«, versuche ich, sie aufzumuntern, ihr Mut zu machen für dieses neue Leben, das von Begrenzung geprägt ist.

Mia stöhnt ein drittes Mal, zieht sich Jacke, Mütze, Stiefel über und knallt die Haustür.

Früher hätte ich das amüsant gefunden, kann ich mich doch noch ziemlich genau an meine Teenagerzeit erinnern.

Früher! Das klingt so, als wäre ich neunzig und hätte den letzten Krieg miterlebt.

***

Morgen ist Ostern. Normalerweise würden wir im zarten Grün des Grases bunte Eier verstecken und uns die Frühlingssonne auf die lachenden Gesichter scheinen lassen.

Normalerweise!

Aber in dieser Welt ist nichts mehr normal. Alles hat sich geändert. Von jetzt auf gleich.

Na ja, fast. Im Grunde warnten die Wissenschaftler jahrelang vor der Klimakatastrophe, den Konsequenzen des Rechtsrucks, einer weltweiten Wirtschaftskrise und sogar vor Krieg. Die Zeichen waren da, nur wollte sie niemand sehen. Auch jetzt noch unken Despoten und ihre Anhänger, dass der Klimawandel nur erfunden sei. Schließlich gäbe es keine globale Erderwärmung.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?