Das verborgene Netzwerk der Macht

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Das verborgene Netzwerk der Macht
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Klaus-Peter Horn / Regine Brick







Das verborgene Netzwerk der Macht





Systemische Aufstellung in Unternehmen und Organisationen





4. Auflage










Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme



Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de

 abrufbar.



E-Book-ISBN 978-3-86200-115-6



Lektorat: Dr. Sonja Klug, Bad Honnef



Umschlaggestaltung: + Malsy Kommunikation und



Gestaltung, Bremen



Umschlagmotiv: ZEFA Visual Media, Hamburg



4. Auflage 2010



© 2001 GABAL Verlag GmbH, Offenbach



Alle Rechte Vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.



© 2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach



Das E-Book basiert auf dem 2001 erschienenen Buchtitel „Das verborgene Netzwerk der Macht“ von Klaus-Peter Horn und Regine Brick, ©2001 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.



ISBN Buchausgabe: 978-3-89749-122-9



ISBN epub: 978-3-86200-917-6



www.gabal-verlag.de

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Inhalt



Vorwort

 von Otto Wassermann







Einführung











1. Das Unternehmenssystem – Ihr wichtigstes Betriebskapital









1.1 Das verborgene Führungssystem Ihres Unternehmens







1.2 Das Gewissen als systemischer Kompass







1.3 Die verborgenen Führungsleitlinien









2. Systemische Aufstellung – das Verborgene sichtbar machen









2.1 Entwicklung der Methode







2.2 Zwei Wege, ein Ziel: die Lösung







2.3 Wie funktioniert die systemische Aufstellung?







2.4 Wann ist die systemische Aufstellung für Sie nützlich?







2.5 Welche Kompetenzen braucht ein Aufstellungsleiter?









3. Systemische Aufstellung in der Praxis – Fallbeispiele









3.1

»Uns laufen die besten Leute davon!«







Der Vorstand eines mittelständischen Unternehmens kämpft mit Fluktuation und innerer Kündigung







3.2

»Ich bekomme hier kein Bein auf den Boden!«







Akzeptanzschwierigkeiten eines jungen Geschäftsführers bei seinen Mitarbeitern







3.3

»Was brauchen wir, um zusammenzuwachsen?«







Probleme in der Zusammenarbeit nach einer deutschfranzösischen Firmenfusion







3.4

»Ich möchte den Erfolg erreichen, den wir verdienen.«







Rote Zahlen in der zugekauften Sparte eines mittelständischen Familienunternehmens







3.5

»Wer ist hier der heimliche Chef?«







Eine Beraterin auf Irrwegen







3.6

»Wo geht es für mich lang?«







Eine erfolgreiche Führungskraft am Scheideweg









4. Was bringt Ihnen die systemische Aufstellung? – Fragen und Antworten aus Seminaren









4.1 Den Erfolgsschlüssel umdrehen – vom Problem zur Lösung







4.2 Ressourcen aktivieren – unternehmerisches und persönliches Wachstum







4.3 Viel mehr als nur dabei sein – Nutzen der teilnehmenden Beobachtung







4.4 Eine neue Zauberpille? – Kritische Fragen zur Aufstellungsmethode







4.5 Fragen von Teilnehmern eines Unternehmer-Symposiums









5. Systemisches Coaching – vom Makro- zum Mikrosystem









5.1 Wie Makro- und Mikrosystem ineinander greifen







5.2 Verborgenes Potenzial – die Harmonie der Gegensätze







5.3 Das verborgene Führungssystem Ihrer Persönlichkeit







5.4 Das innere Team managen







5.5 Den inneren Teamleiter trainieren – das bewusste Ich im Alltag









6. So können Sie jetzt beginnen, systemisches Know-how zu nutzen











Anhang









Literaturverzeichnis







Über die Autoren







Vorwort

von Otto Wassermann



In unserem Unternehmen wenden wir die in diesem Buch beschriebene Aufstellungsmethode seit Jahren mit Erfolg an.



Als Spezialisten für prozessorientierte Organisation gestalten wir seit mehr als 15 Jahren Abläufe in Industrieunternehmen und

Supply Chains

 mit unserer selbst entwickelten simulationsgestützten Software. Mit WAY simulieren wir die künftigen Auftragsund Materialdurchläufe: Wir

tun so

, als würde konstruiert, beschafft und produziert.



Durch Simulation Engpässe erkennen



Die Simulation identifiziert dabei die drohenden Engpässe, so dass wir sie beseitigen können, bevor sie zu Rückständen führen, Termine töten und Erträge fressen. Engpassfrei laufen dann Aufträge und Materialien wie auf der grünen Welle durch Unternehmen und

Supply Chains

.



Eine geniale Lösungsidee – aber so einfach und neu, dass sie häufig auf große Skepsis oder gar Ablehnung stößt!

»Simulation ist doch nicht Realität!« »Sie wollen im Ernst unsere komplexen Steuerungsprozesse mit Software abbilden?!« »Das kann doch unmöglich funktionieren!«



Kommunikationsrückstände abbauen



Mit diesen und anderen Reaktionen des Kopfschüttelns werden wir von unseren Neukunden immer wieder konfrontiert. Dr. Horn und sein Team helfen uns seit Jahren in systemisch orientierten Trainings, damit richtig umzugehen. Statt abwehrend

»Ja, aber«

 zu sagen und dagegenzuhalten, befähigt uns die Trainingsarbeit, das Interessensignal in dieser Reaktion zu erkennen. Das Eis ist dann bald gebrochen, und unsere Kunden verstehen nach einiger Zeit selbst nicht mehr, warum sie sich vorher nicht vorstellen konnten, dass es so einfach und gut geht! Auch sie lernen in diesem Prozess, Barrieren und Ängste abzubauen und team- und zielorientiert zusammenzuarbeiten. »Kommunikationsrückstände abbauen« nennen unsere Trainer das.



Trotzdem ging es mir anfangs ähnlich wie unseren Kunden, als Dr. Horn mir eines Tages sagte, er könne mit einer Art Simulation auch das menschliche Unternehmenssystem so einfach abbilden und harmonisieren, wie wir dies mit dem technischen Unternehmenssystem tun.

»Das kann nicht sein!«

, antwortete ich ihm.

»Es geht um Menschen mit ihrer ganzen Vielschichtigkeit!«

 Natürlich wertete er das als Interessensignal, und so saßen wir wenig später im Führungskreis zusammen, um diese neue Simulation kennen zu lernen.



Wir konfrontierten Dr. Horn mit einer aus unserer Sicht emotional völlig verfahrenen Kundensituation, die uns schon viele schlaflose Nächte bereitet hatte, und forderten ihn auf:

»Nun zeigen Sie mal, ob Sie das auf die Reihe bringen!«



Undurchsichtige Situationen durchschauen



Wir stellten die Situation mit Hilfe von Stellvertretern systemisch auf und waren verblüfft. Glasklar erkannte jeder, was da ablief. Diese völlig undurchsichtige Situation lag plötzlich vor uns wie ein offenes Buch! Jedem Einzelnen in unserem Führungskreis fiel es wie Schuppen von den Augen: Wir sahen, worin das Problem bestand und was die Lösung war. Aber die eigentliche Überraschung wartete noch auf uns: Es dauerte keine drei Monate, bis sich exakt diejenige Lösung, die sich in der Aufstellung gezeigt hatte, tatsächlich realisierte!

 



Warum

 Aufstellungen funktionieren, verstehen wir immer noch nicht genau. Auch den systemischen Experten geht es damit nicht anders. Aber

dass

 sie funktionieren und zu Lösungen führen, konnten wir überprüfen.



Heute arbeiten wir mit Dr. Horn und seinen Partnern erfolgreich für unsere Kunden zusammen – als Spezialisten für Unternehmenssysteme, wir auf technischer und sie auf zwischenmenschlicher Ebene.



Damit Sie den größtmöglichen Nutzen aus diesem Buch ziehen, betrachten auch Sie Ihre eigenen Einwände einfach als Interessensignal! Sie werden durch viele wertvolle Anregungen, die Ihnen gelegentlich wie Zauberei erscheinen mögen, reich belohnt.





Otto Wassermann







Vorstandsvorsitzender der Wassermann AG







Einführung



Kennen Sie die Bedeutung der richtigen Mannschaftsaufstellung im Fußball? Wissen Sie, wie wichtig Netzwerkbeziehungen für den Markterfolg eines Unternehmens sein können? Wenn ja, sind Ihnen bereits einige wichtige Grundprinzipien, um die es in diesem Buch geht, geläufig.



Gut aufgestellt



»Gut aufgestellt« nennt man heute Unternehmen mit starker Marktposition ebenso wie Führungskräfte, die

gekonntes Beziehungsmanagement

 betreiben. Hinter dieser Redensart verbirgt sich mehr als eine Modeerscheinung. Sie spiegelt ein Wissen um die Bedeutung von Netzwerkkonstellationen für den Erfolg oder Misserfolg unseres Handelns wider. Weil dieses Wissen unbewusst ist, wird es bislang allerdings noch wenig genutzt. Damit fehlt ein wichtiges Navigationsinstrument, denn die Konstellationen, in die wir im Wirtschaftsleben eingebunden sind, sind keineswegs zufällig. Vielmehr unterliegen diese zwischenmenschlichen Systeme, die wir als

Teams, Abteilungen, Unternehmen

 und

Märkte

 kennen, bestimmten Gesetzen, von deren Beachtung oder Missachtung ihr Erfolg maßgeblich abhängt.





Mit der systemischen Aufstellungsmethode steht uns jetzt ein Werkzeug zur Verfügung, das komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen auf einfache Weise abbilden kann. In weit verzweigten Netzwerken ebenso wie in überschaubaren Teams hilft sie darüber hinaus, Verwicklungen zu entwirren und Ressourcen in Hindernissen zu erkennen.





Mehr innere Demokratie



Aber wie jede neue Entwicklung ist auch diese mit einer Zumutung verbunden. Worin besteht sie? Sie verlangt von Ihnen, mehr »innere Demokratie« zu wagen! Um von dieser Methode zu profitieren, müssen Sie Ihren logischen, rationalen Verstand als Alleinherrscher über Erkenntniswege, Problemlösungen und Innovation entthronen. Im Wirtschaftsleben macht der Verzicht auf überlebte Monopole für den Transport von Information und Energie vieles farbiger und attraktiver. Ebenso eröffnet auch der Verzicht auf das Monopol linear-analytischer Methoden in der Unternehmensführung und -beratung neue Wege. Er ergänzt das Potenzial logischen Denkens und digitaler Analyse um das verborgene Wissen und die versteckte Information, die im ganzen Organisationssystem bereits vorhanden sind.



Ähnlich wie das Internet eine Flut von Informationen zu konkreten Fragen enthält, gibt es auch in zwischenmenschlichen Systemen eine Art

unsichtbares Informationsfeld

. Und ähnlich wie wir die im World Wide Web kursierenden Informationen nur nutzen können, wenn wir uns einwählen, wird auch das Wissen eines Organisationssystems erst durch ein bestimmtes Prozedere zugänglich. Für die »Einwahl« ins zwischenmenschliche System kommt allerdings, hier einmal ganz gegen den Zeittrend, ein analoges Verfahren zum Einsatz: die Sprache symbolischer Bilder.



Um sie zu lesen, benötigen wir einen Hochleistungsprozessor der besonderen Art: die emotionale Intelligenz der rechten Gehirnhälfte. Denn die konzentrierte Information über Unternehmenssysteme ist in unbewussten Bildern gespeichert, die mit einem genial einfachen Verfahren – der Aufstellungsmethode – sichtbar werden. Diese Bilder haben den großen Vorteil, dass jeder sie sofort versteht. Komplexe Situationen und Probleme, die logischanalytisch außerordentlich schwierig und langwierig nachvollziehbar wären, sind quasi im Mausklicktempo klar.



Unternehmenskultur



Das Gut, um das es geht, ist weder zählbar noch beliebig vermehrbar. Aber es entscheidet über Erfolg und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Einige seiner aktuellen Bezeichnungen lauten »Humankapital« und »Unternehmenskultur«. Was macht Unternehmenskultur zu einem solchen Kernthema? Sie ist der Klebstoff, der das ganze komplexe Gefüge zusammenhält. Zugehörigkeitsgefühl und Loyalität der Mitarbeiter sind wichtige Komponenten dieses Klebstoffs. Unter Belastung zeigt sich, ob er bindet oder ob tragende Pfeiler der Struktur wegbrechen.



Wenn eine Unternehmenskultur bindet und trägt, wird das nirgends deutlicher sichtbar als an der Schnittstelle zwischen Organisation und Individuum. Sie ist die Weiche, an der sich entscheidet, ob der Zug weiter zu seinem Ziel durchfahren kann oder ins Abstellgleis umgeleitet wird. Die »weichen Faktoren« werden in ihrer enormen Bedeutung erst in unserem Informationszeitalter erkannt.



So erklärte beispielsweise der Lufthansa Bereichsvorstand Thomas Sattelberger kürzlich

»Humankapital«

 zum

»eigentlichen betriebswirtschaftlichen Engpass«

 (in:

Managementberater

 1 / 2000, S. 27 ff).



Die Zukunft gehört den Netzwerken, global ebenso wie regional.



Der Erfolg eines Unternehmens hängt davon ab, wie harmonisch sein Organisationssystem arbeitet und welchen Platz es in den komplexen Netzwerken des Marktes findet – und davon, ob die Unternehmensführer die Gesetze menschlicher Systeme verstehen und respektieren.



Denn nicht nur die richtigen Mitarbeiter sind »Humankapital«, sondern auch die richtigen Chefs! Entscheider müssen auf systemischen Ausgleich achten, wenn sie ein stabiles Gleichgewicht erreichen möchten. Das gilt für mittelständische Familienunternehmen ebenso wie für multinationale Konzerne.



Systemisches Aufstellen und Coachen: die neue Problemlösung …



Die hier vorgestellten Verfahren eröffnen einen Zugang zum Netzwerkwissen eines Unternehmens. Deshalb könnten Systemaufstellung und systemisches Coaching sich zu

den

 Problemlösungsmethoden der Zukunft entwickeln. Ausnahmsweise sind sie nicht, wie die meisten Managementmodelle und Trainingsansätze, ein Exportschlager Amerikas. Vielmehr handelt es sich um ein Novum, dessen Wellen sich von Deutschland in die Welt ausbreiten. Erste wissenschaftliche Forschungen bestätigen die positiven Erfahrungen, die verschiedene renommierte Unternehmen bereits mit der Aufstellungsmethode sammeln konnten.

*



… für Organisationssysteme in der Wirtschaft



Obwohl die Aufstellungsmethode zunehmend in den Blickpunkt öffentlichen Interesses rückt, mangelt es bisher an Beschreibungen für Anwender im Wirtschaftsleben. Wir möchten mit diesem Buch dazu beitragen, den Nutzen dieses neuen Ansatzes für Unternehmen transparenter zu machen; das Buch ist für die Praxis geschrieben. Sie können von den hier dargestellten Fallbeispielen profitieren, gleich ob es beispielsweise um strategische Unternehmensentscheidungen, Teamentwicklung oder persönliche Ziele geht.





An welcher Stelle im Unternehmen Sie auch stehen – die Anwendung systemischer Prinzipien kann Ihnen zu mehr Einsicht in Probleme oder Entscheidungsfragen verhelfen und neue Perspektiven in der Organisationsentwicklung eröffnen.





Als Trainer und Berater haben wir in den vergangenen 18 Jahren mit unseren Kunden, Unternehmen aller Größen und Branchen sowie mit Einzelpersonen an ihren Fragen, Problemen, Zielen und Visionen gearbeitet. Die innovative Methode der systemischen Aufstellung, um die es in diesem Buch geht, integrieren wir heute als ein wichtiges Werkzeug ins Spektrum unserer Kompetenzen. Mit ihrer Hilfe konnten wir schon vielen Kunden helfen, verzwickte Situationen zu lösen, Ziele zu klären, Perspektiven zu entwickeln und auch dort Lösungen zu finden, wo wir mit den klassischen Werkzeugen von Training und Coaching allein nicht hätten weiterkommen können. Nichts ist so erfolgreich wie eine Methode, deren Zeit gekommen ist! Trotzdem bedarf sie manchmal der Ergänzung durch andere Verfahren, besonders wenn es um die Implementierung von Lösungen im Alltag geht. Auch für diesen erfolgsentscheidenden Transfer vom Makrosystem ins Mikrosystem stellen wir Ihnen in diesem Buch einen wirkungsvollen Ansatz vor. Was erwartet Sie nun in den einzelnen Kapiteln?



Übersicht über den Inhalt des Buches



Im ersten Kapitel erfahren Sie, welche verborgenen Mechanismen ein Unternehmen steuern. Wie sich die Methode der Systemaufstellung entwickelt hat und wie sie konkret funktioniert, lesen Sie im

Kapitel 2

. Beispiele von Aufstellungen, die wir mit unseren Kunden durchgeführt haben, erlauben Ihnen, in die Praxis hineinzuschnuppern. Sie sind im dritten Kapitel dokumentiert. In unseren Seminaren und Vorträgen werden wir immer wieder mit interessanten Fragen zur systemischen Arbeit konfrontiert. Vielleicht haben Sie sich einige dieser Fragen auch schon gestellt. Eine Auswahl häufiger Fragen samt unseren Antworten können Sie im

Kapitel 4

 nachlesen. Weil Lösungen nur von einzelnen Menschen praktisch umgesetzt werden können, ist die Schnittstelle zwischen Makrosystem (Unternehmen) und Mikrosystem (Persönlichkeit) von großer Bedeutung. Unseren Ansatz zum systemischen Makro-Mikro-Coaching finden Sie im fünften Kapitel. Den Abschluss bildet in

Kapitel 6

 eine Checkliste, mit der Sie sofort beginnen können, systemische Prinzipien auf Ihr Unternehmen anzuwenden.



*

 So die empirische Studie einer Münchener Fachhochschule mit 156 Führungskräften in 16 Industrieunternehmen. Siehe: Franz Ruppert: »Aufstellen von Arbeitsbeziehungen in Wirtschaftsunternehmen. Erfahrungen und Ergebnisse empirischer Untersuchungen.« In: Weber (Hg.), 2000.







1. Das Unternehmenssystem – Ihr wichtigstes Betriebskapital

1.1 Das verborgene Führungssystem Ihres Unternehmens



Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile



Es ist ein großer Irrtum zu glauben, Sie als Unternehmer führten Ihr Unternehmen allein. Auch wenn Sie als Manager oder Mitarbeiter der Meinung sind, Ihr Chef oder der Vorstand gäbe die Richtung vor, übersehen Sie etwas Entscheidendes. Denn tatsächlich führen

alle gemeinsam

 das Unternehmen – allerdings weder nach dem beliebten Unternehmer-Motto »Alle in einem Boot« noch im Sinne eines »volkseigenen Betriebs« der SowjetÄra.



Am Erfolg oder Misserfolg sind nicht nur Unternehmensangehörige beteiligt. Es gehören noch andere dazu – beispielsweise die Kunden, die Aktionäre, die Konsumenten, die Mitbewerber, eventuell ausländische Tochtergesellschaften. Sie bilden

netzwerkartig

 ein mächtiges Ganzes, das mehr ist als die Summe seiner Teile.



Das Ganze funktioniert als ein

lebendiges System

, dessen eigene Dynamik konsequent und oft entgegen den Entscheidungen der Unternehmensführer Ergebnisse bewirkt – zum Guten wie zum Schlechten.



Wie kann das sein? Was den einzelnen Menschen angeht, ist uns klar, dass jeder seine blinden Flecken hat, also bisweilen unbewusst agiert und reagiert. Spätestens seit Sigmund Freud ist es eine allgemein akzeptierte Tatsache, dass das Unbewusste unser Handeln, Denken und Fühlen stark mitbestimmt. Manche vergleichen sogar unser bewusstes Handeln und Denken mit einer Nussschale, das Unbewusste aber mit dem Meer. Solange das Meer still ist, glaubt der Nussschalenkapitän, er habe alles unter Kontrolle.



Auch Unternehmen haben ein Unbewusstes



Aber nicht nur einzelne Menschen, sondern auch menschliche Systeme – wie Familien, Organisationen und Unternehmen – sind maßgeblich durch das Unbewusste gesteuert. Diese Erkenntnis veranlasste Martin Buber zu seinem berühmten Ausspruch, das Unbewusste sei nicht

in

, sondern

zwischen

 den Menschen. Mit diesem zwischenmenschlichen Unbewussten sind nicht nur die massenpsychologischen Phänomene gemeint, die wir immer wieder in Fußballstadien, bei Popkonzerten und auf Wahlkampfveranstaltungen beobachten können. Vielmehr bildet das Unbewusste in unseren Unternehmen, Abteilungen und Teams eine unsichtbare und sehr machtvolle Struktur, die nach eigenen Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien funktioniert. Daher spricht man von einem »System« und seinen »systemischen« Gesetzen.

 








In einem System sind alle miteinander verbunden



Was ist ein System?



Was ist nun ein »System«? Einfach gesagt, ist ein System eine Anzahl von Elementen, die miteinander in ständiger Wechselbeziehung stehen. Jede Veränderung an einem Element bewirkt gleichzeitig Veränderungen an allen übrigen Elementen. Das gilt zwar nicht für alle technischen Systeme, aber für lebendige Systeme, also auch für Menschen, ihre Organisationen und Unternehmen.



Wenn also in einem Unternehmenssystem alles mit allem in ständiger Wechselbeziehung steht, müssen wir uns von einer lieb gewordenen Gewohnheit lösen: dem Ursache-Wirkung-Denken.



In den Netzwerken lebendiger Systeme erfolgt nicht immer zuerst die Ursache und dann die Wirkung. Es kann auch eine Wirkung eintreten, deren Ursache wir nicht finden.



Denn diese Wirkung kann aus einer Ursache resultieren, die gleichzeitig, aber für uns unsichtbar, an anderer Stelle auftritt und selbst Wirkung einer dritten Ursache ist. Von der guten alten Kausalkette kommen wir also zu einem zirkulären Bild, in dem Ereignisse synchron an verschiedenen Orten auftreten und zu Ergebnissen führen.








Systemische Wechselwirkung



Die Suche nach dem Schuldigen bringt nichts



Die vielerorts immer noch beliebte Suche nach Verantwortlichen oder Schuldigen an einer Misere greift einfach deshalb zu kurz, weil sie das Problem nicht löst. Denn in systemischer Betrachtungsweise muss der »Schuldige« eben durchaus nicht der Verursacher sein, sondern könnte ebenso gut als ein Symptomträger des Systems fungieren. In dem Fall wäre sein »schuldhaftes« Verhalten eine Auswirkung verborgener systemischer Zusammenhänge. Den »Schuldigen« zu feuern wäre also eine »Lösung«, die nach dem Muster funktioniert:

»Wenn die rote Öl-Warnlampe während der Fahrt aufleuchtet, bitte die Glühbirne entfernen und weiterfahren!«



Wie systemische Wechselwirkungen funktionieren, veranschaulicht der Organisationsberater Grochowiak am Beispiel eines Froschteichs:



»Denken wir etwa an einen Teich und betrachten die Populationsdichte der dort ansässigen Frösche. Sie wird genau in dem Maße wachsen, in dem für die Frösche ausreichend Nahrung vorhanden ist. Nimmt die Zahl der Frösche nun in Folge des reichen Nahrungsangebotes zu, so verringert sich die zur Verfügung stehende Menge an Nahrung, was in der Folge eine Verringerung der Froschpopulation nach sich zieht. Ist nun die Zahl der Frösche auf ein niedrigeres Niveau gesunken, wird sich das Nahrungsangebot wieder vergrößern, so dass die Zahl der Frösche wieder wachsen kann – und der Kreislauf kann von neuem einsetzen«

 (Grochowiak/ Castella/ Klein S. 13).



Das Offensichtliche ist am schwersten zu sehen



Es bliebe noch anzumerken, dass Frösche mitunter ein Problem haben, unter dem auch wir Menschen leiden können: Sie erkennen ihre Nahrung nicht immer! So kann ein Frosch eine Fliege nur erkennen und fangen, wenn sie fliegt. Sitzt sie aber still neben ihm, bleibt sie unbehelligt. Daher könnte ein Frosch, umgeben von den schönsten Fliegen, verhungern, wenn diese nur bewegungsfaul genug sind. Wir tun also gut daran, am Beispiel der Frösche zu lernen, die Lösung nicht zu übersehen, die unmittelbar vor unserer Nase sitzt. Genau dies aber fällt bekanntlich besonders schwer: das Offensichtliche zu erkennen!



Systemische Abbildung statt analytischer Beschreibung …



Für die Lösung komplexer systemischer Probleme müssen Unternehmensführer und Berater ihre Wahrnehmungsgewohnheiten ändern und sich von linearen, kausalen Beschreibungen und Erklärungen lösen. Hier hilft die Aufstellungsmethode, klassische Beratungsansätze zu ergänzen, indem sie ein Unternehmen nicht analytisch beschreibt, sondern systemisch abbildet.



Mit ihrer Hilfe können Sie auf einfache Weise einen Überblick über eine Ist-Situation erhalten. Erfolgsblockierende Spannungen, die etwa zwischen Produktion und Vertrieb oder Geschäftsleitung und einer Auslandstochter entstehen, werden sofort sichtbar. Sie erkennen, ob die Positionierung einer Abteilung oder Person im Gesamtunternehmen richtig ist bzw. in welche Richtung sie verändert werden müsste, damit das Ganze besser funktioniert.



… lässt Problemlösungen offensichtlich werden



»So einfach kann es doch nicht sein!«

, entgegnen uns manche Kunden, wenn ihnen systemische Zusammenhänge klar werden.

»Dann hätten wir ja jahrelang viel Geld und Zeit investiert, ohne das Problem wirklich zu lösen!«

 Solch eine Erkenntnis ist schmerzhaft und auch in anderen Bereichen bekannt. So sind heute beispielsweise in der Logistiksteuerung einfache, preiswerte Softwarelösungen möglich, wo früher hoher Aufwand mit oft unbefriedigendem Erfolg betrieben wurde. Aber die »Macht der Gewohnheit« bewirkt, dass Unternehmen manchmal jahrelang zögern, eine solche Lösung zu akzeptieren. Oft tun sie das nicht aufgrund wirtschaftlicher oder technischer Bedenken. Vielmehr scheinen auch innovative Manager bisweilen durch eine merkwürdige Scheu vor dem Neuen befangen zu sein.



Warum werden Menschen, die ihre Risikofreude und ihren unternehmerischen Geist vielfach unter Beweis gestellt haben, plötzlich zu Bedenkenträgern? Sie folgen einem Instinkt, einem »Bauchgefühl«, das sich auf die Auswirkungen einer Umstrukturierung im systemischen Ganzen des Unternehmens bezieht. Denn so sehr innovative Software auch technische Abläufe erleichtern mag, so fatal kann die Auswirkung ihrer Einführung auf der zwischenmenschlichen, systemischen Ebene sein. Um solche Turbulenzen zu vermeiden, sollte eine wichtige Restrukturierungsmaßnahme deshalb immer von einem systemischen Check begleitet werden. Befürworter einer neuen Technologie oder verkürzter Entscheidungswege verzweifeln manchmal an der Halbherzigkeit, mit der eine Neuerung eingeführt wird. Weil sie die Situation nur linear und analytisch betrachten, übersehen sie aber die erfolgsentscheidende systemische Ebene.



Die systemische Ebene ist erfolgsentscheidend



Es ist natürlich wichtig, ein Unternehmen

technologisch

 zu optimieren. Die »Musik« aber spielt woanders. Denn auch im IT-Zeitalter sind Unternehmen

menschliche

 Gebilde und funktionieren, wie alle zwischenmenschlichen Systeme, einfach, folgerichtig und konsequent – ähnlich wie ein biologischer Organismus. Auch unsere Körper sind komplexe organische Systeme, die unter anderem bestimmte Arten von Nahrung, ein bestimmtes Maß an Bewegung und eine bestimmte Menge an Flüssigkeit benötigen und auf Zivilisationsgifte, besonders in Verbindung mit Stress, gereizt antworten. Wer die systemischen Gesetze seines Körpers kennt und berücksichtigt, hat es, wie wir alle wissen, bedeutend leichter als jemand, der sich über sie hinwegsetzt. Ähnlich verhält es sich mit unseren zwischenmenschlichen Systemen. Auch hier haben wir eine Wahl: Wir können uns bemühen, ihre Gesetzmäßigkeiten zu verstehen und zu befolgen – oder sie um kurzfristiger Vorteile willen missachten –, und die Folgen später ausbaden.



Menschliche Systeme arbeiten nach machtvollen unbewussten Gesetzen



Auch im »Organismus Unternehmen«, im Unternehmenssystem also, gibt es ein verborgenes Wissen darüber, was nützt und was schadet. Dieses Wissen gehört nicht einem Einzelnen und beruht nicht auf Expertenanalyse. Vielmehr ist es in einer Art

Informationsfeld

 vorhanden. Was dieses Informationsfeld genau ist und wie es funktioniert, ist noch nicht vollständig erforscht. Trotzdem können wir bereits von seinen Wirkungen profitieren. Es ist ähnlich wie beim Internet: Auch wenn Sie nicht wissen, was genau das Internet ist und wie es funktioniert, können Sie es bereits nutzen, wenn Ihnen jemand erklärt, was Sie tun müssen, um sich einzuwählen. Sie können dann eine Flut von Informationen jederzeit, von jedem Ort aus, abrufen.



Mit systemischer