In dir bin ich stark

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KLAUS M. STEINERT

IN DIR BIN ICH STARK

52 WOCHENANDACHTEN


Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 9783865065803

© 2012 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

Titelfoto: fotolia

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

www.brendow-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Die Gerechtigkeit Gottes

Gelassenheit

Glaube hoch vier

Tod oder Leben

Krisensicherer Job

Risiko bitte

Solange die Erde steht

Wachet auf

Beten ist Handeln

Wertvolle Erfahrungen

Frieden mit Gott

Der Fischer

Eine amouröse Episode

Aus Minus wird Plus

Der Glaube auf dem Prüfstand

In Christus

Lobt Gott getrost mit Singen

Betet ohne Unterlass

Ist die Liebe die Größte?

Eine Brunnengeschichte

Gleichnis vom Sämann

Heiliger Geist

David und Goliath

Heilung

Konkrete Hilfe

Heiliges Esperanto

Paulus in Europa

Notwendigkeit

Seelenverkäufer

Eine Gottesbegegnung

Sehnsucht nach Gott

Zufall oder Vorsehung?

Nahe bei Jesus

Beim Geld hört die Freundschaft auf

Vom Tod ins Leben

Wann kommt das Reich Gottes?

Ich wünsche mir ...

Ich habe einen Traum

Lebensgesättigt

Wenn ich einmal reich wär’

Wer liebt, rechnet nicht

Humor

Vorurteile

Jeder Tag ist neu

Neue Kraft bekommen

Von den letzten Dingen

Das neue Jerusalem

Im Vorhof der Ewigkeit

Ein Leben des Glaubens, nicht des Schauens

Was hast du mit deinem Leben gemacht?

Weihnachten

Ich müsste

Vorwort

Im Laufe meiner Tätigkeit als Theologe und Autor habe ich viele Andachten verfasst. Mein Grundsatz bei diesem Teil meiner Tätigkeit war immer: Wie kann ich das Wort Gottes für andere ansprechend machen? So darf ich heute eine Auswahl von 52 Texten vorlegen, die auf dem Hintergrund meiner Übersetzertätigkeit, meinem Theologiestudium und der Arbeit in den unterschiedlichsten Berufen entstanden sind.

Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass ich auch selbst davon profitiere. Weil mich dies Gott und meine Umwelt bewusster wahrnehmen lässt. Ich schreibe dann, um mit meinen Texten und Reflexionen Menschen besser zu verstehen, klarer und strukturierter zu denken und Flüchtiges genauer zu erfassen.

Ich schreibe auch, weil ich mich über Prozess und Produkt freue. Gesehenes und Erlebtes betrachte und halte ich dann besser fest. Ich tue es auch, weil ich damit anderen etwas gebe oder eine Freude bereite.

Ich mag es besonders, beim Schreiben eine andere Perspektive einzunehmen. Eine Außenbetrachtung lässt mich wertfreier urteilen. Ich erlebe Worte und Bilder, tauche ein in andere Welten, bin nicht mehr auf den Raum meiner Wohnung beschränkt. Es erleichtert mich auch, meine Gedanken auf Papier gedruckt zu sehen. Ich kann sie dann loslassen und bleibe selbst zufrieden zurück.

In diesem Sinne wünsche ich eine segensreiche Lektüre meiner Texte.

Ihr Klaus M. Steinert

Die Gerechtigkeit Gottes

Bibeltext der Woche: Matthäus 2, 16 – 18

Nein, dieser Kindermord hat keine Schlagzeilen gemacht. Herodes hatte sich schon ganz andere Dinge erlaubt, und da kam es wirklich nicht auf 20 oder 30 Kinder an. Mehr werden es nicht gewesen sein. Bethlehem war ein kleines Nest. Und wie viele einbis zweijährige Kinder gab es da schon, noch dazu nur Jungen? Aber was sollen Zahlen? Ein einziges Kind hätte schon genügt. Herodes wird sich keine großen Gedanken gemacht haben. Die Tränen der Mütter sprechen eine andere Sprache und wiegen schwerer als alle Argumente. Herodes ist ein von Misstrauen zerfressener Mann, der jeden potenziellen oder vermeintlichen Machtrivalen sofort umbringen ließ und der auch vor seiner eigenen Familie nicht Halt machte. Der römische Kaiser Augustus meinte später: »Lieber ein Schwein sein als ein Sohn des Herodes.« Als Schwein hätte man mehr Chancen zu überleben.

Als Herodes 70 Jahre alt war und die Würmer anfingen, seinen Körper zu zerfressen, wusste er, dass er nicht mehr lange leben würde. Und er wusste auch, dass ihm niemand eine Träne nachweinen würde. Doch er hatte ja Macht. So ließ er kurzerhand einige angesehene Bürger Jerusalems aufgrund falscher Anklagen verhaften und ins Gefängnis werfen. Sie sollten in dem Augenblick seines eigenen Todes hingerichtet werden. Voller Grimm sagte er: »Ich weiß wohl, dass niemand meinen Tod beklagen wird. Aber ich werde dafür sorgen, dass die Bürger bei meinem Tod Tränen vergießen.« Viel hat sich nicht geändert im Laufe der Jahrhunderte. Wenn ich nur an die sogenannte Staatstrauer in Nordkorea denke.

Aber wenn wir Böses sehen wollen, brauchen wir nicht mit dem Finger auf die Herodesse unserer Zeit zu zeigen. Sind wir heute besser? Im Vergleich: Weihnachten zehn Euro für »Brot für die Welt« und Silvester 70 Euro für Feuerwerk am Himmel. Und was ist der Kindermord in Bethlehem im Vergleich zur legalen Abtreibung von ca. 135 000 Kindern im Mutterleib? Herodes ist nur ein Beispiel dafür, wozu Menschen fähig sind. Keiner sollte sich täuschen über das, was in ihm steckt. Der Nobelpreisträger William Golding schrieb: »Der Mensch erzeugt Böses wie die Biene Honig.«

 

Doch Gott hat einen anderen Plan für diese Erde und für die Menschen, die auf ihr leben. Und dieser Plan fängt mit Jesus an. Martin Luther gebraucht für ihn harte Worte: »Räuber, Mörder, Ehebrecher, Schurke, Gotteslästerer, einen größeren wird es auf Erden nie geben.« Jesus wurde die Sünde in Person. Das ist eine ärgerliche Sache. Jesus nicht als unschuldiges Baby, strahlender Held, humanistisches Vorbild edlen Handelns. Die Bibel sagt: »Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, zur Sünde gemacht.« In ihm ist alle Sünde der Menschheit konzentriert und dann hat Gott seinen Sohn für uns gerichtet.

Dadurch ist etwas Dramatisches möglich geworden, denn jetzt kommt Jesus und will in unser Leben. Wenn sich jemand an Jesus hängt, dann hat er das ewige Leben. Jesus ist Sieger. Ubi mors victoria tua, »Tod wo ist dein Sieg?« Jetzt zeigt auch unser Leben Spuren der Auferstehungswirklichkeit. Wenn Sie mit Jesus leben, hat das Auswirkungen für die anderen, vielleicht auch Auswirkungen für die ganze Welt. Siehe Paulus vor Damaskus. Der Verfolger wird Apostel. Franz von Assisi, der für die Aussätzigen vor den Toren der Stadt sorgt. Lord Shaftsbury trennt sich von Familie und Klasse und Karriere und schafft die Sklaverei ab und wird der erste große Sozialreformer der Neuzeit. Und, und, und …

Vielleicht ist die Wirkung in Ihrem Leben nicht in so großem Rahmen spürbar, aber vielleicht erleben Sie Auswirkungen in kleinem Rahmen. Dass Sie einer kaputten Ehe Jesus bringen dürfen. Dass Sie einem Alkoholiker von Jesus sagen können und seine Abhängigkeit aufhört. Dass Sie einem Unausstehlichen die Liebe von Jesus sagen dürfen und sein verkrusteter Hass aufbricht. Und dass Sie den Verzagten und Mutlosen, den Ängstlichen hinweisen dürfen auf Jesus, der wiederkommt und sein Reich aufbauen wird. Wer sich auf diesen Jesus einlässt, der wird erfahren, dass Jesus mit ihm eine Verwandlung beginnt. Manchmal groß, manchmal klein. Aber Jesus bleibt mit uns an der Arbeit.

Diese unglaublich gute Nachricht müssen die Menschen hören. All die Menschen dieser Zeit, all die Herodesse und Bösewichte dieser Welt. Sie mögen sich nennen, wie sie wollen.

Gelassenheit

Bibeltext der Woche: Matthäus 6, 34

12 Uhr mittags. Der Western-Klassiker. Will Kane alias Gary Cooper geht zum Duell. Ganz ruhig misst er die Schritte ab. Seine Hand zittert nicht, als er seinem Gegner gegenübertritt und die Waffen gezogen werden. Er ist gelassen, selbst angesichts des Todes. Gelassenheit in der Hollywood-Version. Das Urbild dafür stammt aus der Antike: Sokrates, zum Tode verurteilt, nimmt im Kreis seiner Freunde ohne Angst und gelassen den Schierlingsbecher.

Ist Gelassenheit eine christliche Tugend, so wie die Liebe oder die Geduld? Sie ist jedenfalls begehrt wie kaum ein anderer Wert. Gemeinsinn, Bescheidenheit oder auch Geduld haben es da schon schwerer, anerkannt zu werden. Ob Teenager, ob Managerin oder Großvater, alle schätzen sie gleichermaßen. So auch die Hausfrau. Gelassenheit kann sie körbeweise gebrauchen. Das fängt morgens an mit Kinderwecken und Frühstückmachen, die Großen in den Kindergarten bringen, Bürokram erledigen, Tagesplanung anfertigen, kochen, dann die Kinder wieder abholen, zum Mittagsschlaf hinlegen, und dann geht’s schon in den Nachmittag. Und am Ende des Tages braucht sie ganz besonders Gelassenheit.

Es gibt verschiedene Arten von Gelassenheit. Die erste erklärt mir Kevin. Er ist dreizehn: »Also, auf der einen Seite ist es cool sein, also die angesagten Klamotten tragen, die richtige Musik hören und dazu gehört auch zum Teil, nicht zeigen, dass man traurig ist oder dass man sich verletzt fühlt. Also, sich auch so’n bisschen verstecken.« Er nennt auch ein Vorbild dafür: James Bond. Dem verrutscht nie die Krawatte, der kann aus der dritten Explosion rauskommen, seine Haare sitzen immer noch und seine Gefühle zeigt er fast nie. Damit ist eine Art von Gelassenheit beschrieben, die tiefe Wurzeln in der abendländischen Tradition hat: Bei den Stoikern, der wichtigsten philosophischen Schule zur Zeit des Hellenismus, der späten Antike. Die Stoiker verbanden ihr sittliches Ideal mit Unerschütterlichkeit und Gleichmut. Der Mensch mit wahrhaft stoischer Ruhe versucht, seine Seele nicht ins Wanken zu bringen.

Aber schon Jugendliche, bei denen cool sein in bestimmten Phasen einfach dazugehört, wissen: Es muss noch etwas anderes geben. Damit kommen wir auf die zweite große abendländische Strömung zu sprechen. Sie geht zurück auf die deutschen Mystiker des Mittelalters, die ab dem 13. Jahrhundert wirkten. Sie sind die eigentlichen Erfinder des Wortes »Gelassenheit«. Meister Eckhart, der wohl Berühmteste unter ihnen, erwähnt es im 13. Jahrhundert zuerst. Die Mystiker meinten mit »gelassen sein« einen inneren Zustand. Zu ihm findet man durch eine bestimmte Frömmigkeit und Haltung gegenüber sich selbst, Gott und der Welt. Ihr Programm war, sich darin täglich zu üben. »Gehe aus dir selbst und lass dich.« Das Ich mit seiner Gier, seinem Klammern am Eigentum, den Wünschen, den Sorgen um die Zukunft wird gelassen, Gott gelassen. Dieses »sich Gott lassen« fällt zusammen mit der Vereinigung mit Gott, der sogenannten unio mystica.

Johannes Tauler, ein Schüler Meister Eckharts, sieht in Jesus das Ideal: Christus war vor allen Menschen der Allergelassenste. Doch stimmt das? War Jesus in jeder Hinsicht gelassen? Ich schaue mir an, wie Jesus geredet und gehandelt hat. Jesus hat sich ausgelassen gefreut und gefeiert mit Huren, mit Zollbeamten und Pharisäern. Gelassen in stoischer James-Bond-Manier war er nicht. Nach leid- und freudlosem Gleichmut hat er nicht gestrebt. Aber Jesus hat davon geredet, vor allem in der Bergpredigt, sich und sein Leben Gott zu überlassen. Mit Gott weiß Jesus sich eins. Jesus lebte im Vertrauen zu ihm.

Auch Gott selbst wird in der Bibel als leidenschaftlich und geduldig zugleich beschrieben. Der Grund, warum Gott beides ist, ist seine Liebe. Wer liebt, wirbt mit Leidenschaft um den anderen, ist zornig, wenn er sich abwendet, freut sich, wenn der andere umkehrt. Aber diese Leidenschaft Gottes ist nicht rücksichtslos. Ihre andere Seite ist die Geduld. Sie lässt den Menschen Zeit und Raum, lässt sie anders sein. Versucht sie nicht mit Gewalt zu überzeugen, sondern wirbt: durch anreden, locken, durch lieben. Diese Art Gottes ist ungeduldigen Menschen oft zu wenig, zu wenig machtvoll. Dietrich Bonhoeffer, Pfarrer und theologischer Lehrer, der wegen seines Widerstands gegen Hitler im April 1945 hingerichtet wurde, schreibt aus seiner Haft: Es gibt auch eine falsche Gelassenheit, die gar nicht christlich ist. Viele finden sich heute leider mit Zuständen ab, die geändert werden müssten.

Gegenüber der falschen Gelassenheit, die eher Gleichgültigkeit ist, streiche ich heraus, welche Art von Gelassenheit ich von Jesus lernen kann: Ich habe nicht alles selbst in der Hand, aber ich lege meine Hände auch nicht in den Schoß. Ich sehe die Dinge und Menschen in ihrer Eigenart und nehme sie an. Sie sind mehr als Material, mit dem ich etwas herstellen oder machen kann, sie haben ihr eigenes Sein und Recht. Ich kann Fremdes sein lassen, ohne mich aufzugeben. Unterschiede anerkennen, ohne mich zu verlieren. Gelassenheit ist nicht Nachgiebigkeit und Unentschlossenheit, sondern die Fähigkeit, den rechten Zeitpunkt abzuwarten und dann zu handeln.

Mein Bestes geben, ohne mich zu sehr zu ängstigen oder anzustrengen, das klingt nach einer gelassenen Lebensweise. Sie ist die Haltung, mit der wir das Leben, das Gott uns geschenkt hat, willkommen heißen und ergreifen.

Glaube hoch vier

Bibeltext der Woche: Matthäus 8, 5 – 13

Wir befinden uns in Palästina, während der Regierungszeit des römischen Kaisers Augustus. Palästina selbst hat in jener Zeit etwa eine ¾ Million Einwohner. Hier sind römische Soldaten stationiert, die diese Flanke des Römischen Reiches sichern, einmal gegen eine unruhige Bevölkerung, zum andern gegen die Parther. Nach dem Tode des Königs Herodes hatten die Römer dieses Gebiet unter seine drei Söhne aufgeteilt. Kapernaum, der Ort hier in unserer Geschichte, ist Grenz- und Zollstation und liegt im Machtbereich eines dieser Söhne von Herodes. Sein Vater Herodes hat den schrecklichen Kindermord von Bethlehem und den Mord an Johannes dem Täufer auf dem Gewissen. Er schreckte auch sonst vor keiner Bluttat zurück.

In unserer Geschichte nun hören wir von einem Hauptmann von Kapernaum, der, nach Lukas, den Juden sogar eine Synagoge gestiftet hat. Den Römern war an einer guten Beziehung zu dem einheimischen Adel und Klerus gelegen. Es verwundert auch nicht, wenn gerade einige von ihnen vom Judentum fasziniert waren, denn der Monotheismus (Glaube an einen Gott) und die strengen moralischen Sitten fanden bei vielen Heiden Anklang. Als Mann von Erfahrung war dem Hauptmann, bei aller Sympathie zum Judentum, sicherlich nicht das Hauptübel der religiösen Führer der damaligen Zeit entgangen: kleinliche Gesetzlichkeit. Die strenge, äußerliche Befolgung des Gesetzes führte zu manchen Absurditäten. So konnte man an einem Sabbat einen Stuhl über einen festen Boden schieben, nicht aber über einen lockeren, denn ein Same hätte sich in die zurückgelassene Spur verirren können, und dann hätte man am Sabbat gepflügt und gesät.

Der Hauptmann einer Besatzungsmacht kommt nun zu Jesus und bittet ihn um etwas. Dass der Hauptmann hier etwas für seinen Knecht erbittet, das nimmt ihm nichts von seiner Würde, im Gegenteil. Jetzt ist es wichtig zu wissen, dass es für einen gesetzestreuen Juden ein Ding der Unmöglichkeit war, in das Haus eines Heiden zu treten (und der Offizier war Heide). Im offiziellen Judentum wurden die Heiden wie die Pest gemieden.

Ich denke, dass der Hauptmann sich schon vorher Gedanken gemacht hatte. Er kannte, wie schon gesagt, die Einstellung der Leute, und vielleicht dachte er sich, wenn Jesus wirklich so helfen kann, wie manche sagen, dann genügt auch ein Wort von ihm. Seine Idee dabei ist durch seinen Soldatenberuf geformt. Wenn er einem Soldaten dies oder jenes sagt, dann geschieht das. Durch sein Feingefühl bekommt er nun ein schon fast einmaliges Kompliment im Neuen Testament: Jesus lobt seinen Glauben.

Jesu Worte zeigen aber auch, in welche Richtung sich der Mensch noch entwickeln kann. »Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis.« Ohne Zweifel hat Jesus mit dieser Aussage seine damaligen Zeitgenossen im Blick. Sie stellten sich nämlich vor, mit ihren Vätern (Abraham, Isaak und Jakob) an einem großen Festessen teilzunehmen. Jesus greift ihre Vorstellungen auf, leugnet aber ihren Sonderanspruch, weil sie sich nur auf ihre Tradition, nicht aber auf ihren Glauben berufen. Ist es nun zu gewagt zu behaupten, dass auch das sogenannte christliche Abendland in die Finsternis hinausgestoßen werden kann?

Während meines Theologiestudiums las ich in einer Semesterarbeit eines Kommilitonen über die Worte Jesu: »Wir finden auch heute in unserer Gemeinde einen Teil hauptsächlich älterer Menschen, der sehr fromm ist, jeden Tag in die Kirche geht und sich dabei sehr wohlfühlt, denn er tut damit ja seine christliche Pflicht. Es wird, wie es sich gehört, vielleicht bei jeder Mahlzeit gebetet und ein Prozentteil des Gehaltes auf ein Spendenkonto überwiesen:Alles Lorbeeren, auf denen sich gut ausruhen lässt.« Soweit aus seiner Arbeit.

Wo ist unser Glaube nur Heuchelei statt echter Nachfolge?

Dennoch finde ich, dass Jesu Worte »aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern« keine Drohworte sind. Seine Stimme ist eher traurig wegen der vielen Menschen, die da dem Abgrund so unabwendbar entgegenwanken. Jesus kennt die Macht der Verführung, die unser Herz ergreift. Er weiß um das bedrohliche Geheimnis des Teufels, der auch die moralisch Intakten, die Braven und Anständigen packt, und zwar in einer Art und Weise, von der die Betroffenen selbst oft kaum eine Ahnung haben. Der Teufel ist ein Meister der Listen und Täuschungen, nicht nur bestimmte Werbetricks heute können uns davon eine Ahnung vermitteln. Ja, er hat schon oft den Idealismus der Jugend und die guten Kräfte eines Volkes in den Abgrund geführt, obwohl er und seine Helfershelfer allen zunächst als Engel des Lichts erschienen.

 

Gott hat immer eine positive Absicht mit uns, auch in dem Ärgsten, das er an Gericht und Schrecken hier noch zulässt. Das Positivste und Beste, das ein Mensch tun kann, ist, dass er daran nicht verzweifelt, sondern vertraut. Dies tat auch der Hauptmann in unserer kleinen Geschichte. Erst hinterher erfuhr er von der Wende der Krankheit. Denn Gott kommt nie zu spät. Es scheint nur manchmal, als zögere und zaudere Gott. Er will dadurch nur unsern Glauben stärken.

Tod oder Leben

Bibeltext der Woche: Psalm 90, 12

Steve Jobs, der Gründer von Apple, hat vor seinem Tod eine vielbeachtete Rede vor Studenten gehalten. Er sagte: »Mir ins Gedächtnis zu rufen, dass ich bald sterbe, ist das wichtigste Hilfsmittel, um weitreichende Entscheidungen zu treffen. Fast alles – alle Erwartungen von außen, jegliche Art von Stolz, alle Angst vor Peinlichkeit oder Versagen – das alles fällt im Angesicht des Todes einfach ab. Nur das, was wirklich zählt, bleibt. Sich daran zu erinnern, dass man eines Tages sterben wird, ist in meinen Augen der beste Weg, um nicht zu denken, man hätte etwas zu verlieren. Man ist bereits nackt. Es gibt keinen Grund, nicht dem Ruf des Herzens zu folgen.«

Ich musste an Steve Jobs denken, als ich einen Pfarrer in ein Hospiz begleitete, eine stationäre Pflegeeinrichtung der Sterbebegleitung. Hier ist alles so ganz anders, als manche vermuten. Hier kannst du lernen, dass Tod und Leben zusammengehören. Der Leiter des Hauses sagt: »Im Hospiz wird gelebt bis zum letzten Moment. Wünsche aufschieben können wir hier nicht.« Das Hospiz ist, so widersinnig das klingen mag, ein Ort des Lebens, mit seinen schönen und mit seinen tragischen und dramatischen Seiten. Die Menschen hier brauchen Unterstützung und medizinische Versorgung. Ihre letzten Monate und Wochen verbringen sie, soweit sie es noch können, selbstbestimmt. Hier wird gelebt. Aber hier ist auch der Tod gegenwärtig. Vieles gelingt noch, vieles aber auch nicht mehr.

In der Küche, bei einer Tasse Kaffee, begegne ich einer älteren Frau. »Wissen Sie, ich habe meinen Mann lange zu Hause gepflegt. Aber es ging nicht mehr. Und wir sind beide froh, dass er jetzt hier ist.«

Sie sitzt mir gegenüber, die ältere Dame, dreht die Kaffeetasse unruhig in der Hand. Sie erinnert sich genau an den letzten Krankenhausaufenthalt ihres Mannes, an den Tag, als der Arzt sagte: »Wir können nichts mehr für Ihren Mann tun.« Sie ist verzweifelt angesichts des nahenden Todes, das spüre ich. Es sei alles so rasend schnell gegangen, erzählt sie weiter. Ihr Mann war bis dahin immer kerngesund. Sie erinnert sich an den Anfang der Krankheit. Erst klagte er über Schmerzen. Dann die Diagnose, Heilungsversuche, nun das Hospiz.

Ja, Leben kann schön sein, kann gelingen bis ins hohe Alter. Aber irgendwann kommt das Ende. Dem können wir nicht ausweichen. Doch als Christ weiß ich: Auch zuletzt besteht Hoffnung. Der Theologe Heinz Zahrnt schreibt: »In dem Augenblick, in dem der Mensch aufhört, sich zu sich und zur Welt verhalten zu können, verhält sich Gott weiterhin zu ihm. Wohin der Tod auch kommt, dort ist immer schon Gott. Und wo Gott ist, herrscht das Leben.«

Wenn ich der Frau vor mir doch etwas von dieser Zuversicht mitgeben könnte. Ich wünsche ihr so sehr, dass sie das glauben kann. Wir stehen auf, ich begleite sie an seine Zimmertür. »Es ist alles so furchtbar!«, schluchzt sie. Da hören wir aus dem Zimmer die Stimme ihres Mannes; sie klingt fest, fast fröhlich: »Nichts ist furchtbar!« Ein Moment, der in seiner Unerwartetheit Mut macht, selbst mitten im Dunkel.

Zurück zu uns. Wie gehen wir nun mit dem Wissen um unseren Tod um? Was können wir heute schon tun, um uns darauf vorzubereiten? Eine amerikanische Krankenschwester in der Palliativmedizin hat notiert, was Menschen im Sterben noch wichtig war. Fünf Wünsche hat sie besonders häufig gehört, für viele waren es leider unerfüllbare Wünsche, zu spät erkannt. Sie nennt sie »unerfüllbare Wünsche an die Vergangenheit«– Wünsche, die für viele von uns aber noch nicht zu spät sind:

1 Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, ein Leben getreu mir selbst zu führen, anstatt eines, das andere von mir erwarteten.

2 Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.

3 Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, meine Gefühle zu zeigen.

4 Ich wünschte, ich wäre mit meinen Freunden in Kontakt geblieben.

5 Ich wünschte, ich hätte mich glücklicher sein lassen.

»Herr, lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, auf dass ich klug werde.«