Buch lesen: «Spiel, Satz & Herz»
Deutsche Erstausgabe (ePub) Juli 2020
Für die Originalausgabe:
© 2017 by M.J. O'Shea
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Game Point«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2020 by Cursed Verlag, Inh. Julia Schwenk
beloved ist ein Imprint des Cursed Verlags
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Druckerei: CPI Deutschland
Lektorat: Susanne Scholze
ISBN-13: 978-3-95823-833-6
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Jutta Grobleben
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Klappentext:
Der verwöhnte Quinn hat absolut kein Interesse daran, das Sportwarenimperium seiner Familie zu übernehmen, und treibt sich viel lieber auf Partys herum. Umso überraschter ist er, als ihm nach dem Tod seines Großvaters die Leitung der Firma zufällt. Schnell hat er sich mit dem Geschäftsführer Porter in den Haaren, der weder Zeit noch Geduld für unfähige Schnösel wie Quinn hat. Allerdings bleibt den beiden so unterschiedlichen Männern nichts anderes übrig, als zusammenzuarbeiten. Quinn gibt sich große Mühe, den Anforderungen gerecht zu werden, und Porter muss bald feststellen, dass der Sohn aus reichem Hause viel anziehender ist, als er zunächst gedacht hat. Schnell entwickelt sich zwischen ihnen eine heiße Affäre, doch ihre aufkeimenden Gefühle werden nur eine Chance haben, wenn Quinn Porter davon überzeugen kann, dass er seine Zeit als überheblicher Snob tatsächlich hinter sich gelassen hat…
Kapitel 1
April
Seattle, Washington
Er hatte wieder davon geträumt, zu spielen… Das kam oft vor. Perfekte Volleys zu spielen, mit dem Schläger über den Platz zu rennen, den Ball mit einem zischenden Rückhandschlag knapp über das Netz zu schlagen, den sein Gegner unmöglich erreichen konnte. Sein Knie war nicht steif, sondern vollkommen schmerzfrei, die Sonne stand hoch am Himmel und es war warm und –
Porter Davis erwachte durch das hartnäckige Brummen auf seinem Nachttisch. Sein Herz schlug heftig und er rieb sich verwirrt die Augen, aber dann merkte er, dass sein Telefon klingelte.
Er starrte mit trüben Augen auf das Display, bis er begriff, wer ihn mitten in der Nacht anrief.
Seine Chefin… na ja, seine Chefin, die gleichzeitig seine beste Freundin war. Praktisch eine große Schwester.
Was zum Teufel?
»Marisol? Hallo?« Er schaute auf die Uhr an der Wand, um sich zu vergewissern, dass mit seinem Handy alles in Ordnung war. Und tatsächlich. Es war beinahe drei Uhr morgens.
»Porter, Liebling, kannst du zum Krankenhaus kommen?«
Marisols Stimme zitterte und das machte ihm Angst. Er hatte noch nie jemanden kennengelernt, der so stark war wie Marisol Valenzuela. Sie so erschüttert zu erleben, bedeutete nichts Gutes. Er schob seine Decken zur Seite und stand langsam auf.
»Was ist los?« Plötzlich war Porter hellwach und jeder Gedanke an Tennis und die Sonne verschwunden.
»V-Vater«, brachte sie hervor. »Er ist nicht mehr da.«
Porter erstarrte, bereits halb vom Bett aufgestanden. Ein unangenehm kalter Schauer lief an seinem Rückgrat hinunter. »Hector?«, flüsterte er.
»Er hatte einen Herzinfarkt, Süßer. Es war schnell vorbei.« Marisols Stimme war belegt, als hätte sie geweint. »Sie haben auf dem Weg ins Krankenhaus versucht ihn wiederzubeleben, aber sie h-haben es nicht geschafft.«
»Ich bin unterwegs. Wo bist du?« Porter konnte das Zittern in seiner Stimme nicht unterdrücken. Er musste für Marisol stark sein, aber ihm drehte sich der Magen um. Er biss die Zähne zusammen und wartete.
»Overlake«, sagte sie. Ihre Stimme klang weniger zittrig als noch vor einem Moment, als würde sie versuchen sich zusammenzureißen. »Ich bin im Wartebereich der Notaufnahme. Ich weiß nicht, was ich tun soll…«
»Ich werde dir helfen. Halt einfach durch. Ich bin da, so schnell ich kann.«
Porter verabschiedete sich von Marisol, versuchte aufzustehen und beugte sich schnell vor, um sich an seiner Kommode festzuklammern, als sein Knie nachgab. Er musste ihr helfen, aber der Schock, Hector verloren zu haben, traf ihn langsam mit voller Wucht. Es kam ihm surreal vor. Am Abend hatten sie noch miteinander gesprochen. Hector schien es gut gegangen zu sein. Porter würgte und befürchtete, sich übergeben zu müssen, aber nach ein paar tiefen Atemzügen ging es ihm besser.
Porter kämpfte sich in eine Jogginghose und ein langärmeliges T-Shirt, dann schlüpfte er in ein Paar Turnschuhe, bei deren Entwicklung er Hector geholfen hatte, und schnappte seine Schlüssel und seinen Geldbeutel von dem Tablett auf der Kommode. Er hatte es kaum nach unten geschafft, als die Eingangstür sich öffnete und seine Schwester Perry hereinschlich.
»Porter?« Sie fuhr zusammen und legte die Hand an die Brust. »Warum bist du auf?« Sie sah nach einer Doppelschicht in der Notaufnahme des UW Medical erschöpft und blass aus. Ihr Pferdeschwanz war locker und selbst ihre Krankenhauskleidung war zerknittert. Er hasste es, ihr noch mehr aufzubürden.
Porter wusste nicht einmal, wie er es laut aussprechen sollte. Das erschien ihm unmöglich. Hector war ihm immer unsterblich erschienen. »Hector ist gestorben, Schwesterherz. Marisol ist im Krankenhaus, aber sie klang nicht gut. Ich will nicht, dass sie allein ist.«
Perry keuchte und kam um den Küchentisch herum, um Porter fest zu umarmen. »Ich dachte, er wäre kerngesund. Oh mein Gott.« Sie holte ein paar Mal tief Luft. »Ich komme mit dir.«
»Du hast nicht geschlafen«, erwiderte er. »Bleib zu Hause.«
»Ich habe vorhin im Pausenraum ein Nickerchen gemacht. Ich leiste dir Gesellschaft. Schlafen könnte ich jetzt sowieso nicht. Ich will bei euch sein.«
Er bezweifelte, dass Perry sich überreden lassen würde, und er hatte auch nicht die mentale Stärke, um mit ihr zu diskutieren, deshalb bedeutete er ihr vorauszugehen.
Als sie ins Auto gestiegen waren, streckte Perry die Hand aus, legte sie auf Porters Arm und drückte ihn. »Es tut mir leid, Babe. Ich weiß, dass Hector dir auch sehr viel bedeutet hat. Ich will helfen, so gut ich kann.«
Porter legte seine Hand auf die von Perry und drückte sie ebenfalls. »Ohne ihn wird es wirklich seltsam sein.«
Sie hatten eine andere Welt vor sich, eine ohne Hector Valenzuela, der ihrer aller Leben steuerte. Porter hatte keine Ahnung, was sie tun sollten.
Auf dem Weg zum Krankenhaus schwiegen sie. Perry schaltete das Radio an, drehte aber die Lautstärke herunter. Vermutlich war es gut, dass es mitten in der Nacht war und dass sie sich entgegen dem Berufsverkehr in die Innenstadt von Seattle bewegten, denn sonst würde es ewig dauern, bis sie bei Marisol ankämen.
»Was wird mit Sparta passieren?«, fragte Perry.
Porter schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.« Es war schrecklich, sich die Firma ohne ihren Patriarchen vorzustellen, aber das war nun die Realität. Sparta war ein zu großes Imperium, um einfach… zum Stillstand zu kommen, weil die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder trauerten. »Ich schätze, Marisol wird entscheiden, wie es weitergeht.«
Hector hatte die Firma von seinem Vater übernommen und der wiederum von dessen Vater, der sie gegründet hatte. Sparta Athletics war unter Hectors Führung enorm gewachsen und machte nun Adidas und Nike Konkurrenz. Selbst mit der Unterstützung des alternden Besitzers war es für Porter und sein Team eine große Aufgabe gewesen, alles am Laufen zu halten.
»Darum werden wir uns kümmern, wenn es an der Zeit ist«, sagte Perry.
Porter nahm ihre Hand. »Danke, dass du mitgekommen bist, Schwesterherz. Du musst ganz erschöpft sein.«
»Ich komme schon klar.« Sie hob seine Hand und küsste sie. »Mach dir um mich keine Sorgen.«
Marisol war mit den Nerven am Ende, wie es zu erwarten gewesen war. Sie brach in den Armen von Porter und Perry schluchzend zusammen. Marisol – die selbstsichere, perfekte Marisol – sah aus, als hinge sie am seidenen Faden. Sie musste raus aus der kalten, unpersönlichen Notaufnahme.
»Bringen wir dich nach Hause. Bist du selbst hergefahren?«, fragte Porter.
»Nein. Ich bin im Krankenwagen mitgefahren.« Sie schaute ihn mit großen, feuchten Augen an. »Was soll ich denn jetzt tun?«
Das wusste Porter auch nicht.
»Wir kontaktieren morgen einen Bestattungsunternehmer und treffen alle Vorkehrungen«, sagte Perry leise. Sie klang ruhig und tröstend. Porter fragte sich, ob das an ihrer Ausbildung lag, denn sie musste ebenfalls erschüttert sein. Er würde nicht zulassen, dass Marisol sich allein um alle Einzelheiten kümmern musste. Sie hatten genug Angestellte, die leicht aushelfen oder sich gleich um alles kümmern konnten. Porter rieb ihre Schulter und Perry lächelte sanft. »Im Moment ist sowieso alles geschlossen. Vielleicht solltest du mit zu uns kommen und ein wenig schlafen. Ich mache dir einen Tee. Um den Rest können wir uns in ein paar Stunden auch noch kümmern.«
Marisol nickte.
Perry legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie hinaus, wo sie dem Parkwächter der Notaufnahme hastig ihre Schlüssel gegeben hatten.
Die Fahrt zurück nach Hause verlief ebenfalls schweigend. Perry saß bei Marisol auf dem Rücksitz – Porter fragte sich, ob sie sich Sorgen machte, dass Marisol in einen Schockzustand verfiel. Sie rieb über ihren Rücken und Marisols Kopf lag an Perrys Schulter. Porter behielt sie im Auge, während er sich gleichzeitig auf die Straße konzentrierte. Er hatte Angst um Marisol. Ihr Vater war beinahe ihre ganze Welt gewesen und das große Haus würde nun leer sein, abgesehen von ihr und ein paar Angestellten.
Porter wusste nicht, wie er ihr helfen konnte, aber er vermutete, dass sie es überstehen würden, wenn sie einen Schritt nach dem anderen machten. Zuerst würden sie sich um die dringlichsten Angelegenheiten kümmern und später um den Rest ihrer Leben.
Der Himmel begann gerade, die für die Zeit kurz vor dem Sonnenaufgang in Seattle typische pink-graue Farbe anzunehmen, als sie Porters Hausboot auf dem Lake Washington erreichten. Perry setzte sich mit Marisol auf die Couch und er ging in die Küche, um Tee zu machen. Das tat er größtenteils, um sich zu beschäftigen. Er hatte das schon so oft getan, dass er es auch im Schlaf konnte.
Anschließend trug er den Tee für Marisol, Perry und sich selbst zur Couch hinüber und sie saßen da und tranken ihn wortlos. Porter wusste nicht, was er sagen sollte. Im Grunde war er ein Angestellter, aber im Laufe der Jahre waren die Valenzuelas wie eine Familie für ihn geworden. Hector war ihm mehr ein Vater gewesen als sein und Perrys Vater es jemals gewesen war. Es… er fühlte sich wie betäubt. Es war ein schreckliches Gefühl.
»Ich muss Quinn anrufen«, sagte Marisol schließlich leise.
Quinn. Marisols nutzloser Sohn, der Partylöwe, der nie etwas mit Sparta zu tun gehabt hatte, außer Unmengen Geld auszugeben, das die Firma ihm bescherte. Porter hatte keine Ahnung, in welchen Teil der Welt er sich momentan verpisst hatte. Porter konnte ihn nicht leiden. Er versuchte, einen neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Aus irgendeinem Grund vergötterte Marisol ihren Sohn, aber den würde Porter nie verstehen können. Es ging ihn auch nichts an, welche Beziehung sie mit dem Blödmann hatte. Er wollte nur dafür sorgen, dass sie sich besser fühlte.
»Sollen Perry und ich in die Küche gehen, damit du in Ruhe mit ihm reden kannst?«, fragte Porter. Er musste an Marisol denken. Sie wollte ihren Sohn an ihrer Seite haben, obwohl er das auch sonst kaum einmal war.
»Nein, mein Lieber«, sagte Marisol. »Ich gehe selbst in die Küche. Es macht mir nichts aus aufzustehen.«
Porter und Perry sahen ihr nach, wie sie in die luftige, moderne Küche ging. Er wünschte, er könnte ihr die Aufgabe abnehmen, diesen schrecklichen Anruf machen zu müssen.
»Denkst du, Quinn wird herkommen?«, fragte Perry leise. Sie hatte den Bengel nie kennengelernt, aber Porter hatte ihr alles über Quinn Valenzuela erzählt und dabei mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten.
»Das hoffe ich doch. Es würde ihr das Herz brechen, wenn nicht.«
»Was für eine furchtbare Nacht.« Perry seufzte.
Da konnte Porter ihr nicht widersprechen.
Marbella, Spanien
»Die Szene langweilt mich allmählich«, brummte Quinn.
Er schaute aus dem Schlafzimmerfenster seiner Villa den Hügel hinunter zu den glitzernden Straßenlampen, den beleuchteten Pools und dem dunklen Meer dahinter, aber nichts davon beeindruckte ihn. Er war im Paradies. Er hatte die letzten sechs Jahre damit verbracht, einem Paradies nach dem anderen hinterherzujagen – Skifahren in Aspen und Telluride, exklusive Clubs in Spanien und Griechenland, Shoppen in New York und Paris. Er war müde. Quinn wusste, wie schrecklich das klingen würde, wenn er es laut ausspräche, deshalb tat er es nicht, aber er war… es einfach leid. Alles davon.
»Vielleicht sollten wir zum Jachthafen gehen. Alexios legt normalerweise um diese Zeit ab. Wir könnten ein paar Monate auf dem Mittelmeer unsere Runden drehen, dann den Sommer in den Hamptons verbringen und im Herbst in die Karibik fliegen.«
Das würde toll klingen, wenn sie das Gleiche nicht im letzten Jahr gemacht hätten. Und im Jahr davor. Opulenz hin oder her, wie oft konnte man auf einer Jacht durch die Gegend schippern, bevor es langweilig wurde? Die Antwort lautete: weniger oft, als er es bisher getan hatte.
Quinn drehte sich um und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen. Hunter, einer von Quinns beiden besten Freunden, lag im Moment ausgestreckt auf Quinns Bett. Er schien zu überlegen, welche seiner winzigen Badehosen er auswählen sollte, und schon dazu bereit zu sein, in seine Bootsschuhe zu schlüpfen. Hunter hatte die Jachtsaison schon immer geliebt – beide Jacht-Saisons, um ehrlich zu sein. Von einer Milliarden-Dollar-Jacht eines überreichen Typen zur nächsten flanieren, die besten Cocktails schlürfen und in den schrillsten Klatschblättern erwähnt werden.
Quinn war die Jachtsaison und die Strandressorts leid, das Skifahren in Vail und, na ja, alles davon. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sein Leben zum letzten Mal wirklich als aufregend empfunden hatte.
»Vielleicht sollten wir Alexios anrufen«, schlug er dennoch vor und gähnte.
Ja, die Jachten langweilten ihn. Genau wie die geradezu lächerlich reichen, alten Männer, die kaum weniger reiche, junge Männer mit Wein und feinem Essen verwöhnten, damit sie ihnen beim Sonnenbaden zuschauen konnten… unter anderem. Aber sonst gab es nichts zu tun und da Hunter es schaffen würde, Dane zu einer oder zwei weiteren Jachtsaisons zu überreden, würde Quinn sich ihnen anschließen.
Er hatte noch andere mehr oder weniger echte Freunde, aber mit keinem von ihnen wollte er mehr als eine oder zwei Wochen am Stück verbringen. Abgesehen von seiner Mom und seinem Grandpa auf der anderen Seite der Welt waren Dane und Hunter seine Familie. Er würde sich lieber mit ihnen langweilen, als ohne sie etwas zu erleben – wenn er etwas finden würde, das ihn interessierte. Selbst der Sex war in letzter Zeit langweilig gewesen. Immer die gleichen hübschen Gesichter und perfekt modellierten Körper, die ihm nichts bedeuteten.
»Quatscht ihr immer noch?«, warf Dane ein. Er streckte den Kopf zu Quinns Zimmer herein und hob die Augenbrauen. »Ich hatte erwartet, dass ihr schon unter der Dusche seid.« Er hatte drei Gläser Champagner dabei. »Zack, zack!«
»Unsere Zuckerschnute hier ist schon den ganzen Tag so melancholisch. Ich habe versucht, ihn mit Jachten und griechischen Milliardären aufzuheitern«, meinte Hunter gedehnt. Er streckte sich katzenartig auf Quinns Bett, als wollte er seine Verführungskünste trainieren.
»Lass das in meinem Bett. Spar dir das für Alexios.« Quinn lachte. Hunter versuchte schon seit drei Jahren, von Alexios ernst genommen zu werden. Er bezweifelte, dass sein Freund eine Chance hatte, egal, wie oft er sich streckte oder aus Versehen die Badehose verlor. Vielleicht würde Hunter in dieser Saison endlich bei seinem Silberfuchs landen. Doch das war sehr unwahrscheinlich.
Dane reichte Hunter seine Champagnerflöte, dann schubste er ihn von Quinns Bett und schob ihn zur Tür. »Champagner, dann duschen, dann anziehen.«
Hunter hörte auf ihn und verschwand in sein eigenes Zimmer, dabei summte er und schwang die Hüften.
»Geht es dir gut, Babe?«, fragte Dane, als Hunter verschwunden war.
»Ja. Immer kümmerst du dich um mich«, murmelte Quinn. »Danke.«
Er kannte Dane, seit sie zehn Jahre alt gewesen waren und Quinns Mutter überzeugt gewesen war, dass ein Internat in Connecticut der beste Weg war, Quinns Stellung in der High Society zu zementieren. Das hatte nur bedingt funktioniert – in den Kreisen des alten Geldadels war ein Sportartikel-Imperium nicht gerade hoch angesehen, trotzdem hatte man ihn widerwillig mit einem falschen Lächeln zu allen Partys eingeladen –, aber immerhin hatte er Dane kennengelernt.
Dane hatte den richtigen Stammbaum, aber kein Interesse daran, ein typischer Adeliger zu sein. Er hatte Yale eine Absage erteilt, wo er dank seiner Abstammung freien Zugang gehabt hätte, und verbrachte seine Zeit stattdessen mit Sonnenbaden und damit, das üppige Vermögen seiner Eltern mit vollen Händen auszugeben. Das schien niemanden zu kümmern, da er nicht der älteste Sohn und in den Augen der Familie nicht fähig war, die Familiengeschäfte zu übernehmen. Das passte Quinn sehr gut, denn so hatte er einen Freund fürs Leben. Sie bildeten den perfekten Gegensatz – stets gut gelaunt, muskulös, blond und mit einem Dauergrinsen im Gesicht gegenüber dunkelhaarig, schlank und einem perfekten Schmollmund. Zusammen waren sie wie Kryptonit. Quinn wusste nicht, was er ohne Dane anfangen würde.
»Du siehst nicht aus, als ginge es dir gut«, meinte Dane. Es war nicht seine Art, etwas nicht anzusprechen, was ihm aufgefallen war. Das war für gewöhnlich eine gute Angewohnheit, aber Quinn war im Moment nicht in der Stimmung, sich damit auseinanderzusetzen.
»Mir ist bloß langweilig, schätze ich. Ich habe das Gefühl, als hätte ich jetzt schon genug von diesem Club, obwohl er erst heute Abend eröffnet wird. Ich habe das Gefühl, als wären wir schon hundertmal auf der Jacht von Alexios gewesen. Es ist nur…«
Dane gab Quinn einen Kuss auf die Stirn. »Du weißt, dass ich dich lieb habe, oder?«
»Ja.«
»Und du weißt, dass ich Hunter auch lieb habe?«
»Selbstverständlich.«
»Du bist nicht wie er, Babe. Ich glaube nicht einmal, dass du wie ich bist. Vielleicht… ist das hier nicht der richtige Ort für dich.«
Quinns Herzschlag beschleunigte sich – Panik überkam ihn bei dem Gedanken an Veränderungen, obwohl er mit dem Status quo nicht zufrieden war –, aber er zuckte bloß mit den Schultern.
»Wo dann? Wo gehöre ich hin?« Dann schnaubte er und schüttelte den Kopf. »Fuck, ich bin echt ein Klischee. Gelangweilter, unglücklicher reicher Junge, der nur einen Schritt davon entfernt ist, den sprichwörtlichen Sprung vom Heck der Titanic zu machen. Scheiße.« Quinn verdrehte die Augen und versuchte, seine schlechte Laune abzuschütteln. »Machen wir uns fertig. Es zeugt von schlechtem Stil, wenn man den Gang über den roten Teppich verpasst.«
»Okay.« Dane küsste ihn erneut auf die Stirn, dann ging er in sein eigenes Zimmer, um sich fertig zu machen.
Der Club war so klischeehaft wie er selbst, entschied Quinn. Es hatte keine dreißig Sekunden gedauert, bis er wusste, dass er all das hier schon gesehen hatte. Dieselbe Urlaubsbräune, falsche und echte, dieselben Schuhe und Paparazzi, derselbe ermüdende, wummernde Bass. Immer und immer wieder das Gleiche.
»Wie lange müssen wir denn hierbleiben?«, fragte er Hunter.
»Du kannst doch nicht jetzt schon keine Lust mehr haben. Wir haben noch nicht einmal unseren ersten Cocktail ausgetrunken.« Hunter zog die Augenbrauen zusammen und wühlte in seiner Tasche. »Hier. Nimm das und hör auf zu jammern. Lass es raus«, scherzte er. »Um es mit den Worten der Queen zu sagen.«
»Deine Queen, nicht meine.« Quinn rollte mit den Augen.
Trotzdem nahm er die Pille in den Mund und spülte sie mit dem Cocktail hinunter, den man ihm gereicht hatte, welcher auch immer das sein mochte. Als er das letzte Mal mit schmerzendem Kiefer und einem Mund so trocken wie die gottverdammte Sahara aufgewacht war, hatte er sich geschworen, dass mit den Pillen Schluss wäre, aber dadurch vergingen die Nächte schneller und die Witze, die er zu hören bekam, schienen origineller zu sein.
»Das war nur E, oder?« Nächstes Mal würde er klüger sein, als etwas einzuwerfen, ohne zu wissen, was es war. Hunter war sehr abenteuerlustig, wenn es darum ging, auf Partys den Spaß zu optimieren. Nein. Es würde kein nächstes Mal geben. Das Letzte, was er brauchte, um noch mehr zu einem Klischee zu werden, war, ein Drogenproblem zu entwickeln, um der Langeweile zu entgehen.
»Ja«, sagte Hunter. »Nur E. Aber doppelt so stark. Wir wollen doch Spaß haben.« Er schluckte selbst eine Pille und reichte Dane eine dritte. »Kommt schon, Jungs. Lasst uns tanzen.«
Die Nacht verging in einem Nebel aus lautem Lachen, pulsierenden Lichtern im Dunklen und dem künstlich erzeugten Drang zu tanzen, der bis zum Morgengrauen in Quinns Blut kochte. Die drei stolperten aus dem Club in ein Taxi, als die Sonne sich gerade über die östlichen Hügel erhob.
»Rufen wir nachher Alexios an?«, nuschelte Hunter an Quinns Hals.
»Sicher.« Alexios' Dreißig-Millionen-Dollar-Jacht war genauso gut wie jeder andere Ort, wenn man sich für nichts interessierte. Wieso nicht?
»Okay.«
Quinn stolperte in sein Zimmer und zog vehement die Vorhänge zu. Er schob die Hand in seine Hosentasche, um sein Handy hervorzuholen und es an das Ladekabel anzustecken, als ihm auffiel, dass es nicht da war. Er schaute zum Nachttisch und dort entdeckte er es, immer noch am Ladekabel, wo es er anscheinend zurückgelassen hatte. Wahrscheinlich war es besser so, dachte er. Er hatte schon mehr als einmal sein Handy in einem Club verloren und es war immer nervtötend, alle seine Informationen wiederzubeschaffen.
Sein Telefon blinkte – wie immer, wenn er abends ausgegangen war. Quinn holte tief Luft und bereitete sich darauf vor, einen Großteil der Nachrichten zu löschen. Aber als er das Handy entsperrte, stellte er fest, dass die meisten von seiner Mutter waren und sie immer verzweifelter von ihm verlangte, sie anzurufen. Quinn schaute auf seine Uhr – kurz vor fünf Uhr morgens. Zu Hause wäre es nun früher Abend. Das Herz schlug Quinn bis zum Hals, als er auf Wählen drückte. Etwas stimmte nicht. Es musste so sein. Seine Mutter bestand nur selten darauf, dass er sie anrief, und dann so viele Nachrichten? Das konnte nichts Gutes bedeuten.
»Quinn? Gott sei Dank«, waren ihre ersten Worte. Ihre Stimme klang zittrig, als hätte sie geweint. Quinn presste die Hände auf seinen Oberschenkel, damit sie nicht zitterten.
»Mom. Was ist los? Du klingst fürchterlich.«
»Es geht um deinen Großvater, Liebling. Er ist gestorben.«
Quinns Herz setzte einen Schlag aus, dann begann es, schmerzhaft zu hämmern. Seine Kehle wurde eng und er glitt von der Bettkante, auf der er gesessen hatte, geräuschvoll zu Boden. »Wann?«, flüsterte er.
»Heute am frühen Morgen. Ich habe dich angerufen, sobald –« Erneut schluchzte seine Mutter auf.
»Es tut mir so leid. Du weißt doch, dass ich nur selten auf mein Handy sehe. Ma, ich komme nach Hause. Ich nehme den ersten Flug, okay?«
Quinn hatte diese Abneigung gegen sein Zuhause, deshalb war er dort nur selten anzutreffen. Er wusste nicht, warum das so war. Er liebte seine Mom und seinen Grandpa, aber sein Zuhause war… nicht das Richtige für ihn. Dennoch wollte er so schnell wie möglich dorthin, um für seine Mom da zu sein.
»Wir haben den Jet von Sparta losgeschickt, sobald er bereit war. Er sollte in ein paar Stunden da sein.« Sie atmete zittrig aus und schluckte. Quinn wünschte, er könnte sie berühren. Sie befanden sich nicht oft am selben Ort, aber er spürte die Entfernung zwischen ihnen selten so sehr wie in diesem Moment. Aber er war auch erleichtert, dass er sich nicht mit Linienflügen und anderen Passagieren würde herumschlagen müssen. Er wollte sich einfach nur auf den Weg machen.
»Ich werde bereit sein. Sie sollen mich anrufen, wenn das Flugzeug da ist.« An Schlaf war nun nicht mehr zu denken.
»Okay, mein Schatz. Ich liebe dich. Wir sehen uns bald.«
»Ich liebe dich auch, Ma. Bis bald.«
Quinn beendete den Anruf und vergrub das Gesicht in den Händen. Er wusste nicht, wie er diese Neuigkeit verarbeiten sollte, denn er spürte bisher noch nicht einmal die Leere, die sein Großvater hinterlassen hatte. Er wusste, dass sich das ändern würde, sobald er wieder in Seattle war, aber im Moment fühlte sich Quinn wie betäubt. Erschöpft und betäubt. Seine Tür öffnete sich einen Spalt.
»Babe, ist alles in Ordnung?« Es war Dane.
Als er die vertraute Stimme hörte, brach Quinn zusammen. Er krümmte sich zusammen, vergrub das Gesicht zwischen den Knien und begann zu weinen. Er wusste nicht, ob sein Großvater der Grund dafür war, oder sein Leben, oder die schiere Erschöpfung nach dem Rausch, aber er konnte nicht aufhören zu weinen. Dane ließ sich neben ihm nieder und nahm Quinn in die Arme.
»Nein«, murmelte dieser und schniefte.
»Was ist los?«, wollte Dane wissen, dabei strich er Quinn sanft das Haar aus dem Gesicht.
Quinn fühlte sich, als bräche ihm das Herz. Er wusste nicht einmal, wie er es erklären sollte. »Mein Grandpa ist gestorben. Ich muss für eine Weile nach Hause«, war alles, was er herausbrachte.
»Oh, Babe. Es tut mir so leid«, murmelte Dane. »Möchtest du, dass ich dich begleite?«
Quinn schüttelte den Kopf. »Es wird fürchterlich.«
»Na, dann lieber nicht. Ich hatte erwartet, die Clubs in Seattle zu testen.« Da schaute Quinn auf. Dane verdrehte die Augen und Quinn musste lachen. »Natürlich wäre ich für dich und deine Mom da, Babe. Ich werde tun, was immer nötig ist, um euch zu helfen.«
Quinn schüttelte den Kopf. »Das wäre toll, aber wenn du mitkommst, kommt Hunter auch mit, und das wäre keine gute Idee.«
»Ich weiß. Ich will bloß nicht, dass du allein bist.«
»Ich habe doch meine Mom.« Quinn verzog das Gesicht. »Und Porter.«
»Oooh, Groß, Dunkelhaarig und Nervtötend ist immer noch da?«
»Als ich zuletzt zu Hause war, hat er Sparta praktisch geleitet. Das wird er jetzt wohl wirklich tun.« Quinn zuckte mit den Schultern. Das war ihm nicht wichtig. Das war es noch nie. »Ich muss mich fertig machen. Mom hat den Firmenjet geschickt, um mich abzuholen.«
»Okay. Soll ich dich zum Flughafen fahren?«, fragte Dane.
»Nein. Ich lasse mir einen Wagen kommen. Geh schlafen, D.«
»Ich bin immer noch fit. Ich wünschte, es wäre nicht so.«
So müde er auch war, Quinn war ebenfalls immer noch irritierend aufgekratzt. »Ja, ich auch. Vielleicht schlafe ich im Flugzeug. Es wird unschön genug, wenn ich ankomme.«
»Ich werde dich vermissen, Quinny. Du rufst mich sofort an, wenn du etwas brauchst, und ich schwinge meinen Hintern ins erste Flugzeug, okay?«
»Ich weiß. Ich hab dich lieb, D.«
»Ich dich auch. Jetzt lass uns packen, dann gehe ich ins Bett.«