Steintränen

Text
Aus der Reihe: Steintränen #2
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Ralph nahm sich die Brille vom Tisch, beugte sich soweit er konnte nach vorne, verschränkte die Arme um Isara auf keinen Fall zu nahe zu kommen. Sah sich die Stelle an. Überlegte einen Moment. Setzte sich wieder aufrecht auf seinen Stuhl, nickte. „Hmmm...ja, ich weiss was das ist.“ bestätigte er nachdenklich.

Für einen Moment hielt sich Isara die Stelle mit der Hand, streichelte sie zärtlich. Es war ganz warm. Dann zog sie das Oberteil wieder darüber, verdeckte es.

Was soll ich nur tun? Wächst das weiter? Was ist das? Ist es gefährlich?“ Ralph rieb sich mit der rechten Hand seinen Van Dyke Bart. Was konnte er ihr sagen? Er hatte versprochen, dieses Wissen wirklich nur für sich selbst zu nutzen. Andererseits wusste Isara ohnehin schon, was geschehen war und hatte es offenbar noch niemandem anvertraut. Oder? Also fragte er „Wer weiss noch davon?“ „Niemand! Das ist ja das Problem. Ich kann’s niemandem sagen. Das schulde ich ihm.“ „Wie? Wem?“ Ralph runzelte die Stirn. Dann kratzte er sich an seinem hauteng anliegenden gute 5 cm breiten Halsband unter dem es immer juckte, und sobald sich sein Puls erhöhte richtig unangenehm wurde.

„Das ist ziemlich eng. Sieht unbequem aus. Muss das so eng sein?“ wechselte Isara das Thema. Nun kratzte sich Ralph auch auf der anderen Seite, es juckte. „Das Praktische an diesen Dingern ist“ fing er an, während er nun rieb „wenn man nicht einschlafen kann, braucht man nur etwas kräftiger daran zu hantieren und ziehen. Dann pumpen einem fünf feine Nadeln mit einem schnell wirkenden Betäubungsmittel voll und man ist weg.“ Isaras Augen wurden gross, sie war entsetzt. Gerade als Mediziner musste er es besser wissen „Das ist nicht ihr Ernst? Das ist dumm und belastet den Körper unnötig. Ein Risiko! Das mag zwar wirken, aber die Dosierung ist völlig unkontrolliert, kann jedes Mal zuviel sein!“

Endlich ging’s wieder einigermassen. Ralph hörte auf zu kratzen und reiben „War ein Witz. Sollte Ihre aufkommende Nervosität abfangen.“ „Oh“ Ralph zeigte auf Janus „Die Dinger sind nur gut um die Wächter zu ärgern.“ nun runzelte Isara die Stirn „Wie das?“ Ralph lächelte „Als Strafgefangener wird einem ständig gesagt, was man zu tun hat.“ er zuckte mit den Achseln „Hat man keine Lust dazu, kann man sich damit selbst betäuben und ausser Gefecht setzen. Dann sind die Wächter ein wenig beschäftigt. Wie Sie sagen, es gilt dann immer so schnell als möglich den Betäubten zu bergen und wieder aufzuwecken.“ „Dafür gibt es bestimmt eine saftige Bestrafung danach. Das ist genauso dumm.“ nun lachte Ralph „Ja, richtig. Aber was tut man nicht alles aus Langeweile.“ Derweil schüttelte Janus genervt den Kopf und Isara wusste, das war kein Scherz gewesen.

Jedenfalls hatte dieses Intermezzo tatsächlich funktioniert und Isaras eben noch sich aufbauende Nervosität war verflogen. Genauso komisch hatte es sich auch vorhin angefühlt, als Janus die Schere aus Ralphs Hosentasche genommen hatte. Als ob es zwei unterschiedliche Ralph Auerssons gäbe: einen Arzt und einen gefährlichen, unberechenbaren Gefangenen, vor dem man sich ständig in Acht nehmen musste. Sie hatte sich schon gefragt, weshalb ihn Janus vorhin ‚Spitzbube“ genannt hatte. Jetzt passte die Bezeichnung.

Trotzdem beschloss sie ihm zu vertrauen. Sie hatte sonst niemanden, er war die einzige Option.

Versprechen Sie mir, es nicht Dr. Kitel oder jemand anderem weiterzuerzählen, was ich Ihnen nun erzähle?“ Ralph stutzte. War komisch, denn eben war er es noch gewesen, der sich gefragt hatte, was er dieser fremden Frau preisgeben wollte und was nicht. Er kannte dieses Gefühl nur zu gut, hatte vollstes Verständnis. Blieb aber aufmerksam, vielleicht war diese Frau nur unglaublich clever und wickelte ihn schlicht um den Finger, um ihn zum Reden zu bringen. Wäre mit Abstand die beeindruckendste Verhörtechnik, die er bisher präsentiert bekam.

Versprochen. Jedenfalls für meinen Teil. Für Janus kann ich nicht garantieren.“ er blickte Janus an, der die Hände verwarf „Also Leute, ich lass euch bestimmt nicht alleine hier. Aber bitte: Ich verspreche, was ich hier höre, bleibt hier. Ist ja quasi mein Job. In Ordnung?“ er verschränkte erneut die Arme, stellte sich breitbeinig hin.

Isara nickte. Wird wohl genügen müssen. „Sie fragten nach ‚wem’“ fing sie an und wurde schon unterbrochen, Ralph hob die Hände „Stop, bitte. ‚Ja’ fragte ich und die Frage war überflüssig. Phil sagte bereits, dass Sie den Wakaner begleiteten.“ er deutete auf Isaras Bauch „und das da kommt von wakanischem Blut. Also wird’s vermutlich er gewesen sein, denn ein anderer ist nicht da.“ „Ja, ja. Aber Sie wissen nicht WER er ist. Und Dr. Kitel wollte es Ihnen, warum auch immer nicht sagen, darum tu ich es. Sie sollten wissen, WEM Sie da vorhin geholfen haben und den Finger ins Fleisch steckten, was ich nach wie vor für komisch und eklig halte.“ ‚Achtung Aufpassen!’ ermahnte sich Ralph ‚Verhörtechnik’ er stutzte erneut. Ganz fein brachte sie dieses Thema auf einmal ein. Vorsicht, Vorsicht.

Nun hob Isara die Hände, schüttelte den Kopf „Brauchen Sie nicht zu erklären, hab ich nur so erwähnt. Also“ sie beugte sich vor, fing an zu flüstern „Sagt Ihnen der ‚Grüne Schatten’ etwas?“ „Ja, schon gehört. Von vielen. Ein wohl eher ‚ROTER Schatten’, bei dem vielen Blut, das von ihm in den Reihen der aquawaldischen Einwohnern vergossen worden sein soll. Halte es für einen gut aufgebauten Mythos des Terra Sonnensystems. Erfunden um beim Gegner Angst zu verbreiten und gleichzeitig auf der eigenen Seite ein erstrebenswertes Idol für die Soldaten zu produzieren.“ Isara schüttelte den Kopf „Nein, es gibt ihn wirklich. Und er heisst Zylin Sa und liegt gerade mehr tot als lebendig in einem Aquarium einen Stock unter uns. Ich denke, warum es ‚grün’ heisst, erklärt sich von selbst. Wakaner und so...“

Isara hielt sich mit beiden Händen das Gesicht. Rubbelte es, dann die Haare „Wenn Kitel mitkriegt, dass ich Ihnen das erzähle, steckt der mich in so einen Rattenkäfig da unten. Ich hab die Kamera völlig vergessen!“ Es war unglaublich, wie ihre Nerven mit ihr Achterbahn fuhren. Sie versuchte sich wieder zu beruhigen. Janus half „Keine Sorge, die Kamera zeichnet nichts auf, geht nur zum Empfangsbildschirm vor der Tür. Die Leitung zum IT-Zentrum ist mit einem unserer Geräte blockiert. Eine Sicherheitsmassnahme, damit der Spitzbube da nicht irgendeine Verbindung nach draussen zustande bekommt. Und jetzt ist sie eh aus, wenn ich hier drin bin. Mein Wort.“

‚Puhhh...Ein Glück!’ Isara liess sich zurück in den Sessel fallen. Schloss für einen Moment die Augen. Lauschte dem pulsierenden Herzen in ihren Ohren.

Das ist das wakanische Blut.“ hörte sie Ralphs Stimme. Sie sah ihn an „Was?“ „Na da. Ihre Verletzung. Dieses Muster entsteht bei der Heilung von Verletzungen mithilfe von wakanischem Blut. Wenn es gerade etwas zu wenig Blut hat, entstehen diese Zeichnungen auf der Haut. Ich vermute, er hat die Messerklinge, oder besser die Dolchklinge, Wakaner führen Dolche. Also, er hat die Klinge erst mit seinem Blut getränkt und sie Ihnen dann in den Unterlaib gestossen. Jemand hat den Schnitt gereinigt und so das Blut dort weggewischt, sodass zu wenig übrig blieb um die Haut perfekt verheilen zu lassen. Dann gibt es diese Muster. Und das wakanische Blut in Ihrem Körper baut sich nur langsam ab. Die Wunde dürfte erst ein paar Tage alt sein. Das heisst, sie werden noch eine Weile lang die Auswirkungen des wakanischen Blutes in ihrem Körper spüren. Eine davon sind diese emotionalen Schwankungen. Das Blut heilt nämlich nicht nur verdammt schnell, es verstärkt Ihr gesamtes Nerven- und Immunsystem. Alles wirkt intensiver und löst für Menschen ungewohnt intensive Reaktionen aus. Und um ihre Fragen zu beantworten: Nein, es wird nicht weiterwachsen. Es wird so bleiben, die Heilung sieht abgeschlossen aus. Es ist nicht gefährlich. Sie können allerdings auch nichts dagegen tun. Ist wie eine Tätowierung. Und die Gefühlsschwankungen...tja...da müssen Sie einfach das Beste draus machen. Sobald die Stelle nicht mehr so warm ist, ist es vorbei. Ein paar Tage oder so, hängt von der Stärke des Wakaners ab.“

So! Jetzt war’s raus, er hat es ihr gesagt. Verhörtechnik hin oder her!

„Ja! Genau so hat er es getan.“ bestätigte Isara staunend. Staunend darüber, dass da jemand vor ihr sass, der darüber so gut Bescheid wusste. Sie war unendlich erleichtert. „Er hat erst seinen Arm mit Steintränen bestreut und sich dann den Dolch...brrr... wenn ich nur an diesen Augenblick denke.“ sie deutete den Schnitt auf ihrem eigenen Arm an „Über den gesamten Unterarm! Und so tief, dass die Klinge gleich voller Blut war.“ „Er muss Sie...sagen wir mal...’mögen’, Ihnen vertrauen. Wenn er so weit geht, so viel riskiert. Ich meine, nicht wegen des Schnittes. Zusammen mit den Tränen wird sein Arm innert Sekunden verheilt gewesen sein. Aber Sie mit diesem Wissen zurück zu lassen?“

Isara zuckte mit den Achseln „Ich weiss nicht. Ich meine... ich hatte solche Angst. Er hatte vor meinen Augen zwei Soldaten getötet. Ich hatte nie erwartet, dass er sowas tun würde. Er war zwar immer verschlossen und eigen gewesen. Aber sowas? Und als er mir die Klinge in den Bauch stiess...ich glaube, ich weinte sofort los, zitterte, zerfloss vor Angst. Hatte insgeheim gedacht, er würde mir nichts antun und dann sticht er mich ab. Einfach so! Konnte doch nicht wissen, dass ich nicht sterben würde.“ Ralph lächelte „Wenn er tatsächlich der ‚Grüne Schatten’ ist, ist der Gedanke, er würde niemandem etwas zuleide tun, recht weit hergeholt. Naiv. Finden Sie nicht?“ Isara ballte verärgert die Fäuste „Richtig“ das hätte sie selbst bedenken müssen, wie dumm sie gewesen war!

 

„Er hatte gemeint, dass er mir auf diese Weise weiterhin die Möglichkeit gäbe, mich selbst entscheiden zu können.“ „Entscheiden?“ „Ja, das ist kompliziert.“ Isara kniff die Augen zusammen „Wissen Sie, dass Wakaner unsere Gedanken lesen können?

Ralph war überrascht. Diese Frau trug mehr Geheimnisse mit sich herum als man denken könnte. „Hat ER Ihnen das GESAGT?“ sie schüttelte den Kopf „Nein, hab ich selbst gemerkt. Als ich mit ihm in Sarg zu tun hatte. Anhand seines Verhaltens und seinen Aussagen war es die einzig schlüssige Erklärung gewesen. Und als er merkte, dass ich es wusste, blieb er freundlich, auf seine Art und Weise natürlich, und gab mir jedoch klar zu verstehen, dass ich mit meinem Leben spielen würde, würde ich es jemandem erzählen. War unheimlich. Aber ich hielt mich daran. Vermutlich würde es mir ohnehin niemand glauben.“ Isara beobachtete Ralphs Reaktion „Sie halten mich für verrückt. Aber bitte“ sie legte die Hände flehend zusammen „Bitte sagen Sie es niemandem.“ sie lehnte sich zurück in den Sessel.

Verschnaufte. Fürchterlich, wie sie quasselte! Wie ein Wasserfall. Sie musste sich bremsen, unbedingt. Wie konnte ihr das nur geschehen?! Sonst beherrschte sie sich doch! Aber es tat so gut. Endlich raus damit. Diese elende Spannung ein wenig lösen zu können.

Die junge Frau tat ihm leid. Ralph fühlte deutlich, wie sie um ihre Beherrschung rang. Dass sie ihn zu verhören versuchte dachte er schon lange nicht mehr. Es fühlte sich viel mehr wie eine Beichte an. Sie war erleichtert endlich über diese Dinge sprechen zu können. Und er konnte es ihr nachfühlen, nur zu gut. Er rieb sich mit der rechten Hand seinen Bart. Studierte Isara und fragte sich, warum dieser Zylin das getan hatte? Aus seiner Erfahrung wusste er, dass Wakaner viel von ‚Ehre’ und ‚Respekt’ hielten. War man anständig mit Ihnen, erwiderten sie das. Andererseits hatte er auch noch nie einen nachtragenden Wakaner getroffen. Menschen gegenüber zeigten sie sich grundsätzlich gleichgültig.

„Tut mir leid.“ entschuldigte sich Isara nach der kleinen Schweigepause. „Was tut Ihnen leid?“ „Dass ich Sie hier so vollmülle.“ sie winkte ab „Eigentlich weiss ich, was ich wissen wollte.“ sie deutete auf ihren Bauch „Ich bin beruhigt. Jetzt muss ich es nur noch allen als Tattoo verkaufen und mich irgendwo verkriechen, bis ich mich wieder unter Kontrolle habe. Das ist sonst wirklich nicht meine Art. Unmöglich.“ sie schloss die Augen „Wenn Kitel das wüsste!“ sie atmete einmal tief ein und aus „Und Zylin darf es schon gar nicht erfahren. Oh nein. Er hatte Recht! Mit allem! Ich war so eine dumme Kuh! Ich hätte nicht herkommen dürfen. Was hab ich getan?!“

Gerne hätte Ralph das Nervenbündel in die Arme genommen. „Bitte beruhigen Sie sich.“ Isara fing an zu weinen. Sie hätte nicht herkommen dürfen. Hatte einem wild fremden Mann, einem verurteilten Sträfling!!, all diese Dinge erzählt. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?! Ralph sah sich nach Taschentüchern um, als ob er nicht wusste, dass es keine hatte. Rasch stand er auf, unter Janus aufmerksamen Augen, und holte Toilettenpapier aus dem Bad, das er Isara reichte. „Ist schon gut.“ sagte er freundlich, sie nahm die Rolle und wischte sich Nase und Gesicht. Es kratzte, war schliesslich nur Toilettenpapier der billigsten Sorte. Janus entspannte sich erst, nachdem Ralph wieder auf seinem Stuhl sass.

„Keine Entschuldigungen, keine Angst. Bitte. Sie haben mir nichts erzählt, was ich nicht schon gewusst hätte. Also, ausser das über die Person selbst, natürlich. Aber seien Sie unbesorgt, weder Kitel noch irgendjemand sonst wird von mir auch nur ein Wort davon erfahren. Bitte, beruhigen Sie sich. Vielleicht beruhigt es Sie zu wissen, dass es noch mehr Menschen gibt, denen Wakaner ‚Dinge’ anvertrauen. Ich weiss nicht, wie sie sich diese Menschen aussuchen, aber wir sind mit Sicherheit nicht die Einzigen.“

Schnieff... Schnieff... „Meinen Sie?“ „Ganz bestimmt. Und es ist schwer, dieses Wissen mit niemandem teilen zu können, zu dürfen. Ich weiss, wovon ich spreche. Aber es ist wichtig. Sie sehen ja selbst: Kaum wissen die Falschen zu viel, forschen sie an einem Serum herum und gehen dafür über Leichen. Machen nicht einmal vor den eigenen Leuten Halt.“ Isara nickte. Sie versuchte gar nicht mehr ihre Fassung zu finden. Schnieff... Schnieff... riss noch mehr Toilettenpapier von der Rolle.

„Und?“ wechselte Ralph das Thema „Wie haben Sie sich entschieden?“ „Wie? Entschieden?“ „Na vorhin sagten Sie, er würde ihnen die Möglichkeit erhalten, sich weiterhin selbst entscheiden zu können. Was für eine Entscheidung?“ „Oh, ja.“ Isaras Gesicht verriet eindeutig, dass sie nicht sicher war, ob sie es erzählen sollte. Ralph hob die Hände „Wenn Sie es nicht sagen wollen, lassen Sie’s. Ich bin nur schrecklich unhöflich und neugierig.“

Das ist kompliziert.“ Ralph lächelte „Ja, sagten Sie bereits. Hab ich verstanden.“ „Wo soll ich anfangen. Ich meine... ich muss das erklären. Es ist so... ich habe noch mit niemandem darüber gesprochen. Er hatte es wohl in meinen Gedanken gesehen, oder so. Als er...“ Isara deutete wieder auf ihren Bauch „...na Sie wissen schon.“ Ralph nickte „Verstehe“.

Schnieff...Schnieff...“Also, es ist so...äh“ Isara sah ihr Gegenüber und Janus an der Tür nochmals ganz genau an. Konnte sie den beiden wirklich trauen? Sie beugte sich vor und flüsterte „Es ist so... als ich anfing für das Terra Sonnensystem zu arbeiten, stand ich voll und ganz hinter dem Terra Sonnensystem. Fand, was die tun ist eine gute Sache. Wirklich.“ Ralph hob seine linke Augenbraue, so eine Ahnung machte sich in ihm breit. „Dann traf ich Zylin, in Sarg. Da fing es an. Ich meine, die Wachen dort sind keine schlechten Menschen. Und Martin war wirklich fair, immer. Aber trotzdem.“ sie schüttelte den Kopf „Ich weiss mittlerweile, dass er unschuldig eingesperrt worden war!“

‚Oh’ dachte Ralph, jetzt war klar, dass sich der Wakaner nicht als Wärter, sondern sich als Gefangener in Sarg aufgehalten hatte. Wie ungewöhnlich, erklärte aber, dass er noch da und nicht wie alle anderen verschollen war.

„Dann dieser Auftrag auf Steinwelten. Wir wurden belogen, benutzt und hintergangen. Von unseren eigenen Vorgesetzten. Und dieser William...also mit dem stimmt was nicht. Ich war mir bald schon nicht mehr sicher, auf welcher Seite ich stehen soll. Verstehen Sie was ich meine?“ langsames Kopfnicken von Ralph, ‚Oh ja, er verstand.’

Hätte er mich in jener Nacht einfach zurückgelassen, hätten mich die anderen sofort als Verräterin deklariert, weggesperrt oder wie Sila, gleich getötet. Er hatte Recht: Die anderen hätten mir meine Entscheidung abgenommen.“ „Und jetzt? Sie sind doch hier? Entscheidung fürs Terra Sonnensystem gefällt?“ Isara schüttelte den Kopf „Nein. Ich werde gehen. Ich bin nur bei ihm geblieben und werde ihm helfen zu fliehen, wie ich kann. Und hoffe, Phil wird mich begleiten. Er muss einfach!“

„Sie wissen, dass Sie von Hochverrat sprechen? Wollen Sie enden wie ich?“ er hob seine Arme. Beschämt senkte Isara ihren Blick „Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen. Das mit dem Einsperren, meine ich.“ sie zuckte mit den Achseln „Vermutlich werden sie es ohnehin vorher erfahren, bevor er fliehen kann. Schon dass ich Kitel belog um mit Ihnen sprechen zu können.“ „Belogen?“ „Na ja, ich sagte, vielleicht würden Sie mit mir sprechen, nach dem Vorfall von vorhin. Sie wissen es noch nicht, aber Sie werden morgen, oder besser heute, nicht abreisen können. Und einen anderen Grund mich zu Ihnen zu lassen fiel mir nicht ein. Ich konnte schlecht die Wahrheit sagen. Ich würde umgehend als Versuchskaninchen einen eigenen Käfig erhalten.“ nun sah sie Ralph an, lächelte während sie weitersprach „Aber wirklich, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben und mich betreffend meinem neuen Körperschmuck beruhigen konnten. Danke.“

„Gern geschehen. Hier eine Kleinigkeit für Kitel, ihretwegen“ er zwinkerte mit einem Auge „Die Wasserinfusion wird besser angenommen, wenn sie Körpertemperatur hat. Für Wakaner liegt das bei gut 39°C. Wenn Sie zusätzlich das Wasser im Tank auf 18°C kühlen, regeneriert der Körper schneller und es ist für ihn angenehmer. Er muss die Temperaturdifferenz nicht selbst herstellen, was ihn weniger Energie kostet. Energie, die er stattdessen für die Heilung verwenden kann.“

Ralphs Blick wurde nachdenklich „Sollte er denn aufwachen, wird er sich nicht freuen, gar nicht. Wakaner können mit Gefangenschaft sehr schlecht umgehen, wissen Sie. Aber wenigstens ist es dann so angenehm als möglich für ihn.“ „Stopp, hören Sie auf!“ bremste Isara „Hätten Sie das nur nicht gesagt!“ entgegnete sie „Eigentlich will ich das Kitel gar nicht sagen. Das war keinesfalls meine Absicht gewesen. Wirklich nicht! Diese Genugtuung will ich Kitel nicht gönnen. Es jetzt aber nicht zu tun, wäre Zylin gegenüber unfair. Sie bringen mich in eine missliche Situation!“

Wieder lächelte Ralph „Da haben Sie wohl Recht. Doch dafür bleibt Ihnen die Möglichkeit offen, mich noch einmal besuchen zu können. Und nun raus hier! Sie sehen müde aus und sollten sich hinlegen. Das sage ich Ihnen als Arzt.“ Isara lächelte zurück, nickte „Ja, da haben Sie Recht. Ich bin hundemüde. Ich habe die letzten Tage kein Auge zu getan. Habe ständig seine Hand gehalten, hatte irgendwie das Gefühl, ihn dadurch in der Welt der Lebenden zu halten. Wie ein kleines Mädchen, das an Wunder glaubt. Sie werden mich bestimmt deswegen auslachen. Aber danke für alles.“

Isara stand auf und ging zur Tür.

Da fing Ralph an schallend zu lachen „Sehen Sie! Sie lachen mich aus.“ meinte Isara und sah schockiert wieder diesen ‚anderen’ Ralph Auersson vor sich.

Nein, ich lache nicht deswegen.“ „Hein?“ „Sollte es sich je ergeben, muss ich diesen Zylin Sa unbedingt kennen lernen.“ Ralph beruhigte sich, Janus gähnte, ihn hatte das Gespräch offensichtlich keinen Deut interessiert. Isara verstand nicht „Ich verstehe nicht.“ „Vielleicht, ein ander Mal. Gute Nacht.“ verabschiedete sich Ralph definitiv. Janus öffnete die Tür und verliess zusammen mit Isara das Zimmer. Die Tür schloss sich.

Die Hände hinter dem Kopf starrte Ralph zur Decke. Er lag auf dem Bett. Ward immer neugieriger auf diesen ungewöhnlichen Wakaner geworden. Er hoffte, nein er WÜNSCHTE sich, dass er überlebt und sie sich einmal unterhalten könnten.

Vorhin hatte er so lachen müssen, weil Isaras ‚Händehalten’ die simple und logische Antwort auf seine Frage gegeben hatte, warum der Wakaner so ein Risiko eingegangen war. Denn das Wissen über die heilsame Wirkung von reinem wakanischem Blut, war etwas vom Gefährlichsten was es geben konnte, dass ein Wakaner verriet. Das Terra Sonnensystem würde sich darauf stürzen und alle Wakaner ausbluten lassen, die ihnen in die Finger kamen. Bisher wurde die Wirkung immer nur den Steintränen zugeschrieben und dieses Serum verfolgte eine völlig andere Richtung.

Nein, er war dieses Risiko eingegangen, weil er offenbar mit der Möglichkeit gerechnet hatte, dass er die in Isara, durch den Stich mit seinem Blut an der Klinge eingelagerte Lebensenergie, selbst wieder benötigten würde. Und Isara hat sie ihm ohne ihr eigenes Wissen durch das Händehalten zurückgegeben. So war es überhaupt möglich, dass nach diesen Verletzungen überhaupt noch ein kleiner Funken Lebens in ihm steckte. Isara als Mittel zum Zweck und sie wusste es nicht. Darum hatte er so lachen müssen, was für eine unerwartete Lösung. Typisch wakanisch! Ralph liebte unkonventionelle, originelle Ideen und Wege.

Diese Mistkerle, die ihm immer und immer wieder gesagt hatten „Ralph, sorge dich nicht. Es kommt immer alles so, wie es kommen soll. Hab Vertrauen.“ Und immer wieder sollten sie Recht behalten. Sogar er war wieder einmal gerade in dem Moment zur Stelle, als es nötig war. Ralph grinste die Decke an. Heute würde er gut schlafen, so einen aufregenden Tag hatte er schon lange nicht mehr erleben dürfen. Gefängnis war schon richtig Scheisse!