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Buch III
Ba Yi

Dieses Buch handelt hauptsächlich von den Riten und Zeremonien, die bei der Regierung in Ausübung kommen. Da es viele historische Beziehungen hat, ist die Durcharbeitung des Stoffes nicht immer leicht. Umgekehrt gibt es dem aufmerksamen Beobachter vielen Stoff für die richtige Einordnung Kungs in den historischen Verlauf des chinesischen Geisteslebens. Der in dem Buch wiederholt ausgesprochene Gedanke ist, daß alle äußere Form nur dann Sinn hat, wenn ihr ein adäquater Inhalt zur Seite steht. So müssen auch alle Riten und Religionsbräuche Ausfluß der entsprechenden religiösen Gesinnung sein, wenn sie Wert haben sollen. Im übrigen wenden sich die einzelnen Abschnitte gegen Luxus, Anmaßung und Überfeinerung der Zeit und weisen auf die Einfachheit und Strenge des Altertums als Vorbild.

1. Usurpatorenbrauch. I: Acht Reihen

Meister Kung1 sagte von dem Freiherrn Gi, in dessen Haustempel acht Reihen (von Tempeldienern) die heiligen Handlungen ausführten: »Wenn man das hingehen lassen kann, was kann man dann nicht hingehen lassen?«


Die Familie Gi, ein dem Fürstenhaus von Lu verwandtes Geschlecht, hatte bei den Ahnenopfern in ihrem Familientempel zur Ausführung der Zeremonien acht Reihen von Tempeldienern in Gebrauch, eine Zahl, die nur dem Kaiser selbst zustand. Kung machte darauf aufmerksam, daß darin eine so starke Anmaßung liege, daß, wenn der Fürst das hingehen lasse, er auch auf alle möglichen Konsequenzen auf politischem Gebiet gefaßt sein müsse.

2. Usurpatorenbrauch. II: Yung-Ode

Die drei Familien ließen unter den Klängen der Yung-Ode2 (die Opfergeräte) abräumen. Der Meister sprach: » ›Die Vasallen dienen, der Sohn des Himmels schaut würdevoll darein.‹ Welchen Sinn haben diese Worte in der Halle der drei Familien?«


Ebenso hatten die drei vornehmen Familien Gi, Mong, Schu Sun es eingeführt, daß unter den Klängen des Feiergesangs, mit dem der Begründer der Dschoudynastie, König Wu, seinem Vater König Wen opferte, bei ihren Ahnenopfern die Opfergeräte abgeräumt wurden. Kung machte auf das Lächerliche dieser Anmaßung aufmerksam, da in diesem Feiergesang vom Himmelssohn und den Vasallen die Rede ist, die bei den Opfern der Beamten eines Kleinstaats natürlich leere Fiktion waren.

3. Religion und Kunst ohne Sittlichkeit

Der Meister sprach: »Ein Mensch ohne Menschenliebe, was hilft dem die Form? Ein Mensch ohne Menschenliebe, was hilft dem die Musik?«


Wo der rechte Geist der Sittlichkeit fehlt, da helfen alle religiösen Formen und alle frommen Lieder nichts. (Denn Religion und Musik sind nur zu verstehen als äußerer Ausdruck einer inneren Herzensverfassung und sind für sich allein nur leere Schale).

4. Das Wesen der Formen

Lin Fang fragte nach der Wurzel der Formen. Der Meister sprach: »Ja, das ist eine wichtige Frage. Bei den Formen des Verkehrs ist wertvoller als Prunk die Einfachheit. Bei Trauerfällen ist wertvoller als Leichtigkeit die Trauer.«


Ein sonst unbekannter Mann aus Lu, namens Lin Fang, fragte, was den Regeln für den sozialen Verkehr eigentlich für ein Prinzip zugrunde liege. Der Meister antwortete: »Das ist eine überaus wichtige Frage, für deren Beantwortung als Fingerzeig der Umstand dienen mag, daß man diesem Prinzip näher steht, wenn man sich bei festlichen Veranstaltungen in den Grenzen der Sparsamkeit hält, als wenn man es auf möglichsten Prunk anlegt, und ebenso, wenn man bei Todesfällen sich vom Schmerz überwältigen läßt, als wenn man die Sache zu leicht nimmt.«3

5. Die Barbaren und das Reich

Der Meister sprach: »Der Zustand der Barbarenstaaten, die ihre Fürsten haben, ist nicht wie der Zustand unseres großen Reiches, das keine hat.«


Die wilden Stämme im Osten und Norden gehorchen ihren Häuptlingen und haben Sinn für Autorität; sie gleichen in diesem Stück nicht unserem herrlichen großen Reich, in dem alle Autorität vernichtet ist.4

6. Man kann die Gottheit nicht betrügen

Freiherr Gi opferte dem Taischan, und der Meister sagte zu Jan Yu und sprach: »Kannst du ihn nicht davor bewahren?« Er erwiderte: »Ich kann es nicht.« Der Meister sprach: »Ach, in eurem Reden vom Taischan gleicht ihr nicht Lin Fang.«


Der (obengenannte) Freiherr Gi kam einmal auch auf den Gedanken, dem Geist des Berges Taischan ein prächtiges Opfer darzubringen. Kung sagte, als er davon hörte, zu seinem Schüler Jan Yu, der Hausbeamter im Dienst jener Familie war: »Kannst du ihn nicht vor dieser Geschmacklosigkeit bewahren?« Der Schüler verneinte es. Da sprach Kung: »Ihr seid in euren Ansichten von dem Geist des Taischan noch nicht einmal so weit wie Lin Fang5 [der nach dem Sinn, der solchen Feierlichkeiten zugrunde liegt, mich gefragt hat].«

7. Der Gebildete und die Konkurrenz: Bogenschießen

Der Meister sprach: »Der Edle kennt keinen Streit. Oder ist es beim Bogenschießen vielleicht notwendig? Da läßt er mit einer Verbeugung dem andern den Vortritt beim Hinaufsteigen. Er steigt wieder herab und läßt ihn trinken. Er bleibt auch im Streit ein Edler.«


Ein gebildeter Mann hält sich von allen Konkurrenzstreitigkeiten fern. Man könnte höchstens das Wettschießen anführen, wo es ohne Konkurrenz nicht abgeht. Aber auch da läßt er sich von keiner Leidenschaftlichkeit hinreißen. Er macht seinem Gegner eine Verbeugung und läßt ihm den Vortritt auf den Schießstand. Nachdem er geschossen, tritt er ebenso höflich wieder zurück und läßt den besiegten Gegner den Becher leeren. So zeigt er sich auch beim Wettstreit als Gebildeter.6

8. Die Form das letzte: Über das Liederbuch

Dsï Hia fragte und sprach: »Was bedeutet die Stelle:

Ihres schelmischen Lächelns Grübchen,

Ihrer schönen Augen Blinken

Macht schlichtes Weiß zur schönsten Zier?«

Der Meister sprach: »Beim Malen setzt man zuletzt die weißen Stellen auf.« Der Schüler sprach: »Also sind die Formen des Benehmens das letzte.« Da sprach der Meister: »Wer mir behilflich ist (meine Gedanken herauszubringen), das ist Schang. Mit dem kann man anfangen über die Lieder zu reden.«


Der Jünger Dsï Hia fragte einst den Meister über den Sinn der Stelle aus einem alten Lied, wo von einer fürstlichen Braut die Rede ist, die im einfachen Reisekleid ihrem Bräutigam entgegenfährt, deren Schönheit aber so lebhaft wirkt, daß sie in ihrem einfachen weißen Kleid so bezaubernd aussieht, wie andre in gestickten Festgewändern. Der Meister antwortete darauf: »Beim Bemalen der Festgewänder setzt man ja auch zuletzt die weißen Umrisslinien auf.« Der Schüler dachte einen Augenblick nach und sagte: »Das bedeutete also, aufs moralische Gebiet übertragen, daß die äußere Form das letzte ist, das dem Charakter den letzten, höchsten Schliff der Vollkommenheit gibt.« Da sprach der Meister erfreut: »Du gibst mir da einen guten Gedanken, mein Freund, mit dir kann man sich mit Gewinn über die Lieder unterhalten.«7

9. Verfall der Kenntnis des Altertums

Der Meister sprach: »Die Riten der Hiadynastie könnte ich beschreiben, aber die Gi sind nicht imstande, meine Worte zu bestätigen. Die Riten der Yindynastie könnte ich beschreiben, aber die Sung sind nicht imstande, meine Worte zu bestätigen. Der Grund dafür ist, daß ihre literarischen Urkunden und Gelehrten nicht mehr auf der Höhe sind. Wenn sie auf der Höhe wären, so könnte ich mich auf sie berufen.«8

 

Kung schloss sich in seinen Anschauungen hauptsächlich an die staatlichen Einrichtungen der Dschoudynastie an, während er die beiden vorhergehenden Dynastien Hia und Yin (Schang) nicht so sehr berücksichtigte. Den Grund für dieses Verhalten gab er an, indem er sprach: »Ich persönlich bin wohl imstande, mir eine Anschauung von den staatlichen Einrichtungen der Hia- und Yindynastie zu bilden. Aber die Nachkommen der Hiadynastie, die heute noch in dem kleinen Fürstentum Gi sitzen, sind nicht imstande, wirkliche Beweise für meine Anschauungen zu liefern. Ebenso lassen sich die Einrichtungen der Yindynastie nicht durch deren Nachkommen in Sung urkundlich belegen. Der Grund für diesen Mangel an historischer Dokumentation ist, daß die literarischen Urkunden und die Gelehrten nicht auf der Höhe sind. So bleibt alles subjektiven Vermutungen überlassen, während ich meine Behauptungen belegen könnte, wenn die historischen Monumente in Ordnung wären.«

10. Das große Opfer in Lu

Der Meister sprach: »Beim großen Opfer (für den Ahn der Dynastie) mag ich vom Ausgießen der Libation an nicht mehr zusehen.«


Der Meister sprach: »Wenn man in Lu das große Opfer für den Ahn der Dynastie darbringt, so mag ich vom Ausgießen der Libation an, wodurch der Geist, dem geopfert wird, veranlasst wird, herabzukommen, nicht mehr zusehen (denn das Unwürdige der Form verletzt mich).«

11. Die geheimnisvolle Bedeutung des großen Opfers für die Regierung

Es fragte jemand nach der Bedeutung des großen Opfers (für den Ahn der Dynastie). Der Meister sprach: »Weiß nicht. Wer davon die Bedeutung wüßte, der wäre imstande, die Welt zu regieren, – so leicht wie hierher zu sehen!« Dabei deutete er auf seine flache Hand.


Es fragte jemand nach der Bedeutung des großen Opfers für den Ahn der Dynastie. Der Meister sprach: »Ich kenne die Bedeutung davon nicht. Wer imstande wäre, die ganze Bedeutung dieser heiligen Handlung zu erfassen, der hätte dadurch so tiefe Blicke in die geheimnisvolle Ordnung der Welt und die überirdischen Beziehungen ihrer Kräfte gewonnen, daß er die Welt regieren könnte mit einer Leichtigkeit als läge sie auf seiner flachen Hand ihm vor Augen.«9

12. Ernst im Verkehr mit den Überirdischen

Er opferte [den Ahnen] als in ihrer Gegenwart. Er opferte den Göttern als in ihrer Gegenwart. Der Meister sprach: »Wenn ich bei der Darbringung meines Opfers nicht anwesend bin, so ist es, als habe ich gar nicht geopfert.«


Man soll den Ahnen opfern andächtig als in ihrer Gegenwart. Man soll den Geistern der himmlischen und irdischen Naturordnungen opfern andächtig als in der Gegenwart dieser Geister. Mit Beziehung darauf hat der Meister das Wort gesprochen: »Wenn ich durch irgendeinen Umstand verhindert bin, mein Opfer persönlich darzubringen und mich durch einen andern vertreten lassen muß, so habe ich das Gefühl, als hätte ich gar nicht geopfert.«

13. Der Majordomus 10

Wang Sun Gia fragte und sprach: »Was ist der Sinn des Sprichworts: Man macht sich eher an den Herdgeist als an den Geist des inneren Hauses?« Der Meister sprach: »Nicht also; sondern wer gegen den Himmel sündigt, hat niemand, zu dem er beten kann.«


Der ehrgeizige Majordomus des Staates We wollte sich die Anerkennung Kungs erschleichen, indem er ihm ein Gleichnis vorlegte und sprach: »Wie kommt es doch, daß die Leute dem tätigen Herdgott viel eifriger mit Opfern dienen als dem in Dunkel wohnenden Hausgeist?« Allein Kung schnitt ihm das Wort ab mit dem Appell an sein Gewißen: »Nicht also! Weit über diesen Spitzfindigkeiten steht der Ernst des Lebens. Wer gegen Gott im Himmel sündigt, der hat niemand, zu dem er beten kann.«

14. Kulturfortschritt

Der Meister sprach: »Die Dschoudynastie sieht auf zwei Dynastien zurück. Ihre ganze Bildung ist daher verfeinert. Ich schließe mich der Dschoudynastie an.«


Der Meister sprach: »Die Gründer unserer gegenwärtigen Dynastie hatten bei Einrichtung ihrer staatlichen Ordnungen den Vorteil, daß sie sich die guten und üblen Erfahrungen der beiden vorangegangenen Dynastien zunutze machen konnten. Daher diese ausgedachte Verfeinerung in allen Ordnungen des Lebens. Das ist der Grund, warum ich mich in meinen Anschauungen der Dschoudynastie anschließe.«11

15. Gewissenhaftigkeit in der Religion

Als der Meister das königliche Heiligtum betrat, erkundigte er sich nach jeder einzelnen Verrichtung. Da sprach jemand: »Wer will behaupten, daß der Sohn des Mannes von Dsou die Religion kennt, da er sich beim Betreten des großen Tempels erst nach jeder einzelnen Verrichtung erkundigt?« Der Meister hörte es und sprach: »Das eben ist Religion.«


Als Kung das königliche Heiligtum betrat, in welchem dem Begründer des regierenden Hauses in Lu, dem berühmten Dschou Gung, mit königlichen Ehren geopfert wurde, erkundigte er sich beim Zeremonienmeister erst sorgfältig nach jeder einzelnen Verrichtung. Da sprach jemand: »Wer will nun noch behaupten, daß der junge Mensch da die Religion versteht, da er doch nach allem erst fragen muß?« Der Meister hörte es und sprach: »Gerade dadurch, daß ich mich über alles noch einmal vergewißere, beweise ich ja meine Religion.«12

16. Geschicklichkeit, nicht rohe Kraft. Die Zielscheibe

Der Meister sprach: »Beim Bogenschießen kommt es nicht darauf an, durch die Scheibe durchzuschießen, weil die Körperkraft der Menschen verschieden ist. So hielt man’s wenigstens in alter Zeit.«


Der Meister sprach: »Das Bogenschießen ist eine Übung in der Eleganz der Bewegung und in der Sicherheit der Hand. Deswegen kommt es nicht darauf an, daß man durch die Zielscheibe durchschießt. Denn man kann nicht verlangen, daß alle Leute über gleich große Körperkräfte verfügen. So wenigstens hielt man es in alter Zeit.«

17. Das Opferschaf

Dsï Gung wollte, daß das Opferschaf bei der Verkündigung des neuen Mondes abgeschafft würde. Der Meister sprach: »Mein lieber Sï, dir ist es leid um das Schaf, mir ist es leid um den Brauch.«


Der Jünger Dsï Gung wollte, daß das Opferschaf, das als kümmerlicher Rest der ursprünglich feierlichen Zeremonie der Verkündigung des neuen Monds noch übrig geblieben war, auch vollends abgeschafft würde. Der Meister aber wehrte dem und sprach: »Die materielle Ersparnis, die man durch die Beseitigung dieses Brauches erzielen würde, hebt den idealen Nachteil lange nicht auf, der dadurch entstünde, wenn mit dem äußeren Ausdruck im Opfer auch der Gedanke der religiösen Gebundenheit der menschlichen Ordnungen an die großen Naturordnungen verloren ginge.«

18. Verkannte Gewissenhaftigkeit im Fürstendienst

Der Meister sprach: »Wenn man heutzutage im Dienst des Fürsten alle Gerechtigkeit erfüllt, so halten es die Leute für Schmeichelei.«


Der Meister sprach: »Die Anmaßung der Vasallen und die Nichtachtung des Fürsten ist heutzutage so schlimm, daß, wenn man nicht in den allgemeinen Ton einstimmt, sondern dem Fürsten mit der Ehrerbietung begegnet, die ihm gebührt, man das allgemeine Mißtrauen auf sich zieht, als erstrebe man durch Kriecherei geheime Sondervorteile.«

19. Fürst und Beamte

Fürst Ding fragte, wie ein Fürst seine Beamten behandeln und wie die Beamten ihrem Fürsten dienen sollen. Meister13 Kung entgegnete und sprach: »Der Fürst behandle den Beamten wie es die Sitte verlangt, der Beamte diene dem Fürsten wie es sein Gewissen verlangt.«


Der Fürst Ding von Lu fragte den Meister Kung, wie sich die gegenseitigen Pflichten des Fürsten und seiner Beamten zueinander verhalten. Meister Kung sprach: »Die Hauptaufgabe bei der Regulierung des Verhältnisses fällt dem Fürsten zu. Er muß sich in dem Umgang mit seinen Beamten an die festen Regeln der Ressorts halten unter Fernhaltung aller persönlichen Nebenbeziehungen. Auf diese Weise wird er es erreichen, daß seine Beamten von niedriger Spekulation auf seine persönlichen Schwächen sich frei machen und sachliche Gewissenhaftigkeit den Dienst beherrscht.«

20. Maß im Ausdruck der Empfindung

Der Meister sprach: »Das Guan Dsü14 Lied ist fröhlich, ohne ausgelassen zu sein, ist sehnsuchtsvolI, ohne das Herz zu verwunden.«

21. Noli tangere

Fürst Ai erkundigte sich bei Dsai Wo über [die alten Bräuche in betreff des] Erdaltars. Dsai Wo erwiderte und sprach: »Die Herrscher aus dem Hause Hia pflanzten Föhren darum, die Leute der Yindynastie Zypressen, die Leute der Dschoudynastie aber Zitterpappeln15, wohl um die Untertanen zittern zu machen.« Der Meister hörte es und sprach: »Über Taten, die geschehen sind, ist es umsonst zu sprechen. Bei Taten, die ihren Lauf genommen haben, ist es umsonst zu mahnen; wollen wir, was vorüber ist, nicht tadeln.«16

22. Verschwendung und Anmaßung als Zeichen beschränkten Charakters (Guan Dschung)

Der Meister sprach: »Guan Dschung war doch im Grunde ein beschränkter Geist.« Jemand sprach: »War Guan Dschung zu einfach?« [DerMeister] sprach: »Guan hat sich den prächtigen San Gui Palast16a gebaut, und für jede einzelne Verrichtung hatte er einen besonderen Angestellten. Wie kann man da behaupten, daß er einfach war?« »Aber dann verstand sich Guan Dschung wohl besonders gut auf die Etikette?« [Der Meister] sprach: »Die Landesfürsten haben das Vorrecht, eine Schutzwand vor ihrem Palasttor zu errichten. Guan hatte dieselbe Schutzwand vor seinem Tor. Die Landesfürsten pflegen bei ihren Zusammenkünften besondere Kredenztische zu benutzen, Guan benutzte ebenfalls einen solchen Kredenztisch. Wenn Guan sich auf die Etikette verstand, wer versteht sich dann nicht auf Etikette?«

 

Der Meister sagte von dem Staatsmann Guan Dschung, der eine Generation zuvor dem Fürsten Huan von Tsi (dem Militärstaat nördlich von Lu) die Hegemonie in China verschafft hatte und dessen Verdienste er im übrigen voll anerkannte (vgl. Buch XIV, 17. 18), daß er trotz seiner staatsmännischen Erfolge in seiner Politik keine großen Gesichtspunkte gehabt habe, weshalb er auch nur die Hegemonie des Staates Tsi durchzusetzen vermochte, ohne die gesamten öffentlichen Zustände in China in Ordnung zu bringen.

Daß diese Beschränktheit ein Mangel an Genialität war und nicht etwa bewußter Verzicht auf zu großartige Projekte infolge weiser Selbstbeschränkung auf das Nächste, geht aus der verschwenderischen Pracht hervor, die er in seinem Privatleben zeigte, wo von keiner Selbsteinschränkung die Rede war. Ebensowenig kann man als den Grund für seine Beschränkung auf das Allernächste die Erwägung bezeichnen, daß er unter Berücksichtigung der Etikette dem nominell regierenden König der Dschoudynastie nicht zu nahe treten wollte; denn in seinem Privatleben ließ er sich verschiedene Anmaßungen königlicher Vorrechte im Gesellschaftsverkehr zuschulden kommen.

23. Der rechte Vortrag der Musik

Der Meister redete mit dem Musikmeister von Lu über Musik und sprach: »Man kann wissen, wie ein Musikstück ausgeführt werden muß. Beim Beginn muß es zusammenklingen. Bei der Durchführung müssen in harmonischer Weise die einzelnen Themen herausgehoben werden in fließendem Zusammenhang bis zum Ende.«

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