Wien

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Auch auf sonstige Eigentümlichkeiten der Wiener Kellner muss ich Sie schonend vorbereiten. Wenn Sie hier verhungert anlangen, wird Sie zunächst ein winziger Knabe zum Alkoholismus bekehren wollen, indem er die scharfe Frage an Sie richtet: »Trinken, bitte?« Das ist nämlich der Pikkolo, der die Getränke bringt. Sie sagen ihm: »Vor allem möchte ich die Speisekarte.« Darauf wiederholt er mechanisch: »Speis’karten auf drei rechts« (die Nummerierung Ihres Platzes), welcher Ruf sich von einem Kellnermund zum anderen so lang fortpflanzt, bis Sie sich selbst die Speisekarte vom nächsten Tisch holen. Während Sie im besten Aussuchen und Gustieren sind, senkt sich eine derbe Faust mit einem Bleistift auf die Karte und fängt zu linieren an, der Speisenträger, der hierzu bemerkt: »Alles schon aus. Nur mehr Lungenbraten à la Crême. Sehr fein.« Dann fügt er milder hinzu: »Oder ich lass Ihnen ein Schnitzerl machen.« Sie sagen: »Gut. Ein Wiener Schnitzel mit Reis.« Der Kellner ungehalten und belehrend: »Das passt ja nicht dazu. Heurige Salzgurke oder gemischten Salat.« Wenden Sie nichts dagegen ein, er bringt Ihnen ja doch das, was er will.

Wenn aber der Fremde eine ungestrichene Speisenkarte vorfindet, dann ist das Problem der Bestellung noch schwieriger. Denn eine Wiener Speisenkarte ist so lang wie ein Heldenepos und in einem seltsamen, französisch-ungarisch-tschechischitalienisch-wienerischen Idiom abgefasst. Ohne Dolmetscher kommen Sie da unmöglich weiter oder Sie verirren sich in die gefährlichsten Magenabgründe. Gestatten Sie, dass ich Ihnen die hier verzeichneten 87 Genüsse verdeutsche und erläutere.

Wollen Sie ein Menü essen? Diese unwienerische Einrichtung hat sich allmählich, so wie die schlechten Zeiten, durchgesetzt und was da für 1,50 bis 2,50 Schilling geboten wird, ist ja meistens ganz anständig. Aber ein Menü ist nicht das richtige Studienobjekt für eine Kochkunstwanderung. Also: Es gibt fertige und frisch gemachte Speisen wie Rumpsteak mit Hindernissen (zu Deutsch: vielfache Garnierung), Salzburger Nockerln oder Kaiserschmarrn, was im Baedeker so erläutert wird: »In Stücke zerrissener Mehlpfannkuchen«, aber es ist viel wohlschmeckender als diese Definition. Das alles steht nur auf der Karte, damit man es sich nicht bestellen soll, denn dadurch macht man sich beim gesamten Personal unbeliebt und bis man die frisch gemachte Speise bekommt, ist man selbst längst nicht mehr frisch. Bleiben wir lieber bei den fertigen Speisen. Es gibt eine klare, angebliche Rindsuppe, die sich ehrlich um das Problem bemüht: »Macht mit Maggi gute Suppen – wenn ihr könnt.« Dann gibt es dicke oder falsche Suppen. Heute gibt es Schöberlsuppe, das ist eine Einlage von viereckigen, gebackenen Biskuitteigstücken, wenn es nicht Hirn- oder Schinkenschöberl sind. Und dann gibt es eine Rindspilafsuppe. Das Wort stammt vom Balkan und so unsicher sind die Zusammensetzungsverhältnisse dieser Suppe, die eine Fleischpüreesuppe mit dunkler Vergangenheit ist. Man muss sich eben hier auskennen, dann isst man ausgezeichnet. Zum Beispiel das berühmte, gekochte Rindfleisch. Aber fragen Sie zuerst, ob ein Tafelspitz oder Kruspelspitz da ist, dann wird der Kellner vor Ihnen als einem feinen Kenner Hochachtung haben und nicht wagen, Ihnen ein trockenes, zähes Stück zu bringen. Auch alle Naturbraten kann man unbedenklich essen, besonders Nierenbraten und Schweinskarree. Dagegen warne ich Neugierige vor dem ungarischen Rebhuhn, das durch seinen wohlfeilen Preis schon manchen arglosen Fremden in eine Kalbssulze hineingelockt hat, und vor dem griechischen Beefsteak, denn eine Wochenschau genießt man besser im Kino. Eine rätselhafte Inschrift ist auch: »Kalbsvögerl à la Champignon«. Der Kellner wird Ihnen die tiefsinnige Erläuterung geben: »Das ist so mit Champignon.« Die Gemüse sind gut gemeint, aber für Ihren Geschmack zu stark eingebrannt, d. h. mit geröstetem Mehl versetzt. Die Mehlspeisen gliedern sich in warme Mehlspeisen und »Bäckereien«, wie man hier so liebenswürdig unrichtig sagt. Apfel-, Topfen-, Milchrahmstrudel sind Ihnen wohl bekannt. Aber wie soll ich Ihnen die Powidlbuchteln definieren? Doch nicht so grausam wie Baedeker: »Hefeteigküchlein mit Obstlatwerge gefüllt.« Das klingt ganz medizinisch, aber Buchteln holt man doch nicht aus der Apotheke. Es ist überhaupt, wie ich jetzt sehe, gar nicht so einfach, die Wiener Speisenkarte zu verdeutschen. Da muss man sich durchessen. Bestellen Sie sich ja nicht Wienertascherl, ein Backwerk, das meistens seit der Gründung des Lokals vorrätig ist und auch kein Obst, kein Kompott, denn auf diese Genüsse sind in den Wiener Gasthäusern aus unbekannten Gründen die schwersten Geldstrafen gesetzt.

Trinkzwang besteht in den Wiener Gasthäusern nicht, doch sind Wassertrinker unbeliebt. Bestellen Sie ein kleines Bier oder einen »Gspritzten«, eine Mischung von Weißwein und Sodawasser, die leichter zu trinken als auszusprechen ist. Wenn Sie schließlich Ihre Rechnung begleichen wollen, so rufen Sie eine halbe Stunde vorher: »Zahlen!« Auch dieser Ruf wird sich wieder von einem Kellnermund zum anderen fortpflanzen, ohne anderen Effekt als den, dass der Zahlkellner daraufhin die Flucht ergreift. Aber Sie brauchen nur den Überrock anzuziehen und der Zahlkellner ist schon da. Um Gottes willen, sagen Sie nur ja jedes »Brot« (nämlich Brötchen) an, das Sie verzehrt haben, denn diese kleinliche Tradition ist auch vom Umsturz unberührt geblieben. Und erschrecken Sie nicht, wenn sich hinter dem Zahlkellner der Speisenträger und der Pikkolo mit hypnotischen Trinkgeldblicken aufpflanzen. Auch das Dreikellner- und Dreitrinkgeldsystem hat das habsburgische System überdauert. Und lassen Sie sich nichts von Ihrem Reisehandbuch einreden: Man gibt zehn Prozent der Zeche. Ja, wenn man ein Schmutzian ist. Bei einer Zeche von sechs Schilling gibt man dem Zahlkellner 40 Groschen (vier Nickelstücke) und hinterlässt auf dem Tische in zwei getrennten Häufchen 30 Groschen für den Speisenträger, 10 Groschen für den Pikkolo. Dafür wird Ihnen dann bei Ihrem Abgang ein überzeugtes »Habe die Ehre gute Nacht zu wünschen, Herr Doktor«, nachklingen, auch wenn Sie wie ein Analphabet aussehen. Das ist doch sehr nett, nicht?


Professor Mac Callum, der Radioliebling von Wien

Ich denke, für heute haben wir genug gegessen. Mir scheint, die gnädige Frau ist sogar schläfrig. Tun Sie sich keinen Gähnzwang an. Kunstwandern ermüdet immer. Wissen Sie was: In Ihrem Hotelzimmer haben Sie doch ein Radio, gleich beim Bett. Sie scheinen keine begeisterte Radiohörerin zu sein? Ich will Ihnen ja etwas spezifisch Wienerisches und Lustiges empfehlen, und das ist merkwürdigerweise etwas Englisches. Der Professor Mac Callum und seine Radiokurse sind nämlich eine berühmte Wiener Spezialität, und seine Vorträge haben den größten Zulauf, oder richtiger gesagt: Zuhorch. Professor Mac Callum spricht um halb acht. Jetzt, um halb elf können Sie gerade die »leichte Abendmusik« hören: die Kapelle Silving oder die Jazzband aus dem Bristol. Sehr hübsch und dabei schläft man angenehm ein. Wir Männer gehen noch nicht schlafen. Bummeln, das Laster inspizieren? Oh nein, das liegt uns fern. Als moderne Geldmenschen sind wir mehr für den bargeldlosen Verkehr. Der Herr Gemahl hat nur noch ein bisschen Durst und diese Wein- und Bierlokale sind wirklich nichts für Damen. Küss’ die Hände, gute Nächte!

Also, RATHAUSKELLER? Die von Wiener Künstlern ausgeschmückten gemütlichen Räume haben echte Trinkstimmung, und der Wein ist gut. Wenn Sie noch volkstümlicher sein wollen, dann müssen wir in den ALTEN HOFKELLER in der Hofburg gehen oder in den KLOSTERNEUBURGER STIFTSKELLER in der Renngasse und uns ein Viertel Prälatenwein kaufen. Wenn Sie aber den Wein in einem ganz eigenartigen Milieu trinken wollen, dann steigen wir in den jahrhundertealten, viele Stockwerke tiefen ZETTKELLER oder URBANI-KELLER am Hof hinunter. In diesen katakombenartigen Nischen ist es so dunkel, dass nicht einmal der Schwerbezechte etwas doppelt sehen kann. Und das Hinaufklettern mit einem Liter gerebeltem Gumpoldskirchner im Leibe ist auch kein Spaß.

Ach so, Sie haben mehr Bierdurst? Da ist die Auswahl nicht so groß, denn die berühmten historischen Bierbeisl sterben aus: der ROTE IGEL am Wildbretmarkt, wo Johannes Brahms seinen Stammtisch hatte, das WINTERBIERHAUS, wo Ludwig Speidel, Wiens kunstkritisches Gewissen, Schwechater Lager trank, und der KÜHFUß in der Naglergasse, wo Paul Schlenther sich wohler fühlte als auf dem Direktionssessel des Burgtheaters. Da gibt’s eigentlich nur noch zwei Ziele: die BIERKLINIK in der Steindlgasse oder das berühmte GRIECHENBEISL in der Griechengasse beim Fleischmarkt. Das muss man gesehen, dort muss man getrunken haben. Es befindet sich beim Fleischmarkt, dem orientalischen Viertel Wiens, zwischen einem türkischen Tempel und einer griechischen Kirche, in der unheimlich engen Griechengasse, wo die Häuser noch durch Schwibbogen miteinander verbunden sind. Auch drin ist eine weihevolle Stimmung, in den vielen winzigen und niederen Zimmern und eine unmögliche, rauchig dunstige Luft. Aber sitzen Sie nur erst drei, vier Stunden hier, wie diese würdigen, zumeist den geistigen Berufen angehörenden älteren Herren und Sie spüren nichts mehr davon. Sitzen Sie an diesen ungedeckten Tischen und essen Sie eine pikante Kleinigkeit, denn hier ist das Trinken die Hauptsache. Hier hat das Bier noch Kellertemperatur und den dicken Schaum. Hier trinkt man nicht ein oder zwei Krügel, sondern Serien, deren Zahl man durch hingelegte Zündhölzchen festhält. Hier tauchen noch in regelmäßigem Turnus die Altwiener Hausierergestalten auf: der »Gottscheber« (der aus der »Gottschee« in Krain stammt), bei dem man auf den Gewinn von Zuckerln und Südfrüchten spielen kann, der Karamellmann, die närrische Blumenverkäuferin, die zu Ihnen »Goldengerl« oder »Schöner junger Herr« sagt und der Händler mit pikanten Büchern. Hier sitzt man lange, zieht an Virginierzigarren, schweigt, raucht, spuckt und trinkt. Hier scheint das Leben still zu stehen, nur das Bier fließt frisch. Hierher hat sich das gestrige und gewesene Wien zurückgezogen und im Bierdusel einnickend, stirbt es hier aus. Echteres Alt-Wien kann ich dir, oh Fremdling, nicht zeigen und darum genieße es mit Ehrfurcht: Jahrhundertealte Räusche blicken auf dich herab …

 

Stammtisch im Griechenbeisl

KAFFEEHAUSKULTUR

»Wiener Kaffeehaus« als Begriff. – Anleitung zum Kaffeetrinken. – Der Markör als Menschenkenner. – Alte und neue Lokale. – Theater- und Literaturkaffeehäuser.

Das ist auch eines von den Schlagworten, die seit undenklichen Zeiten mit dem Begriff »Wien« verknüpft sind. Wenn von Wien die Rede ist, denkt man dabei sofort an gewisse typische Dinge: Wiener Musik, Wiener Gebäck, Wiener Kaffeehaus. Das gehört zu unseren Spezialitäten, und Spezialitäten werden immer gern nachgemacht, natürlich meistens schlecht. Sie, gnädige Frau, sind dazu noch zu jung, aber der Herr Gemahl wird sich bestimmt erinnern, auf seinen Reisen in Europa Lokale gefunden zu haben, die die lockende Bezeichnung trugen: Wiener Kaffeehaus. Was natürlich in den meisten Fällen eine glatte Falschmeldung ist. Weil dort ein aus Wien, vielleicht aber nur aus St. Pölten stammender Kellner bedient, weil der Milchkaffee als »Melange« in Gläsern serviert wird, deshalb bilden sich diese Lokale ernstlich ein, Wiener Kaffeehäuser zu sein. Aber wie unähnlich sind sie dem Original. Nein, nach diesen Imitationen dürfen Sie sich kein Bild vom Wiener Kaffeehaus machen, denn das ist eine Einrichtung, die sich überhaupt nicht imitieren lässt, weil sie nicht von gestern auf heute entstanden ist, sondern aus alten Gewohnheiten und Traditionen heraus. Und von aller alten Kultur, die uns so gern nachgerühmt wird, ist vielleicht unsere Kaffeehauskultur die echteste und wienerischste.

Bemerken Sie, wie meine Brust ausnahmsweise von lokalpatriotischem Stolz geschwellt ist? Auf unsere Kaffeehäuser können wir uns nämlich wirklich etwas einbilden. Sie sind etwas so Nettes, Hübsches und Behagliches und vor allem etwas ganz Eigentümliches, wie Sie es in der ganzen Welt nicht wiederfinden werden. Ich weiß schon: Anderswo gibt es auch Kaffeehäuser, riesige, elegante, turbulente, aber diese Massenbetriebe ohne jede Gemütlichkeit, ohne jede Individualisierung, das ist, wie die Wiener Jargonwendung lautet: »Kein Kaffeehaus für mich.« Im CAFÉ DE LA PAIX oder im QUADRI sind Sie ein beliebiger Gast unter hunderten. Besuchen Sie aber ein Wiener Kaffeehaus dreimal hintereinander und Sie sind bereits eine Individualität, eine bestimmte Persönlichkeit, vom Kellner gekannt, speziell bedient und in jeder Weise geehrt. Und für eine Konsumation von einem Schilling erkaufen Sie sich ein ganz eigenes Behagen, das Sie in Paris und Rom nicht für die größten Beträge bekommen.

Freilich, auch hier muss man schon wieder den Trennungsstrich machen, der jetzt durch das ganze Wiener Leben geht: gestern und heute. An den großen Ausverkauf der alten Wiener Art hat auch das Kaffeehaus glauben müssen, an die Berlinisierung und Amerikanisierung der Lokale, an die Renovierung, Modernisierung, den großen Rummel, den Betrieb und Luxus oder kurz und wienerisch gesagt: an den ganzen Pflanz’ mit Musikbegleitung. Deshalb muss ich auch meinen lokalpatriotischen Stolz wieder beträchtlich zurückschrauben, und wenn Sie nun von mir verlangen, dass ich Sie durch echte Altwiener Kaffeehäuser führen soll, komme ich einigermaßen in Verlegenheit. Die meisten dieser Lokale sind nämlich verschwunden. Weil die alten Häuser demoliert wurden, die noch jene geräumigen Parterrelokale mit breiten Pfeilern, tiefen Nischen und gewölbten Decken hatten oder weil während der Konjunkturjahre die Kaffeehäuser von neuen Bankhäusern ausgemietet wurden. Nach der großen Pleite hat ja die Rückbildung begonnen, und aus den verkrachten Banklokalen sind wieder Kaffeehäuser geworden, aber die haben schon den modernen Zuschnitt.

Es wird vielleicht das Beste sein, wenn ich Ihnen, bevor wir uns auf die Kaffeehauswanderung begeben, zunächst einen kleinen Vortrag halte: über das Wesen des Wiener Kaffeehauses, seine Einrichtungen und Sitten, aus denen sich die ganze Kaffeehauskultur zusammensetzt, von der selbst in den neuen Lokalen trotz Luxus und Jazzband noch immer etwas zu spüren ist.

Auch als Fremder werden Sie das bald merken. Beispielsweise, wenn Sie das Frühstück im Kaffeehaus nehmen. Sie werden doch nicht im Hotel frühstücken: auf dem Zimmer, im Bett, was ich überhaupt schrecklich finde oder in dem am Morgen so nüchternen Speisesaal? Das tun in Wien die wenigsten Fremden. Fast alle gehen in das nächste Kaffeehaus, denn dort ist das Frühstück viel billiger, besser und behaglicher. Beim Eintritt umfängt einen sofort die weiche, warme Mokkaatmosphäre. Auf den Mitteltischen liegen stoßweise die Morgenblätter, stehen die hochbeladenen Semmelkörbe. Sofort begrüßen uns zwei, drei Kellner in einer herzlichen Weise, als ob es ein frohes Wiedersehen wäre: »Habe die Ehre, guten Tag zu wünschen die Herrschaften, küss’ die Hand die Dame.« Die Überkleider muss man am Vormittag, wo das Kaffeehaus schwach besucht ist, nicht unbedingt in die Garderobe geben. Zu den anderen Tageszeiten ist das schon ratsam, denn ein schöner Winterrock, ein neuer Schirm ist bald gestohlen oder vertauscht, natürlich gegen ein schlechteres Stück. Auch die Kaffeehausbesitzer machen in Aufschriften ausdrücklich darauf aufmerksam, dass sie bei Nichtbenützung der Garderobe nicht ersatzpflichtig sind. Infolgedessen benützt der echte Wiener die Garderobe womöglich nicht, kommt ihm aber dann etwas weg, macht er ein großes Geschrei, fordert Ersatz und ist überzeugt, im Recht zu sein. Das gehört mit zu unseren kleinen Schwächen.

Der Ober, der hier Zahlmarkör heißt, häuft Zeitungen auf den Tisch und fragt verbindlich: »Was wird angenehm sein?« Die Bestellung gibt er sodann an den einen Schritt hinter ihm stehenden Markör oder Zuträger weiter, nach welcher aufopfernden Dienstleistung er sich ins Privatleben zurückzieht, mit der Kassiererin oder dem Feuerburschen in der Kaffeeküche leise konferiert, eine Zeitschrift liest oder im Hintergrund einige Züge aus einer Zigarre macht. Da er aber auf den ersten Blick sieht, dass es sich um Fremde handelt, offeriert er Tee, Kakao, Schokolade. Ich denke, Sie wollen doch die Bekanntschaft des berühmten Wiener Kaffees machen? Um Gottes willen, sagen Sie nicht Káffee wie die Reichsdeutschen, schon das Wort schmeckt nach nichts Gutem, sondern sagen Sie »Kaffeeh«, das klingt gleich viel aromatischer. Aber Sie dürfen auch nicht einfach bestellen: »Geben Sie mir Kaffee.« Das zeigt von Unbildung, man merkt sofort, dass Sie sich in Wien nicht auskennen und sogar der kleine Pikkolo denkt sich: »Oijeh, a Zuagraster«, was aber nichts mit Gras zu tun hat, sondern einen frisch zugereisten Fremden bedeutet.

Da es aber doch auf Reisen immer viel netter ist, in einer fremden Stadt für einen Einheimischen gehalten zu werden, werde ich mir jetzt erlauben, Ihnen vor allem die verschiedenen Spielarten der Wiener Kaffeemischungen vorzustellen. Ursprünglich hat man den Wiener Milchkaffee, dem in besseren Zeiten auch gekochtes Obers (Sahne) zugesetzt war, Melange genannt, die in hohen Gläsern serviert wurde, deren sich heute das kleinste Vorstadtczecherl oder Czoch (eine Wortbildung, die noch aus einer Zeit stammt, wo der Hauptsitz der Tschechen Wien war) genieren würde. Jetzt wird die Melange nur mehr in einer breiten, dickwandigen Tasse serviert, die man Teeschale nennt. Wenn Sie also den üblichen Frühstückskaffee trinken wollen, dann muss Ihre Bestellung lauten: »Eine Teeschale.« Frage des Markörs: »Mit oder ohne?« Er meint nämlich, ob Sie den Kaffee mit oder ohne Schlagobers (meinetwegen: Schlagsahne) haben wollen. Sie können aber auch die zweifache Menge haben, gnädige Frau, dann sagen Sie ganz einfach: Doppelschlag. Hierauf gibt der Markör die Bestellungen, die er an verschiedenen Tischen gesammelt hat, bei der Kassa und bei der Küche ab, mit einem eiligen Satz, dessen Sinn Ihnen unklar ist: »Fünf Lauf, dazu zwei ohne, einer mit, einer mehr braun, sehr heiß, zwei passiert, zwei Lauf Haut.« Das ist doch ganz klar. »Lauf« bedeutet die übliche, mittelbraune Mischung, die Sie auch dunkelbraun oder sehr hell haben können, wenn Sie die Milchhaut verabscheuen, passiert, wenn Sie sie mögen, mit dicker Milchhaut bedeckt. So viel Raffinement, so viel Feinschmeckerei bei einem simplen Frühstück. Sehen Sie, das gehört schon zur Kaffeehauskultur.

Sie können natürlich auch eine Portion Kaffee haben, ein Kännchen Schwarzen und ein Kännchen Milch, aber das ist unverhältnismäßig teurer und legitimiert Sie sofort als »Zuagrasten«. Nehmen Sie lieber die Kombination von Tee, oder Kaffee oder Schokolade mit Butter, einem Ei und Jam. Sie heißt Wiener Frühstück, weil sich das die wenigsten Wiener geben lassen, ist aber preiswert.

Für die übrigen Tageszeiten gibt es wieder andere Mischungen: den gewöhnlichen Schwarzen, der aber seit dem Krieg ungenießbar geworden ist, weshalb man jetzt nur den Mokka bestellt, der auch wieder verschiedene Varianten hat: die Schale Gold, den Kapuziner, die Nuss braun. Aber das kann man nicht erklären, da muss man sich durchkosten. Eine Nachkriegserscheinung ist auch der Türkische und der Espresso im Kupferkännchen, auf Wunsch passiert, und der sogenannte Fiaker, ein Schwarzer in einem modernen Teeglas. Wenn Schlagobers dabei ist, sagt man »Fiaker gespritzt«. In einigen Jahren wird das die letzte Erinnerung an die Wiener Fiaker sein. Und wenn Sie sich alle diese Bezeichnungen gut gemerkt haben, dann erst können Sie in Wien Kaffee trinken …

Bei der Gelegenheit könnte ich Ihnen auch gleich das Wiener Gebäck vorstellen. Die Semmel, ehemals Kaisersemmel, ist Ihnen bekannt, auch das Kipfel, das jedoch in nichtmürbem Zustand Wasserkipfel heißt. Das mit Mohn bestreute, geflochtene Gebäck heißt Mohnstrizzel, das Salzstangel ist ohne Weiteres zu erkennen, ebenso das Salzweckerl und die übrigen Weckerln. Nur wenn es aus dunklem Brotmehl hergestellt ist, heißt es plötzlich »Bosniak«. Etwas neckisch sind die Bezeichnungen für das mürbe Gebäck: Kipferl, Laberl, Baunzerl, Schneckerl und der mit Mohn bestreute Prager Spitz. Sie dürfen aber nicht glauben, dass ich einmal Bäckerlehrling war. Diese Nomenklatur ist jedem Wiener geläufig. Außerdem gibt’s im Kaffeehaus noch Briochekipfel und beim Mehlspeiskellner Gugelhupf, Bischofbrot, Schnecken aus Germteig und allerlei Torten und Scheidl-Bäckerei, so genannt, weil der Hoföbstler und Konditor Scheidl in der Churhausgasse diese süßen Kleinigkeiten in berühmter Qualität zuerst in den Verkehr brachte. Diese Zuckerbäckerwaren sind aber nur in den erstklassigen Lokalen genießbar, ansonsten warne ich Neugierige.

Wenn Sie mit dem Frühstück fertig sind, dann wartet enorme Lektüre auf Sie, denn das Halten von möglichst vielen Zeitungen und Zeitschriften ist noch immer eine Spezialität und Stärke des Wiener Kaffeehauses, die allerdings durch die jetzt immer zahlreicher werdenden Kolporteure bedroht wird. Auch beim Servieren der Zeitungen bewährt sich wieder die sichere Menschenkenntnis des erfahrenen Zahlmarkörs, der genau weiß, welche Zeitung Sie wünschen. Wenn Sie alle größeren Auslandszeitungen lesen wollen, müssen Sie in spezielle Lesekaffeehäuser gehen, wie CAFÉ CENTRAL in der Herrengasse oder CAFÉ IMPERIAL.

Mit der Zeitung in der Hand und vor zwei Gläsern Wasser können Sie hier sitzen, so lange Sie wollen. Konversationslexikon, Adressbuch, Telephon und Schreibzeug stehen ebenfalls unentgeltlich zu Ihrer Verfügung. Sie werden auch bemerken, dass hier einzelne Herren, namentlich am Vormittag, ihr Bureau etablieren, ihre Korrespondenz erledigen, Geschäftsfreunde empfangen und die Kaffeehauskasse als Poste-restante-Bureau benutzen. Auch Vermittlung von Telephonnachrichten wird gratis und diskret besorgt, indem der Zahlmarkör den eintretenden Stammgast mit dem durch den ganzen Raum hallenden Ruf begrüßt: »Herr von Pollitzer wurden von einer Dame angerufen, war aber nicht die Frau Gemahlin.« Von seinen Stammgästen weiß der Zahlmarkör überhaupt alles: Biographie, Bekanntenkreis, Beziehungen, auch steht er langjährigen Kunden als Kreditinstitut zur Verfügung, wobei er allerdings, trotz seiner Menschenkenntnis, auf einen neuen, aber unbezahlten Stadtpelz blind hineinfällt. Trotzdem ist noch kein Wiener Zahlmarkör im Armenhaus gestorben, obwohl die Trinkgelder nicht groß sind, aber es summiert sich eben. Man gibt dem Zahlmarkör 20–30 Groschen, und 10–20 Groschen lässt man auf der Tasse für den Zuträger zurück. Geben Sie ja nicht mehr, sonst machen Sie sich sofort irgendwie verdächtig. Nur wer im Wiener Kaffeehaus das Übliche gibt, der wird von den Kellnern geschätzt. Ist das nicht ein feiner Zug?

 

Nach dem Mittagessen, also zwischen ein und drei Uhr, das ist der Beginn der eigentlichen Kaffeehauszeit, da gehen die Geschäftsleute, die Beamten und Angestellten auf einen Schwarzen, ein Abendblatt und einen Plausch. Daran schließen sich ohne Pause die übrigen Kaffeehauszeiten: die Kartenpartien im Hintergrunde und die Billardpartien im Vordergrunde. Weichen Sie den oft leidenschaftlichen Spielern sorgsam aus, denn nach einem ungeschriebenen Wiener Kaffeehausgesetz haben sie das Recht, unvorsichtigen Vorübergehenden die heftigsten Stöße zu versetzen.

Dann kommt die Jausenzeit und der Zustrom der Damen, die hier an großen runden Tischen Jour halten und nebst viel Gebäck, Indianer- und Faschingskrapfen, Eis und Schlagobers den guten Ruf von abwesenden Freundinnen konsumieren. Von dieser Stunde an bleibt das Kaffeehaus überfüllt und Sie müssen sich zu fremden Leuten an den Tisch setzen, was ich als älterer Wiener Sonderling prinzipiell nicht tue. Ab 7 Uhr wird im Kaffeehaus genachtmahlt. Auf die Frage: »Was kann man zu essen haben?«, antwortet der Kellner mechanisch: »Schinken, Butter, Eier, Ham und Eggs, Käse, Aufschnitt, Frankfurter, Debreziner, zwei Stück Sardinen.« Aber es gibt jetzt immer mehr Kaffeehäuser mit kleinerem oder größerem Restaurationsbetrieb, da und dort gibt’s auch Bier vom Fass. Die warmen Nachtmahlesser werden hier durch das Aufbreiten eines, allerdings nicht immer ganz einwandfreien weißen Tischtuches, geehrt, während die gewöhnlichen Eier- und Schinkenbrotesser auf dem bloßen Tisch speisen müssen. Bitte, daran ist nicht zu rütteln! Von 9 Uhr an kommt man wieder nach dem Nachtmahl, nach dem Kino, Theater oder Konzert ins Kaffeehaus, das bis Mitternacht und darüber Vollbetrieb hat. Es ist eben trotz aller unerträglichen Steuern noch immer ein ganz gutes Geschäft und mit keiner besonderen Anstrengung verbunden als der, von Tisch zu Tisch zu gehen und freundliche Buckerln zu machen. Der abgeklärte, freundlich zerstreute Herr, der dies tut, ist nämlich der Kaffeesieder, was auf Deutsch Cafétier heißt.

Mit diesen allgemeinen Vorkenntnissen ausgestattet, können wir uns jetzt schon auf die Kaffeehauswanderung begeben. Natürlich kann ich Sie nur in die größten, wichtigsten und charakteristischsten führen. Das richtige, gute und solide alte Kaffeehaus ist das CAFÉ REBHUHN in der Goldschmiedgasse. Mitten im Geschäfts- und Modewarenviertel gelegen, hat es angesehene Kaufleute, Ärzte, Rechtsanwälte und Beamte zu Stammgästen. Ähnlicher Art sind die älteren Ringstraßen-Kaffeehäuser, nur durch die Korsonähe etwas luxuriöser: das CAFÉ KAISERGARTEN an der Ecke der Eschenbachgasse, das CAFÉ OPERA an der Ecke der Operngasse und das CAFÉ IMPERIAL im Hause des gleichnamigen Hotels. Von den Eigentümlichkeiten dieses Kaffeehauses erwähne ich: sehr viele Zeitungen, ein aus Schreibtischmenschen, Damen und Turfleuten gemengtes Publikum und durch die Küche des Hotels Imperial angenehme Nachtmahlmöglichkeiten. Hier, meine Gnädige, können Sie Scheidl-Bäckereien ruhig essen. Sie können hier aber auch den eigenartigsten Schriftsteller Wiens sehen: Karl Kraus, den witz- und sprachgewaltigen Herausgeber der »Fackel«, der hier in gewollter Isoliertheit jeden Abend sitzt. Von den Fremden wird das CAFÉ LEBMANN in der Kärntner Straße, das CAFÉ RITZ am Neuen Markt und das GRABENCAFÉ bevorzugt. Auf dem Graben sind vom Frühjahr bis zum Herbst zwei Kaffeekioske in Betrieb, wo man ruhig und beobachtend mitten im Trubel sitzen kann. Hier ist der Großstadtweise Peter Altenberg mit Vorliebe gesessen.

Das sind lauter Kaffeehäuser, die man aufsucht, um Kaffee zu trinken, ausdauernd zu sitzen, zu lesen, zu tratschen. Wohl auch, um Geschäfte einzuleiten und abzuschließen, obwohl die große Zeit der Kaffeehausgeschäfte vorüber ist. Auf den Marmortischplatten findet man manchmal noch verblasste Kalkulationen, die einzigen Überbleibsel der Inflationskonjunktur.

Die meisten übrigen großen Lokale haben eine Salonkapelle oder eine Jazzband, sind auf Luxus- und Nachtbetrieb eingestellt: CAPUA in der Johannesgasse, CAFÉ LURION in der Siebensterngasse, CAFÉ ARLON in der Rothgasse, das KRYSTALLCAFÉ auf dem Aspernplatz. Das sind schon mehr Tanz- und Vergnügungslokale von Allerweltscharakter.

Jetzt könnte ich Ihnen nur noch jene Lokale zeigen, die ich Berufskaffeehäuser nennen möchte, weil sich dort die Angehörigen bestimmter Gruppen zusammenfinden: Im RINGCAFÉ auf dem Stubenring die Fußballgrößen, im ARTISTENCAFÉ in der Praterstraße die Leute vom Varieté und Zirkus. Natürlich gibt es auch eine ganze Menge Theaterkaffeehäuser. Die Wiege der Wiener Operette war vor 25 Jahren der berühmte Stammtisch von Karczag, Lehár und den anderen Größen im CAFÉ MUSEUM in der Friedrichstraße. Die Lokale der Operetten-, der Varieté- und Kabarettleute sind jetzt das CAFÉ HEINRICHSHOF gegenüber der Oper, CAFÉ DOBNER und CAFÉ PAYR auf dem Getreidemarkt, und vor allem das CAFÉ SACHERBAR auf dem Opernring. Am Nachmittag zwischen 3 und 6 Uhr können Sie hier die verschiedenen Meister, Verdiener und Mitläufer des Operettenmarktes sehen: Da fährt Emmerich Kálmán vor, bereits von seinen getreuen und eifersüchtig wachsamen Leiblibrettisten Brammer und Grünwald erwartet, da sitzt der witzige Rudolf Österreicher, der abgeklärte Dr. Willner, der höflich ruhige Bela Jenbach, der tiefsinnige Heinz Reichert, der gedankenblasse Willy Sterk, da sitzen die Operettenverleger, namentlich die kleineren, die Tenöre und Komiker, da wird fachgesimpelt, werden Misserfolge prophezeit, Tantiemenerfolge geschätzt. Wer die zwei absolut gleich aussehenden und gleich gekleideten Herren von nicht unbedingt christlichem Typus sind? Ja, das sind Zwillinge, schon seit ihrer Geburt, und sie halten an dieser Tradition seit mehr als 50 Jahren fest. Dadurch sind sie in Wien und im Sommer in Ischl die bekanntesten Straßen- und Lokalfiguren geworden. Außer ihrer lustigen Ähnlichkeit verfügen sie noch über sehr viel Witz, den sie teils im Gespräch, teils in ihren Jargonschwänken für die Werbezirk freigebig ausstreuen. Man nennt sie abgekürzt »die Gölze«, weil man ohnehin nicht genau weiß, welcher der Emil und welcher der Arnold Golz ist. Der dicke Herr in ihrer Gesellschaft ist Herr Piffl, Gatte der Frau Werbezirk und Neffe des Kardinals von Wien. Sie sehen, es kann nicht so arg sein mit den konfessionellen Gegensätzen, wenn der Kardinal und Fürsterzbischof der Onkel der jüdischsten Schauspielerin ist …


Café´Sacher-Bar

Und die berühmten Wiener Literaturkaffeehäuser? Sie kommen eigentlich nur mehr in den in Berlin geschriebenen Literaturgeschichten vor, deren Verfasser noch immer beim CAFÉ GRIENSTEIDL, bei Jung-Wien und beim süßen Mädel halten und die noch immer jeden Wiener Autor als müde Kaffeehauspflanze schildern. Das war einmal, vor 25 Jahren, aber jetzt gibt’s kein Griensteidl mehr, kein Jung-Wien – und die süßen Mädel? Davon reden wir später. Die jungwiener Dichter Bahr, Schnitzler, Hofmannsthal, Beer-Hofmann sind heute würdige, abgeklärte Herren, die sich in ihre Cottagevilla oder in eine mit allem kirchlichen Komfort ausgestattete Weltanschauung zurückgezogen haben. Und der Nachwuchs hat gar kein Bedürfnis, sich zu einer Richtung, einer Schule zusammen-zuschließen, weil jeder schon ausgelernt zu haben glaubt und jeder auf einem anderen Weg strebt: teils vorwärts und auch sonst. Heute befasst man sich nicht mehr mit geistiger und artistischer Revolution, sondern lieber mit Konkurrenz, Neid und Missgunst. Außerdem muss der Schriftsteller heute viel mehr arbeiten, natürlich auf der Schreibmaschine, was im Kaffeehaus doch nicht gut möglich ist. Trotzdem gibt es noch immer eine Anzahl von mir ebenso beneideter wie bedauerter Autoren, die ihre Nachmittage und Abende im Kaffeehaus verbringen. Nicht mehr im CAFÉ CENTRAL in der Herrengasse, das zwar, schon wegen seiner Fülle an Zeitungen, noch immer der Treffpunkt von geistigen Menschen aller Art ist und das Rendezvous der besten Schachspieler. Aber aus dem Rotundensaal ist die Literatur fast völlig verschwunden. Nur das Bild Peter Altenbergs hängt noch an der Wand und sucht elegischen Blicks die Gestalten Egon Friedells und Alfred Polgars. Das Wiener Literaturcafé ist jetzt gegenüber im HERRENHOF. Vorn sitzen die gewöhnlichen Menschen, die nur lesen, aber nicht schreiben können und sich’s nicht einmal einbilden, im Souterrain tanzt die Charlestonjugend aller Altersklassen. Die Herren Dichter und Autoren aber sitzen ganz für sich, an einem langen Tisch, manchmal auch der und jener abseits, wenn er gerade mit einem oder mehreren bös ist, was hier oft vorkommt. Gestatten Sie, dass ich vorstelle: die Wiener Literatur.