Steintränen

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Aus der Reihe: Steintränen #2
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13 - Spaziergang am See - Aron, Boris & Mara

Warum nicht?“ „Weil ich es sage!“ „Aber...“ „Kein ‚Aber’. Es ist so.“ „Das ist unglaublich...“ „Was ist unglaublich?“ fragte Esmar. Sie stand in der Tür und sah Boris und Aron an. Die beiden standen in Boris Büro und gestikulierten aufgeregt. Nun wanderten ihre Blicke synchron zu Esmar, die mit freundlichem, nicht fröhlichem, aber freundlichem Gesicht in der Tür stand. Sie trug Uniform. Dreckige Uniform, denn sie kam von draussen und dort schneite es. Der Schnee blieb allerdings nicht liegen, sondern verwandelte alles in Matsch. Es war Mittag, sie kam eben zurück von einer Patroullie und holte Boris zum Mittagessen ab. Wie üblich, seit er von seiner Reise zurückgekommen war.

„Du bleibst hier und passt auf das Büro auf.“ bestimmte Boris zu Aron, der darauf seine Augen verrollte und die Arme in die Luft warf. „Wozu?“ wollte er wissen „Um dich zu beruhigen und dir eine andere Lösung auszudenken.“

Damit verliess Boris das Büro, liess Aron einfach stehen. Boris Geduld und Verständnis waren gross, aber das Thema ‚Mara’ nervte ihn. Nicht nur, dass ihn unterdessen alle anderen dazu drängten, sondern mittlerweile auch Mara selbst. Und er, Boris Me, wollte das nicht, unter keinen Umständen. Aber es verging kein Tag, an dem es nicht zum Thema wurde, das nervte.

Boris war also bereits draussen. „Mara?“ flüsterte Esmar zu Aron und er nickte „Was sonst?“ sagte er und Esmar seufzte.

„He! Boris.“ rief Esmar dem davonstampfenden Stadtmeister im violetten Mantel nach. Er hielt an, drehte sich um. „Was denn?“ „Warte doch. Renn nicht so.“

Für den Rest des Weges zur Apotheke liefen die beiden gemeinsam weiter. Boris beruhigte sich langsam. Esmar rubbelte sich die Arme. Jeder Atemzug liess eine feine Nebelwolke im kalten Schneeregen erscheinen. „Ist kalt geworden.“ fing Esmar an. „Kann ich mir vorstellen.“ antwortete Boris, der die Kälte nicht spürte. Aber von früher wusste er, wie kalt es werden konnte, brach in Rupes der Winter erst einmal ein.

„Du hast es schön. Nie mehr frieren.“ Boris lächelte „Ja, so gesehen ist es schön, nie mehr zu frieren.“ dann legte er seinen Arm um Esmar um sie ein wenig zu wärmen. Sie drückte sich an ihn, genoss den Wärmezustupf und seine Nähe. Auch wenn sie die Leute auf der Strasse verwirrt ansahen. Der Stadtmeister und die erste Schlüsselträgerin Arm in Arm.

„Warum lässt du sie nicht einfach? Sie ist erwachsen und alles andere als wehrlos.“ „Bitte Esmar, nicht jetzt.“ „Tut mir Leid Boris, aber du musst das lösen.“ „Das habe ich.“ „Das ist keine Lösung.“ „Du hast auch einfach bestimmt, dass Kero zur Schule muss. Was ist falsch daran, wenn ich bestimme, dass sie sich raushalten soll? Ist das denn zu viel verlangt?“ „Nein. Ich versteh dich ja. Ich habe genauso Angst um sie wie du.“ „Eben“ „Nur ist sie im Vergleich zu Kero schon lange erwachsen und hat die Schule abgeschlossen. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Und wenn Kero...“ Esmar stöhnte „...ach ich fürchte, ich werde ihn auch nicht davon abhalten können, sich in gefährliche Abenteuer zu stürzen. Er ist wie wir geworden, weißt du. Mutig, tapfer, setzt sich ein für andere. Genauso haben wir unsere beiden Kinder erzogen. Oder? Dann können wir hinterher nicht erwarten, dass sie wie Mauerblümchen herumstehen. Aber...“ die beiden hielten vor der Eingangstüre zur Apotheke und Esmar blickte tief in Boris orangenen Augen „...aber sie wird es früher oder später auch ohne deine Zustimmung tun. Glaub mir. Findest du das denn besser? Willst du das? Oder willst du mit ihr zusammenarbeiten?“

Ohne etwas zu entgegnen öffnete Boris die Tür zur Apotheke. Esmar ging an ihm vorbei hinein, wurde sofort von einer wohligen Wärme umhüllt, denn Jolara hatte den Holzofen in Betrieb genommen, der das gesamte Haus mit einer unvergleichlichen Wärme füllte.

"Och Nein!" begrüsste Jolara ihre Freundin "Esmar! Du machst alles ganz dreckig. Komm nächstes Mal durch den Hof." "Ja, ist auch schön dich zu sehen." entgegnete Esmar und zog sich die dreckigen Reitstiefel aus um zumindest ab dort wo sie stand keine weiteren Spuren zu hinterlassen. Packte die Stiefel und umarmte Jolara mit dem anderen, noch freien Arm. Die beiden Frauen verschwanden tratschend in der Küche.

Boris schloss derweil die Tür. Draussen nicht zu frieren war gut, die Kehrseite davon, nun die Wohligkeit der Wärme im Haus so richtig zu spüren, blieb ihm dafür auch verwehrt. Er hatte einfach warm. Ins Schwitzen kam er auch nicht mehr. Er sah sich um. Freute sich darauf, Mara zu sehen. Nebst den Schlüsselträgern, wie Esmar eine war, konnte er nämlich auch Mara sehen wie immer. Kein Leuchten. Einfach nur Mara. Obwohl er sich manchmal einbildete, eine wunderschöne, Blume aus klarem Eis zu sehen in deren Inneren ein rotes Licht strahlte. Wunderschön. Insgeheim hoffte er immer aufs Neue, die Blume zu sehen.

"He, Boris!" rief ihm Mara zu "Und? Wie geht's? Hab dich heute früh verpasst, war schwimmen." mit gut gelaunter Mine strahlte ihn Mara an. Sie kam gerade aus dem Lager der Apotheke, das gegenüber der Tür zur Küche lag. Und sie strahlte tatsächlich. Die Eisblume leuchtete, umhüllte die gesamte Person. Sie glitzerte richtig. Völlig fasziniert davon starrte Boris seine Tochter einfach nur an.

"Alles in Ordnung?" sie fasste ihn am Arm. Erschrocken zog Boris den Arm weg, wachte aus seiner Erstarrung auf und betrachtete die Stelle, an der Mara ihn eben angefasst hatte. "Huch! Was ist denn?!" wollte Mara wissen, nicht minder erschrocken ob Boris hastiger Bewegung.

Boris betrachtete Mara. Durch das klare rote Eiskristall hindurch konnte er sehen, dass sie den weissen Apothekerkittel mit Stehkragen trug. Der Kittel reichte ihr bis knapp zu den Knien. Darunter trug sie eine dunkelgrüne Bluse und sandfarbene Hosen. Grüne Socken und Hausschuhe. Ihre kurzen Haare, mittlerweile eigentlich kinnlangen Haare, soweit es ging hinter die Ohren gedrückt. Ihre freundlichen hellgrünen Augen sahen ihn fragend an.

"Dein Haar wird grün." meinte Boris. "Hä?" Mara runzelte die Stirn "Ja, ich weiss. Ich werd's morgen nachfärben. Aber jetzt sag schon. Was war das eben? Seit wann ziehst du deinen Arm weg, wenn ich dich anfasse? Soll das eine Retourkutsche sein?"

"Das Essen wird kalt. Kommt ihr oder habt ihr keinen Hunger? Wir warten!" Jolara stand in der Tür zur Küche. Während Mara ihren Kittel auf den Tresen legte, drehte Boris das Schild an der Tür um "geschlossen". Dann gingen sie nebeneinander zur Küche.

"Wie hast du das gemacht?" flüsterte Boris "Was denn?" "Als du mich angefasst hast, fühlte es sich an, als ob meine Haut verbrennt." "Hä?" nochmals blieben die beiden stehen. Mara schüttelte den Kopf "Nichts. Ich habe nichts getan. Das muss an dir liegen." und dann wurden beide vom herrlichen Duft des Bratens eingeholt. Es roch wunderbar, köstlich. Vor allem mit knurrendem Magen. "Wir reden nachher weiter, einverstanden?" flüsterte Boris, Mara nickte.

Nach dem Mittagessen, was wieder einmal mehr als lecker gewesen war, bat Boris seine Tochter um einen Spaziergang zum See. Esmar und Jolara hatten noch vorgeschlagen, sie könnten genauso gut in der warmen Stube zusammensitzen, bräuchten nicht in dieser 'Saukälte' herumlaufen. Aber wie Boris, spielte das auch Mara keine Rolle. Denn auch Mara fror nicht so schnell wie andere.

Also brachen sie auf. Liefen schweigend nebeneinander durch die Häuser zum Ufer des Sees hinunter. Es schneite immer noch und ein wirklich bissig kalter Wind wehte über die rupianische Ebene. Die Oberfläche des Sees kräuselte sich aufgeregt. Custa war denn auch die Einzige, die sich freudig ins noch kältere Wasser stürzte und versuchte die Wellen zu fressen.

"Ich kann nicht verstehen, warum du immer wieder dieses Risiko eingehst. Wenn dich jemand sieht…" fing Boris an. Er blickte über den See, genoss den ruhigen Anblick, wie immer.

"Mensch Boris. Wann wirst du endlich anfangen mich mein Leben leben zu lassen? Ich pass schon auf. Tu ich seit ich denken kann. Es ist dunkel, ich bin alleine und schwimme immer erst ganz weit nach draussen. Niemand wird das je bemerken. Aber mir tut es gut. Sehr gut. Es…" Mara atmete befreit ein und aus "Es füllt mich mit Kraft, hebt die Stimmung und macht wirklich Spass. Und Custa, nebenbei, auch. Jetzt wo ich nicht mehr in die Berge kann um den Kopf frei zu kriegen brauch ich das zum Ausgleich. Verstehst du?"

Boris sagte nichts. Dachte an Esmars Worte."Ach, meinetwegen: Ja, natürlich versteh ich dich. Pass einfach auf. Bitte." er sah Mara an "Versprochen" bestätigte sie ihm bestimmt, lächelte.

"Gehst du immer noch zu der Stelle im Wald?" fragte Boris als nächstes "Ja. Ich vermisse ihn immer noch und ich hätte so viele Fragen an ihn. Diesen merkwürdigen Kautz. Warum fragst du?" "Einfach" Boris sah Mara an, sein Ärger vom Gespräch mit Aron war längst verflogen. Nun tat ihm Mara Leid. Mehr denn je, konnte er sie verstehen. Seit er Stadtmeister war, hatte er wirklich begriffen, was es heisst, 'alleine' anders zu sein. Er hatte Horau, mit dem er sich ab und an austauschen konnte. Mara hatte schon ihr Leben lang niemanden, der gleich war. Dann war da endlich einer, aber gerade nach nicht einmal 3 Tagen war er schon wieder weg. Wie hatte das diese junge Frau nur verdient? Das Leben konnte so ungerecht sein. Befand er. Wenigstens hatte sie Custa.

Und da er schon beim Thema war "Also, was hast du gemacht? Ich spür die Stelle immer noch?" verwirrt sah ihn Mara an, die den Kopf schüttelte und die Schultern hoch zog "Nichts" "Das versteh ich nicht." "Tut es wirklich weh?" "Nein, nicht 'weh'. Ich spür's einfach. Merkwürdig." "Das tut mir Leid, wirklich. Aber ich hab nichts getan." Mara betrachtete ihre Hände. Sie hatte keine Ahnung. Sie beobachtete wie die nassen, schweren Schneeflocken auf ihre Handflächen vielen und schmolzen. Die feinen Berührungen der Flocken waren schön, kribbelten ganz leicht.

 

"Wär gut, wir könnten ihn jetzt fragen. Nicht wahr?" "Möglicherweise wüsste er es. Ja." "Du könntest deinen Geist fragen?" "Du meinst Horau?" Boris zog die Achseln hoch "Ist eine Idee, mach ich, sobald ich ihn das nächste Mal sehe. Und nenn ihn nicht immer Geist." "Vielleicht hat es mit meiner Energie zu tun." stellte Mara eine Vermutung in den Raum. "Vielleicht. Aber das erklärt nicht, warum es erst jetzt passiert ist. Du hast mich schon öfters berührt." "Wer weiss, vielleicht wachsen deine Stadtmeisterkräfte immer noch." "Ja, oder deine." "Meine?" "Ja, deine."

Boris dachte an jenen Tag, als Zylin Mara zurückgebracht und ihm in ihrem Zimmer von der Lebensenergie der Wakaner erzählt hatte. "Zylin meinte damals, deine Energie würde 'auftauen'." und Boris fiel Maras rote Eisblume ein, die während des Essens verschwunden war. Ein Zusammenhang?

"Auftauen?" hackte Mara nach "Zylin? Wann soll das denn gewesen sein?" "Als er dich zurückgebracht hatte, damals. Und ja, er sagte 'auftauen'. Wenn du weiter schwimmen gehen würdest, oder so." erschreckt meinte Mara "Willst du deshalb, dass ich nicht tauchen gehe?" "Nein, nein. Zylin hat gemeint, dass es gut sei. Eigentlich." "Eigentlich?" "Ja. Aber ich weiss wirklich nicht genau was es bedeutet. Mehr hat er nicht gesagt und ob es das ist?" Boris hob die Schultern "Ich frag Horau." „Tu das. Klingt ja merkwürdig. Zu mir hatte er gesagt, dass ich wie ein 'Schwarm Heringe' sei. Und zu dir, dass ich 'auftaue'. Möglicherweise ist er einfach nur wahnsinnig geworden. Nach so langer Zeit im Gefängnis?" mutmasste Mara und Boris lächelte "Ja, wer weiss. Ich glaub’s zwar nicht, aber wer weiss? Lass uns über was Anderes sprechen."

"Warte, erst will ich nochmals probieren" sie hob ihre Hand, deutete an, Boris Arm zu berühren. Er hielt still, was Mara als 'ja' deutete und fasste ihn vorsichtig an. Nahm die Hand wieder weg, fasste ihn nochmals an.

"Nichts. Ich glaub ich spinn." sie fasste ihn nochmals an, schüttelte den Kopf "Nein, nichts. Nur Äpfel wie immer." Boris zog den Arm gespielt beleidigt weg "Äpfel?! Also weisst du." „Jedenfalls merkwürdig" Mara betrachtete ihre Hand. „Ja, merkwürdig." bestätigte Boris und lief weiter.

Nachdem Mara ihn wieder eingeholt hatte "Also, weswegen wolltest du mich sprechen. Aron?" "Woher weisst du das? Liest du etwa meine Gedanken?! Das kann ich nicht ausstehen!" "Nein! Bestimmt nicht. Mann! Ich hab Aron gebeten mit dir zu sprechen, darum!"

Dass ihr Boris das unterstellte regte Mara auf. Mit Erstaunen bemerkte Boris, dass die rote Eisblume sichtbar wurde. Das rote innere Licht schien zu glühen. Sah wunderschön und gleichzeitig unheimlich gefährlich aus.

„Fass mich jetzt nochmals an.“ „Hä?“ Boris streckte Mara seinen Arm hin und als sie ihn nicht anfasste, packte er ihren Arm, den sie vergeblich versuchte wegzuziehen. Seit er Stadtmeister war, konnte er es kräftemässig nämlich durchaus mit Mara aufnehmen.

Doch er hielt nicht lange fest, denn es brannte tatsächlich. Er betrachtete seine Hand. Geschehen war nichts, alles in Ordnung. Was das wohl war?

Mara indess fiel auf die Knie, hielt sich stöhnend den Kopf „Mensch Boris! Was hast du getan?!“ sie atmete heftig. Custa kam herangaloppiert und drängte sich zähnefletschend zwischen Boris und Mara, noch bevor er Mara hatte helfen können wieder aufzustehen. Boris wich einen Schritt zurück, hob abwehrend die Hände „Ruhig, Custa. Alles in Ordnung. Ich tu ihr doch nichts.“ Custa schnappte nach ihm. Verwirrt blieb Boris stehen „Verdammt Custa! Was soll das?!“ die Wellenterstute blieb schützend, zähnefletschend vor Mara stehen. Ihr Fell stropfte auf Mara hinab.

„Schon gut. Es geht schon wieder, ist nur alles etwas schummrig.“ hörte Boris Maras Stimme. Sie war aufgestanden, ihr Hinterkopf erschien, tauchte hinter Custas Rücken auf. Mit links streichelte sie Custa, mit rechts hielt sie immer noch ihren Kopf, rieb sich die Augen. Drehte sich nun um und blickte Boris ins Gesicht. Lächelte etwas gequält und Boris erschreckte bis ins Knochenmark, machte einen weiteren Schritt zurück. „Mara! Deine Augen!

„Ach“ stöhnte Mara und drückte ihr Gesicht in Custas dickes, nasses Winterfell. Custa drehte ihren Kopf, schnaubte in Maras Haar hinein, dass sich lustig zum Schnauben bewegte. Mara streichelte Custas samtweiche Nüstern. Die Situation beruhigte sich allmählich.

„Tut mir leid, Mara. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das verstehe ich nicht.“ Boris hoffte inbrünstig, keinen dieser ‚Blind-Anfälle’ ausgelöst zu haben, vor denen ihn Zylin gewarnt hatte. ‚Verdammt, verflucht, so ein Mist!’ ärgerte sich Boris.

„Bitte Boris“ hörte er Maras Stimme durch Custas Fell hindurch „Hör auf zu fluchen, das hält man im Kopf nicht aus.“ „Ich habe gar nichts gesagt.“

Mara hob den Kopf „Ach nein?“ fragte sie ihn. „Merkwürdig“ ergänzte sie und lief um Custa herum. Custa war wieder ruhig, schnappte nicht mehr nach Boris und Maras Augen waren wieder normal.

„Ein Glück!“ schnaubte Boris, hielt aber Abstand. Das wollte er nicht noch einmal riskieren, bevor er nicht wusste, was das gewesen war. „Geht’s wieder?“ er suchte Maras Blick. Die Eisblume war verschwunden. „Ja, ja.“ bestätigte sie. „Du hast nicht geflucht? Was war das? Und was ist mit meinen Augen?“ sie blieb einfach stehen, betrachtete Custa, dann Boris, den See. Fühlte sich leicht besoffen, obwohl sie nie Alkohol trank. Beschloss dann, dass sie genug hatte von dem Mist, fühlte sich leicht verärgert. Sie winkte ab „Ach, lass. Ist egal. Was ist jetzt mit Aron?“

„Äh“ stackelte Boris „Willst du nicht wissen...“ „Lass es!“ Mara sah ihn plötzlich wütend an „Ich habe genug von dem Scheiss! Mir reicht’s. Ständig muss ich aufpassen! Weiss nicht was mit mir los ist! Der Einzige der’s wusste hat sich aus dem Staub gemacht!! Ich habe genug von diesen vielen Fragen! Ich will nicht mehr! Und dann kommst du auch noch und verbietest mir euch zu helfen. Weißt du was?“ sie glühte Boris an, er blieb ruhig, ganz ruhig, spürte, dass es wohl nicht einmal einen ganzen Tropfen mehr benötigte um das Fass zum Bersten zu bringen.

Ich tu was ich will! Ich will und kann helfen! Ich werde nicht nur rumsitzen und zusehen, wie ihr gegen diese Mistkerle vom Terra Sonnensystem kämpft und mich aussen vorlässt! Warum darf ich nicht helfen? Was hast du gegen mich?! Verfluchte Scheisse! Mir reicht’s! Dieses ständige Verstecken! ‚Pass auf das dich keiner sieht’ ‚Das ist gefährlich’ - Ah! Ihr könnt mich alle mal!“

‚Wow!’ das rote Licht in Maras Innerem sah heiss aus, die Eisblume erschien plötzlich wieder, bekam feine Wassertröpfchen. Eine Wucht! Und Boris konnte zusehen, wie sich Maras Augen komplett grün verfärbten, wie zuvor. Custa spitzte die Ohren. Was sollte er tun? Das war nicht gut, dachte Boris. Hörte sich alles ganz ruhig an, sah zu, wie sich diese emotionale Entladung von ganz alleine ausbruchartig steigerte.

Da packte er Mara, mehr instinktiv als überlegt, drückte sie ganz fest an sich, war höllisch heiss, sie wehrte sich, würde auch gewinnen, das spürte Boris. Er war stark, aber Maras Kräftegrenzen schienen noch nicht erreicht, bei Weitem nicht. Er schloss die Augen, flüsterte ganz ruhig „Ist schon gut. Mara. Alles gut. Das hatte ich dir doch sagen wollen: Ich seh’s ja ein. Geh und hilf Aron. Es ist nur meine Angst dich auch zu verlieren. Ich hab dich so unendlich lieb. Bitte. Lies meine Gedanken, dann wirst du sehen, dass ich die Wahrheit sage. - Ist schon gut. Ich bin ja da.“ er küsste ihr Haar, drückte seine Backe an ihren heissen Kopf, schloss die Augen.

Der Schnee fiel unbeeindruckt, sanft und leise auf die beiden herunter um sofort zu schmelzen. War alles schon ganz nass und der Wind weiterhin bitter kalt.

Mara hörte auf sich zu wehren. Vielleicht hätte sie sich befreien können, hätte sie weitergekämpft. Aber für dieses Mal fing sie an zu weinen. Es tat so unendlich wohl, von jemand Stärkerem gehalten zu werden. Zu fühlen, dass sie jemand beschützt, beschützen kann, weil er dafür stark genug war. So wie sie Zylins Stärke gespürt hatte, damals im Wald. Nicht immer die Stärkere zu sein, tat richtig gut. Sich auch mal fallen lassen zu können. Und nebst Boris Worten, hatten sie seine Gedanken von alleine durchströmt, sie hatte sich gar nicht wehren können, war einfach so passiert. Genauso wie mit seinen Gefühlen, wie immer halt, wenn sie jemand anfasst.

Und Äpfel, jede Menge Äpfel in der Nase. Boris Ruhe und Freundlichkeit, seine Wärme und Liebe hüllten sie ein. Es war als ob sie miteinander verschmolzen. Es wurde ihr noch etwas schummriger, aber nicht übel. Alles viel ab. Sie weinte, drohte das Bewusstsein zu verlieren, aber Boris hielt sie fest. Einfach fest, sie schloss ihre Arme um ihn. War höllisch heiss, aber egal. Sie sog dieses gute Gefühl der Geborgenheit in sich hinein.

So standen die beiden da, bis Mara Custas Nase im Nacken spürte, ein feines Schnauben, ein feines Kitzeln. Mara musste schmunzeln, liess Boris los um Custas Kopf mit beiden Händen festzuhalten. Drückte der Wellenterstute einen dicken Kuss auf die Nase.

Etwas angespannt betrachtete Boris seine Tochter. Fühlte sich zwar alles mehr oder weniger wieder normalisiert an, ausser dass er plötzlich einen riesen Hunger verspürte, aber er blieb vorsichtig.

„Danke“ flüsterte Mara zu Custa, dann zu Boris „Danke“ sie wirkte zufrieden. „Ist alles wieder in Ordnung?“ wollte Boris wissen. Mara nickte „Ja, ich denk schon. Das war...“ sie suchte nach Worten „...knapp.“ ergänzte Boris. „Knapp? Ich hätte jetzt eher unheimlich gesagt. Aber ‚knapp’?“ Boris nickte „Zylin hatte mich davor gewarnt. Es tut mir leid. Ich hätte es besser wissen müssen. Dich nicht am Arm fassen sollen... vorhin.“ entschuldigte er sich, heilfroh darüber, dass es nochmals gut gegangen war.

Gewarnt? Wovor denn? Wieso weiss ich davon nichts? Dieser Mistkerl, wieso hat er mir das nicht selbst gesagt?!“ „Mara, du warst bewusstlos, darum. Und es war mein Fehler, dass ich es dir nicht schon früher erklärt habe, nicht seiner. Tut mir leid.“ „Aha.“ Mara schloss die Augen, holte sich das gute Gefühl von eben nochmals in Erinnerung. Lächelte. „O.K.“ fing sie an „Also, wovor gewarnt?“

Nebeneinander liefen sie langsam zurück und Boris erzählte Mara alles, was ihm Zylin damals erzählt hatte. Das mit der Lebensenergie, mit der Eisblume, dem ‚Blind’ und Mara hörte aufmerksam zu. Am Ende hängte Boris seine Vermutung an, dass wenn Zylins Lebensenergie sowas auslösen kann, dann kann es seine Lebensenergie als Stadtmeister wohl auch, halt einfach nur, wenn sie sich unbewusst und unkontrolliert im richtigen Moment berühren, ober besser im ‚falschen’ Moment.

Danach gestand Mara ein, das Thema wohl etwas unterschätzt und Boris Vorsicht Unrecht getan zu haben. Sie versprach sich besser ‚darum zu kümmern’ und im Gegenzug dazu gab ihr Boris noch einmal seine Erlaubnis, Aron zu begleiten, solange sie Kämpfe vermied, weil er so einen Ausbruch unbedingt verhindern wollte. Was ihm Mara hoch und heilig versprach, schliesslich hatte sie auch keine Lust auf solche Attacken. Das letzte Mal schlug sie Aron zu Boden. Wer weiss, was beim nächsten Mal geschehen könnte, wenn Boris nicht da war?

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