Polyamorie

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Polyamorie
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1. Auflage April 2017

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Covergestaltung: media designer 24

Coverfoto: pixabay.com

Layout/Satz/Konvertierung: Ebozon Verlag

ISBN 978-3-95963-378-9 (PDF)

ISBN 978-3-95963-376-5 (ePUB)

ISBN 978-3-95963-377-2 (Mobipocket)

ISBN der Printausgabe 978-3-95963-379-6

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Manuela Aberger

POLY

amorie

Lieben ohne Grenzen

Ebozon Verlag

1. Einleitung
Neulich in einer Bar

Tara sitzt an der Bar. Sie ist einfach umwerfend, hat lange Beine, lange goldene Locken, ein enges Kleid – der absolute Hammer. Jeder Mann, der sie sehen würde, wüsste sofort, dass er am Ende des Abends bestimmt mit ihr im Bett landen würde. Er kann nichts falsch machen. Die Funken sprühen, alles ist perfekt!

Ein Mann geht auf sie zu, flirtet mit ihr. Nach kurzer Vorstellung – er heißt Mika – und ein wenig Geplänkel beginnen die beiden, sich zu küssen. Nach einiger Zeit fasst er seinen Mut zusammen und fragt sie, ob sie ihn noch für weitere Aktivitäten nach Hause begleiten möchte. Tara ist angetan und schlägt ihre Wohnung vor. Mika sieht sie an und sagt: „Ich gebe noch schnell meiner Freundin Bescheid, dann können wir sofort aufbrechen.“ Mit großen Augen schaut sie ihn an – und bekommt vor Staunen den Mund nicht zu. Sie erstarrt, bewegt sich nicht. Mika ist erstaunt, dass dieser Satz bei ihr eine derartige Reaktion auslöst. Nachdem sie sich wieder gefangen hat, entgegnet sie: “Was meinst du damit, du hast eine Freundin?“ Er beginnt ihr zu erklären, dass er mit seiner Freundin hier ist. Doch sie sei bereits mit einem gut gebauten, dunkelhaarigen Mann verschwunden und er habe sie schon seit einer Stunde nicht mehr gesehen. Doch sie hört gar nicht richtig hin, was er sagt. Sie ist noch immer schockiert über den Umstand, dass er eine Freundin hat. Das hindert ihn nicht daran, weiterzusprechen: „Ja, die Hübsche, die da gerade zur Tür hereinkommt.“ Und dennoch lässt sie der Schock noch immer nicht los. Wie kann er nur mit ihr flirten und knutschen, während seine Freundin danebensteht? Sie fühlt sich wie im falschen Film. Als wäre die Welt für einen Augenblick stehen geblieben.

Er versucht auf ihre Frage einzugehen: „Wir sind poly.“ Sie versteht es immer noch nicht, also setzt er fort: „Meine Freundin und ich führen eine offene Beziehung. Jeder darf auch andere Erfahrungen machen. Mit anderen Partnern schmusen oder schlafen. Wir können nebeneinander auch noch eine weitere Beziehung führen. Das ist ganz in Ordnung so. Sie scheint sich zu beruhigen und fragt neugierig nach: „Betrügt ihr euch dann nicht gegenseitig? Bist du nicht eifersüchtig?“ Er erklärt ihr, dass das in Ordnung ist, denn es ist ja zwischen ihm und seiner Freundin so vereinbart. Betrug und Eifersucht, das ist kein Thema zwischen ihnen.

Mika will natürlich weiterhin Tara in ihre Wohnung begleiten, doch diese muss sich erst von ihrem Schock erholen und stellt weitere Fragen: „Das heißt, sie ist dir völlig egal.“ Er behandelt das Thema mit beeindruckender Selbstverständlichkeit. Er erklärt ihr, dass er sowohl mit seiner Freundin schlafen kann als auch mit der blonden Schönheit. Er darf mit anderen Frauen flirten und auch Beziehungen mit ihnen eingehen. Ehrlichkeit scheint ihm sehr wichtig in seiner Beziehung zu sein, daher versucht er ihr zu erklären, dass er seiner Freundin mitteilen möchte, dass er nun mit einer anderen ins Bett gehen wird, damit sie sich keine Sorgen um ihn zu machen braucht. Normalerweise könne er auch gar nicht so schnell mit einer Frau ins Bett gehen, er brauche das Vertrauen und müsse jemanden erst ausreichend kennenlernen, damit es für ihn auch im Bett klappen würde. Er geht alles so an, wie man es eben angeht, wenn man die Absicht hat, mit einer zweiten Person eine dauerhafte Beziehung einzugehen.

Dennoch kann sie nicht verstehen, als wen oder was sie sich selbst in diesem Konstrukt nun sehen soll – als Liebhaberin, Kurtisane, Flittchen, Zweitfrau? Diese Vorstellung entrüstet Tara eher, als dass sie ihr gefallen könnte. Mika entgegnet nur: „Was genau daraus wird, das weiß ich nicht. Wenn es zwischen dir und mir passt, kann es eine Beziehung werden. Aber ich fände eine Liebschaft toll. Das kann sehr erfrischend sein. Auf diese Weise siehst du auch nur die Schokoladenseite, die schönen Seiten einer Beziehung. Aber im Moment möchte ich einfach nur den Abend mit dir genießen.“ Sie ist weiterhin entsetzt über seine Worte und seine Einstellung. Sie kann es nicht verstehen und dem nichts abgewinnen. Nachdem sie sich von dem Schock erholt hatte, fragt sie ihn noch sehr lange über seine Lebensform und Lebensweise aus. Sie ist sehr interessiert, wie das Leben als „Poly“ läuft und wie die Vereinbarungen zwischen seinen Partnerinnen aussehen. Nach einiger Zeit verabschiedet sich seine Freundin von ihm und teilt ihm mit, dass sie die Nacht woanders verbringen wird. Für ihn ist es in Ordnung. Obwohl sich Tara für die Lebensweise sehr interessiert, geht sie nicht mehr mit Mika nach Hause. Und er will es dann auch nicht mehr. Ihre Telefonnummer speichert er jedoch und kontaktiert sie nach einigen Tagen wieder.

2. Was ist Polyamorie?

Was bedeutet Polyamorie? Können Sie selbst, liebe Leser, nur eine Person lieben oder halten Sie das Konzept der Monogamie für konservativ und veraltet?

 Polyamorie ist die „Bereitschaft/Fähigkeit/Entscheidung/Philosophie, mehr zu lieben, mehrere (Menschen) zu lieben, d.h. mehr als eine sexuell-erotische Beziehung über einen bestimmten Zeitraum zu führen.“1

 Polyamorie kennzeichnet sich durch vier entscheidende Kriterien und bietet damit die Abgrenzung zu anderen Formen wie Polygamie und Swingen. Polyamorie stellt keinen Betrug am Partner dar, sie ist keine Polygamie, beschreibt mehr als Freundschaft, aber die Partner leben nicht monogam und Polyamorie ist auch kein Swingen. Außerdem gibt es bei der Polyamorie moralische Grundsätze und Regeln, welche die Partner für sich selbst definieren.2

 Polyamorie ist eine Form von Partnerschaft, ein Konzept oder ein Modell. Es geht vor allem darum, dass die Partner ehrlich und bewusst dieses Modell wählen, es geht um Liebe, die von beiden – besser gesagt – von allen Partnern erwidert wird.3

Polyamorie hat zahlreiche Vor- und Nachteile. Das sollten Sie sich, bevor Sie sich auf eine solche Beziehung einlassen, vor Augen führen.

2.1 Nachteile

 Zu jeder Beziehung gehören Streit und Missverständnisse. Je mehr Partner Sie hätten, desto komplexer würden das Geflecht und somit auch die Wahrscheinlichkeit, dass Sie viele Auseinandersetzungen oder sogar mehr Auseinandersetzungen mit Ihren Partnern haben würden oder hätten.

 Schon die Einigung bei einem Streitthema mit einem Menschen ist schwer. Wieviel schwieriger würde es sich mit mehreren Partnern gestalten. Ihnen könnte

 das Herz gleich mehrfach auf einen Schlag gebrochen werden. In Poly-Beziehungen lieben sich ja bekanntlich mehrere Personen.

 Es bestünde die Gefahr, dass Sie auch Ihre Familie, nämlich Eltern und Großeltern verlieren. Schockiert könnten sie sich von Ihnen abwenden, weil sie mit Ihrem Lebensstil nicht zurechtkommen.

 Sofern Sie Kinder haben, bestünde die Gefahr, dass Ihnen das Sorgerecht entzogen würde.

 Nicht nur Familie, auch Ihre Freunde könnten sich von Ihnen abwenden, weil diese Ihren Lebensstil nicht unterstützen wollten oder könnten.

 Polyamorie bedeutet nicht, dass alle Partner mit dieser Beziehungsform einverstanden sind. Auch Ihr Partner könnte sich aufgrund Ihres Lebensstiles von Ihnen abwenden.

 Sie könnten sehr schnell und sehr hart auf dem Boden der Tatsachen landen. Die Realität sieht oft anders aus, als Ihr Idealbild von Liebe, Abwechslung und berauschendem Sex – schnell ist es zerschlagen. Hüten Sie sich vor einer zu hohen Erwartungshaltung. Stehen Sie dem Beziehungsmodell nicht naiv gegenüber.

 Sie müssten sehr rasch lernen, mit Eifersucht umzugehen und diese eher konstruktiv umzuleiten.

 Es ist gar nicht so einfach, in einer monogam lebenden Gesellschaft einen oder mehrere Partner zu finden, die Ihre Vorstellungen teilen.

 Sie könnten sehr rasch Gefahr laufen, sich mit zu viel Sex von Ihren tatsächlichen Problemen abzulenken.

 Es wäre wichtig, klar und ehrlich zu kommunizieren. Sie müssten zu sich selbst und zu anderen ehrlich sein. Das ist oft nicht so einfach, wie es klingt.

 Im Alltag würden Sie vermutlich sehr wenig Zeit aufbringen können, mehrere Beziehungen zur gleichen Zeit zu führen und alle in derselben Intensität. Meist beschränken sich Poly-Beziehungen ausschließlich auf Sex.

 Sie könnten unter Umständen Gefahr laufen, mit Kirchen oder Gemeinden in Konflikt zu geraten, weil diese Beziehungsform dort nicht anerkannt wird.

 

 Nach einer Zeit könnten Sie dennoch zu einer Zweierbeziehung tendieren oder aber Ihr/e Partner/in könnte sich eine Zweierbeziehung wünschen.

 Depressionen und miese Laune in Poly-Familien schlagen sich meist auf die gesamte Familie nieder.

 Sie könnten vermutlich mit der Wahl, ein Poly-Mensch zu sein, nicht öffentlich auftreten und müssten sich vor Nachbarn und Freunden verstecken. Auch müssten Sie vorsichtig mit Aussagen sein, die Sie vor Ihren Kindern treffen.4

2.2 Vorteile und Herausforderungen

 Sie könnten sich auf mehr als einen Menschen verlassen und hätten immer jemanden, der Ihnen in schweren Zeiten zur Seite steht.

 Es hat durchaus positive Aspekte, wenn mehr als nur zwei Menschen in einem Haus leben, insbesondere hinsichtlich Finanzen, Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Kindererziehung, etc.

 Sie könnten sich sexuell austoben, ohne dass Sie ein schlechtes Gewissen haben müssten – ganz ohne Geheimnisse und Lügen.

 Die Beziehungen, die Sie führten, wären flexibel. Diese veränderten sich schneller und leichter. Mal wären Sie Freunde, mal ein Paar oder nur Sexualpartner.

 Sie lernten, konstruktiv mit Eifersucht umzugehen.

 Sie würden die Erfahrung von Gruppensex machen. Das kann nicht jeder von sich behaupten.

 Es gäbe für Sie und Ihren Partner kaum gesundheitliche Gefahren, solange Sie sich an den Kondom-Pakt hielten.

 Sie könnten ohne Scham Ihre sexuellen Wünsche äußern und ausleben.

 Sie bekämen die Chance auf Selbstentwicklung. Mehrere Partner nähmen diese unterschiedlich wahr und zeigten Ihnen Ihre Stärken und Schwächen auf.

 Sie fühlten sich in einer Gemeinschaft aufgehoben und aufgefangen.

 Sie hätten einen positiven Zugang und eine ebensolche Einstellung zu Sex und Sie fänden leichter Menschen und Partner, die ähnlich oder genauso denken, wie Sie.5

Polyamorie kann als Alternative zur Monogamie gesehen werden. In der breiten Öffentlichkeit findet diese Alternative jedoch keinen Anklang. In unserer westlichen Gesellschaft ist die monogame Beziehung, die klassische Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau, gesellschaftlich anerkannt und toleriert. Im Laufe der Zeit konnte man eine gewisse Angleichung der Anerkennung auch hinsichtlich homosexuellen Partnern erreichen.6

Grundsätzlich sind sich sowohl Paartherapeuten als auch Kirche und Gesellschaft einig, dass nur eine Zweierbeziehung normal und in der Natur des Menschen liegt.

Eifersucht ist ebenfalls eine ganz natürliche Emotion, die als Zeichen von Liebe gedeutet wird (enttäuschte Liebe). Das Modell der Polyamorie geht über die Grenzen einer bekannten Zweierbeziehung hinaus und zeigt Ihnen, liebe LeserInnen, ein anderes Modell der Liebe und Ausübung von Sexualität, als Sie es bisher kannten. Hier bedeutet „anders“ nicht unbedingt einfach. Sicher wissen Sie selbst, wie schwierig es ist, den einen kennenzulernen, mit dem Sie eine Beziehung führen möchten und der auch Ihre Gefühle erwidert. Wie nahezu unmöglich erscheint es, gleich zwei oder mehrere Partner zu treffen, die dieselben Gefühle für Sie hegen.7 Andererseits kommt es nicht selten vor, dass Menschen in einer aufrechten Beziehung leben und sich in andere Menschen verlieben, Affären mit ihnen beginnen und ihre Partner auf diese Weise auch noch betrügen und belügen. Es wäre doch ein akzeptabler Ansatz, wenn man in so einer Situation offen und ehrlich mit dem Partner sprechen könnte und in eine offene Beziehungsform wechseln würde, oder nicht? Natürlich stünde es Ihnen auch frei, die Beziehung zu beenden, wenn Sie damit nicht klar kämen, dass Ihr Partner, den Sie über alles lieben, plötzlich nur noch Augen für jemand anderes hätte.

Tendenzen führen jedenfalls gerade in diese Richtung. Diese begannen bereits in den späten 1960-er Jahren (die sogenannte 68-er-Generation). Damals gab es zahlreiche Ehepaare, die sich für eine offene Ehe entschlossen. Davon abgesehen erlangt auch das Thema „Seitensprung“ immer mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Mehr und mehr Paare sind auch dem Swingen nicht abgeneigt. Das starre, klassische monogame Konzept wird damit gelockert. Daraus könnten sich auch Chancen für die Beziehungsform Polyamorie ergeben. Abgesehen davon gibt es auch sogenannte „Patchwork-Familien“, die zwar im Grunde monogame Zweierbeziehungen sind, doch die Abwendung der bisherigen Partner voneinander und die Hinwendung zu anderen Partnern ähnelt dem Polyamorie-Konzept. Die bisherigen Partner verbindet eigentlich nur noch die Elternschaft – sie werden zu Partnern in der Kindererziehung.8

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