Tabuthema Trauerarbeit - eBook

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Tabuthema Trauerarbeit - eBook
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Margit Franz

Tabuthema

Trauerarbeit

Kinder begleiten bei Abschied,

Verlust und Tod

Tuedio!

Für Thomas in Liebe, Dankbarkeit und Lebensfreude


Inhalt

Vorwort

1. Biografische Erfahrungen reflektieren

Wie pädagogische Fach- und Lehrkräfte sich dem Thema nähern können

Persönliche Erfahrungen: Ich als Kind und Jugendliche*r

Persönliche Erfahrungen: Ich als ­Erwachsene*r

Professionelle Erfahrungen: Ich als Fachkraft bzw. Lehrkraft

Professionelle Erfahrungen: Wir als Team und Kollegium

2. Vorstellungen, die ­Kinder vom Tod haben

Kinder im Alter von null bis drei Jahren

Kinder im Alter von drei bis sechs ­Jahren

Kinder im Alter von sechs bis zehn ­Jahren

3. Wie Kinder trauern

Erste Traueraufgabe: Die ­Realität ­anerkennen

Zweite Traueraufgabe: Den ­Abschiedsschmerz durchleben

Dritte Traueraufgabe: Verinnerlichen dessen, was war

Vierte Traueraufgabe: Eine neue ­Identität entwickeln

Störungen der Trauer und Unterstützungsangebote

4. Kinder erfahren Abschiede, Verluste und den Tod

Kinder trauern um einen materiellen Verlust

Kinder erleben, wie sich ihre Lebens­situation verändert

Kinder entdecken tote Tiere

Kinder erfahren vom Tod einer ihnen bekannten Person

Kinder trauern um den Tod ihres ­Haustieres

Kinder trauern um den Tod ihres ­Freundes

Kinder trauern um den Tod ihrer Erzieher*in oder Lehrer*in

Kinder trauern um den Tod ihrer ­Großeltern

Kinder trauern um den Tod ihres ­Geschwisters

Kinder trauern um den Tod ihrer Eltern

5. Trauernde Kinder begleiten und unterstützen

Welche Haltung brauchen Fach- und Lehrkräfte?

Was hilft Kindern, damit sie gut trauern können?

6. Zusammenarbeit mit ­Eltern

Fachkompetente Beratung und partnerschaftliche Kooperation

Die häufigsten Fragen von Eltern

7. Kooperation mit Unterstützungssystemen – Adressen und Anlauf­stellen

Telefonseelsorge

Trauernde Kinder und Jugendliche

Suizid

Institute für Beratung, Begleitung, ­­­­Aus- und Weiterbildung

Kinderhospize

Ausstellungen und Museen

Besonders zu empfehlen

Anhang

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Die Autorin

Empfehlenswerte Kinderbücher

Vorwort

„Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worten zu fassen: Es geht weiter!“

Friedrich von Schiller

Abschiede, Verluste und der Tod gehören zum Leben und sind nicht zu vermeiden. Sie sind Lebenswirklichkeit und nur zu gerne möchten wir sie vor unseren Kindern fernhalten. Wir wissen, dass Kinder früher oder später mit dem Tod von Haustieren, Familienmitgliedern, Freunden und Menschen, die ihnen nahe sind, konfrontiert sein werden. Wie führen wir Kinder zu diesem wichtigen Lebensthema hin? Wie bereiten wir sie auf diese bedeutsame Lebenserfahrung vor? Wie begleiten wir sie in der Verarbeitung ihres Verlustes?

Der beste Zeitpunkt, sich mit dem Thema zu befassen, ist immer dann, wenn das Thema nicht brisant ist. Das Leben selbst bietet dazu vielfältige Anlässe, sich behutsam der Thematik anzunähern. Wenn Kinder auf dem Schulhof beispielsweise einen toten Vogel finden oder ein Kind im Gesprächskreis erzählt, dass sein Meerschweinchen zuhause gestorben ist, dann ist das Thema bereits da! Wir können es übersehen und überhören und schnell zur Tagesordnung übergehen. Wir können das Thema aber auch aufgreifen und mit den Kindern darüber in einen Austausch kommen: „Lasst uns mal kurz innehalten und uns darüber unterhalten, was da passiert ist!“ Dann lernen die Kinder voneinander und mit uns Erwachsenen, dass dieses Thema ein trauriges Thema, jedoch kein Tabuthema ist, das uns sprachlos und hilflos macht. Sie erfahren, dass der Tod zum Leben gehört und dass diese Situation betrauert, gestaltet und bewältigt werden kann. In solchen Gesprächen bleibt es erfahrungsgemäß nicht beim toten Vogel und dem gestorbenen Meerschweinchen, weil die Kinder als Experten ihrer selbst von ihren Geschichten und persönlichen Erfahrungen berichten und die Gesprächsrunde damit bereichern. Gibt es in der Kita- und Schulbibliothek darüber hinaus eine Auswahl an Bilder- und Kinderbüchern zu dem Thema, bietet die Literatur ebenfalls Impulse für eine Auseinandersetzung mit der Thematik. Wenn wir uns mit Kindern, im Team und Kollegium mit Sterben, Tod, Trauer beschäftigen, dann ist es Thema und kein Tabu, und eben das ist beste Vorbereitung für den traurigen Ernstfall. Gemeinsam mit Kindern entwickeln wir eine gefühlvolle Gesprächskultur, zudem Ideen und Rituale, wie wir eine Verlustsituation und einen Abschied miteinander gestalten können.

In der Verantwortung von Fach- und Lehrkräften liegt es, zu dem Thema eine professionelle Haltung zu entwickeln und einen „Notall-Plan“ oder „Krisen-Koffer“ zu erarbeiten, so dass ein Team und Kollegium gut vorbereitet ist, wenn das Thema plötzlich akut wird. Eine jede Fach- und Lehrkraft sollte über das hausinterne Notfallmanagement informiert und entsprechend geschult sein, so dass mit einem Todesfall im Nahbereich sowie im erweiterten Umfeld von Kita und Schule kompetent umgegangen werden kann. Sind bereits Kooperationen zu unterstützenden Systemen wie Kriseninterventionsdienst, Notfallseelsorge, Fachstellen zur Trauerbegleitung, Fachberatung aufgebaut, kann im akuten Bedarfsfall kurzfristig darauf zurückgegriffen werden.

Ich bin davon überzeugt, dass es für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Familien wertvoll und lohnend ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen, um im traurigen Ernstfall darauf vorbereitet zu sein. Insbesondere pädagogische Fach- und Lehrkräfte, die in Kindertageseinrichtungen und Schulen professionell arbeiten, sind in einer besonderen Verantwortung gegenüber Kindern und ihren Familien. Mit meinem Buch „Tabuthema Trauerarbeit – Kinder begleiten bei Abschied, Verlust und Tod“, den beiden ergänzenden Fotokarten-Sets „Mit Kindern über Abschied, Verlust und Tod sprechen“ (Impulskarten zur Trauerbegleitung in Kita, Grundschule und Familie) und „Umgang mit Tod, Verlust und Trauer“ (Reflexionsfragen für Erzieher*innen und Grundschullehrkräfte) möchte ich dazu beitragen, dass Kinder zu ihrem Recht auf Trauer kommen. Mein Anliegen ist es, pädagogische Fachkräfte sowie Lehrkräfte zu ermutigen und zu unterstützen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und ihr Wissensspektrum gegebenenfalls zu erweitern. „Tabuthema Trauerarbeit“ gibt hierzu fachliche Informationen, weiterführende Impulse und praxisnahe Ideen.

 

Am Ende des Buches finden Sie empfehlenswerte Bilderbücher , jeweils mit thematischer Einordnung und kurzer Inhaltsbeschreibung, die Sie in Ihrer pädagogischen Praxis unterstützen können und den Kindern das Thema Abschied, Verlust und Tod auf kindgemäße und behutsame Weise nahebringen. Die gesammelten Bilderbuchrezensionen finden Sie außerdem auch als pdf-Dokument im Download zum Ausdrucken, ebenso wie einige literarische Texte oder Aphorismen, die geeignet sind, die eigene Haltung zum Thema zu reflektieren.

Ich hoffe, dass mein Buch für Sie interessant ist und dass es Ihnen hilft, mit Kindern offene Gespräche über Tod und Sterben zu führen, der Trauer von Kindern achtsam zu begegnen und trauernden Kinder einfühlsam den Rücken zu stärken.

Margit Franz

Darmstadt im März 2021

1. Biografische Erfahrungen reflektieren

Wie gelingt es Fach- und Lehrkräften, sich mit den Themen „Abschied, Verlust, Sterben, Tod, Trauer“ auseinander zu setzen? Welche Methoden bieten sich an, um die eigenen persönlichen Erfahrungen zu reflektieren? Welche Möglichkeiten gibt es, sich auf einer professionellen Ebene mit der Thematik zu beschäftigen?

Wenn Erwachsene mit Kindern über das Sterben und den Tod sprechen oder ein Kind in einer akuten Trauersituation begleiten, ist es wichtig, dass sie ihre persönlichen Grenzen dazu kennen. Die Erlebnisse im Kindes- und Jugendalter prägen den späteren Umgang mit dem Thema und die Fähigkeit zur aktiven Trauer. Erfahrungen, die mit dieser Thematik und den damit verbundenen Situationen gesammelt wurden, können positiv im Sinne von hilfreich, ermutigend, unterstützend oder negativ im Sinne von belastend, entmutigend, beängstigend sein. Immer wieder erzählen Erwachsene, dass ein Mitglied ihrer Familie gestorben ist und sie sich als Kind in dieser Situation mit ihren Ängsten und Fragen allein gelassen gefühlt haben. Sie berichten zudem, dass es ihnen nicht ermöglicht bzw. verwehrt wurde, sich von einer ihnen nahestehenden, gestorbenen Person gebührend zu verabschieden und an der Beerdigung teilzunehmen.

„Ich fühlte mich ausgeschlossen, hatte viele Ängste und traute mich nicht zu fragen.“

„Niemand hat mir erklärt, was eigentlich los war. Ich hatte schreckliche Alpträume und jede Nacht ins Bett gemacht. Ich musste wieder Windeln tragen.“

„Wenn ich meine Eltern fragte, wo meine Oma sei, sagten sie immer: ‚Ach Kind, das verstehst du noch nicht‘.“

Wie pädagogische Fach- und Lehrkräfte sich dem Thema nähern können

Erwachsene erzählen, dass es weniger der Tod eines geliebten Menschen war, der bei ihnen als Kind zu einer Überforderung und Verdrängung des Verlustes führte. Vielmehr waren es die Begleitumstände, wie der Ausschluss aus der Trauergemeinschaft, eine mangelnde entwicklungsgemäße Beteiligung und fehlende klärende Gespräche, die eine angemessene Bewältigung des Verlusts verhinderten.

Ein Todesfall im Familien- oder Freundeskreis sollte die Betroffenen zueinander bringen, um gemeinsam zu trauern, zu trösten und Trost zu empfangen, Trauergefühle miteinander zu leben, Verständnis für die Gefühle anderer zu zeigen und darüber zu sprechen. Wenn solche wichtigen Erfahrungen fehlen, verankern Kinder und Jugendliche in ihren Selbstkonzepten: Trauer bedeutet Gefühlskälte, keine Emotionen zeigen, nicht miteinander reden, Totschweigen, keine Informationen bekommen und mit seinen Ängsten allein sein. So wie Menschen nicht nicht kommunizieren können (Paul Watzlawick) können sie nicht nicht Erfahrungen sammeln. Eine jede Erfahrung, auch eine „Nicht-Erfahrung“ (die es in diesem Sinne nicht gibt) ist eine Erfahrung. Wenn Kinder „keine“ Erfahrungen in diesem Thema sammeln dürfen und mit ihren Eindrücken und Erlebnissen allein gelassen werden, führen diese Erfahrungen zu einer Verdrängung und Tabuisierung der Thematik.

Wenn Kinder von Erwachsenen immer wieder zu hören bekommen „Dafür bist du noch zu klein!“, besteht die Tendenz, dass sie im späteren Erwachsenenleben diesen Satz und die damit verbundene Haltung wiederum an Kinder weitergeben. Aber wer ist damit eigentlich gemeint? Der Erwachsene oder das Kind? Ich tippe auf den Erwachsenen, der mit den neugierigen Fragen oder Trauergefühlen eines Kindes nicht klarkommt. „Dafür bist du noch zu klein“ könnte bedeuten: Ich Erwachsener fühle mich mit dem Thema klein. Ich bin damit überfordert, weil es in mir als Kind und Jugendlicher nicht wachsen konnte und ich mit der Thematik nicht er-wachsen wurde. Von einem Erwachsenen muss ein Kind jedoch erwarten können, dass er Schutz, Halt und Sicherheit gibt, insbesondere in Situationen, die verunsichern. Eine solche Situation ist gegeben, wenn ein für das Kind bedeutsamer Mensch im Sterben liegt oder verstorben ist. Insbesondere für Tagespflegeeltern, pädagogische Fach- und Lehrkräfte, die mit Kindern professionell arbeiten, ist es wichtig, dass sie ihre persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit Sterben, Tod und Trauer reflektieren, um sich dieser bewusst zu werden. Damit kann verhindert werden, dass unbewusst und unreflektiert an Kinder weitergegeben wird, was man selbst als Kind und Jugendlicher erlebt und erfahren hat.

In meinen weiteren Ausführungen beschreibe ich einfache Methoden, die Impulse geben, um sich dem Thema „Sterben, Tod, Trauer“ behutsam anzunähern. Die Methoden sind kein Ersatz für Gespräche, die im Rahmen von Supervisionen und therapeutischen Settings stattfinden. Sie bieten vielmehr Gelegenheiten, sich miteinander auszutauschen, gemeinsam zu reflektieren und zu erfahren, wie gut es tun kann, sich dieser Thematik achtsam und in kleinen Schritten anzunähern. Manchen Menschen fällt es leichter und anderen schwerer, sich für dieses Thema zu öffnen. Dies ist verständlich, weil die Erfahrungen diesbezüglich sehr unterschiedlich sein können. Jede Person entscheidet deshalb für sich, wie weit sie sich öffnen, ob und was sie von sich selbst mitteilen möchte. Es kann passieren, dass im Austausch plötzlich Tränen fließen, was bei diesem Thema völlig angemessen ist. Die vorgestellten Übungen können im privat-persönlichen Bereich im Kreis der Familie und mit Freunden, im sozialpädagogisch-professionellen und schulischen Bereich mit Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen von Team- und Weiterbildungstagen praktiziert werden. Für die Arbeit im beruflichen Kontext empfehle ich, dass die Gruppe bespricht und vereinbart, wie sie miteinander arbeiten möchten. Hierfür können Gesprächs- und Verhaltensregeln sehr nützlich sein, beispielsweise:

 Ich bestimme, was ich sage und tue.

 Ich spreche per ich und nicht per man.

 Ich bin respektvoll und wertschätzend.

 Ich bemühe mich, achtsam und einfühlsam zu sein.

 Ich versuche, nicht zu bewerten.

 Ich beachte die Schweigepflicht.

Praxistipp: Kartenset mit Reflexionsfragen zum Thema Tod, Verlust, Trauer

Die Impulsfragen, die im Folgenden bei den verschiedenen Methoden formuliert sind, sind im Handel auch als praktisches Kartenset erhältlich: Umgang mit Tod, Verlust und Trauer. Reflexionsfragen für ErzieherInnen und Grundschullehrkräfte (Margit Franz, München 2021, EAN 426017951 690 0)

Hinweis: Die bei den Impulsfragen in Klammern stehenden Verweise (z. B. „Karte 1“) im Text dieses Buches beziehen sich auf die Nummerierung der Karten. Das Kartenset eignet sich gleichermaßen zur Reflexion im Team als auch für eine persönliche Befassung mit den eigenen biografischen Erfahrungen zum Thema Tod, Sterben, Abschied und Verlust.

Persönliche Erfahrungen: Ich als Kind und Jugendliche*r

Fotos meiner Kindheit

Für den Austausch bringt jede Person einige Fotos aus der eigenen Kindheit mit. In Dreiergruppen werden die Fotos betrachtet und die Gruppenmitglieder tauschen sich über ihre Erlebnisse und ihre Erfahrungen in der Kindheit aus.

Erfahrungen meiner Kinder- und Jugendzeit

Auf Karten sind verschiedene Fragen zum Thema formuliert. Die Fragekärtchen werden im Raum ausgelegt (aufgehängt), so dass sie für alle sichtbar sind. Die teilnehmenden Personen gehen umher, lesen die Fragen und lassen diese auf sich wirken. Ein nächster Schritt kann der Austausch über die Fragen in Kleingruppen sein.

Für beide Übungen eignen sich die folgenden Impulsfragen:

 Wie wurde in meiner Familie über den Tod gesprochen? Welche Fragen haben mich in meiner Kindheit und Jugend beschäftigt? Mit wem konnte ich über meine Fragen sprechen? (Karte 1)

 Mein erstes Verlusterlebnis – was habe ich als Kind betrauert? Welche Ängste und Sorgen hatte ich? Wie sind Erwachsene mit mir und meinen Gefühlen umgegangen? Welche Erinnerungen habe ich dazu? (Karte 2)

 Wer hat mir als Kind und Jugendliche*r in meiner Trauer beigestanden? Wer war für mich da? Mit wem konnte ich über meine Trauer sprechen? Wer war für mich ein gutes Vorbild für Trauern? (Karte 3)

 Was hat mir in meiner Trauer wohl- und gutgetan? Was hat mir wehgetan und mich enttäuscht? Was hätte ich mir rückblickend gewünscht? (Karte 4)

 Ein bedeutsames Erb- und Erinnerungsstück aus meiner Kindheit oder Jugendzeit – was ist es und von wem habe ich es bekommen? Welche Bedeutung hatte es für mich als Kind und Jugendliche*r und welchen Wert hat es heute für mich? (Karte 5)

Nach einem persönlichen Austausch in Kleingruppen kann sich ein Austausch über die Gespräche im Plenum anschließen: Wie war euer Austausch? Seid ihr gut miteinander ins Gespräch gekommen? Was war in euren Gesprächen besonders interessant? Wer möchte etwas erzählen?

Persönliche Erfahrungen: Ich als ­Erwachsene*r

Symbole sprechen lassen: Trauer ist für mich wie …

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, am kommenden Montag haben wir unseren Team-Tag zum Thema „Kinder in ihrer Trauer begleiten“. Wir beginnen den Tag mit einer gemeinsamen Anfangsrunde. Meine Bitte ist, dass jede*r von euch einen symbolischen Gegenstand mitbringt, der für folgenden Satz passt: „Trauer ist für mich wie …“. Vielen Dank und herzliche Grüße!“

Diese Methode eignet sich als Einstieg in das Thema. Die teilnehmenden Personen erhalten hierfür einen Brief mit der Information und Bitte, einen symbolischen Gegenstand mitzubringen, der für eine bestimmte Frage steht, beispielsweise „Trauer ist für mich wie …“ oder „Der Tod bedeutet für mich …“. Nacheinander stellt jede Person ihren Gegenstand vor und legt diesen auf einem Tisch oder einem Tuch ab. Ist es nicht möglich, die teilnehmenden Personen frühzeitig zu bitten, einen symbolischen Gegenstand mitzubringen, kann eine Auswahl verschiedener Gegenstände auf einem Tisch präsentiert werden, beispielsweise Tücher in verschiedenen Farben, Naturmaterialien, Spielsachen, Alltagsmaterialien.

Fragentombola: Fragen zum Thema Tod

Jede Person erhält drei Kärtchen, auf die jeweils eine Frage notiert werden kann. Alle Fragekärtchen werden in einem Körbchen gesammelt und wie bei einer Tombola „gemischt“. Anschließend werden sie unter den Teilnehmer*innen verteilt und in der Runde vorgelesen. Weil die Fragen anonym vorgelesen werden, muss sich niemand mit seinen persönlichen Fragen in der Runde outen. Diese Vorgehensweise bietet somit einen gewissen Schutz. Die Fragen werden in einem nächsten Schritt an einer Pinnwand sortiert und bestimmten Themen zugeordnet. Auf diese Weise können sich anschließend Kleingruppen bilden, die sich über verschiedene Aspekte und die damit verbundenen Fragen austauschen. Bei Bedarf kann eine Rückmeldung in das Plenum erfolgen, indem die Teilnehmer*innen, die mögen, oder eine zuvor bestimmte Person einer jeden Gruppe berichtet.

Spaziergang über den Friedhof

Bei einem Spaziergang über den Friedhof mit einer vertrauten Kollegin oder einem vertrauten Kollegen ist es möglich, behutsam miteinander ins Gespräch zu kommen. Für den Austausch eignen sich die folgenden Impulsfragen:

 Welche Erfahrungen habe ich in meinem Erwachsenenleben mit dem Verlust von Menschen und Tieren gemacht? Wie gehe ich mit Verlusten, Abschieden, Sterben und Tod in meinem Leben um? (Karte 6)

 

 Glaube ich an ein Weiterleben nach dem Tod? Wie stelle ich mir ein Leben nach dem Tod vor? Was ist meine Hoffnung und mein Glaube? (Karte 7)

 Sterben, Tod, Trauer: Was macht mir Angst? Woraus schöpfe ich Trost und Zuversicht? Was sind meine Stärken und Ressourcen? (Karte 8)

 Wie gehe ich mit der Trauer anderer Menschen um? Wie responsiv, empathisch und mitfühlend schätze ich mich ein? Wie gut kann ich mit dem Herzen zuhören? (Karte 11)

Im Anschluss an den Spaziergang kann ein Austausch im Plenum erfolgen: Wie waren die Gespräche? Seid ihr gut miteinander ins Gespräch gekommen? Was war in euren Gesprächen besonders interessant? Wer möchte etwas erzählen?

Ein Bild, das mich angesprochen hat

Zum Thema passende Bildmaterialien, beispielsweise Postkarten, Kalenderbilder, Fotos aus Zeitschriften, Todesanzeigen … liegen zur Betrachtung aus. Eine jede teilnehmende Person wählt ein Bild aus, über das sie sich mit einer anderen Person oder in einer Dreiergruppe austauschen möchte. Impulsfragen können sein:

 Sterben, Tod und Trauer: Was hat mich an diesem Bild besonders angesprochen? Welche Gedanken kommen mir in den Sinn, wenn ich das Bild betrachte?

 Welche Gefühle löst dieses Bild in mir aus?

Kreativer Zugang zum Thema durch Zeichnen und Malen

Für einen kreativen Zugang zum Thema werden A3-Malpapier, Ölmalkreiden bereitgelegt und dezente Musik ausgewählt. Mit einer kurzen Gedankenreise oder einem lyrischen Text (z.B. dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse) können die teilnehmenden Personen in das Thema eingestimmt und danach eingeladen werden, ihre Gefühle und Gedanken bildhaft darzustellen. Dazu kann man leise Musik hören. Anschließend bilden sich Paare oder Dreier-Gruppen, die sich gegenseitig ihre Bilder vorstellen. Mit der Frage „Möchtest du mir etwas über dein Bild erzählen?“ werden die Gespräche eröffnet. Die Betrachter nehmen sich Zeit und hören zu, ohne zu bewerten. Zudem können sie Fragen an die Person richten, die ihr Bild vorstellt, beispielsweise:

 Wie ist es dir beim Malen ergangen?

 Was hast du als einfach und was als schwer empfunden?

 Wie siehst du dein Bild? Was überrascht dich an deinem Bild?

Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend

dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,

blüht jede Weisheit auch und jede Tugend

zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe

bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

in andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

an keinem wie an einer Heimat hängen,

der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

uns neuen Räumen jung entgegen senden,

des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Eine andere Vorgehensweise ist, dass zuerst die betrachtende Person zu Wort kommt und die Person, die das Bild gemalt, nur zuhört. Wichtig ist, dass sich die Personen darüber verständigen, dass ein Bild lediglich eine Projektionsfläche für subjektive Assoziationen und Interpretationen ist. Deshalb sollten die Rückmeldungen über ein Bild beschreibenden Charakter haben und in der Ich-Form formuliert werden, zum Beispiel: „Ich sehe auf deinem Bild ein tiefes Tal. Ich frage mich, ob dieser Weg eine besondere Bedeutung hat. Mich sprechen die warmen Farben deines Bildes sehr an.“

Es kann sehr interessant und aufschlussreich sein, von den Gedanken und Gefühlen anderer zu hören, die das Bild auslöst. Zum Abschluss können an die Gestalterin bzw. den Gestalter des Bildes folgende Fragen gerichtet werden:

 Was war für dich von dem, was ich erzählt habe, interessant?

 Gibt es etwas, das dir gefallen hat oder das hilfreich war?

 War etwas dabei, worüber du nachdenken möchtest?

 Welcher Gedanken gefällt dir nicht, so dass du ihn ziehen lässt?

Frag mich!

Die Bücher der bekannten Kinderbuchautorin Antje Damm „Frag mich!“ (Frankfurt a. M. 2012) und „Ist 7 viel?“ (Frankfurt a. M. 2013) sind wirkliche Schatzbücher. Sie bieten eine Vielfalt an bedeutsamen Fragen, über die Kinder und Erwachsene tiefsinnig miteinander ins Gespräch kommen können. Ich habe aus den beiden Büchern jene Fragen ausgewählt, die mit den Themen Sterben, Tod, Trauer, Verlust zu tun haben.

Fragen aus „Frag mich!“

 Woran glaubst du?

 Mit wem hast du Mitleid?

 Warst du schon mal irgendwann ganz allein?

 Welches Ding bewahrst du für immer auf?

 Hast du schon mal ein totes Tier gefunden? Was hast du damit gemacht?

 Glaubst du, dass du einen Schutzengel hast?

 Was macht dich traurig?

 Mit wem kannst du über alles reden?

 Wen hast du einmal getröstet?

 Wen vermisst du?

Fragen aus „Ist 7 viel?“

 Wird es die Erde immer geben?

 Tut alt werden weh?

 Steht unser Leben von Anfang an fest?

 Sind Schnecken manchmal traurig?

 Gibt es Engel?

 Wissen wir wirklich alles?

 Ahnt die Gans, was mit ihr passiert?

 Hinterlässt jeder Spuren?

 Wozu ist Traurigsein gut?

 Wer bestimmt, wann wir leben?

 Wie lange leben Pflanzen?

 Warum werden manche krank?

 Wie ist das, wenn man tot ist?

 Warum leben wir nicht ewig?

Wozu ist Traurigsein gut?

Die Frage „Wozu ist Traurigsein gut?“ gehört zu meinen Lieblingsfragen aus Antje Damms Buch „Ist 7 viel?“ Mit der Frage gibt die Autorin den wertvollen Impuls, darüber nachzudenken, inwieweit Traurigsein auch gut sein könnte. Diese Frage wird auf Kärtchen geschrieben und lädt zum Austausch ein.

Ein Elfchen zum Thema Trauer

Ein Elfchen ist ein fünfzeiliges Gedicht mit elf Worten, die in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet sind: 1. Zeile = ein Wort; 2. Zeile = zwei Worte; 3. Zeile = drei Worte; 4. Zeile = vier Worte; 5. Zeile = ein Wort. Das erste Wort beschreibt, um welches Thema es geht.

Trauer

Mein Schatz

ich vermisse dich

Du in meinem Herzen

Sehnsucht

Trost

Ohne dich

Hoffnung Liebe

Glaube wandelt meine tiefe Sehnsucht

Dankbarkeit

Mein Traueralphabet

Die „ABC-Methode“ (Vera F. Birkenbihl) eröffnet die Möglichkeit, sich auf ungewöhnliche Weise (in Einzelarbeit) in das Thema „Trauer“ hineinzudenken. Hierfür bekommen die teilnehmenden Personen ein Blatt, auf dem die Buchstaben des Alphabets am linken Blattrand vertikal untereinander aufgelistet sind. Ein jeder Buchstabe gibt den Impuls für den Anfangsbuchstaben eines Wortes oder Satzes. Die Ergebnisse werden in Partnerarbeit ausgetauscht und laden zum gemeinsamen Nachdenken ein.

Mein Erinnerungs- und Erbstück

Die teilnehmenden Personen werden gebeten, ein Erbstück oder einen Erinnerungsgegenstand an einen verstorbenen Menschen mitzubringen. Jede Person sucht sich eine*n Gesprächspartner*in und stellt ihren Gegenstand vor. Die Teilnehmer*innen tauschen sich aus und kommen über die Gegenstände behutsam miteinander ins Gespräch. Für diese Übung eignen sich folgende Impulsfragen:

 Ein geliebter Mensch ist gestorben: Wofür bin ich dankbar? Was bewahre ich in guter Erinnerung? In welcher Weise spüre ich Verbundenheit? (Karte 9)

Meine Schatzkiste: Das hilft mir in meiner Trauer

Diese Übung richtet den Blick auf eigene Ressourcen und Kompetenzen. Hierfür wird die Mitte mit einer Schatzkiste symbolisch gestaltet. Folgende Impulsfragen sind dafür geeignet:

 Was hilft mir in meiner Trauer? Was tut mir gut, wenn ich traurig bin? Wie ist mein persönlicher Weg der Trauer und Verlustbewältigung? (Karte 10)

 Drei Menschen, die für mich da sind, wenn ich Hilfe benötige? Wie leicht oder schwer fällt es mir, um Hilfe zu bitten und mir Hilfe zu holen? Wie sorge ich für mich selbst? (Karte 12)

 Krisen sind Herausforderungen und Chancen zugleich. Was hat mich in meiner Trauer an meisten herausgefordert? Worin sehe ich meinen persönlichen Gewinn am traurigen Verlust? Welchen Sinn gebe ich dem Verlust in meiner Lebensgeschichte? (Karte 13)

 Was sind meine drei wichtigsten Kraftquellen? Worauf kann ich mich verlassen? Was gibt mir Sicherheit und Struktur, wenn in meinem Leben plötzlich alles drunter und drüber geht? (Karte 14)

Die Fragen werden den Teilnehmer*innen zur Verfügung gestellt. Die teilnehmenden Personen ziehen sich zurück und notieren auf Kärtchen ihre persönlichen Kraftquellen und Ressourcen. In einem weiteren Schritt kann sich ein Austausch in Kleingruppen anschließen.

Zitate als Impulsgeber

Eine Sammlung verschiedener Zitate, die sich mit Themen wie Wandlung, Veränderung, Verlust, Abschied, Trauer, Trost, Hoffnung … beschäftigen, bietet vielfältige Impulse, die zum Austausch anregen:

 Welches Zitat hat mich besonders und welches weniger angesprochen?

 Über welches Zitat möchte ich nachdenken und mich austauschen?

Zitate zu den Themen Wandlung, Veränderung, Verlust, Abschied, Trauer, Trost, Hoffnung

Was die Raupe das Ende der Welt nennt, ist für den Rest der Welt ein Schmetterling.

Laozi

Das Geheimnis des Lebens und das Geheimnis des Todes sind verschlossen in zwei Schatullen, von denen jede den Schlüssel zur anderen enthält.

Mahatma Ghandi

Hinter jedem Winter steckt ein zitternder Frühling und hinter dem Schleier der Nacht verbirgt sich ein lächelnder Morgen.

Khalil Gibran

Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir Abschied nehmen.

Albert Schweitzer

Erinnerungen sind wie ein Paradies,aus dem man nicht vertrieben werden kann. Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern, nur vertiefen

Gorch Fock

Es kann im Herbst nicht mehr verwelken als im Frühjahr gewachsen ist.

Sprichwort

Trost zu spenden, ist nicht eine Sache der Worte, sondern ein Anliegen des Herzens.

Unbekannt

Man muss durch die Nacht wandern, wenn man die Morgenröte sehen will.

Kahil Gibran

Das Leben – es ist die Erinnerung an einen vorüberfliegenden Tag, den wir als Gast zugebracht haben.

Blaise Pascal

Trösten ist eine Kunst des Herzens.Sie besteht oft nur darin, liebevoll zu schweigen und schweigend zu leiden.